Digitale EditionDie Protokolle des cisleithanischen Ministerrates 1867–1918Nr. 248 MinisterratBand II: 1868–1871Band II1. Jänner 1868–21. November 1871WienMinisterrat1869-08-06RichardLeinÖsterreichische Akademie der Wissenschaften, Institute for Habsburg and Balkan Studies0000-0002-7502-0503ThomasKletečkaÖsterreichische Akademie der Wissenschaften, Institute for Habsburg and Balkan Studieshttp://d-nb.info/gnd/109620083XFonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF)
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Nr. 248Ministerrat, Wien, 6. August 1869
RS.Reinschrift und bA.; P. Artus; VS.VorsitzTaaffe; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Taaffe, 6. 8.), Plener (BdE.Bestätigung der Einsicht fehlt), Potocki 9. 8., Giskra 9. 8., Herbst 11. 8.; abw.abwesendHasner, Brestel, Berger.
Verordnung wegen der geistlichen Korrektionsanstalten. Einstellung der vorschussweisen Staatssubvention des Krakauer Karmeliterinnenkonventes. Frage der Publikation einer Verordnung des gemeinsamen Rechnungshofes durch das Reichsgesetzblatt. Vorschlag wegen Ernennung des Bürgermeisters Dr. Felder zum Landmarschallstellvertreter in Niederösterreich. Frage der Übernahme des Wiener Tierarzneiinstitutes in das Ressort des Ministeriums für Kultus und Unterricht. In Betreff der Auflösung des Vereines „Slowanská Lípa“ wegen der von selbem gefassten Resolution.
Protokoll des zu Wien am 6. August 1869 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Ministerpräsidenten Grafen Taaffe.
Verordnung wegen der geistlichen Korrektionsanstalten
I. Kirche, römisch-katholischeStrafrecht Der Minister des Innern teilt der Konferenz mit, dass Se. k. u. k. apost. Majestät ihm [] begründeten [] besprochenen Verordnung betreffend die geistlichen Korrektionsanstalten hegen, insoferne darin eine Individualverständigung der inhaftierten Weltpriester und aller Regularen von den Wirkungen der Verordnung vom 7. Juni 1869 angeordnet werden wollte, indem Se. Majestät darin nur eine direkte Aufforderung zur Auflösung der priesterlichen Disziplin und speziell des klösterlichen Verbandes beziehungsweise der Klöster selbst zu erblicken vermögenFortsetzung des MR. I v. 2. 8. 1869/I..
Gegen die übrigen Bestimmungen der Verordnung geruhten Se. Majestät nichts zu erinnern, vielmehr geruhten Se. Majestät zu äußern, dass, die Eliminierung des Punktes wegen der individuellen Verständigung der Regularen vorausgesetzt, Allerhöchstdieselben nicht entgegen [], wenn sowohl die jetzt beabsichtigte als die frühere Verordnung vom 7. Juni 1869 [] das Reichsgesetzblatt [] würden. Im Hinblicke auf diese Ah. Intentionen [] der Minister des Innern [] neue Redaktion beider Verordnungen veranlasst. Die Änderungen [] ursprünglichen im []blatte des Ministeriums für Kultus und Unterricht in [] eines Erlasses []stellen bereits v[] Verordnung vom 7. Juni d. J. seien lediglich formeller Art, bedingt durch die Veröffentlichung im Reichsgesetzblatte, welche nunmehr Platz zu greifen haben werde. Die Änderungen der zweiten Verordnung seien teils meritorische, insoweit die oben erwähnte, von Sr. k. u. k. Apost. Majestät beanstandete Bestimmung weggelassen wurde, teils formelle, sich in stilistischer Beziehung beanzeigendeEinige Fassungen beider Verordnungen mit Korrekturen versehen inAva., CUM., Kultus, Präs. Zl. 355/1869.. Der Minister des Innern bringt die Entwürfe beider Verordnungen zur Verlesung [] Antrage [] Beisatze, dass die Wirkung derselben vom Tage der Publikation zu beginnen haben werde, beide mit den betreffenden Kontrasignaturen versehen, verlautbart werden.
Minister Ritter v. Hasner, welchem der in der letzten Ministerratssitzung formulierte Entwurf der neuen Verordnung mitgeteilt worden, habe sich telegrafisch mit demselben in merito einverstanden erklärt und seine Zustimmung gegeben, dass sein Name darunter gesetzt werdeTelegramm Hasners v. 5. 8. 1869 inAva., CUM., Kultus, Präs. Zl. 355/1869..
Der Handelsminister bemerkt, dass er eine Änderung der Fassung der Alinea [] des neuen Entwurfes der []en Verordnung insoferne für angezeigt hielte, als []em Gefühle die [] Gesetzes oder Verordnung es []schließen scheine, dass [] eine Voraussetzung [], dass die Bischöfe [] die Vorlage der betreffenden Verzeichnisse übernehmen werden, für sich allein die unmittelbare Verbin[] mit der Bestimmung [] was im gegen[] zu geschehen h[]chen werde.
Der Justizminister [] sich in dem g[] aus.
Der Minister des Innern hat gegen eine dementsprechende Zusammenziehung der Alineas 4 und 5 nichts einzuwenden.
Der Justizminister meint, dass es sich empfehlen dürfte, die Anführung der Krakauer Vorfälle als der occasio legis in der zweiten Verordnung wegzulassen, nachdem die Verordnung vom 7. Juni keine derartige Motivierung enthalte und es den Anschein gewinnen könnte, als sei die frühere Verordnung vom 7. Juni ohne Rücksichtnahme []lle []. Inbegriff des Ministers des Innern erkennen [] Bemerkung als vollauf begründet.
Nach einer weiteren Erwägung des Textes beider Verordnungsentwürfe nimmt der Ministerrat den Entwurf zur Verordnung vom 7. Juni unverändert, den Entwurf zur zweiten Verordnung in der aus der AnlageLiegt nicht bei. ersichtlichen, den obigen Bemerkungen entsprechenden Fassung an.
Der Ministerpräsident endfertigt ex sessione richtig gestellte Exemplare beider Verordnungen zur au. Vorlage an Se. Majestät.
Der Minister des Innern bemerkt, dass die Publikation im Reichsgesetzblatte von dem Erlasse an die Länderchefs begleitet sein werde, in dem sie aufgefordert [], die Bischöfe sofort []den, die betreffenden Verzeichnisse einzusenden [] entgegengesetzt [] aber unaufgehalten zur Verfassung derselben selbst zu schreiten. Den Länderchefs werde überhaupt nachdrucksamst empfohlen werden, sich die schleunigste Durchführung der Verordnung angelegen sein zu lassenAuf Vortrag Taaffes v. 6. 8. 1869 genehmigte Franz Joseph die beiden nach den Beschlüssen des Ministerrates revidierten Verordnungen mit Ah. E.Allerhöchste Entschließung v. 6. 8. 1869, Hhsta., Kab. Kanzlei, KZ. 2862/1869;die Verordnung des Kultus- und Unterrichtsministers v. 7. 6. 1869 publiziert alsRgbl. Nr. 134/1869, jene der Minister für Kultus und Unterricht, des Innern und der Justiz v. 7. 8. 1869 alsRgbl. Nr. 135/1869..
Einstellung der vorschussweisen Staatssubvention des Krakauer Karmeliterinnenkonventes
II. Kirche, römisch-katholischeSubventionen Der Minister des Innern teilt der Konferenz mit Bezug auf seine Eröffnungen in der Ministerratssitzung vom 2. d. M. mit, dass die Äußerung des Statthaltereileiters in Lemberg in Bezug auf den dem Karmeliterinnenkonvente seit 1. Jänner 1867 zugewendeten Vorschuss aus dem Kameralärar per 1800 fl. jährlich nunmehr vorliegeSchreiben Possingers an Hasner v. 1. 8. 1869,Ava., CUM., Neuer Kultus, Katholisch, Ktn. 1116, Fasz. Karmeliterinnen Krakau 1869..
Hiernach finde Ritter v. Possinger, dass die Entziehung der fraglichen Subvention nicht nur keine Verlegenheiten bereiten, sondern [] dazu [] Bischof [] dem gedachten Konvent hervorgerufene höchst bedauerliche Angelegenheit in einer die öffentliche Meinung beruhigenden Weise auszutragen. Das Jahreseinkommen des Krakauer Karmeliterinnenkonventes aus hierlands befindlichen Einnahmsquellen sei zwar im Jahre 1867 [] 1.627 fl. (gegenüber dem Jahreseinkommen von 6[334] fl., welches dieser Konvent aus Russisch-Polen zu beziehen habe) beziffert worden, es beruhe aber diese Bezifferung auf Daten, welche als unbedingt verlässlich nicht anzusehen seien und sei keine Gefahr, dass das Kloster in Folge der Einstellung der Vorschusssubvention aller Subsistenzmittel entblößt würde. Unter diesen Umständen glaube der Minister des Innern bei Se. k. u. k. apost. Majestät auf die Einstellung dieser vorschussweisen []subvention mit Ende [] 1869 anraten zu []. Denn angesichts der die Bevölkerung tief aufregenden Ereignisse sowie mit Rücksicht darauf, dass es sich um einen kontemplativen Orden handle, von welchem sonst kein Haus in der Monarchie aus einem öffentlichen Fonds unterstützt werde, mangle jeder Anhaltspunkt, der ferneren Auszahlung dieser Subvention das Wort zu führen. Die Bedeckung der einigen Krakauer Ordenskonventen aus Anlass der Sequestration ihres Einkommens im Königreiche Polen gewährten Vorschusssubventionen sei überhaupt bei den reichsrätlichen Budgetverhandlungen jedes Mal nur mit den größten Anstrengungen seitens der Regierung zu erzielen gewesen. Es empfehle sich daher, den bei den Beratungen des nächsten Budgets im Abgeordnetenhause sicher abermals zu gewärtigenden Einwendungen die Tatsache entgegenstellen zu können, [].
Der Minister des Innern gedenkt, Sr. k. u. k. apost. Majestät in diesem Sinne au. Vortrag zu erstatten, womit sich die Konferenz einhellig einverstanden erklärteAuf Vortrag Giskras (als Vertreter Hasners) v. 7. 8. 1869 ordnete Franz Joseph mit Ah. E.Allerhöchste Entschließung v. 12. 8. 1869 die Einstellung der staatlichen Vorschusszahlung mit Ende September 1869 an; Hasner teilte dies Possinger mit Schreiben v. 18. 8. 1869 mit, alles inAva., CUM., Neuer Kultus, Katholisch, Ktn. 1116, Fasz. Karmeliterinnen Krakau 1869..
Frage der Publikation einer Verordnung des gemeinsamen Rechnungshofes durch das Reichsgesetzblatt
III. Ausgleich, österreichisch-ungarischerRechnungshof, gemeinsamer Der Minister des Innern macht die Mitteilung, dass das Präsidium des gemeinsamen Obersten Rechnungshofes sich wegen der Einschaltung einer von demselben ausgehenden Verordnung betreffend die Organisierung des Rechnungsdienstes des k. k. Heeres und die Auflösung der Militärzentralbuchhaltung in das Reichsgesetzblatt an ihn (Minister des Innern) gewendet habeAuf Vortrag Perleuthners, des interimistischen Leiters des gemeinsamen Obersten Rechnungshofes, v. 30. 4. 1869 war mit Ah. E.Allerhöchste Entschließung v. 10. 4. 1869 die Militärzentralbuchhaltung aufgelöst und deren Geschäfte und das Personal dem Reichskriegsministerium zugeteilt worden,Hhsta., Kab. Kanzlei, KZ. 1156/1869; siehe dazuWagner, Kriegsministerium 2: 75 f. Perleuthner hatte am 8. 6. 1869 eine entsprechende Verordnung unterzeichnet und verfügt, dass sie zur Veröffentlichung im Reichsgesetzblatt an dasselbe verschickt werde, Fa., ORH 1369, Zl. 496/1869..
Die Konferenz stimmt dem Antrage des Ministers des Innern einhellig bei, wornach derselbe bei dem Umstande, als das Gesetz vom 10. Juni 1869Rgbl. Nr. 113/1869. die Kategorie [] von Gesetzen und Verordnungen feststelle, für deren gesetzliche Kundmachung das Reichsgesetzblatt besteht, zu welchen die fragliche Verordnung des gemeinsamen Obersten Rechnungshofes nicht gehöre, und bei Umstande, als für Publikationen der gemeinsamen Zentralbehörden zunächst die Wiener Zeitung bestimmt sei, die gewünschte Verlautbarung im Reichsgesetzblatte abzulehnen, auf die freistehende Benützung der Wiener Zeitung hinzuweisen, zugleich aber für sich und die anderen Minister die Bereitwilligkeit zu erklären hätte, die betreffende Verordnung den Behörden der verschiedenen Ressorts bekannt zu geben, insoferne dies von dem gemeinsamen Obersten Rechnungshofe gewünscht werden sollteMit Schreiben (K.) v. 8. 8. 1869 informierte GiskraPerleuthner über den Ministerratsbeschluss, worauf der gemeinsame Oberste Rechnungshof mit Schreiben (K.) v. 21. 8. 1869 die Ministerien des Innern, der Finanzen, des Ackerbaues und für Landesverteidigung ersuchte, die Neuorganisierung an ihre Dienstellen bekannt zu geben, alles inFa., ORH 1370, Zl. 680/1869. Die Organisierung des Rechnungsdienstes und die Auflösung der Militärzentralbuchhaltung wurde dann z. B. im Verordnungsblatt für das Finanzministerium Nr. 35/1869.publiziert..
Vorschlag wegen Ernennung des Bürgermeisters Dr. Felder zum Landmarschallstellvertreter in Niederösterreich
IV. ErnennungenLandmarschall Der Minister des Innern [] über den Antrag des Statthaltereileiters in Wien für die durch das Ableben des Bürgermeisters Dr. Zelinka erledigte Stelle des Landmarschallstellvertreters in Niederösterreich den gegenwärtigen Bürgermeister von Wien Dr. Felder au. in Vorschlag bringen zu dürfenAuf Vortrag Giskras v. 7. 8. 1869 ernannte Franz Joseph mit Ah. E.Allerhöchste Entschließung v. 10. 8. 1869 Felder zum Stellvertreter des Landmarschalls in Niederösterreich, Hhsta., Kab. Kanzlei, KZ. 2881/1869.Zu Andreas Zelinka sieheWurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich 59: 304–309; zu Cajetan FelderÖbl. 1: 294 f..
Frage der Übernahme des Wiener Tierarzneiinstitutes in das Ressort des Ministeriums für Kultus und Unterricht
V. GesundheitswesenVeterinärwesen Über die Mitteilung des Ministers des Innern, dass das Reichskriegsministerium die in einer Kommission von Vertretern der beteiligten Ministerien vorläufig erörterte Frage der Ausscheidung des hiesigen Tierarzneiinstitutes aus dem Ressort des Kriegsministeriums und Übernahme desselben in das Ressort des Ministeriums für Kultus und Unterricht in Anregung gebracht und auf die Dringlichkeit der Lösung derselben noch vor Abschluss der [] Verhandlungen hingewiesen habe, beschließt die Konferenz mit Rücksicht auf die Notwendigkeit einer genauen eindringenden Erwägung dieser Maßregel und ihrer Konsequenzen, zumal in finanzieller Beziehung, was jedenfalls längere Vorverhandlungen voraussetze, einhellig, dass auf die Übernahme des Tierarzneiinstitutes in ein diesseitiges Ressort vorläufig überhaupt nicht einzugehen wäreZur Entwicklung des 1781 gegründeten Tierarzneiinstitutes in WienMayerhofer – Pace, Handbuch 6: 535 Anm. 1; Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens 4: 260 f. mit weiteren Literaturhinweisen. Das dem Kultus- und Unterrichtsministerium unterstehende Institut war 1852 dem Kriegsministerium untergeordnet worden, Zirkularverordnung v. 4. 4. 1852,k. k. Armee-Verordnungsblatt (Normalien) Nr. 30/1852. Der diese Materie behandelnde Akt Ka.,KM., Präs. 27–21 /1869ist nicht mehr vorhanden..
Mit Rücksicht hierauf wurde auf die weitere Frage, ob für den Fall, als es künftig etwa zu der Übernahme dieses Institutes käme, die betreffenden Agenden nicht zweckmäßiger dem Ackerbauministerium als dem Unterrichtsministerium zu überweisen wären, vorerst nicht eingegangen, und wurde diese Frage bis zum Zeitpunkte der eventuellen weiteren Verhandlungen [] Hauptfrage offen []Fortsetzung der Angelegenheit in MR. v. 28. 3. 1870/XII (nicht mehr vorhanden). Das Institut verblieb in der Obhut des Kriegsministeriums, wobei einzelne Fachministerien, vor allem das Kultus- und Unterrichtsministerium, Mitspracherechte hatten, vgl. den vom Unterrichtsministerium erstellten Unterrichtsplan für tierärztliche Studien,Rgbl. Nr. 97/1871..
In Betreff der Auflösung des Vereines „Slowanská Lípa“ wegen der von selbem gefassten Resolution
VI. GrundrechteVereinsrecht Der Minister des Innern bringt zur Kenntnis der Konferenz, dass laut eines gestern nachts eingelangten Telegrammes des Statthaltereileiters in Prag der Verein „Slovanská Lípa“ eine Resolution des Inhaltes beschlossen habe, dass die böhmische Nation mit der Deklaration der ausgetretenen Landtagsabgeordneten übereinstimmeZur tschechischen Obstruktionspolitik im böhmischen Landtag und zur Genese der Deklaration vom 22. 8. 1868,Urban, Die tschechische Gesellschaft 1: 329–343; deutscher Text abgedruckt beiKolmer, Parlament und Verfassung 1: 347–350..
Die Resolution erkläre ferner, dass jeder als ein böswilliger Schädiger der Nation zu betrachten sei, welcher bei den bevorstehenden Landtagswahlen nicht im Sinne der Vertrauensmänner wähle. Es werde ferner gesagt, dass aus Anlass der bevorstehenden Wahlen Meetings zu arrangieren seienDiese Resolution war von der Slovanská Lípa in der Versammlung am 26. 7. 1869 beschlossen worden; abgedruckt inNárodní Listyv. 27. 7. 1869.. Infolge dieser Resolution habe der Vorstand der „Slovanská Lípa“, Sladkowský, einen gedruckten Aufruf zu dem Ende versendet, in dem die Resolution aufgenommen und der auch sonst sehr aufreizend gehalten sei. Der Statthaltereileiter beabsichtige, den genannten Verein auf Grund des § 98, lit. a und 302 des Strafgesetzes nach Zulass des § 20 des Vereinsgesetzes am 8. August aufzulösen, wozu er sich im Hinblicke auf die Einbringung eines Rekurses dagegen die Zustimmung des Ministers des Innern erbitte§ 98 des Strafgesetzbuches behandelte das Verbrechen der öffentlichen Gewalttätigkeit durch Erpressung, § 302 das Verbrechen der Aufhetzung gegen andere Nationalitäten, Religionsgemeinschaften usw., Rgbl. Nr. 117/1852.§ 20 des Vereinsgesetzes bestimmte, dass ein Verein aufgelöst werden kann, wenn er Beschlüsse oder Aussprüche tut, die das Strafgesetz verletzen,Rgbl. Nr. 134/1867.. Der Minister des Innern findet, dass die Auflösung der „Slovanská Lípa“ wegen ihres in der Tat höchst staatsgefährlichen Treibens gesetzlich vollkommen motiviert erscheine. Die Gefährlichkeit liege namentlich in dem Terrorismus, welcher durch die Bezeichnung als Schädiger der Nation der mit der Deklaration nicht Übereinstimmenden und in der [] Richtung hin höchst bedenklichen Aufreizung der Massen. Er halte es an der Zeit, diesem Treiben endlich mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten.
Der Justizminister meint, dass, insoferne FML. Baron Koller die Auflösung des Vereines nach § 20 des Vereinsgesetzes mit der Verletzung der Strafgesetze zu motivieren beabsichtige, eine genauere Kenntnis des Inhaltes des Sladkowskýschen Proklams wohl wünschenswert gewesen wäre. Dass übrigens gesetzliche Gründe zur Auflösung des Vereines vorliegen, scheine ihm nicht zweifelhaft, wiewohl er andererseits nicht verkennen könne, dass die Auflösung lediglich vom politischen Standpunkte aus sich ihm weniger zu empfehlen schiene.
Der Ackerbauminister meint, dass der Statthaltereileiter zunächst in der Lage sei, die tatsächlichen Verhältnisse in Beziehung auf die Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung zu beurteilen. Es erscheine ihm daher schwer, den Anträgen des FML. Baron Koller entgegenzutreten, wiewohl er glaube, dass die Ansichten der Lokalbehörden über das zulässige Maß der Parteibewegungen mitunter immerhin noch diskutabel sein mögen.
Der Ministerpräsident bemerkt, dass das Gesetz nach allen Seiten hin aufrechterhalten werden müsse. Die Bearbeitung der Massen gehe immer weiter in Böhmen, und es zeigen sich schon sehr bedenkliche Rückwirkungen, in Hinsicht auf die Demoralisation der Bevölkerung, insbesondere in Hinblick auf Eigentumsverletzungen, die jetzt viel häufiger vorkommen und insbesondere am flachen Lande sehr gefährlich seien. Die Regierung habe die [] durch die Handhabung [] solchen entschiedenen []dungen der öffentlichen Sicherheit zu schützen. Er stimme daher [] Auflösung der „Slovanská Lípa“.
Nachdem der Minister des Innern noch bemerkt [], dass für den Fall des Rekurses das Ministerium an die Motive des Statthaltereileiters nicht gebunden sei und die Auflösungsentscheidung aus anderen Gründen, und zwar zunächst wegen Staatsgefährlichkeit bestätigen könne, wenn ja, was der Justizminister zu besorgen scheine, die Auflösung nach § 20 des Vereinsgesetzes nicht genügend motiviert sein sollte, sprechen sich sämtliche Stimmführer dafür aus, dass dem FML. Baron Koller die Zustimmung zu der beabsichtigten Auflösung bekannt gegeben werdeDer Verein Slovanská Lípa wurde mit Erlass der böhmischen Statthalterei v. 7. 8. 1869 auf Grund der Resolution v. 26. 7. 1869 aufgelöst, publiziert inNárodní Listyv. 8. 8. 1869, siehe auchSrb, Politické dějiny, 244 f. In der genannten Resolution war auch zu Versammlungen, den sogenannten Tábors, aufgerufen worden, um die Frage, wer in den böhmischen Landtag zu wählen sei, zu beraten; bis auf ganz wenige Ausnahmen wurden diese Versammlungen verboten, vgl. dazuNárodní Listyv. 10., 11., 12., 13. und 14. 8. 1869..
Wien, am 6. August 1869. Taaffe.Ah. E.Allerhöchste Entschließung Ich habe den Inhalt dieses Vortrages [sic!] zur Kenntnis genommen. Wien, 12. August 1869. Franz Joseph.