Digitale EditionDie Protokolle des cisleithanischen Ministerrates 1867–1918Nr. 5 MinisterratBand I: 1867Band 119. Februar 1867–15. Dezember 1867WienMinisterrat1867-02-26StefanMalfèrÖsterreichische Akademie der Wissenschaften, Institute for Habsburg and Balkan StudiesÖsterreichische Akademie der Wissenschaften, Institut für Neuzeit- und ZeitgeschichtsforschungProjektverantwortung: Research Unit Digital Historiography and Editions, Institute for Habsburg and Balkan Studies (IHB), Austrian Academy of SciencesDigitalisierung der gedruckten Quellen Verlag der Österreichischen Akademie der WissenschaftenConversion to TEI-conformant markup StephanKurz, IHBÖsterreichische Akademie der Wissenschaften
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Die Protokolle des cisleithanischen Ministerrates 1867–1918Franz AdlgasserAnatol Schmied-KowarzikBearbeitet und herausgegeben an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften8 geplante Bände, vgl. den Editionsplan und die Bandübersicht unter https://mrp.acdh-dev.oeaw.ac.at/pages/volumes.htmlThis TEI document has been generated from the same source as the printed version of this editionStefan MalfèrDie Protokolle des cisleithanischen Ministerrates 1867–1918, Band I: 186719. Februar 1867–15. Dezember 1867978-3-7001-8406WienVerlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften2018163 S.Quellbestand: AT-OeStA/AVA Inneres MRP Prot Österreichische Ministerratsprotokolle, 1867-1918 (Teilbestand) https://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=1558132327font-weight:bold;vertical-align:super;font-size:.7em;text-decoration:line-through;text-decoration:underline;text-decoration:line-through;text-decoration-style:double;display:block;text-align:right;letter-spacing:0.15em;
Silbentrennung wird ignoriert und stillschweigend normalisiert.
Schreibungsvarianten werden nur verzeichnet, wenn es sich um schriftliche Interventionen der berechtigten Sitzungsteilnehmer handelt; solche werden als note type="variant" aufgenommen. Schreibfehler werden stillschweigend korrigiert.
Die Schreibung wird der heutigen Rechtschreibung angepasst, sofern sich der Lautstand durch solche Normalisierung nicht ändern würde. Teilweise geschieht das seit 2018 in nachvollziehbarer Form anhand von Dictionary-Files; eine Rekonstruktion des Quellbefundes steht gegenüber der Erschließung und erstmaligen Sicherung und Zurverfügungstellung der Protokolle im Hintergrund.
Die Interpunktion wird stillschweigend an heutige Gebräuche angepasst.
Datumsangaben werden aus den Quellen übernommen und auf Plausibilität geprüft; berechtigte Richtigstellungen gegenüber in den Quellen angegebenen Daten werden jeweils in note type="footnote" angemerkt.
Ausführliche Editionsrichtlinien sind vermerkt in den Einleitungen zur Gesamtedition (Rumpler) und zur Serie 3 (Kletečka, Malfèr, Schmied-Kowarzik) aufgrund der außerordentlichen Quellenlage mit Brandakten sowie in den Dokumenten bzw. Abschnitten Probleme der Edition.
Nr. 5Ministerrat, Wien, 26. Februar 1867
RS.Reinschrift fehlt; Abschrift, Ava
., Ministerratsprotokolle, Karton 33 (Abschriften Prof. Redlich); Wortlaut und Datum der Ah. Entschließung: Hhsta., Kabinettskanzlei, Protokoll 1867.
P.Protokoll Meyer; VS.Vorsitz Kaiser; anw.anwesendBeust, Komers, Wüllerstorff, John, Becke.
Teildruck: Redlich
, Staats- und Reichsproblem 2, 626 f.
Auflösung des Landtages von Böhmen.
Ministerratsprotokoll vom 26. Februar 1867 unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.
Auflösung des Landtages von Böhmen
[I.] Der
Ministerpräsident
Freiherr v. Beust
legte vor die von dem böhmischen Landtage in seiner Sitzung vom 25. d. [M.] beschlossene Adresse an Se. Majestät, welche ihm von dem Grafen Rothkirch eingeschickt worden warFortsetzung von MR. I v. 19. 2. 1867/II; Text der AdresseProt. Landtag Böhmen 6−10 (5. Sitzung/25. 2. 1867), Beschluss ebd. 66 f.. Das Ziel dieser Adresse geht dahin, dass dem Landtage gewährt werde, nur unter den in der Adresse ausgesprochenen Voraussetzungen, welche gegen eine gemeinsame Vertretung der diesseitigen Länder lauten, seine Abgeordneten zur gemeinsamen Beratung der Verfassungsangelegenheiten zu entsenden.
Freiherr v. Beust glaubte den Zeitpunkt für gekommen, wo die Regierung durch einen energischen Schritt beweisen müsse, dass sie auf der eingeschlagenen Bahn konsequent vorgehen werde. Würde die Abgabe der Adresse gestattet, so wäre dieser Vorgang außerordentlich präjudizierlich für andere Landtage, namentlich von Galizien, Mähren, Krain und Tirol, wo von einer gewissen Seite aller Einfluss aufgeboten werde, um die dortigen Landtage ebenfalls zu einer Adresse zu veranlassen. In Mähren sei von der diesfalls bestellten KommissionProt. Landtag Mähren 71 f. (4. Sitzung/21. 2. 1867). bereits ein Mehrheits- und Minderheitsantrag bei dem Landtage eingebracht und die Beratung desselben auf den 23. d. [M.] festgesetzt wordenWohl Verschreibung statt 27; am 23. fand keine Sitzung statt. Der Landtag beriet das Mehrheits- und das Minderheitsvotum über die Regierungsmitteilung und die an den Kaiser zu richtende Adresse am 27. 2. 1867, Prot. Landtag Mähren 127−160 (7. Sitzung); dazu Fortsetzung MR. II v. 1. 3. 1867/I.. Der Entwurf einer Adresse, wenn er von der Mehrheit der Kommission vorgeschlagen werde, enthalte zwar auch eine Menge Bedenken gegen den mittels Erlass vom 4. d. [M.] einberufenen ReichsratZu diesem Regierungserlass, der den Landtagen bei der Eröffnung am 18. 2. 1867 zur Kenntnis gebracht wurde, Wiener Zeitung v. 18. 2. 1867 (A.), siehe Einleitung XXX., unterscheidet sich aber von der Adresse des böhmischen Landtages darin wesentlich, dass der Landtag erklärt, seine Abgeordneten in den Reichsrat zu entsenden, damit jedoch die Bitte verbindet, dass Se. Majestät vor der Entscheidung die Stimme der legalen Vertreter der Markgrafschaft Mähren hören und würdigen wolle.
Ein entschiedenes Vorgehen der Regierung dürfte nicht ohne Einfluss auf das Verhalten der benannten Landtage sein; dieses könne aber mit Rücksicht auf den Inhalt der böhmischen Adresse nur in der Auflösung des dortigen Landtages bestehen. Ob durch diese Auflösung und die Anordnung neuer Wahlen ein anderes Resultat werde erzielt werden, lasse er dahingestellt; Aufgabe der Regierung bleibe es, kein legales Mittel, um ein solches zu erreichen, unversucht zu lassen, um einem gegründeten Vorwurfe in dieser Beziehung zu entgehen.
Die Sache sei übrigens sehr dringend, indem mit Rücksicht auf die morgen in Brünn stattfindende BeratungD. i. Landtagssitzung. das Auflösungspatent noch heute Abend abzugehen hätte, damit es morgen in die Hände des Statthalters von Böhmen gelange und die Auflösung des Landtages von Böhmen schon morgen vollzogen werden könne.
Was den Inhalt des Auflösungspatents betreffe, so könne es im Hinblicke auf die Vorgänge im Landtage nicht einfach die Auflösung aussprechen, sondern es müsste eine Motivierung enthalten, welche jedoch jede Schärfe zu vermeiden und in einfacher Sprache die Gründe der Auflösung darzulegen hätte. Baron von Beust legt den Entwurf eines solchen Auflösungspatentes vora.
Der
Justizminister
Ritter v. Komers
äußerte Bedenken gegen die Auflösung des Landtages von Böhmen, noch bevor die Adresse an Se. Majestät eingereicht worden. Er bezweifle nicht, dass ein solcher Vorgang einen schmerzlichen Eindruck auf den Landtag machen werde, daher es ihm angezeigter erschiene, vorerst die Überreichung der Adresse abzuwarten und erst dann zur Auflösung zu schreiten. Dieser Vorgang erscheine ihm umso gerechtfertigter, als die Adresse von Voraussetzungen ausgehe, welche jeder rechtlichen Grundlage entbehren und bei einer Gewährung derselben zur vollen Zersplitterung der Monarchie führen müssten, daher die Antwort auf eine solche Adresse nur in einer Auflösung bestehen könne.
Der
Ministerpräsident
Freiherr v. Beust
erwiderte hierauf, nachdem der Inhalt der vom Landtage beschlossenen Adresse im amtlichen Wege, durch den Statthalter, der Regierung zu Kenntnis gekommen sei, scheine ihm der von ihm angeratene Weg einer sofortigen Auflösung milder zu sein, als wenn man die Überreichung der Adresse abwartet und sie mit der Auflösung des Landtages beantworte. Mit Recht könnte man hierin ein schroffes Vorgehen erblicken.
Die beiden Minister
Freiherr v. Wüllerstorff
und
Freiherr v. John
sowie der Leiter des FinanzministeriumsFreiherr v. Becke
pflichteten der Ansicht des Freiherrn v. Beust bei, und namentlich bemerkte Freiherr v. Wüllerstorff, dass die Auflösung des Landtages eine Folge sein müsse eines Vorganges im Landtage, eines von diesem gefassten Beschlusses, und nicht der Überreichung einer Adresse an Se. Majestät.
Se. Majestät
geruhte über die Frage, ob jetzt oder später, nach Überreichung der Adresse, zur Auflösung zu schreiten sei, zu bemerken, dass, wenn jetzt die Auflösung ausgesprochen werde, dieses mehr als ein Akt der Regierung gegenüber einem Akte des Landtages angesehen werden müsse, während, wenn die Auflösung nach Überreichung der Adresse erfolge, dieses dann mehr als ein Akt des Monarchen angesehen werden könne.
Se. Majestät befragte hierauf die Versammlung, ob man mit der sofortigen Auflösung des Landtages in Böhmen einverstanden sei, und als keine Einrede sich dagegen erhob, wurde beschlossen, folgenden Entwurf eines Auflösungspatentes der Ah. Sanktion zu unterbreiten (vide Beilage)Ein besonderer Vortrag wurde nicht mehr erstattet. Die Auflösung des böhmischen Landtages und die Ausschreibung neuer Wahlen wurde mit kaiserlichem Patent v. 26. 2. 1867 angeordnet, Rgbl. Nr. 38/1867, Wiener Zeitung v. 28. 2. 1867; Mitteilung der vollzogenen Auflösung an den KaiserHhsta., Kab. Kanzlei, KZ. 1012/1867. Siehe auch Redlich, Staats- und Reichsproblem 2, 625 ff.; Urban, Der böhmische Landtag. In: Rumpler – Urbanitsch, Habsburgermonarchie 7/2, 2011 ff.; Walter, Zentralverwaltung 3/3, 302. Fortsetzung MR. II v. 1. 3. 1867/I und II..
Wien, 26. Februar 1867.Ah. Kenntnisnahme. 10. März 1867.