Wissenschaftlicher Paratext zur Edition der Ministerratsprotokolle in der Verantwortung der Herausgeber/in: Horst Brettner-Messler.
Ausführliche Editionsrichtlinien sind vermerkt in den Einleitungen zur Gesamtedition (Rumpler, MRP-1-0-00-0-00000000-edition.xml) sowie in den Dokumenten bzw. Abschnitten Probleme der Edition
.
Von Friedrich Engel-Janosi
Wenn nun, sehr im Gegensatz zu den im ersten Band veröffentlichten Protokollen des österreichischen Ministerrates, die Fragen der auswärtigen Politik in den Vordergrund treten – von 34 Sitzungsprotokollen bis zur Ratifikation des Waffenstillstandes mit Preußen sind 28 den Fragen des Krieges gewidmet –, so darf daraus nicht gefolgert werden, daß die Kompetenz oder die Bestimmung des Ministerrates eine Änderung erfahren hätte: nach wie vor behandelt er jene Fragen, die der Wille des Monarchen ihm zuweist. Die Krise, in die Österreich im April 1866 offensichtlich eingetreten ist, spiegelt sich auch in dem Wechsel der Themen; sie werden sich nach deren Abschluß entsprechend ändern.
Die meisten Sitzungen werden in diesem Abschnitt vom Kaiser präsidiert. Auch bei dem wohl geheimsten Gegenstand, der in diesen Wochen zur Beratung kam, dem Abschluß des Geheimvertrags mit Frankreich über die Abtretung Venetiens am 11. Juni, waren alle Minister mit Ausnahme des Kriegsministers zugegen, dessen Abwesenheit aus Gründen seines Ressorts zu erklären sein dürfte; der Monarch betonte zu Beginn der Sitzung lediglich, „daß der heute zur Sprache kommende Beratungsgegenstand das unbedingteste Geheimnis erheischeProtokolle des österreichischen Ministerrates 1848–1867
(weiterhin ÖMR. 1848–1867) VI/1, XX
.
Man mag sich beim Lesen dieser Einleitung gelegentlich an den Rat erinnern, den der im Herbst 1866 mit schwerem Herzen von seinem Amt scheidende Minister des Äußern seinem Monarchen für die Zukunft erteilte: „Die Ministerräte müßten öfter stattfinden, überhaupt alle Ansichten in denselben so geläutert werden, daß die Regierung nach außen dann als eine einige, starke dasteht
Am
Seit März gab es gewisse „Rüstungen“ Österreichs. „Sie waren“, schreibt Srbik, „durch die alarmierenden Nachrichten über den preußischen Kronrat vom 28. Februar, dem Kriegsminister, Generalstabschef und Generaladjutanten beigezogen worden waren, und über Verhandlungen Berlins mit Florenz hervorgerufen; sie entsprangen ferner der sächsischen Nachricht, daß Bismarck einen Überfall Sachsens plane, und der Tatsache, daß für den ,Kriegsfall Preußen‘ in Böhmen und Mähren durchaus nicht vorgesorgt und die Armee überhaupt sehr reduziert war. Sie entbehrten jeglicher Angriffsabsicht. Sieben bis acht Wochen erforderte die schwerfällige österreichische Mobilisierung, … während das preußische Mobilisierungssystem glatt und rasch arbeiten konnte
Im Ministerrate vom 8. April, dem Komers und Wüllerstorf nicht beigezogen wurden, gaben Mensdorff und Esterházy ihrer Hoffnung Ausdruck, daß noch immer der Friede erhalten werden könne, und um Preußen keinen Vorwand für eine Kriegserklärung zu geben, einigten sich alle Teilnehmer dieses Ministerrates darauf, „daß vorderhand weitere militärische Maßnahmen“ von seiten Österreichs zu unterbleiben hättenEbd.
III, IV und VI.
Als dem Ministerrat vom 17. April das Anbot Preußens vorlag, zum status quo ante zurückzukehren, fühlten die Teilnehmer, daß hiemit die Stunde der Entscheidung über Krieg oder Frieden gekommen sei. So sagte es der Kaiser und so Esterházy und Mensdorff, die beide „eine bestimmte positive Antwort“ auf das Verlangen Berlins für unvermeidlich hielten. Belcredi schloß sich ihnen um so mehr an, als er den jetzigen Zustand in Österreich auf die Dauer für unerträglich hielt. Über die Einwände des Kriegsministers, daß mit einer solchen Erklärung Österreichs nichts erreicht würde, da Preußen bald neue Vorwände finden würde – „in solchen sei bekanntlich Graf Bismarck erfinderisch und reich“ –, entschied der Kaiser, man müsse das preußische Anbot annehmen, aber mit der Modifikation, daß beide Staaten „an dem einen und demselben Tage“ mit der Abrüstung begännen. „Schließlich gab Se. Majestät Ihren Willen dahin kund, daß die hierortige Antwort in einem ruhigen, durchaus offenen Tone abgefaßt und jede komminatorisch zu deutende Wendung vermieden werde.“ Das Anbot Österreichs blieb erfolglos; es war an und für sich nicht aussichtsreich gewesen, da es die schleswig-holsteinische Streitfrage in keiner Weise einer Lösung näher brachte
Der Ministerrat am 23. AprilAuf was die Hoffnung, daß der Friede noch erhalten werden kann, begründet ist, weiß ich nicht; ich weiß aber, daß die Diplomaten alles noch von dem Eindruck einer Note erhoffen, während der Feind eben seine letzte Munitionskolonne bespannt …
; nach
Die nächste Beratung am 25. April, die das Protokoll als eine „vertrauliche Besprechung“ bezeichnet, rückte die Entscheidung noch näher. Es wurde die Absendung zweier Depeschen nach Berlin beschlossen, die beide die ausweglose Situation, in die Österreich geraten war, ausdrückten. Die erste gab in absichtlich unbestimmt gehaltenen Worten die Bereitschaft zur gegenseitigen Abrüstung bekannt, wovon aber die militärischen Maßnahmen gegen Italien nicht berührt werden sollten, obwohl es klar war, daß Italien nur als Bundesgenosse Preußens Truppenbewegungen gegen Österreich vorgenommen hatte. Die zweite Depesche ließ den Willen erkennen, Belcredis Vorschlag vom 23. April aufzunehmen und die schleswig-holsteinische Frage vor den Bund zu bringen. Was dieser Entschluß bedeutete, sprach Mensdorff deutlich aus, indem er sagte, daß diese Depesche Ebd.
Esterházy sekundierte: unparteiische Nachrichten über die Rüstungen in Italien hätten mit den alarmierenden Zeitungsmeldungen, auf Grund deren die Mobilisierung der Süd-Armee verfügt worden war, nicht übereingestimmtNachlaß Rechberg
, heißt es: Wenn FZM. Benedek unsere unglückseligen Agentennotizen bestätigt, dann bleibt uns freilich nichts anderes übrig, als denselben offiziellen Glauben zu schenken und danach schulgerecht vorzugehen. Am Krankenlager eines so interessanten Patienten wie Österreich muß das individuelle Gefühl, die subjektive Überzeugung eines einzelnen Arztes verstummen vor dem Ausspruch der Consultation, welche gewöhnlich les règles de l'art höher stellt als Leben oder Tod.
Aufgrund dieses Billetts und der Stimmabgabe im MR. v.
Der Kaiser bekannte, daß er anfänglich nicht an einen Krieg glaubte; aber nun, „wenn andere ihn wollen, welche Mittel gebe es, ihn zu vermeiden?“. Jetzt aber müsse man den Krieg als unvermeidlich betrachten. Österreichs Aufgabe sei es somit, sich in jeder Beziehung, und so auch finanziell, für ihn möglichst gut vorzubereiten; hiezu sei es notwendig, den Schritt zu tun und alle Noten zu 1 und 5 fl. als Staatsnoten zu erklären. Um weitere Geldmittel zu beschaffen, beantragte Graf Larisch ferner, insgeheim zu versuchen, durch Samuel Haber in Paris 60 Millionen Pfandbriefe zu placieren, was natürlich Illusion blieb.
Die erste Maiwoche fand den österreichischen Ministerrat damit beschäftigt, Verfügungen zu erlassen, durch die das Zivilleben auf den Eintritt eines Kriegszustandes
Zu dem Ministerrat vom 14. Mai waren nur Belcredi, Mensdorff, Wüllerstorf
Im Mai wurde der Ministerrat mit keiner weiteren ausgesprochen diplomatischen Frage befaßt. Die nächste derartige Beratung fand am 11. Juni statt: der Geheimvertrag mit Frankreich über die Abtretung Venetiens stand auf der Tagesordnung, ein Gegenstand, der, wie der Kaiser am Eingang der Sitzung bemerkte, „das unbedingteste Geheimnis erheische“. In der Tat! Es ist der Vertrag, den der nicht zimperliche Beust als das „unglaublichste“ Aktenstück bezeichnete, das ihm unter die Augen gekommen, und der Monarch schloß die Beratung über dieses Abkommen mit dem Satze, daß ihm „besonders schmerzlich“ der Gedanke falle, „daß die Armee in Italien nun für etwas zu kämpfen habe, welches ihr größter Heldenmut nicht mehr zu retten vermöge“. Custoza und Lissa erbrachten den Beweis, daß der Kaiser richtig gesprochen hatte. Mit diesem Vertrage löste Napoleon III. sein 1859 gegebenes und sofort auch gebrochenes Versprechen ein: „Italien frei von den Alpen bis zum Meer“; und wiederum hatte der Kaiser von Österreich die Situation des Momentes richtig erfaßt, wenn er sagte, daß „Napoleon gegenwärtig Herr der Situation sei“. „In der gegenwärtigen kritischen Lage des Reiches“, so begann Franz Joseph die Besprechung, „war es unerläßlich, über die Intentionen des Kabinetts in Paris beim Ausbruche eines Krieges zwischen Österreich, Preußen und Italien ins reine zu kommen. Fürst Metternich [der österreichische Botschafter in Paris] sei deswegen beauftragt worden, mit dem Kaiser Napoleon zu sprechen und demselben gegenüber die Andeutung fallenzulassen, daß bei Beobachtung einer unbedingten Neutralität die Möglichkeit der Abtretung Venedigs nach Eroberung einer angemessenen Kompensation vorhanden sei.“ Die Anregung war also von Österreich ausgegangen. Wie erwähnt, Napoleon verschärfte noch die Bedingung für seine Hilfe: Venetien war auf jeden Fall verloren. Sollte Österreich in Deutschland siegreich sein, so waren ihm im Einvernehmen mit Frankreich Kompensationen in Aussicht gestellt. Dafür versprach der Kaiser der Franzosen – „gegenwärtig Herr der Situation“ – die Neutralität seines Landes. Österreichische Versuche, eine Milderung der Bedingungen zu erlangen, blieben in allem Wesentlichen vergeblich.
Nichts beleuchtet die Situation, in der sich Österreich befand, klarer als die Diskussion, die über dieses Abkommen im Ministerrat, an dem alle Mitglieder der Regierung mit Ausnahme des Kriegsministers teilnahmen, dem Protokoll zufolge geführt wurde. Nachdem die betreffenden Aktenstücke verlesen worden waren, „wurde sodann im vertraulichen Meinungsaustausche die Frage erörtert, ob dieser Konvention die Zustimmung der kaiserlichen Regierung zu erteilen sei. Sämtliche Mitglieder sprachen die Ansicht aus, daß nach der Lage der Dinge nichts anderes als die Annahme übrigbleibe“. Esterházy warf wohl die Frage auf, ob die Pistole, mit der Napoleon gedroht habe, wirklich geladen sei; Mensdorff widersprach: die Lage in Europa sei so, daß es Napoleon freistehe, nach seinem Belieben nach Venetien oder nach dem Rhein zu greifen; es sei nicht denkbar, daß er nicht eines von beiden tun sollte. Was wäre die Stellung Österreichs, falls es
Bis zum Tage nach Königgrätz ist der Ministerrat mit den eigentlichen Kriegsfragen nicht befaßt worden. Die Beratung am 4. Juli über die Anwerbung von 10.000 Kriegsfreiwilligen in Wien beleuchtet die damalige Lage: eine genügende Menge an Gewehren „von der früheren Bürger- und Nationalgarde“ stehe zu ihrer Bewaffnung zur Verfügung. Belcredi befürwortete die Bewaffnung; man solle „die Leute in dem gegenwärtigen Momente, wo es bei der verzweifelten Stimmung in der Bevölkerung, namentlich in Wien, gefährlich wäre, jetzt schon vom Frieden zu sprechen, und wo die Schmach, sich unter preußisches Joch beugen zu sollen, alle Gemüter auf das tiefste erbittert, nicht hindern, als Freiwillige sich dem Waffendienste zu widmen“. An dieser Darlegung des Staatsministers ist zumindest der Hinweis auf die verzweifelte Stimmung der Bevölkerung bemerkenswert; charakteristisch für die Lage ist auch der Schluß der Ausführung, daß durch diese 10.000 „Kriegsfreiwilligen“ „eine Masse von Proletariern, die bei ihrer Erwerbslosigkeit“ und bei drohender Besetzung von Wien durch die Preußen für Wien sehr gefährlich werden könnte, abgezogen werden würde. Auf Grund dieser Argumentation wurde die Anwerbung der Freiwilligen beschlossen.
Als in dieser Sitzung später die Frage eines Friedensschlusses erwogen wurde, sprach sich Belcredi mit Entschiedenheit dagegen aus, auch auf die Gefahr hin, daß Wien von den Preußen besetzt würde. Wien sei nicht Österreich. Der Kaiser werde den Ungarn weitere Konzessionen machen, und „durch die Kraft der Ungarn [würden] die Preußen aus unseren Ländern hinausgeworfen werden“. Ein Friede aber würde ein ewiger Schandfleck bleiben und wäre „bei der ungeheuren Erbitterung der Bevölkerung gegen Preußen nur geeignet, eine Revolution hervorzurufen“! Das Protokoll beschließt diesen Punkt der Diskussion mit den Worten: „Sämtliche Konferenzmitglieder waren von der Überzeugung durchdrungen, daß man jetzt nicht nachgeben könne, sondern verpflichtet sei, das Äußerste anzuwenden, um einen schimpflichen Frieden abzuwehren.“ An Einmütigkeit hat es ja dem österreichischen Ministerrat von 1866 nicht gefehlt. Es bot sich ihm sofort Gelegenheit, diese Einstellung unter Beweis zu stellen; das Protokoll fährt fort: „Nachdem der Kriegsminister der Möglichkeit einer Besetzung Wiens durch die Preußen gedacht hatte, hielt es der Staatsminister für notwendig, wegen Sicherung der Staatskassen, ämtlichen Depositen und des Metallschatzes der Nationalbank einen Beschluß des Ministerrates hervorzurufen.“
Aber es waren neue Geldmittel aufzubringen; von den letzten Maßnahmen waren nur noch 27 Millionen fl. vorhanden. Man wußte sich keinen anderen Rat als – wogegen man sich so lange gesträubt hatte – Staatsnoten auszugeben im Höchstbetrag von 200 Millionen fl. Nach kurzer Debatte erklärte sich der Ministerrat „aus Rücksicht unvermeidlicher Notwendigkeit“ mit dem Antrag einverstanden. Die Nationalbank legte gegen die Eröffnung des Kredits von 200 Millionen am 8. Juli feierliche Rechtsverwahrung ein
Als weitere Folge von Königgrätz stand im Ministerrat vom 9. Juli die Abreise des Kaisers und der Spitzen der Behörden nach Ofen auf der Tagesordnung. Die Verhandlungen mit dem preußischen Hauptquartier wegen des Abschlusses eines Waffenstillstandes waren gescheitert, und ebensowenig hatte der Versuch Napoleons III., seine Vermittlung anzubieten, Erfolg
Ein Manifest war in Vorbereitung, das der Bevölkerung die Vermittlung Napoleons und zugleich den festen Entschluß der Regierung mitteilen sollte, keinen Frieden anzunehmen, „welcher die Grundbedingungen der Machtstellung Österreichs erschüttern würde“. Eine Räumung Wiens und die Übersiedlung des Kaisers und der Spitzen der Behörden nach Ofen wurden vorbereitet. Einer Anregung, „bei der herrschenden großen Aufregung den Landsturm aufzurufen und zu bewaffnen“, wurde nicht Folge gegeben, da eine Volksbewaffnung die besitzenden Klassen „der höchsten Gefahr“ aussetzen würde. In einem zweiten Ministerrat vom gleichen Tage wurden weitere Bestimmungen getroffen, die für den Fall der Besetzung Wiens durch die Preußen Vorsorge treffen sollten. Vor allem sollte ein regelmäßiges Weiterfunktionieren der in Wien verbleibenden Abteilungen der Zentralstellen ermöglicht werden, und Vorauszahlungen an Gehältern und Pensionen für mehrere Monate wurden verfügt.
Am 21. Juli, zwei Tage vor Beginn der Verhandlungen in Nikolsburg, konnte der Ministerrat endlich zur Beratung der Friedenspräliminarien zusammentreten, nachdem die österreichischen Hoffnungen auf eine Vermittlung durch Napoleon gründlich enttäuscht worden waren, aber auch nachdem im preußischen Hauptquartier Briefe Kaiser Franz Josephs an Kaiserin Elisabeth 1859–1898
, hg. von Endlich ein schönes und gut durchgeführtes Gefecht von Truppen unserer Nord-Armee
.
Die Beratung wurde am 26. Juli in Anwesenheit Erzherzog Albrechts und seines Generalstabschefs FML. John fortgesetzt. Der Erzherzog hielt die Fortsetzung des Krieges für möglich, riet aber im Hinblick auf den Zustand der Nord-Armee dringend, für ein paar Wochen Ruhe zu gewinnen. FML. John unterstrich diese Ausführungen: wohl könne man den Krieg fortschleppen, dadurch würde aber der Feind nicht aus Böhmen, Mähren und Schlesien hinausgeworfen. Auf längere Zeit halte er die gegenwärtige Lage für unhaltbar; Österreich müsse mit dem einen oder anderen Feinde, mit Preußen oder Italien, Frieden machen. Mensdorff trat für den Abschluß mit Preußen ein: „Je schneller man mit Preußen abschließe, desto leichter werde man mit Italien zum Ziele kommen.“ Noch mehr drängte Esterházy auf den Abschluß eines Waffenstillstandes mit Preußen; es fehle in der Monarchie und namentlich in Ungarn an Anzeichen eines wahrhaftigen Patriotismus. Gegenwärtig bestehe keine Aussicht auf eine wirksame Unterstützung von irgendeiner Seite. „Es sei zu hoffen, daß man später in Paris zum Verstande komme“, und er fügte hinzu: besonders wenn Österreich einmal im Besitze von Hinterladergewehren sei. Auch der Staats- und der Justizminister traten für den baldigen Waffenstillstand mit Preußen ein; auch sie vermochten in einer Fortsetzung des Krieges keine günstigen Chancen zu erblicken. Mailáth hielt eine partielle Erhebung Ungarns, um den Krieg fortzusetzen, für möglich, aber nicht eine allgemeine
Tatsächlich wurden am selben Tag in Nikolsburg die Friedenspräliminarien unterzeichnet, und tags darauf berieten die Minister über die Ratifikation des Waffenstillstands mit Preußen, der am 2. August beginnen und für die Dauer von vier Wochen gelten sollte. Alle Beteiligten sprachen sich für die Ratifikation aus. Esterházy aber fand in der letzten Minute auch Worte zugunsten der deutschen Verbündeten Österreichs, was zumeist übersehen wird. Er hob „das Verletzende“ in Art. V des PräliminarfriedensvertragsWaffenstillstandskonvention
bezeichnet; vgl. dazu MR. v. Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte
, hg. von
Damit hatte die Tätigkeit des Ministerrats, insoweit sie den Feldzug von 1866 betraf, im wesentlichen ihr Ende gefunden. Bei keinem Anlaß war sie einschneidend gewesen und diente in diesen Fragen wohl hauptsächlich dazu, dem Monarchen die schweren Entscheidungen dieser fünf Monate leichter tragbar zu machen; Ebd.
Die Normalisierung der Beziehungen zwischen Österreich und Preußen mußte in Angriff genommen werden: am 6. August wurde das Übereinkommen beraten, das die Wiederherstellung der Eisenbahn-, Post- und Telegrafenverbindungen zwischen den beiden Staaten bezweckte, „wenn auch [zunächst] unter mannigfachen unliebsamen Beschränkungen“. Der referierende Sektionschef betonte, daß es ein unabweisbares Gebot sei, den „vom Kriege in erschreckender Weise heimgesuchten Provinzen die Kommunikationen mit dem übrigen Reiche so rasch, als es nur irgend möglich ist“, wiederzugeben.
Daran schloß sich die Diskussion über die Frage, welche Wert- und Kunstgegenstände noch vor der Räumung Venedigs von dort weggebracht werden sollten. Die erste Gruppe umfaßte Gegenstände, die in das Ressort des Finanzministers fielen, wie die Barbestände der ärarischen Kassen, die beträchtlichen Vorräte an Salz, „die zur Ersparung der wegen des großen Gewichtes bedeutenderen Transportspesen sogleich unter dem Monopols-, ja selbst unter dem Erzeugungspreise in loco zu verkaufen wären“, aber auch „die in den Jahren 1856 und 1857 mit einem Kostenaufwande von 360.000 fr. aus dem Staatsschatze angeschaffte reiche und kostspielige Einrichtung im kaiserlichen Palaste, soweit sie nicht niet- und nagelfest ist“. Die Konferenz war einstimmig einverstanden, daß diese Gegenstände weggebracht würden. Dann kam die Wegschaffung der „berühmten Bildersammlung der Accademia delle Belle Arti“ zur Sprache. Der Referent führte aus, daß „diese Bilder einen Wert von vielen Millionen fl. repräsentierten, auf welche die Kommune und das Land Venedig aus keinem Titel einen Anspruch haben.… [Sie] wären um so mehr aus Venedig zu entfernen, als die kaiserliche Akademie im Belvedere zu Wien in dieser Richtung am wenigsten vertreten ist“. Ministerialrat v. Neuwall fügte hinzu, Österreich wäre auf einer falschen Bahn, wenn es sich von Gefühlen der Großmut einem Lande gegenüber leiten ließe, das sich stets über jede Loyalität hinweggesetzt habe; man würde dies nur als Furcht auslegen. Belcredi entgegnete, daß diese Bilder stets als ein rein venezianisches Eigentum gegolten hätten. Das Wegführen würde einen Sturm des Unwillens bei der Bevölkerung hervorrufen und könnte die Friedensverhandlungen sehr ungünstig beeinflussen. Der Justizminister aber erklärte Österreich für berechtigt, die Bilder an sich zu nehmen, und ihm schloß sich Ministerialrat v. Gödel an, der schon in einer von Erzherzog Albrecht einberufenen Kommission in diesem Sinne gestimmt hatte. Dabei „sei es ihm nicht entgangen, daß die Venezianer bis zum letzten Gondoliere herab an diesen Kunstschätzen mit Leib und Seele hängen und eher ihre Haut lassen, als diese Bilder wegbringen lassen werden“. In der vom Erzherzog einberufenen
Noch einmal trat der Ministerrat in einer Angelegenheit, deren Ursache im Feldzug von 1866 lag, zusammen – wie in einem Nachspiel. Am Probleme der Edition
, unten S. LXXII.von aller Schuld
freigesprochen, vgl.
Ebd. 490
unrichtig, daß der Ministerrat die gegen Benedek vielfach aufgeregte öffentliche Meinung unterstrich.
Daraufhin stellte John die Frage an die Minister, ob sie glaubten, daß die Untersuchung gegen die drei Generale fortgesetzt werden solle, gab aber zu bedenken, daß darunter die ganze Armee leiden werde. Der Kriegsminister, der ungarische und der siebenbürgische Hofkanzler, der selbst General der Kavallerie war, sprachen sich gegen die Fortsetzung der Untersuchung aus; der Justizminister und Kussevich enthielten sich der Stimme; für die Fortsetzung der Untersuchung stimmten Belcredi, Beust, Larisch und Wüllerstorf, somit die relative Majorität. Von den drei anwesenden Offizieren (Wüllerstorf war Vizeadmiral) waren zwei für die Einstellung des Verfahrens eingetreten, von den vier, die für dessen Fortsetzung gestimmt hatten, ist es bei dreien dem Verfasser dieser Einleitung nicht bekannt, daß sie des öftern Pulver gerochen hätten; auch kann man, seiner Ansicht nach, Beust nicht nachsagen, daß er am
Das war am 3. Dezember, fünf Monate nach der Schlacht von Königgrätz, die letzte Stellungnahme des Ministerrates zum Feldzug von 1866. Der Kaiser aber
Der Historiker, der es unternimmt, sich zu vergegenwärtigen, wie sich der österreichische Ministerrat in der zweiten Hälfte des Ministeriums Belcredi zum ungarischen Problem eingestellt hat, in dem man doch die zentrale Frage der Regierung Franz Josephs sehen darf, wird sich einer sonderbaren Lage bewußt. In welchem Staate Europas besteht ein Analogon zu der Tatsache, daß ein ernstes, auf unbekannten ersten Quellen aufgebautes Geschichtswerk, das Hauptprobleme dieses Staates behandelt, bei seinem Erscheinen nicht nur hier kaum, im Ausland überhaupt nicht beachtet wurde, sondern daß diese Ignorierung während der folgenden fünfzig Jahre außerhalb des engsten Fachkreises ununterbrochen andauert, obwohl es auch heute in keiner Weise überholt ist, ja in vielen Partien die einzige Grundlage für weitere Forschung bildet und nur noch in lächerlich wenig Exemplaren erhältlich ist? Keine der aufeinanderfolgenden Regierungen und der gelehrten Institutionen Österreichs, die sämtlich das österreichische Geschichtsbewußtsein rühmen und fördern zu wollen erklärten und auf dem Gebiete der Geschichte Projekte und Publikationen, deren dauernder Wert öfters fraglich erscheint, großzügig unterstützten, besonders wenn sie im Auslande erscheinen, hat es unternommen, die kaum mehr auftreibbaren zwei Bände von Josef Redlich, Das österreichische Staats- und Reichsproblem, neu aufzulegen. Wir weisen jedenfalls darauf hin, daß für diesen Abschnitt unserer Einleitung der zweite Band von Redlichs Werk die unumgängliche Grundlage bildet, auch wenn die Wiedergabe mancher Aktenstücke nicht genau ist, was schon Clark und Srbik vermerkt haben. Dies soll aber gewiß nicht bedeuten, daß wir uns mit allen Folgerungen und Urteilen Redlichs identifizieren. Aber wir unterstreichen emphatisch
Wenn Josef Redlich dem Ministerrat vom
Am 22. März war die 67er Kommission des ungarischen Abgeordnetenhauses zusammengetreten, die es als ihre Aufgabe bezeichnete, „nur die Hauptprinzipien und auf Basis derselben den Grundriß eines Vorschlages festzustellenLandtag
zur Bezeichnung der ungarischen Legislativvertretung. Die Ungarn forderten die Ersetzung durch Reichstag
; diese Forderung wurde erst nach dem Ausgleich erfüllt, womit zum Ausdruck gebracht wurde, daß das ungarische Parlament nicht den Landtagen, sondern dem Reichsrat Cisleithaniens gleichgestellt war.Fragmente aus dem Nachlaß des ehemaligen Staatsministers Grafen Belcredi
, hg. von
Der Ministerrat vom 9. April legt Zeugnis davon ab, daß der Prozeß dieser Wandlung beim Monarchen begonnen hat, auch wenn dessen einzelne Vorstellungen von der Durchführung des Ausgleichs noch weitab von der endgültigen Gestalt, die ihm zuteil werden sollte, liegen. Vielleicht erfaßt die Bemerkung, die Belcredi in Beantwortung einer extravaganten Anregung des Handelsministers betreffend die gemeinsamen Angelegenheiten machte, die Situation richtig: „Um den Ausgleich zu erzielen“, meinte der Staatsminister, „werde man sich manche Konfusion für den Anfang gefallen lassen müssen, welche am Ende denn doch zu der allseitigen Überzeugung führen müsse, daß im allseitigen Interesse gewisse Angelegenheiten nur gemeinsam behandelt werden können.“ Der Versuch, diese „gewissen Angelegenheiten“ präziser zu bestimmen, ergab nach Beratungen von weiteren 20 Monaten den ungarischen Gesetzartikel XII vom Jahre 1867. Deák und die Wiener Regierung wurden sich darin einig, „daß die Pragmatische Sanktion die einzige beiderseits rechtlich anerkannte Brücke zwischen Ungarn und den übrigen Erbländern bilde. Alles kam also darauf an, was Deák und seine Mehrheit als aus der Pragmatischen Sanktion erfließend feststellen würden
Als der Ministerrat am 23. Juni wiederum mit einer Entscheidung über Ungarn befaßt wurde, war bereits am 17. Juni das österreichische und am 18. das preußische Kriegsmanifest veröffentlicht worden, und tags darauf wurde die Schlacht von Custoza geschlagen. Es handelte sich lediglich darum, den Landtagungarischer Landtag
.
Die ungarische Frage, über die der Ministerrat dann abschließend am 26. August beriet, war schon früher in einem weiteren Zusammenhang behandelt worden. Als am 19. Mai die Vorbereitung zu einer zweiten Rekrutierung besprochen werden sollte, hatte der ungarische Hofkanzler Bedenken gegen diese Maßnahme erhoben. Mailáth meinte, daß im gegenwärtigen Zeitpunkt der ungarische Landtag Einspruch einlegen werde. Wenn in etwa zwei bis drei Wochen, wie man annahm, der Landtagsausschuß bezüglich der gemeinsamen Angelegenheiten ein günstiges Gutachten lieferte, so würden auch in Ungarn keine Schwierigkeiten gegen die Rekrutierung gemacht werden; im entgegengesetzten Falle bliebe nichts übrig, als den Landtag zu vertagen oder aufzulösen. Die Konferenz berücksichtigte diese Einwände und schränkte die geplanten Maßnahmen auf die dem Kriegsschauplatz benachbarten Länder ein
Der Ministerrat, mit diesem Einzelfall befaßt, wurde aber in keiner Weise von den entscheidenden Besprechungen informiert, die eben in diesen Wochen in der Sache des Ausgleichs, ja man kann sagen über das Schicksal der Gesamtmonarchie
Aber nun trat immer deutlicher an Deáks Seite Julius Andrássy, dem zeitweise in den Verhandlungen mit dem Monarchen auch die führende Rolle zufiel und der die Formulierung fand, in der der Ausgleich tatsächlich ins Leben trat: „Der Dualismus müsse auf die Deutschen und Ungarn, den beiden Säulen der Monarchie, aufgebaut werden. Sie sind die Elemente, die vor allem befriedigt werden müßten.“ Wenn dieser Grundsatz sich als Leitmotiv der Politik der Monarchie bis zum Zweibund mit dem Deutschen Reich von 1879 immer mehr, wenn auch nicht ohne Widerstände und Unterbrechungen durchsetzte, so stand er in den Monaten von 1866, da er formuliert wurde, im geraden Gegensatz zu dem politischen Programm, ja man möchte sagen zu dem politischen Glaubensbekenntnis jener Männer, die die politische Führung im Kabinett des Grafen Belcredi bildeten und die bis dahin als die eigentlichen Vertrauensmänner des Monarchen galten: Belcredi, Esterházy und Mailáth.
Wie verhielt sich der Ministerrat zu dieser entscheidenden Wendung der Politik der Monarchie? Zunächst war er ausgeschlossen. Erst am
Auch im Ministerrate vom 28. Oktober kam das Problematische der bevorstehenden Berufung Beusts zum Ausdruck. Sie wurde von keinem der Teilnehmer befürwortet, geschweige denn begrüßt. Den Mittelpunkt der Beratung bildete die Rede Belcredis, in der er die Informationen über die inneren Verhältnisse der Monarchie mitteilte, die er dem präsumtiven neuen Außenminister gegeben hatte und die darin gipfelten, „daß unter den dermaligen politischen Verhältnissen der österreichische Minister des Äußern sich eine große politische Reserve auferlegen und das Betreiben ultradeutscher Politik sorgfältig vermeiden müsse“. Er wußte zu berichten, daß Baron Beust diesen Ansichten vollkommen beigestimmt habe. Für sie beide bildete die ungarische Frage damals das Zentralproblem. Der Staatsminister verwies auf das Programm des 15er Komitees. „Bei den Ungarn“, fuhr er fort, „richte man erfahrungsmäßig mit Gewalt nichts aus. Es müsse ein zweckmäßiger Anknüpfungspunkt gesucht und das Weitere der Zeit überlassen werden.“ Und Belcredi betonte dann, was ihm wesentlich war: „Nur dann, wenn die Vertreter der beiderseitigen Ländergruppen einmal an einem Orte zusammenkommen werden, könne an die Möglichkeit eines Ausgleiches gedacht werden. Das Projekt Deáks bezüglich der Delegationen wäre ein Anfang …“ Hierauf zählte er drei Punkte des 15er Komitees „von kardinaler Bedeutung“ auf, bei denen ein Nachgeben der Regierung unter keiner Bedingung stattfinden könnte: die Einheit der Armee, die Einheitlichkeit der Staatsschuld, die Einheitlichkeit des Zollwesens. Es sind die Punkte, die nach harten Verhandlungen als „gemeinsame“ geregelt wurden und so bis 1918 blieben. „Alle übrigen Punkte seien nicht so vitaler Natur, daß der Ausgleich deshalb zum Scheitern gebracht werden müßte. Dann kam Belcredi nochmals auf die Forderung nach einer Gleichberechtigung der westlichen Reichshälfte zu sprechen: wenn Ungarn einst ein eigenes Ministerium erhält, „dann wird die Ministerverantwortlichkeit auch für die Minister der Länder diesseits der Leitha zum Prinzipe erhoben werden müssen“.
Dem Ministerrate am Tage darauf, dem Belcredi präsidierte und dem Baron Beust beiwohnte, oblag zunächst die Diskussion über die am 28. Oktober gemachte Anregung, ein Regierungsprogramm abzufassen und zu veröffentlichen. Der Staatsminister bekannte zu Beginn, daß er „kein Freund der Publizierung von
Über Aufforderung des ungarischen Hofkanzlers skizzierte nun Beust seine Beurteilung der internationalen Beziehungen der Monarchie und betonte besonders die deutsche Frage. „In Österreichs Interesse sei es gelegen, daß die Politik der Regierung durch ihre ganze Haltung, namentlich gegen die deutsche Bevölkerung, beitrage, daß der Süden Deutschlands nicht in dem Norddeutschen Bund aufgehe.… Preußen gegenüber müsse Österreich eine solche Haltung einnehmen, daß es durch die Verhältnisse nicht dazu gedrängt werde, mit Preußen anzubinden, weil sonst der Drang der süddeutschen Staaten, mit dem Norddeutschen Bund vereinigt zu werden, nur vermehrt werden würde. Die Beziehungen zu Frankreich seien ohne Verbindlichkeit, Österreich stehe mit Frankreich auf gutem Fuße, und er schmeichle sich, daß seine Persönlichkeit beitragen wird, die Beziehungen noch freundlicher zu gestalten.“ Schließlich verstand sich Baron Beust auf eine besorgte Frage des ungarischen Hofkanzlers zu der Erklärung, daß, wenn nicht unvorhergesehene Ereignisse eintreten sollten, wie etwa der Tod Kaiser Napoleons, „der Friede auf wenigstens ein Jahr hinaus als gesichert gelten könne“. Mit dieser Erklärung konnte der Eintritt des ehemals sächsischen Ministerpräsidenten in den Ministerrat des Kaisers von Österreich als tatsächlich vollzogen angesehen werden. Wenn man die Gedanken und Pläne Beusts im Sommer 1870 zu verstehen sucht, wird man seine Erklärungen im Ministerrate vom Oktober 1866 nicht völlig außer acht lassen dürfen.
Die Geschichte des Reskripts vom
Aber die ungarische Nation und Deák an ihrer Spitze waren von dem Reskripte und dessen wiederum Aufschub suchender Taktik keineswegs befriedigt. Die gesamte öffentliche Meinung in Ungarn verlangte endlich Taten zu sehen, vor allem die faktische Herstellung der Verfassung und die Ernennung eines verantwortlichen Ministeriums
Nach einem kurzen günstigen Aufflackern der öffentlichen Meinung in Ungarn schien eine erneute Krise nicht zu vermeiden, als knapp vor Jahresende, am 19. Dezember, das erneuerte Wehrgesetz im Ministerrat zur Beratung stand. Es ist sehr begreiflich, daß Franz Joseph und seine militärischen Ratgeber nach Königgrätz darauf drängten, auf Grundlage der allgemeinen Wehrpflicht ein Wehrgesetz nach preußischem Vorbild einzuführen. Ein solcher Entwurf war inzwischen vom Kriegsministerium ausgearbeitet worden. Sollte er, konnte er im Oktroyierungswege erlassen werden, obwohl die Rekrutenbewilligung zu den ältesten, sorgsam gehüteten Rechten des ungarischen Landtags zählte?
FML. John, der Sieger von Custoza, inzwischen Kriegsminister geworden, sprach sich entschieden gegen jede weitere Verzögerung aus: das Gesetz solle sobald als irgend möglich in Kraft treten. Auch von der Bevölkerung werde eine durchgreifende Reform der Heeresorganisation erwartet. Ihm trat der Staatsminister aus politischen Gründen entgegen. Solange Aussicht auf einen Ausgleich mit Ungarn vorhanden, sei es die höchste Pflicht der Regierung, keine Maßregel zu treffen, welche den Ausgleich unmöglich machen könnte, und die Oktroyierung eines Gesetzes, das die allgemeine Wehrpflicht einführe, wird „höchstwahrscheinlich
Als letzter sprach der neue Minister des Äußern und betonte seine prinzipielle Sympathie für die Argumente des Kriegsministers, aber – fuhr er fort – es „lasse sich nicht verkennen, daß die ungarische Frage gegenwärtig in den Augen Europas die Hauptfrage sei, welche die innere Politik Österreichs zu lösen habe. Deswegen müßte er auch von seinem Standpunkte jedes Vorgehen der Regierung mißraten, welches die Schuld des Scheiterns der Unterhandlung in den Augen der Welt auf die Regierung wälzen könnte“. In dieser Zwangslage hatte Beust einen Vermittlungsvorschlag bereit: mit Ausnahme der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht, die der Beratung im verfassungsmäßigen Wege vorzubehalten wäre, sollten unter dem Hinweis „auf den Drang der Umstände“ alle anderen Bestimmungen des geplanten Wehrgesetzes jetzt mittels einer kaiserlichen Verordnung eingeführt werden. Der Monarch stimmte diesem Vorschlag Beusts, der tatsächlich weithin auf einer Anregung Belcredis beruhte, zu.
In der Frage des Wehrgesetzes hatten Belcredi und Beust übereingestimmt; der Form nach mochte der Außenminister als Sieger erscheinen; der Sache nach war es der Staatsminister. Doch die zweimalige Korrektur betreffend den Ausdruck „die künftige Reichsvertretung“ von der Hand Beusts im Protokoll der Sitzung vom 19. Dezember deutet die Verschiedenheit ihrer Ansichten in einer wesentlichen Frage des Ausgleichs an. Beust hat diese Worte zweimal aus dem Protokoll gestrichen; bei der ersten Streichung setzte er hinzu: „… diese Änderung erscheint wegen Ungarns notwendig“, und an ihre Stelle schrieb er die unpräzise und unverfängliche Wendung „im verfassungsmäßigen Wege“. Man könnte sagen, daß der Kampf zwischen Belcredi und Beust in und mit dieser Korrektur eines Ministerratsprotokolls an die Oberfläche tritt.
Wie Josef Redlich richtig gesehen hat, stehen sich in Belcredi und Beust zwei diametral entgegengesetzte Charaktere gegenüberebd. 530 ff.
Die ersten beiden Monate nach Beusts Eintritt in das Wiener Kabinett schienen er und Belcredi in Übereinstimmung vorzugehen. Aber „die glatten Verkehrsformen Beusts auch im geschäftlichen Verkehr, seine Geschicklichkeit, bald durch Verschweigen, bald durch halbe Andeutungen seine eigentlichen Absichten zu verhüllen [die französischen Diplomaten werden es 1870 zu ihrem Schaden erfahren], stachen zu grell ab von der durchaus aufrichtigen, etwas schwerflüssigen, dabei aber zäh an dem gesprochenen Worte und an seinen Zusagen festhaltenden Art und Weise des Staatsministers, die Geschäfte zu führen. Stets sorgenvoll, ganz erfüllt von den Schwierigkeiten und Gefahren, in denen sich die Monarchie nach dem so unglücklichen Kriege von 1866 befand [besonders seit diesem Zeitpunkt, aber nach dem Urteile Belcredis nicht erst seit damals – wir haben es in seinem Regierungsprogramm vom Juni 1865 gesehen
Das Schicksal aber verfügte, daß dem österreichischen Rivalenpaar Belcredi–Beust auf ungarischer Seite ein analoges, bei aller Charakterverschiedenheit persönlich verbundenes und in jedem Fall den Österreichern staatsmännisch sehr überlegenes Führerpaar gegenüberstand: Franz v. Deák und Julius Graf Andrássy. Wenn dem religiös ehrlich gebundenen Belcredi das unerschütterliche legistische Gewissen der Nation in Deák irgendwie kongenial war, die beide – wie mit Recht gesagt wurde – ihre Staatskunst mit großem sittlichem Ernst betrieben, so mochte Beust gelegentlich dem Zynismus des ungarischen Magnaten den Zynismus des gebildeten sächsischen Oberbeamten entgegensetzen; beiden österreichischen Staatsmännern aber war die Gabe verwehrt, einen Stil von irgend ähnlicher Gestaltungskraft zu schreiben wie Bismarck.
Aber während zwischen dem Vertreter der ungarischen Gentry und dem Sprecher des liberal gesinnten, reichbegüterten Hochadels der Nation politisch eine fast nahtlose Einheit bestand, klafften auf der österreichischen Seite politisch und sozial die Gegensätze zwischen dem nicht übermäßig begüterten, zähen, adeligen Grundbesitzer aus Mähren und dem klugen, landlosen früheren Minister eines deutschen Mittelstaates: das österreichische Reichsproblem war für den einen, die deutsche Frage war für den anderen bis dahin das Zentrum des Denkens und Tuns gewesen; in Belcredi überwog das Pflichtgefühl, in Beust der Ehrgeiz, dem eine nicht zu übersehende Portion Eitelkeit beigegeben war. Wenn Bismarcks Zerrbilder, mit denen er die österreichischen Staatsmänner, denen er begegnete –
Der Fortgang in den Verhandlungen im ungarischen Landtag veranlaßte den Staatsminister, in der Sitzung vom 23. Dezember zu erklären, daß die Regierung sich jetzt in die politische Aktion einschalten müsseDie österreichischen Verfassungsgesetze
, hg. von ÖMR. 1848–1867
VI/1, XIX.
Alle Minister mit Ausnahme des Justizministers stimmten Belcredi zu, daß die Einberufung des Reichsrates jetzt unvermeidlich sei; auch der Minister des Äußern meldete keinen Einspruch an; das nach dem Vorschlag des Staatsministers verfaßte Einberufungspatent zum außerordentlichen Reichsrat vom
Von dieser Einmütigkeit weist der Ministerrat vom
Die Konferenzen vom 9. und 10. Jänner hatten die Aussichten auf einen Ausgleich mit Ungarn wesentlich vergrößert; wir wissen, wie skeptisch der Staatsminister noch im Ministerrat vom 19. Dezember ein solches Ereignis beurteilt hatte. Offen blieb die Frage: Wie würden die Länder „Cisleithaniens“ in ihrem „gleichgewichtigen Ausspruch“ diese Vereinbarung sich zu eigen machen? Waren hiefür die Aussichten in dem außerordentlichen Reichsrat günstig, der mittels des von Belcredi und Beust gezeichneten Patentes vom 2. Jänner einberufen war? Redlich zählt die Einwände auf, die dagegen sprachen, und viele sind begründet.
Als ausgemacht mag gelten, daß in dem durch Patent vom 2. Jänner einberufenen außerordentlichen Reichsrat von föderalistischer Seite, von den slawischen und alpenländischen Abgeordneten, gegen das ungarische Elaborat beträchtlicher Widerstand zu erwarten war. Beust wußte Rat. In seinem dem Kaiser vorgelegten Memoire vom ebd. 550 ff.
; die zitierte Stelle 553
.
Ungefähr die gleichen Gedankengänge hat Beust Belcredi am 26. Jänner mitgeteilt; das Memorandum an den Kaiser war vom vorangegangenen Tag datiert, und er hatte dafür auch die mündliche Zustimmung des Monarchen eingeholt
In einer Atmosphäre, verwirrt von sich widersprechenden Gerüchten, trat am ÖMR. 1848–1867 VI/1, IX
.
meine verehrten Kollegen widersprachen mir nicht, taten aber auch nicht mehr
.
Der ungarische Kanzler blieb reserviert: „Die Ansicht des Grafen Belcredi halte er für die korrektere, er lasse es aber ganz in Frage gestellt, ob der entgegengesetzte Weg nicht als opportuner angesehen werden könne …“ Sehr bezeichnend fuhr der Vertreter der Altkonservativen fort: er „teile … vollkommen die Ansicht, kein Widerstand
statt richtig ein Widerstand
, wiedergibt,
Am Schlusse dieser – wie das Protokoll vermerkt – „bewegten Diskussion“ nahm der Monarch das Wort, sachlich, einfach und das Wesentliche erfassend: „Jeder der beiden angeratenen Wege sei mit großen, Schwierigkeiten verbunden, und es sei vollkommen richtig, daß auf legalem Boden aus den Verfassungswirren nicht hinauszukommen sei.“ Ohne sich derzeit schon endgültig zu entschließen, bemerkte er analog zu Mailáth, „daß der vom Grafen Belcredi angeratene Weg der korrektere sei, während vielleicht der andere, von Baron Beust angeratene, als der kürzere eher zum Ziele führen dürfte“. Daran schloß der Kaiser noch zwei Fragen an die Minister: erstens, ob das Zustandekommen des engeren Reichsrats, den Beust angeraten hatte, als gesichert gelten könne, eventuell, was zu geschehen habe, wenn er nicht zustande komme; zweitens, man könne, wenn man das Ausgleichselaborat dem engeren Reichsrate vorlege, diesen nicht hindern, es zu beraten und selbst Beschlüsse darüber zu fassen. Was hätte zu geschehen, wenn mißliebige Beschlüsse gefaßt würden?
Beust erwiderte: Falls wirklich einzelne Länder den Reichsrat nicht beschicken sollten, so biete die „Reichsverfassung“ (das Februarpatent) das legale Mittel, direkte Wahlen vornehmen zu lassen.
Anspielend auf die nun mögliche „Renitenz“ von Böhmen und Galizien, fuhr er fort, daß „eine solche Renitenz in einem entfernten Kronlande übrigens viel weniger gefährlich sei als diejenige, die jetzt in der unmittelbaren Nähe des Ah. Hofes und des Sitzes der Regierung gegen den außerordentlichen Reichsrat sich kundgebe“. Die Antwort des Außenministers auf die zweite Frage des Kaisers war vom Rechtsstandpunkt aus wenig befriedigend: Die Regierung könne das Ausgleichselaborat dem Reichsrat nur als ein „fait accompli zur Kenntnis bringen“; sie habe „jedem Versuche einer Abänderung … entgegenzutreten“. Würden dennoch mißliebige Beschlüsse gefaßt, „dann bleibe nichts anderes übrig, als zur Auflösung der Versammlung zu schreiten“. Unausgesprochen war dabei die Versicherung, daß
Belcredi verstand, daß entgegen der Versicherung des Monarchen im Ministerrate die Entscheidung bereits gefallen war, und getreu seinem Programm vom Juni 1865 reichte er noch am selben Tage sein Abschiedsgesuch einebd. 566 f.
Gewiß übertrifft der Ausgleich mit Ungarn alle anderen politischen Fragen der Regierungszeit Franz Josephs an Bedeutung; aber die Schicksalsjahre 1866 und 1867 zeigen zumindest ein anderes Problem an, dem die Möglichkeit einer ähnlichen, einer „parallelen“ Entfaltung innezuwohnen schien: das galizische Problem, das sich anmeldet, aber zunächst noch nicht Gestalt gewinnt, wofür teilweise das Bündnis, das Beust und Andrássy geschlossen hatten, verantwortlich ist. Dem Ministerrat dieser Jahre bot es sich zunächst als eine Personalfrage dar.
Die Statthalterschaft der beiden Generale Alexander Mensdorff und Franz Paumgartten in diesem Kronlande ging 1866 zu Ende. Paumgarttens Gesundheit versagte infolge eines schweren Herzleidens im Sommer 1866 völlig. „Er gehe zwar ins Büro, von einer Amtierung seinerseits könne keine Rede mehr sein.… in dieser ernsten Zeit sei jedoch ein tatkräftiger Mann auf diesem wichtigen Posten notwendigÖMR. 1848–1867
VI/1, XV.
Kriegsminister und Handelsminister wollten dem Vorschlag nicht geradezu entgegentreten, sie betonten aber, daß diese Wahl sehr heftiger Opposition begegnen werde; der Justizminister bestätigte, daß in Galizien kein Name angesehener sei als der Gołuchowskis. Graf Mensdorff räumte in einer nachträglichen schriftlichen Äußerung ein, daß auch ihm eine geeignetere Persönlichkeit für den Statthalterposten in Galizien nicht bekannt sei, verwies aber auf die erbitterte Gegnerschaft der Ruthenen und der Juden gegen diesen, somit gerade jenes Bevölkerungsteiles, „der der Regierung am getreuesten anhänge“. Er könne auch nicht verschweigen, daß Gołuchowski gegen seine Beamten sehr hart sei und von ihnen „den unbedingtesten Servilismus“ verlange. „Er habe die Schwäche, nur Leute, die vor ihm kriechen, zu protegieren; eine unabhängige Äußerung von Seite eines Beamten vertrage er nicht.“ Gleichzeitig aber warnte Mensdorff vor einer Ernennung Adam Potockis, der politisch völlig unzuverlässig sei. Esterházy, ebenfalls erst nachträglich informiert, schließt sich dem Urteil Mensdorffs an, warnt „nachdrücklichst“ vor Potocki und erklärt sich „subsidiarisch“ mit der Ernennung Gołuchowskis einverstanden, „ohne übrigens die großen Schattenseiten dieser Wahl zu verkennen“. Graf Agenor Gołuchowski wurde am
Baron Beust leitete die Diskussion ein; über die Berechtigung der Forderungen verlor er kein Wort; gegenwärtig sei es sehr wichtig, die Polen zum Eintritt in den engeren Reichsrat, wie er ihn befürwortet hatte, zu bringen; also solle man ihnen einige Konzessionen gewähren. Bei dem Einfluß, den Gołuchowski gegenwärtig auf seine Landsleute ausübe, wäre es verfehlt, dessen Propositionen ganz abzulehnen. Man solle sich mit ihm in Unterhandlungen über die Erweiterung der Kompetenz des Landtages einlassen, zumal man eine solche Erweiterung auch anderen Landtagen, besonders dem böhmischen, in Aussicht stellen könne. Der Justiz-, der Handels- und vor allem der Kriegsminister sprachen sich weit negativer aus. Komers wies auf das „immerdar der Ah. Dynastie treuergebene Volk der Ruthenen“ hin; Gołuchowskis Konzessionen würden in Galizien die Vorherrschaft der Polen begründen, die „sonst so treue ruthenische Bevölkerung“ der österreichischen Monarchie entfremden und sie Rußland in die Arme treiben. Mit eventuellen, vorsichtig abgegrenzten Konzessionen zur Erweiterung der Landesautonomie wolle er sich einverstanden erklären. Nach der Ansicht von Wüllerstorf konnten die Einheit und die Macht Österreichs auch im Falle des Dualismus noch aufrechterhalten werden; bei einem Föderalismus, wie ihn Gołuchowski vorschlage, wäre dies unmöglich. Das Protokoll vermerkt ferner: „Freiherr v. John drückte sich kurz dahin aus, ein solches Vorgehen, wie es Graf Gołuchowski verlange, könnte er nur als den Anfang vom Ende ansehen.“ Der ungarische Hofkanzler erklärte am Schluß der Diskussion, die Argumente, die Beust bei Eröffnung des Ministerrates vorgebracht hatte, seien zutreffend: es sei notwendig, die Polen in den engeren Reichsrat zu bringen; aber ohne bestimmte Zusicherungen an Gołuchowski werde dieser seinen Einfluß auf seine Landsleute nicht geltend machen.
Der Kaiser faßte zusammen: Gołuchowskis Antrag auf Errichtung einer eigenen galizischen Hofkanzlei könne nicht angenommen werden; hingegen könne eine vorsichtig abgegrenzte Erweiterung der Kompetenzen des Landtages gewährt werden.
In seinem Regierungsprogramm vom Juni 1865 hatte Belcredi geschrieben: In Fragen der Staatsfinanzen „auf eine Erleichterung der Bevölkerung hinzuarbeiten, ist eine der ersten, ganz unabweisbaren Pflichten der Regierung, und so schwierig auch die Aufgabe der Regierung ist, ihre Lösung muß in Angriff genommen werden, und dies zwar ohne Zögern, wenn eine hereinbrechende finanzielle Krisis nicht alle politischen Kombinationen in der drohendsten Weise in Frage stellen sollÖMR. 1848–1867 VI/1, XI
.
Schon bei der Ministerratssitzung vom
Um das Gesetz zur Umwandlung der Noten nicht – oder noch nicht – herausgeben zu müssen, genehmigte der Ministerrat am 19. April die Verpfändung der Staatsgüter an die Boden-Credit-Anstalt
Zu Beginn des Ministerrates vom 1. Mai stand die Erklärung des Kriegsministers, daß man es nunmehr, da damit zu rechnen sei, daß die gesamte österreichische Armee auf Kriegsfuß gesetzt werde, „mit kolossalen Ziffern zu tun haben werde“. Für den Monat Mai würde sich dann ein Defizit von 9,500.000 fl. ergeben, wobei angenommen sei, daß die Eingänge aus den Länderkassen so einfließen, wie erwartet wird, „was aber großen Zweifeln unterliegt“. Wenn nicht abgerüstet werde, hielt Baron Becke es aber für unumgänglich, das Gesetz zur Umwandlung der Banknoten von 1 fl. und 5 fl. zu publizieren und „mit der Nationalbank in kategorischer Weise vorzugehen“. Belcredi äußerte Bedenken, Becke pflichtete unbedenklich bei, gleichfalls der sonst eher renitente Justizminister. Der Staatsminister unterbrach die Konferenz, um sich zum Kaiser zu begeben und ihn zu ersuchen, den Vorsitz bei der Fortsetzung der Besprechung zu übernehmen, da er sich scheute, den Ministerrat allein die Verantwortung für diese Entscheidung tragen zu lassen.
In Anwesenheit des Monarchen wiederholte Becke die früher angeführten Ziffern und erklärte, daß ohne die Umwandlung der Banknoten man nicht einmal in der Lage wäre, die Maicoupons auszuzahlen, „eine Kalamität, die um jeden Preis vermieden werden müsse“. Ebenso erklärte der Finanzminister die Umwandlung für unvermeidlich. Mensdorff und Esterházy betonten den ungeheuren Eindruck, den ein solcher Entschluß im Ausland machen werde; Belcredi wiederholte, daß der gegenwärtige Zustand absolut unerträglich sei, er führe zum sicheren Ruin der Monarchie. Der Kaiser erklärte, der Krieg wäre jetzt unvermeidlich; in jeder Beziehung müsse man sich gut auf ihn vorbereiten: das Gesetz über die Umwandlung der Noten von 1 fl. und 5 fl. wurde hierauf beschlossen und am 5. Mai publiziert. Gerüchte, daß eine solche Maßnahme geplant sei, hatten die Nationalbank bereits am
Bei der Besprechung des nächsten Punktes, der Placierung der 60 Millionen Gulden Pfandbriefe, verlangte der Monarch, daß diese „Kreditoperation“ geheimgehalten werde.
Zu einer schärferen Diskussion gab der Bericht der „Kommission zur Kontrolle der Staatsschuld“ im Ministerrate vom 19. Mai Anlaß, und die Schärfe des damit verbundenen Schriftwechsels zwischen Kommission und Finanzministerium ist im Österreich der Sistierungsperiode einzigartigEbd. 183 f.
Da das Gesetz über die Umwandlung von Banknoten in Staatsnoten für die „lombardisch-venezianischen“ Provinzen nicht wirksam war, wurde, um der „iustitia distributiva“, wie der ungarische Hofkanzler sagte, genugzutun und da alle anderen österreichischen Länder „seit dem vorigen Monate um 25% ärmer geworden seien, während das Vermögen in Lombardo-Venetien sich gleichgeblieben ist“, für diese im Ministerrat vom 22. Mai ein Zwangsanlehen von 12 Millionen Gulden ausgeschrieben. Die Warnungen des Staatsrates Baron Holzgethan „aus politischen, rechtlichen, volkswirtschaftlichen und finanziellen Gründen“ blieben vergeblich. Der Versuch führte zu einem kompletten Fiasko: statt der erwarteten 12 Millionen gingen nur 548.000 fl. ein
Ebd. 118
.
Der Ministerrat vom 28. September hatte zu einem Antrag der Staatsschuldenkontrollskommission Stellung zu nehmen, der die Ausübung der Kontrolle über die Höhe der Emission von Staatsnoten sicherstellen sollte. In diesem Antrag heißt es: „Die Kontrolle der Kommission muß … gegenüber der Finanzverwaltung selbst geübt werden und dahin gerichtet sein, daß nicht durch Verfügungen derselben dem kundgemachten Gesetze zuwidergehandelt werde; sie soll und kann nur darüber Beruhigung gewähren, daß keine Anordnung des Finanzministeriums in Wirksamkeit treten könne, wodurch eine Vermehrung der in Wertzeichen bestehenden schwebenden Schuld über die im Gesetze bestimmte Maximalgrenze hinaus herbeigeführt würde, eine Beruhigung, welche mit Rücksicht auf Vorgänge der Vergangenheit um so wichtiger erscheint.“ Auch ohne die abschließenden Worte des letzten Satzes war es ein klares Mißtrauensvotum gegen die Finanzgebarung der Regierung, das der Ministerrat wohl verstand. Um aber keine Unklarheit aufkommen zu lassen, fuhr der Antrag der Kommission fort: Daraus ergebe sich die Notwendigkeit eines allgemein kundgemachten Gesetzes, welches sämtliche der Finanzverwaltung unterstehenden Beamten bei ihrem Diensteide und unter persönlicher Haftung verpflichtet, Aufträgen des Finanzministeriums, welche sich auf die Anfertigung und Hinausgabe von Staatsnoten beziehen, von welcher Art dieselben immer sein mögen, nur
Die Kommission lehnte aber jede Kompromißlösung ab, bezeichnete eben die vom Ministerrat besonders beanständete Stelle als „die Kardinalbestimmung des Gesetzes, ohne welche sie ihre Funktion nicht mit Beruhigung erfüllen könnte“. In der Besprechung des Ministerrates am 23. November gab Sektionschef Becke seine Ansicht dahin ab, daß die Tendenz der Kommission „faktische Opposition [sei], und bei einem Gesetze, welches gegen den Gehorsam aufhetze, könnte kein Minister die Verwaltung führen“. Trotzdem einigte sich der Ministerrat auf einen neuerlichen Kompromißvorschlag, und dieser wurde nach einer Revision durch den Staatsrat an die Staatsschuldenkontrollskommission übermitteltDergestalt jedoch …
trägt den Einwendungen des MR. gegen den Antrag der Kommission v. 14.9.1866 Rechnung.
Die Vordringlichkeit der beiden großen Probleme: Krieg mit Preußen und Ausgleich mit Ungarn, brachte es mit sich, daß die Fragen der inneren Politik in den zehn Monaten bis Februar 1867 bei den Ministerberatungen sehr in den Hintergrund traten, ja daß selbst ein Gegenstand, dem im vorhergehenden Zeitabschnitt besonders große Bedeutung zugemessen wurde, nämlich die Eisenbahnen, seine Existenz nur noch am Rande fortfristete. Großzügiges wurde in keinem Bereich der inneren Politik vorgenommen; was nun geschah, war Flickwerk.
Bemerkenswert in gewissem Sinne ist, daß in einer Diskussion wegen Vergütung an die Verlassenschaft eines Felix Tallachini infolge von Verlusten, die der Erblasser bei Eisenbahnbauten in Ungarn erlitten hätte, und wo „ein Gnadengeschenk“ von 300.000 fl. vom Finanzminister beantragt wurde, der Justizminister den Ministerrat daran erinnerte, „daß einmal der Tag kommen wird, an welchem das Ministerium alles, was es auf Grund des Ah. Patentes vom
In engstem Zusammenhang mit der militärischen Katastrophe stand der Beratungsgegenstand der Konferenz vom 1. September, der die Anschaffung neuer Hinterladergewehre betraf. Der Kaiser faßte zusammen, was jedermann nicht nur innerhalb des Ministerrates wußte: die bei dem Feldzug der Nord-Armee gemachte Erfahrung, daß es notwendig sei, die Armee mit Hinterladern zu versehen. Wohl sei es die Aufgabe Österreichs, auf lange Zeit an keinen Krieg zu denken; aber die Lage in Europa sei derart, daß man des Friedens nie vollkommen sicher sein könne. Andererseits erfordere die Anschaffung der neuen Gewehre enorme Kosten; man schätze sie auf 20 Millionen Gulden. Um den Bedarf der Armee zu decken, sei eine Frist von zwei Jahren erforderlich. Über die Möglichkeit, die erforderlichen Geldmittel zu beschaffen, sollte Sektionschef Becke Auskunft geben; diese lautete düster. Wenn man alle erzielbaren Ersparungen in der Verwaltung in Rechnung stelle, ergebe sich noch immer ein jährliches Defizit von 50 Millionen, eine Summe, die in nicht ferner Zeit zum Bankrott führen müsse.
In der folgenden Woche diskutierte der Ministerrat die Grundsätze, nach denen die Vergütungen für die aus dem Krieg herrührenden Schäden behandelt werden sollten
Während der dreiwöchigen Reise, die der Kaiser in die am härtesten vom Kriege heimgesuchten Gebiete unternahm, stellten sich Unzulänglichkeiten bei der Durchführung der Kriegsentschädigungen heraus; im Ministerrat vom 12. November drang Franz Joseph auf Beschleunigung; wo kein endgültiger Abschluß des Verfahrens in naher Aussicht stand, sollten ausreichende Abschlagszahlungen gewährt werden, „um den Beschädigten in ihrer Not aufzuhelfen“. Becke versicherte nun, daß man sich beeilen werde, dem Wunsch und Befehl des Monarchen nachzukommen, aber die benötigten Summen überstiegen die Veranschlagungen bei weitem. Belcredi hob die Ungerechtigkeit der angenommenen Grundsätze für Entschädigungen hervor, denen zufolge man für Requisitionen Gutmachungen leiste, nicht aber für Schäden, die durch militärische Operationen verursacht waren. Becke verwies demgegenüber auf die Möglichkeit, krassen Unbilligkeiten durch Gnadenakte abzuhelfen, warnte aber davor, jetzt irgendwelche neue Verpflichtungen des Staates anzuerkennen
Als das Kabinett Belcredi am
Der erste betraf das Bemühen, dem Überwiegen der italienischen Sprache im Gerichtsverfahren des Küstenlandes entgegenzutreten. Der Justizminister wies darauf hin, daß dies im Bereich des Möglichen ohnehin geschehe. Wohl aber gab Komers zu, daß in Istrien das Italienische sich allmählich zur Geschäftssprache herausgebildet habe. Er bezweifelte, ob es politisch klug wäre, im gegenwärtigen Augenblick die deutsche Sprache als Geschäftssprache einzuführenÖMR. 1848–1867
VI/1, LV f.
Die Eisenbahnen, die, wie erwähnt, in der ersten Periode des Ministeriums Belcredi zum Maßstab der fortschreitenden Industrialisierung und der zunehmendem Verflechtung der Monarchie mit dem Westen geworden waren, haben nun diese ihre Bedeutung verloren, und auch dort, wo hier Neues zustande kommt, ist es meist Flickwerk; es entbehrt eines leitenden Gedankens. In ganz besonderem Ausmaß gilt dies für die östliche Reichshälfte, die der Förderung vor allem bedurft hätte.
Wohl legte am ÖMR. 1848–1867 VI/1, XXXIX
.
Ein komplizierter, aber eben für den Eisenbahnbau Ungarns in diesen Jahren bezeichnender Fall war der der Pest – Losoncer Bahn
Zwei Wochen später versuchte Baron Becke eine prinzipielle Entscheidung der Frage herbeizuführen, inwieweit Staatsgelder „zu produktiven Zwecken, insbesondere zur Unterstützung der projektierten neuen Eisenbahnen“ verwendet werden dürften
Um ähnliche Gesichtspunkte und analoge Fragen handelt es sich bei dem zweiten Punkte der Tagesordnung der Ministerratssitzung am 8. Oktober, bei der von den Konzessionären der Franz-Josef-Bahn „der kleine Impuls“ von 5 Millionen für die volkswirtschaftlich und strategisch wichtige Bahn beansprucht wurde, damit „dem Lande als auch der am Notstande leidenden Bevölkerung eine wesentliche Unterstützung gewährt und überall in die dortigen Gewerbe- und Fabriksunternehmungen neues Leben werde gebracht werden“. Der Vorschuß wurde genehmigt.
Die volkswirtschaftliche Bedeutung, die der Anlage neuer Eisenbahnen beigemessen wurde, erhellt aus der Ansprache des Monarchen an den Ministerrat am 12. November. Bei der Reise des Monarchen, die ihn vom 18. Oktober bis zum 9. November in die vom Krieg besonders stark heimgesuchten Gebiete geführt hatte, seien besonders dringende Wünsche in dieser Hinsicht bekanntgegeben worden. Der Eisenbahnbau wurde „mit Recht“ als das wichtigste Hilfsmittel bezeichnet, um den wirtschaftlichen Aufschwung notleidender Gegenden zu befördern. Der Kaiser richtete daher sofort nach seiner Rückkehr die Anfrage an den Handelsminister und den ungarischen Hofkanzler, „wie es mit der Anlage neuer Eisenbahnen stehe“. Die erteilten Antworten ergaben, daß vom Handelsministerium bisher 16,5 Millionen Gulden an Vorschüssen bewilligt und drei neue Bahnen projektiert seien; der ungarische Kanzler berichtete von 3 Millionen Gulden Bewilligungen und Verhandlungen über die Alfölder BahnEbd. 289 f
.
Die Beratung wegen der Subventionierung der Alfölder Bahn, der „Lieblingsidee des Landes“, wie Mailáth sagte, führte am 10. Dezember zu einer sehr lebhaften
Schließlich handelte es sich bei der Eisenbahnpolitik dieses Zeitabschnittes auch noch darum, den Konzessionären der Neumarkt – Braunauer Eisenbahn noch einige Sonderbegünstigungen zukommen zu lassen