Nr. 119 Ministerrat, Wien, 12. September 1848 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll fehlt; VS.Vorsitz Wessenberg; BdE.Bestätigung der Einsicht 13. 9. und anw.anwesend Latour, Krauß (keine BdE.Bestätigung der Einsicht), Bach, Hornbostel, Schwarzer, Wessenberg; abw.abwesend Doblhoff; BdE.Bestätigung der Einsicht Franz Karl (20. 9.).
MRZ. 2134 – KZ. –
Protokoll der Sitzung des Ministerrates vom 12. September 1848 abends unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten etc. Freiherrn v. Wessenberg.
I. Liquidierung des von August Swoboda gegründeten Aktienvereins
Gegenstand der Beratung war der von August Swoboda gegründete Privatanleihenverein1 und die aus Anlaß der für dessen Aktien verlangte, jedoch vom Ministerium des Inneren verweigerte Garantie2 heute bei diesem Ministerium stattgehabten tumultuarischen Auftritte, wobei selbst die persönliche Sicherheit des Ministers des Inneren bedroht war3. Dieser letztere hatte bereits im Laufe des Tages zwei Kundmachungen erlassen, in deren einer die Zusammensetzung einer Kommission zugesichert wurde, die sich mit der Liquidierung rücksichtlich teilweisen Einlösung der vom Vereine ausgegebenen Aktien, sohin aber mit der Frage beschäftigen sollte, unter welchen Bedingungen und Vorsichten der fernere Bestand dieses Vereins gestattet werden könne4.
Mitglieder dieser Kommission, aus dem Gemeinderate der Stadt Wien gewählt, wohnten der Sitzung des Ministerrates bei, um über die Modalitäten der Einlösung dieser Aktien zu beraten.
Im Laufe der Beratung ward der Gründer des Vereins samt mehreren Mitgliedern desselben angemeldet und vorgelassen. Es wurde denselben über die Veranlassung der heutigen Ruhestörung die Erinnerung gemacht, ferner die Unhaltbarkeit ihres eines ordentlichen Fonds entbehrenden Unternehmens vorgestellt und, nachdem sie ihre Schuldlosigkeit rücksichtlich der stattgehabten Exzesse beteuert, durch Mitbringung ihrer Bücher und Vormerkungen Auskunft über ihre Gestion gegeben und den beiliegenden Ausweis überreicht hatten, wornach der Nominalbetrag der bis inklusive 11. September 1848 ausgegebenen Aktien mit 72.320 fr. erscheint, ihnen des Versprechen, von nun an keine Aktien mehr auszugeben, mit der Zusicherung abgenommen, daß mit der Liquidierung der ausgegebenen Aktien im Sinne der eingangs gedachten Kundmachung werde vorgegangen und wegen Erreichung des vom Vereine beabsichtigten Zwecks, Unterstützung dürftiger Gewerbsleute, in anderem Wege von Seite der Staatsverwaltung werde vorgesorgt werden.
|| S. 624 PDF || Nach dem Abtreten der Vereinsmitglieder schritt man zur weitern Beratung des Gegenstands und vereinigte sich vorläufig in nachstehenden Beschlüssen:
1. Der Fortbestand des Swobodaschen Aktienvereins sei, als für die öffentliche Ruhe und den Kredit bedenklich, nicht mehr zu gestatten; 2. daher die weitere Ausgabe der Aktien desselben sogleich einzustellen; 3. die Liquidierung der bis 11. September bereits ausgegebenen Aktien am 13. September im Heiligenkreuzer Hofe um 10 Uhr vormittags in der Art von der obgedachten Kommission zu beginnen, daß an diesem Tage die Aktien zu 10 fr. von Nr. 1–1000 und insofern die Inhaber derselben zugleich Aktien zu 100 fr. besitzen, auch diese, am zweiten Tage die Nummern von 1001 bis 2000 und so fort unter denselben Modalitäten, endlich zuletzt die Aktien zu 100 fr., soweit sie nicht unter obigen begriffen sind, werden liquidiert werden, wobei die Kommission ermächtigt würde, den Besitzern der Aktien, d.i. nämlich den ursprünglichen Empfängern derselben, gegen Einziehung derselben und Einlegung von Schuldscheinen ein Fünftel des Betrages zu erfolgen, auf welchen die Aktien lauten. 4. Zur Erreichung des vom Vereine beabsichtigten Zwecks, Unterstützung unbemittelter Gewerbsleute durch Vorschüsse, wobei zunächst diejenigen zu berücksichtigen kämen, welche sich bereits um Aktien beim Verein gemeldet haben, einen Teil derjenigen Mittel zu verwenden, welche bereits von Seite der Staatsverwaltung zu einem ähnlichen Zwecke, nämlich Unterstützung der Gewerbtreibenden mit Geld oder Arbeit, in der Summe von 500.000 fr. bestimmt worden sind. Diese Beschlüsse sollten nach dem Antrage des Finanzministers, mittelst zweier Kundmachungen sogleich zur Kenntnis des Publikums gebracht werden.
Allein, damit es nicht den Anschein gewinne, als habe das Ministerium sich dieselben, insonderheit jenen sub 4. durch die heutigen Demonstrationen abzwingen lassen, und nachdem gemeldet worden war, daß der Reichstagsabgeordnete Scherzer die Volksmenge mit der Versicherung zu beruhigen versucht habe, das Ministerium oder der Reichstag werde in dieser Sache etwas tun müssen, wurde über Antrag des Ministers der öffentlichen Arbeiten beschlossen, diese Angelegenheit in der morgigen Reichstagssitzung durch den Handels- und Finanzminister besprechen5, sofort nach dem Resultate der Besprechung die weitere Kundmachung folgen zu lassen, und sich vorderhand auf die Erlassung einer, bloß die Beschlüsse sub 2 und 3 umfassenden Kundmachung zu beschränken, welche durch die in der Kundmachung des Ministers des Inneren vom 12. enthaltene Zusicherung einer teilweisen Einlösung der Aktien unausweichlich geworden ist6.
|| S. 625 PDF || Bezüglich der Herstellung der Ruhe waren die umfassendsten Anordnungen getroffen worden; insbesondere wurde auf dem Judenplatze, wo die größte Zusammenrottung stattgefunden hatte, das Gesetz gegen Zusammenrottungen publiziert, und durch Mithilfe der Nationalgarde dieser Platz sowie die weitere Umgebung bis gegen 11 Uhr völlig geräumt7.
Wien, 13. September 1848.
Anhergelangt den 19. September 1848. Ges. 20. September. Franz Karl. Vidi.