Nr. 34 Ministerrat, Wien, 11. Mai 1848 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend: Sommaruga, Krauß, Latour, Doblhoff, Baumgartner, Lebzeltern interimistischer Leiter des Außenministeriums
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Ransonnet; VS.Vorsitz Pillersdorf; anw.anwesend Sommaruga, Krauß, Latour, Doblhoff, Baumgartner, Lebzeltern (interimistischer Leiter des Außenministeriums); BdE.Bestätigung der Einsicht Pillersdorf (12. 5.), Franz Karl (13. 5.).
MRZ. 652 et 653 – KZ. –
- I. Wichtigste Grundsätze für den Reichstag
- II. Freilassung italienischer Geiseln aus Kufstein; Abberufung Graf Clemens Brandis
- III. Patent zur Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung in Niederösterreich
- IV. Administrative Teilung Galiziens
- V. Landtagswahlgesetz für Mähren
- VI. Künftige Einrichtung des Finanzministeriums
- VII. Besetzung der Stelle des Nationalbankgouverneurs
- VIII. Neue Strafgesetzgebung
- IX. Aufstellung des Bundeskontingents für Deutschland
- X. Entsendung Carl v. Hummelauers nach England
- XI. Abberufung Graf Colloredos aus Frankfurt
Protokoll der Ministerratssitzung am 11. Mai 1848 unter dem Vorsitze des interimistischen Ministerpräsidenten, zugleich Ministers des Inneren Freiherrn v. Pillersdorf.
I. Wichtigste Grundsätze für den Reichstag
Der Minister des Inneren eröffnete die Sitzung mit der Verteilung eines Programmes über einige der wichtigsten Gegenstände, worüber dem ersten Reichstage Gesetzesvorschläge vorzulegen sein werden1. Es wurde beschlossen, daß jeder Minister dieses Programm durch die zu seinem Ressort gehörigen Gesetzesvorschläge ergänzen werde, damit man dergestalt einen Überblick der für den Reichstag bestimmten legislativen Arbeiten gewinne2.
II. Freilassung italienischer Geiseln aus Kufstein; Abberufung Graf Clemens Brandis
Der Minister des Inneren eröffnete, er habe aus den ihm von Sr. kaiserlichen Hoheit dem durchlauchtigsten Herrn Erzherzog Johann und vom Tiroler Gouverneur Grafen Brandis zugekommenen Mitteilungen3 ersehen, daß der an den letzteren ergangene Auftrag wegen Freilassung der zu Kufstein in Gewahrsam befindlichen Geiseln4 auf Verfügung des durchlauchtigsten Erzherzogs Johann nicht in Vollzug gebracht worden sei, weil Höchstderselbe von dieser Maßregel einen ungünstigen Eindruck sowohl auf die Bewohner Tirols als auf die k. k. Armee in Italien besorgt, welche diese Geiseln mit sich geführt hatte5.
Baron Pillersdorf hat nun bereits Sr. kaiserlichen Hoheit bemerklich gemacht, daß der Allerhöchstenorts sanktionierte Beschluß des Ministerrates wegen Entlassung der Geiseln umso mehr unwiderruflich sei, als er bereits im amtlichen Teil der Wiener Zeitung angekündigt und als ein Beweis der versöhnlichen Absichten der k. k. Regierung bezeichnet worden ist6; zugleich wurden Se. kaiserliche Hoheit gebeten, den Vollzug || S. 200 PDF || der diesfalls an Graf Brandis vom Ministerium erlassenen Aufträge nicht weiter zu beirren.
Der Minister des Inneren glaubte jedoch, daß gegenwärtig auch noch an Graf Brandis ein kategorischer Auftrag zur Entlassung der fraglichen Geiseln und zu deren Absendung an die ihnen angewiesenen Aufenthaltsorte (Salzburg, Linz und Wien) unter Androhung der Suspension zu erlassen wäre, damit die Regierung aus dem falschen Lichte komme, worin sie durch die verlängerte Gefangenschaft der Geiseln versetzt wird.
Sämtliche Minister vereinigten sich mit diesem Antrage, zumal die Vollmachten Sr. kaiserlichen Hoheit des Erzherzogs Johann, welche sich bloß auf die Defension des Landes Tirol erstrecken, Höchstdemselben kein Recht einräumen, Beschlüsse des Ministerrates in ihrem Vollzuge zu sistieren7.
Bei diesem Anlasse wurde vom Freiherrn v. Doblhoff , unter Beistimmung der übrigen Minister, zur Sprache gebracht, daß sich immer mehr herausstelle, wie dem Grafen Brandis der Gouverneursposten in Tirol, wo er auch die öffentliche Stimme gegen sich hat, nicht wohl länger anvertraut bleiben könne. Baron Pillersdorf erklärte auch sofort, er behalte sich vor, wegen der Wahl eines geeigneten Nachfolgers für diese Dienstesstelle einen Vorschlag au. zu erstatten8.
III. Patent zur Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung in Niederösterreich
Der Minister des Inneren eröffnete, der niederösterreichische ständische Ausschuß habe ihm angezeigt, daß die Provinz Niederösterreich sich in einem äußerst bedenklichen Zustande von Unruhe und Gesetzlosigkeit befinde9. Die Urbarialschuldigkeiten werden nicht mehr geleistet, die Untertanen erlauben sich ganz ungescheut Eingriffe in das obrigkeitliche Jagdrecht und den Blumensuch; Mißtrauen und Aufregung verbreiten sich auf dem Lande immer mehr, und da die Obrigkeiten faktisch Ansehen und Einfluß verloren haben, so werden mancherlei Frevel ganz ungestraft geübt. Der ständische Ausschuß verspreche sich in dieser höchst bedenklichen Lage die beste Wirkung von der Erlassung eines Ah. Patents, welches in Tone ernster, ruhiger Ermahnung dem Landvolke die Erfüllung seiner Pflichten zu Gemüt führe. Zirkularien der Kreisämter oder höherer Behörden würden keinen Eindruck machen, und alles komme hier darauf an, daß Se. Majestät Allerhöchstselbst zu den Untertanen sprächen. Nachdem Baron Pillersdorf den vom ständischen Ausschusse vorgelegten Entwurf10 vorgelesen hatte, erklärte sich der Ministerrat sowohl mit Erlassung eines solchen Patents, als auch mit dem Inhalte des Entwurfes im wesentlichen einverstanden. Es wurde jedoch über Antrag des Agrikultur- und Handelsministers beschlossen, den Entwurf vorläufig einer Kürzung und dann auch noch einer Modifikation in der Richtung zu unterziehen, damit die zahlreichen Untertanen, namentlich der Viertel || S. 201 PDF || Ober dem Wienerwald und Unter dem Wienerwald, welche sich bisher weder Urbarialrenitenz noch sonstige Übergriffe erlaubt haben, nicht durch eine zu allgemein ausgesprochene Rüge der Gesetzlosigkeit etc. verletzt werden.
Baron Doblhoff wird die entsprechenden Modifikationen vornehmen, und den Entwurf in der nächsten Ministerratssitzung wieder in Vortrag bringen11.
IV. Administrative Teilung Galiziens
Der Minister des Inneren brachte zur Kenntnis, daß Graf Franz Stadion durch einen Mann seines Vertrauens auf außerämtlichem Wege die Anfrage gestellt habe, ob der Ministerrat geneigt wäre, auf eine administrative Teilung des Landes Galizien in zwei nach der Sprachgrenze geteilte Hälften einzugehen. Bei dieser Teilung würde Ostgalizien die ruthenischen Landesteile, Westgalizien diejenigen Kreise begreifen, in welcher die polnische und deutsche Bevölkerung vorherrscht. Jeder Teil würde sein Gubernium erhalten, über beide stünde ein Gouverneur. Die ganze Maßregel müßte in der kürzesten Zeitfrist durchgeführt werden, wenn die sofort zu erstattenden Organisierungsanträge des Grafen Stadion die Ah. Genehmigung erhielten12.
Der Agrikultur- und Handelsminister äußerte, sich für diesen, vom Minister des Inneren bevorworteten Antrag des Grafen Stadion nicht aussprechen zu können, da er besorge, daß diese Trennung Galiziens wegen ihrer politischen Bedeutung im Lande selbst und auch bei den Regierungen Englands und Frankreichs den übelsten Eindruck hervorbringen und Feindseligkeiten zwischen der polnischen, dann der ruthenischen und deutschen Nation, wie in Posen, hervorrufen werde.
Hierauf wurde von dem Finanzminister mit Berufung auf seine unmittelbare Bekanntschaft mit den Zuständen Galiziens entgegnet, er sei völlig überzeugt, daß sobald man dieser administrativen Maßregel nicht einen politischen Anstrich und die Tendenz einer Schwächung der polnischen Nationalität gibt, dieselbe im Lande sehr gut werde aufgenommen werden. Jedermann in Galizien fühlt die Nachteile der zu großen Ausdehnung der Provinz und der abseitigen Lage Lembergs. Die Bewohner der westlichen Kreise, zumal die Bürger Krakaus, haben die triftigsten Gründe zu wünschen, daß in dieser letzteren Stadt ein Gubernium errichtet werde. Der Wunsch danach ist in Krakau selbst laut ausgesprochen worden. Die Vorgänge in Posen13 waren nicht die Folge der administrativen Trennung der Nationalitäten, sondern eines schon früher aufs höchste gestiegenen Spannung, welche unter der „nationalen Regierung“ zum blutigen Ausbruche kam. Baron Lebzeltern gab die Versicherung, daß von Frankreich und England keine Einsprüche gegen die in Rede stehende Maßregel zu besorgen sind.
|| S. 202 PDF || Der Ministerrat beschloß unter diesen Umständen, den Grafen Stadion zur Erstattung seiner Anträge wegen einer rein administrativen Trennung der Provinz Galizien zu ermächtigen14.
V. Landtagswahlgesetz für Mähren
Der Minister des Inneren las dem Ministerrat den Entwurf der mährischen Stände über die Modalitäten der Wahl in den dortigen verstärkten Provinziallandtag15 und bemerkte, daß gegen diesen Wahlmodus umso weniger etwas zu erinnern sein dürfte, als derselbe mit dem für den böhmischen Landtag bereits Allerhöchstenorts genehmigten Wahlverfahren16 im wesentlichen übereinstimme.
Bei diesem Anlasse wurde auch zur Kenntnis des Ministerrates gebracht, daß die böhmischen Stände in der Absicht, auch den unadeligen Besitzern landtäflicher Güter eine Vertretung im Provinziallandtage zu verschaffen, um die Ermächtigung gebeten haben, zwanzig Deputierte dieser Klasse von Gutsbesitzern in die ständische Versammlung aufnehmen zu dürfen, welche dadurch auf die Zahl von 333 Deputierten anwachsen würde17.
Der Ministerrat beschloß, über Antrag des Freiherrn v. Pillersdorf, daß den böhmischen Ständen über ihre Anträge die Zustimmung im Wege der Landespräsidien zu eröffnen wäre18.
VI. Künftige Einrichtung des Finanzministeriums
Der Finanzminister überreichte gemäß Ah. Kabinettschreibens vom 20. März 1848 19 seinen au. Vortrag wegen der künftigen Einrichtung des Finanzministeriums20 || S. 203 PDF || mit Rücksicht auf den durch die Bildung der Ministerien für den Handel und die öffentlichen Arbeiten21 beschränkten Umfang seiner Amtstätigkeit und auf den Zuwachs der Geschäfte der Verwaltung der direkten Steuern.
Der Ministerrat vereinigte sich mit sämtlichen, im oberwähnten Vortrage gestellten au. Organisierunganträgen22.
VII. Besetzung der Stelle des Nationalbankgouverneurs
Hierauf brachte der Finanzminister die Notwendigkeit der Wiederbesetzung der durch das Ableben des Ritters v. Breyer erledigten Bankgouverneursstelle in Anregung. Baron Lederer habe zwar seit v. Breyers Erkrankung die Leitung der österreichischen Nationalbank wieder übernommen23, aber dies sei nur ein Provisorium im Drange des Augenblickes gewesen, und wenn bereits im verflossenen Jahre die Enthebung des Freiherrn v. Lederer mit Rücksicht auf sein vorgerücktes Alter und seine Schwerhörigkeit nötig befunden und Ah. angeordnet wurde24, so scheine dies im gegenwärtigen Zeitpunkte umso mehr angezeigt.
Zum Bankgouverneur glaube Baron Krauß, mit Berufung auf die im gleichzeitig überreichten Vortrag25 enthaltene näheren Motivierung den Vizepräsidenten der allgemeinen Hofkammer, Mayer v. Gravenegg26, vorschlagen zu sollen, der noch rüstig und tätig sei und bei dem veränderten Organismus des Finanzministeriums disponibel würde. Woferne Ew. Majestät demselben seine bisherigen Genüsse ohne Erhöhung zu belassen geruhen, würde diese in dienstlicher Beziehung sehr wünschenswerte Ernennung mit keinem Mehraufwande verbunden sein. Dem Freiherrn v. Lederer dürfte bei seiner dermaligen Enthebung das Ah. Wohlgefallen über die bewiesene Hingebung für den Dienst zu erkennen gegeben werden.
Diesen Anträgen wurde einstimmig beigepflichtet27.
VIII. Neue Strafgesetzgebung
Der Justizminister äußerte, daß es sehr wünschenswert wäre, mehrere vielseitig erkannte Unvollkommenheiten im Strafgesetze und Strafverfahren schon jetzt provisorisch zu beseitigen, bevor der Reichstag darüber einen definitiven Beschluß faßt28, indem die Abhilfe in manchen Punkten dringend sei und von der öffentlichen Meinung laut begehrt werde. Baron Sommaruga habe den Gegenstand wiederholt einer Komiteeberatung unterziehen lassen, und so sei man zum Beschlusse gekommen: a) daß die körperliche Züchtigung – sei es nun als Strafe, als Strafverschärfung oder als Disziplinarstrafe den Inquisiten, welche Unwahrheiten vorbringen oder hartnäckig schweigen || S. 204 PDF || oder sich wahnsinnig stellen – nicht mehr in Anwendung zu bringen wäre. Diese Verfügung würde sowohl den Forderungen der Humanität als dem erklärten Wunsche der Gerichtsstellen selbst entsprechen; b) daß Hausdurchsuchungen bloß über Beschluß des Kriminalrichters (bei organisierten Gerichten des Gremiums) über schriftlichen Auftrag und durch Organe des Gerichts stattzufinden hätten. Auf diese Weise werde jeder willkürlichen Behelligung durch die polizeilichen Organe gesteuert und das Strafgesetz mit den konstitutionellen Rechten der Staatsbürger in Einklang gebracht; c) daß es von den ohnehin selten verhängten Strafen der öffentlichen Ausstellung und Brandmarkung als zweckwidrig und den gegenwärtigen Begriffen nicht mehr entsprechend abzukommen hätte; d) daß bei Verbrechen, wo keine größere Strafe als einjähriger Kerker vorgeschrieben ist, die Untersuchung auf freiem Fuße geführt werde, sofern daraus kein Nachteil für das Untersuchungsgeschäft erwachse, damit ein noch keines Verbrechens überführter Staatsbürger nicht ohne Not in die Inquisitionshaft gebracht werde, welche seinem Rufe und seinem Erwerbe in der Regel äußerst nachteilig ist und einen oft unverschuldeten und unersetzlichen Verlust der Freiheit begründet; e) daß in jenen Fällen, wo die längste gesetzliche Strafdauer nicht mehr als sechs Monate beträgt, die Vorlegung des Urteiles an das Obergericht nicht einzutreten hätte, weil dies für die in Untersuchungsarrest befindlichen Individuen eine Wochen, ja mehrere Monate dauernde Verlängerung des Verlustes ihrer Freiheit zur Folge hat, welche mit der geringen Strafdauer, um welche es sich handelt – oft nur ein paar Tage – im schreiendsten Mißverhältnis steht.
Die mehreren Stimme des Ministerrates erklärten sich mit der provisorischen Einführung der hier von a) bis e) bezeichneten Verbesserungen einverstanden. Der Finanzminister Baron Krauß hielt es jedoch für nicht unbedenklich, so wesentliche Veränderungen in unserer Strafgesetzgebung, wie die völlige Abstellung der körperlichen Züchtigung, wenn auch nur provisorisch ohne reifste Erwägung und Beratung zu treffen. Auch die angetragene Beschränkung des Hausdurchsuchungsrechtes dürfte den Verbrechern wesentlich erleichtern, die Entdeckung ihrer Tat oder Komplizität zu vereiteln. Man dürfe über den Schutz, welchen der eines Verbrechens bloß Verdächtige verdient, auch nicht den Schutz der bürgerlichen Gesellschaft gegen die Verbrecher selbst außer Augen lassen29.
IX. Aufstellung des Bundeskontingents für Deutschland
Der Kriegsminister überreichte einen Vortrag vom 10. l. M. 30, worin er äußert, daß wohl demnächst die Aufstellung des ganzen deutschen Bundeskontingents per 92.000 Mann werde von Österreich in Anspruch genommen werden, und man sich dazu eiligst rüsten müsse. 20.000 Mann seien bereits in Böhmen zusammengezogen, und um die fehlenden 72.000 zusammenzubringen, erübrige nichts, als die Zusammenberufung der zweitem Landwehrbataillons, der Bildung der 35 Reservedivisionen, || S. 205 PDF || dann 24 Kavalleriereserveeskadronen, der 10 Jägerbataillons-Depotkompanien und einer Reservedivision von Tiroler Jägerregiment.
Den daraus zu bildenden drei Armeekorps in Böhmen, Mähren und Österreich wären 24 Geschützbatterien mit 4 Raketenbatterien beizugeben, welche mit den schon vorhandenen 8 Batterien das Kontingent ergänzen würden.
Zur Ausrüstung der Reserve im Inneren würden 25 Geschütz- und 25 Raketenbatterien bestimmt. Das Bombardier- und Feuerwerkerkorps würde zusammen um 4 Kompanien vermehrt. Gleichzeitig mit diesen Einleitungen hätte der Ankauf von 4080 Reitpferden und der Bespannungen für obige 78 Geschütz- und Raketenbatterien, dann der Transports- und Brückenbespannungen stattzufinden. Den diesfälligen Geldaufwand werde man nachträglich den Finanzen ausweisen; für jetzt aber müsse sich Graf Latour die Ah. Genehmigung aller dieser, zur Verstärkung und Mobilisierung der Armee unumgänglich nötigen Verfügungen au. erbitten.
Ungeachtet durch die Zusammenziehung und Mobilisierung einer so bedeutenden Kriegsmacht, über die bereits auf Pferdankauf Ah. bewilligten 335.702 fl.31 eine sehr große außerordentliche Auslage den Finanzen erwachsen wird, glaubte doch der Ministerrat, in Berücksichtigung der gegenwärtigen, sehr bedenklichen politischen Lage Europas, insbesondere der großen Rüstungen Frankreichs, gegen die vorgeschlagene schleunige Verstärkung der österreichischen Kriegsmacht keine Erinnerung erheben zu sollen32.
X. Entsendung Carl v. Hummelauers nach England
Staatsrat Baron Lebzeltern bemerkte, daß eben die von Frankreich aus drohende Gefährdung der Ruhe Europas, welche dann unvermeidlich würde, wenn Lamartine33 aus dem Ministerium träte, es dringend erscheinen lasse, die Pazifizierung der italienischen Provinzen34 baldmöglichst zu bewirken. Der Papst habe in seiner jüngsten Allokution35 die Bereitwilligkeit zu einer Vermittlung angeboten, indessen dürfte die Mediation Englands sicherer und schneller zum Zwecke führen. Es wäre daher ein gewandter Unterhändler mit den vom Ministerrate genehmigten Grundlinien der Pazifierungsbedingungen nach London zu senden, um die dortige Regierung zur Vermittlung zu vermögen. Baron Lebzeltern glaube, daß diese Mission dem mit den englischen Verhältnissen vollkommen vertrauten k. k. Gesandten in Florenz, Baron Neumann, anvertraut werden dürfte.
Bei der hierüber gepflogenen Beratung vereinigte sich der Ministerrat zu dem Beschlusse, die Mediation Englands in Anspruch zu nehmen; doch hielt es derselbe für zweckmäßiger, wenn die Sendung nach London allenfalls dem noch in voller Mannskraft befindlichen Grafen Colloredo übertragen würde, da dieser ausgezeichnete Diplomat || S. 206 PDF || im Fall der Gewährung seiner wiederholten au. Bitte um Abberufung von Frankfurt36 disponibel werden würde. Die nötigen mündlichen Informationen könnten ihm zur Gewinnung an Zeit durch einen Beamten der Staatskanzlei, allenfalls Hofrat v. Hummelauer, überbracht werden.
Der Ministerrat behielt sich über diesen Gegenstand die weitere Beratung in einer der nächsten Sitzungen vor; anach der am 12. Mai 1848 gegebenen Aufklärung wäre die Sendung des Grafen Colloredo derzeit nichts wünschenswert, um nicht das Mißtrauen Frankreichs zu erregen; daher sich dahin entschieden wurde, Hofrat v. Hummelauer sogleich nach London zu beordern, welcher Wien auch am 13. Mai verlassen soll?a nach der am 12. Mai 1848 gegebenen Aufklärung37 wäre die Sendung des Grafen Colloredo derzeit nichts wünschenswert, um nicht das Mißtrauen Frankreichs zu erregen; daher sich dahin entschieden wurde, Hofrat v. Hummelauer sogleich nach London zu beordern, welcher Wien auch am 13. Mai verlassen soll?,38
XI. Abberufung Graf Colloredos aus Frankfurt
Schließlich überreichte Staatsrat Baron Lebzeltern einen Vortrag vom 11. l. M. 39, worin das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten darauf anträgt, daß Graf Colloredo nach seiner dringenden Bitte von Frankfurt abberufen40 und der eben als „Vertrauensmann“ daselbst anwesende Appellationsrat v. Schmerling41 provisorisch zur Leitung der Bundespräsidialgeschäfte (gegen Anweisung eines Pauschals von 1000 fl. monatlich) bestellt werde. b(Der diesfällige Resolutionsentwurf ist wegen Dringlichkeit der Sache Ew. Majestät bereits abgesondert unter KZ. 1694/1848 unterzogen worden.)b Sämtliche Minister schlossen sich diesen au. Anträgen an42.
Für den Fall Ew. Majestät die in dem vorstehenden Ministerratsprotokolle zu VI, VII und IX gestellten au. Anträge der Ah. Genehmigung zu würdigen geruhen, erlaube ich mir die entsprechenden Erlässe auf der Nebenspalte ehrerbietigst der Ah. Sanktion zu unterziehen.