Nr. 2 Ministerrat, Wien, 3. April 1848 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend: Ficquelmont, Taaffe, Pillersdorf, Sommaruga
- RS.Reinschrift; RdA. Pipitz; VS.Vorsitz Kolowrat; anw.anwesend Ficquelmont, Taaffe, Pillersdorf, Sommaruga; BdE.Bestätigung der Einsicht Kolowrat (4. 4.), Franz Karl (4. 4.).
MRZ. 21 et 22 – KZ. –
- I. Rücktritt Erzherzog Ludwigs von den Staatsgeschäften
- II. Auflösung des Staatsrates
- III. Besetzung des niederösterreichischen und des oberösterreichischen Generalkommandos
- IV. Kriegsgerichtliche Untersuchung gegen FML. Ferdinand Graf Zichy
- V. Geldmittel für den Hofkommissär Franz Graf v. Hartig
- VI. Absendung von 145 Deputierten zur Bundesversammlung nach Frankfurt a. Main
- VII. Absendung von außerordentlichen Gesandten an die Seite des Bundestagspräsidenten Grafen Colloredo
- VIII. Verhandlungen mit dem niederländischen Gesandten Jacob Thierry Baron v. Heeckeren
- IX. Veröffentlichung über die Modifizierung des neuen Preßgesetzes
- X. Vertretung des erkrankten provisorischen Ministerpräsidenten
Protokoll zu dem am 3. April 1848 abgehaltenen Ministerrate.
I. Rücktritt Erzherzog Ludwigs von den Staatsgeschäften
Der Ministerrat glaubte über die an denselben gelangte Anregung die Form besprechen zu dürfen, in welcher am angemessensten dem Publikum mittels der Zeitung die Mitteilung zu machen sei, daß bei dem Bestande eines verantwortlichen Ministerrates Se. k. k. Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Ludwig Sich entschlossen haben, Sich von den Regierungsgeschäften ganz zurückzuziehen, wobei der huldvolle Dank Ah. Sr. Majestät beizufügen und öffentlich auszusprechen wäre1.
II. Auflösung des Staatsrates
In einem zweiten, jedoch abgesonderten Zeitungsartikel wäre das Publikum über die Veränderung, die mit dem Staatsrate und dessen Individuen eintreten müsse, etwa in der Art aufzuklären, daß die veränderte Einrichtung der Staatsgeschäfte im obersten Zentrum die Funktionen des Staatsrates nicht gestatte, daß daher diese Institution aufgehoben sei2. Den Mitgliedern desselben werde eine ihren Kenntnissen und Erfahrungen angemessene Stellung gegeben.
Hiernach dürfte folgender Erlaß an den Staatsrat und die einzelnen Minister ergehen3.
III. Besetzung des niederösterreichischen und des oberösterreichischen Generalkommandos
Unter den an den Ministerrat Ag. geleiteten Gegenständen ist der Vortrag des Hofkriegsratspräsidenten vom 31. März 1848, KZ. 1220, wegen Besetzung des niederösterreichischen Generalkommandos4.
Der Ministerrat kann sich diesfalls nur mit dem Vorschlage des Hofkriegsrates selbst beruhigen. Wenn Baron Prohaska5 dem dienstälteren FML. Welden6 den Vorzug gibt, so scheint er nicht volle Rücksicht auf die besondere schwierige Aufgabe des Kommandierenden in Wien genommen zu haben. Welden hat in Tirol die Stimmung gegen sich, er dürfte in Wien zu wenig kondeszendente Formen beobachten, welche man dem Grafen Karl Auersperg mit Recht nachrühmen kann, und dessen Name von Ferrara her einen guten Klang behauptet7. Deshalb und weil zugleich die Besetzung des Linzer Posten durch Graf Wrbna8 ganz entsprechend erscheint, werden die Anträge des Hofkriegsrates zur Ah. Genehmigung vorgelegt9.
IV. Kriegsgerichtliche Untersuchung gegen FML. Ferdinand Graf Zichy
Die soeben telegraphisch eingelangte Nachricht, daß FML. Graf Zichy10 in Wien eintreffen werde, bestimmt den Ministerrat vorzuschlagen, daß, um Tumulten und Aufregungen zuvorzukommen, der öffentlichen Meinung und dem allgemeinen Urteile der Armee die gehörige Rücksicht getragen und Graf Zichy wegen seines Verhaltens in Venedig11, dessen Verlust für die Monarchie von den größten Nachteilen ist, zur strengen Verantwortung gezogen werde12.
V. Geldmittel für den Hofkommissär Franz Graf v. Hartig
Mit dem beiliegenden Schreiben13 hat sich der zum außerordentlich bevollmächtigten Hofkommissär ernannte Staats- und Konferenzminister Graf Hartig14 um einige Verfügungen beworben, deren Erlassung einhellig für angemessen erkannt worden ist und in folgender Art in Vorschlag gebracht wird15.
Außerdem kamen im tg. gefertigten Ministerrate noch folgenden Gegenstände zur Beratung und Beschlußnahme, die hiermit zur Ah. Kenntnis gebracht werden:
VI. Absendung von 145 Deputierten zur Bundesversammlung nach Frankfurt a. Main
a) Der Bundestagsgesandte Graf Colloredo16 bedarf einer dringenden Instruktion und Weisung, was Österreich, dem er die Stimme offen vorbehalten habe, in Absicht auf die Beschickung der faktisch bereits eingeführten Bundes(volks)versammlung für einen Vorgang beobachten wolle17. Da für Österreich jetzt nur im Anschlusse an Deutschland eine Rettung gegen die Separationsideen der Provinzen liege, so sei die Absendung der 145 Deputierten nach Frankfurt nicht zu hindern18. Die Form zu deren Wahl müsse den Provinzständen überlassen werden, nur dadurch würde man sich an das Bestehende anschließen und der Gefahr entgehen, in Frankfurt den Einfluß zu verlieren19.
VII. Absendung von außerordentlichen Gesandten an die Seite des Bundestagspräsidenten Grafen Colloredo
b) Was die Absendung der außerordentlichen Gesandten an die Seite Graf Colloredos betrifft, so wurden Hye20, Sommaruga21, Schmerling22 und Mitis23 genannt, deren definitive Wahl noch von dem Umstande abhängt, ob Pr[ofessor] Hye dieser Bestimmung zu folgen bereit sei24.
VIII. Verhandlungen mit dem niederländischen Gesandten Jacob Thierry Baron v. Heeckeren
c) Baron Pillersdorf erwähnt einer Zuschrift des Bankdirektors Baron Erggelet25 und erhält vom Ministerrate die Zustimmung, daß die angebotene finanzielle Verhandlung mittels des niederländischen a.o. Gesandten Baron v. Heeckeren nicht fallengelassen, sondern vorsichtig angeknüpft werde26.
IX. Veröffentlichung über die Modifizierung des neuen Preßgesetzes
d) Der Minister Baron Pillersdorf teilt den Entwurf eines berichtigenden Zeitungsartikels über die Verbesserung des neuen Preßgesetzes mit27, gegen dessen Veröffentlichung von keiner Seite etwas erinnert wurde28.
X. Vertretung des erkrankten provisorischen Ministerpräsidenten
e) Der provisorische Ministerpräsident ersucht den Minister des Äußern, für einige Tage des Unwohlseins das Präsidium des Ministerrates gefälligst übernehmen zu wollen29.