Wissenschaftlicher Paratext zur Edition der Ministerratsprotokolle in der Verantwortung der Herausgeber/in: Stefan Malfèr.
Ausführliche Editionsrichtlinien sind vermerkt in den Einleitungen zur Gesamtedition (Rumpler, MRP-1-0-00-0-00000000-edition.xml) sowie in den Dokumenten bzw. Abschnitten Probleme der Edition
.
Von Stefan Malfèr
Die Jahreswende 1862/63 war für Krone, Regierung und Parlament in Österreich in besonderer Weise ein Anlaß, Rückschau zu halten. Am
Der Reichsrat wurde im Zeremoniensaal der Hofburg, wo er auch am Die Ministerien Erzherzog Rainer und Mensdorff,
„In dem gegenwärtigen Augenblicke, in welchem Ich die erste Session des Reichsrates schließe, spreche Ich es mit Befriedigung aus, die Erwartung, der Ich in jener Stunde [bei der Eröffnung] Ausdruck verliehen, ist nicht getäuscht, Meine Zuversicht auf das Gedeihen des mit gemeinsamer Kraft unternommenen Werkes befestiget worden.
Ungetrübt sind uns die Segnungen des Friedens erhalten geblieben, und wir können hoffen, daß wir uns dieses kostbaren Gutes noch ferner erfreuen.
Groß und schwierig war die Aufgabe, die Meinem Reichsrate gestellt war. Mit entschlossenem Ernste und mit richtigem Verständnisse sind Sie an die Lösung gegangen.
Schon ist auf verfassungsmäßigem Wege eine Reihe wichtiger Gesetze zustande gekommen.
Die Ordnung des Staatshaushaltes nach allen Richtungen hin hat Ihre besondere Sorgfalt in Anspruch genommen.
Begleitet von erfreulichen Wahrnehmungen des Fortschreitens zum Besseren kehren Sie in Ihre Heimat zurück, in welcher Sie einer neuen Tätigkeit entgegengehenfotomechanischer Nachdruck Graz 1972) 126 ff.
Zwei Ministerratsprotokolle des vorliegenden Bandes gewähren uns Einblick in die Entstehung der Thronrede. Die Differenzen, die dabei zum Vorschein kamen, geben uns aber auch Einblick, wie verschiedene Regierungsmitglieder die Bilanz der Session sahen oder sehen wollten
Den Entwurf der Rede legte Staatsminister Schmerling im Ministerrat vor. Die Minister waren mehrheitlich einverstanden, Rechberg aber, Schmerlings konservativer Widerpart im Kabinett, fand die Rede zu sehr ins Detail gehend. Es entspann sich eine lebhafte, stellenweise hart geführte Diskussion. Rechberg schwebte eine kurze und ganz allgemein gehaltene Rede vor, während die konkreten Einzelheiten über
Die Mehrheit stimmte aber dem Entwurf zu, und man schritt zur Teilberatung. Umso überraschender mußte es sein, als Franz Joseph selbst einige Tage später mitteilte, daß er den Entwurf als nicht ganz entsprechend befunden habe. Es war ein nochmaliges posthumes Lob für den Verfasser der Thronrede vom
Die allzu liberalen Wendungen wurden also beseitigt: „berechtigte Ideen der Zeit“ wurde gestrichen, „geänderte Zeitverhältnisse“ durfte bleiben. Ebenso wurden jene Stellen entschärft, die nach der Meinung des ungarischen Hofkanzlers in Ungarn beunruhigen würden. Besonders lange diskutierte der Ministerrat, ob die Rede ein neuerliches Gelöbnis der Verfassung enthalten sollte. Rechberg und die ungarischen Minister, die davon abrieten, konnten sich durchsetzen. Franz Joseph entschied, diese Wiederholung sei nicht nur überflüssig, „sondern sie schwächt selbst die Kraft des ersten Gelöbnisses ab, weil man ein ernstgemeintes Versprechen nicht stets zu wiederholen braucht“. Die Diskussion über diese Stelle war ein Vorbote der großen Debatte über die ungarische Frage im März 1863, die weiter unten behandelt wird.
Die Regierung hatte im Verlauf der Sitzungsperiode 28 Gesetzentwürfe eingebracht, von denen 24 verabschiedet wurden. Von den Abgeordneten selbst wurden 15 Entwürfe eingebracht, von denen vier Gesetzeskraft erlangten. Insgesamt sind 43 Entwürfe eingebracht und 28 verabschiedet worden. Drei davon traten schon 1861 in Kraft, weitere sieben bis zum Sommer 1862, alle übrigen in der letzen Phase der Session. Dies entsprach einerseits dem natürlichen Arbeitsablauf, war aber auch von der
Hier ist nicht der Ort für eine Besprechung aller Gesetze der ersten SessionÖMR. V/1–5
verwiesen werden.
Folgende Gesetze sind aus den Beratungen der ersten Session 1861/62 hervorgegangen und sanktioniert worden.
Dieser Erfolgs- oder Tätigkeitsausweis würde ein einseitiges und unvollständiges Bild vermitteln, würde ihm nicht ein Verzeichnis der nicht zustandegekommenen Gesetze gegenübergestellt werden.
Folgende Gesetze wurden in der ersten Session eingebracht, aber nicht verabschiedet.
Der inhaltliche Unterschied fällt sofort auf. Während nur ein Wirtschafts- und drei Steuergesetze auf der Strecke blieben, konnten fünf Gesetze aus dem Justizbereich und fünf aus dem Bereich Grundrechte und Verfassung nicht erledigt werden.
Es wäre verfehlt, aus dem quantitativen Übergewicht der Regierung im Vergleich der beiden Übersichten politische Schlüsse zu ziehen. Die Vorlage von Gesetzentwürfen gehört ja zu den wichtigsten Aufgaben jeder Regierung, sie verfügt auch über die personellen und informativen Grundlagen. Das Pressegesetz wiederum war zwar Regierungsvorlage, aber eindeutig vom Reichsrat erzwungen. Maßstab für den Erfolg oder Mißerfolg eines Faktors der Gesetzgebung muß primär der Inhalt der verabschiedeten Gesetze sein. Ganz klar ersichtlich ist aber aus der obigen Zusammenstellung, daß die Weiterentwicklung der Verfassung, der Ausbau der Grundrechte und die Reform der Justizorganisation viel langsamer voranschritten, als es die Abgeordneten wünschten. Immerhin blieben zehn Entwürfe dieses Sektors unerledigt. Es ist dies jener Bereich, wo die Regierung „zwischen Kaiser und Reichsrat“ stand, wo sie im Parlament den (ablehnenden) Willen des Monarchen, ihm gegenüber die Wünsche des Parlaments in vermittelnder Weise vertreten mußteebd., Sammelprotkoll Nr. 88
, dann Ebd. XLIX.
Vorrangig wurden offensichtlich die Wirtschafts- und Finanzgesetze behandelt. Bei den Steuergesetzen wiederum ist der Widerstand der Abgeordneten deutlich sichtbar. Die Erhöhung der Zuckersteuer und der Gebühren wurde genehmigt, jene des Salzpreises kategorisch, die der direkten Steuern sowie die Reform des stabilen Katasters vorläufig abgelehnt.
Zu den wichtigsten Materien der Session zählten sicher die Prüfung des Staatsvoranschlags und die sogenannte Bankakte. Das Budget für das Verwaltungsjahr 1862 war überhaupt das erste, das in Österreich von einem gewählten Parlament geprüft wurde. Demgegenüber verblaßt der Umstand, daß das Finanzgesetz 1862, mit dem ebd. XV–XVIII
und XXII–XXVIII
, und
Über die Vorgeschichte der sogenannten Bankakte, über ihren Zusammenhang mit dem Ausgleich des Staatshaushaltes und über die Entwicklung bis zum Sommer 1862 ist bereits in einem vorhergehenden Band geschrieben wordenebd. XXIX.
Zunächst war, nachdem die dritte Sektion des Finanzausschusses des Abgeordnetenhauses und der Plenarausschuß ihre Arbeiten beendet hatten, das Haus selbst an der Reihe. Dies war die Stunde der Öffentlichkeit. Die Plenardebatte im Abgeordnetenhaus nahm elf Sitzungen in Anspruch und dauerte vom 24. Oktober bis zum
Die ganze Debatte war nicht nur finanz- und banktechnischer Art, sondern nationalökonomisch ausgerichtet. Insbesondere wurde auch vor der Geldverknappung ebd. 4233–4240.
Die wirtschaftliche Entwicklung, hg. von Alois Brusatti (Wien 1973) 39
; Ebd. 205.
Ebd.
Die politisch gesehen wichtigste Wortmeldung in dieser Debatte stammte zweifellos von Staatsminister Schmerling, der auf die gegenwärtigen und zukünftigen Mehrheitsverhältnisse aufmerksam machte. Bedingt durch den freiwilligen Auszug der tschechischen und polnischen Abgeordneten
Das Haus nahm die Bankakte, wenn auch mit Abänderungen, am
Dramatisch verliefen die Weihnachtstage des Jahres 1862. Die Vertreter der Bank, mit denen Plener nun verhandeln mußte, weil das im März des Jahres punktierte Übereinkommen im Lauf des parlamentarischen Vorganges abgeändert worden war, wollten dem Modus der Verzinsung der 80 Millionen nicht zustimmen. Über die Schwierigkeiten, aber auch über den massiven Druck der Regierung berichtet das Ministerratsprotokoll vom Unsere Zeit. Jahrbuch zum [Brockhaus] Conversations-Lexikon 7 (1863) 239
; er kommentierte die Vorgänge um die Festlegung der Höhe der permanenten Schuld so: Kein Punkt verdiente weniger zur verhängnisvollen Klippe für eine so wichtige Maßregel zu werden, wie die Bankacte doch von jedem Standpunkte aus war; keiner ließ sich leichter bei etwas gutem Willen und gegenseitigem Entgegenkommen befriedigend feststellen; keiner aber ward mehr mit persönlicher Animosität behandelt und zur Aufstachelung der Leidenschaften benutzt, ebd. 240.
Am
Am
1. Die größte Position, die Ausgaben für die Staatsschuld, konnten mittelfristig nicht verändert werden. Für die Zeit nach der Abtragung der Schuld an die Bank dachte er an eine große Umschuldungsaktion
2. Weitere Reduktion der Ausgaben für die Armee um 12,8 Millionen Gulden, das bedeutete ein Normalbudget von 100 Millionen (94,3 aus dem Budget, 5,7 aus Eigeneinnahmen).
3. Reduktion des Marinebudgets um 2,3 Millionen Gulden.
4. Entfall von Forderungen der Eisenbahngesellschaften in der Höhe von 2,1 Millionen Gulden.
5. Entfall der Rubrik „Münzverlust“ nach Wiederherstellung der Währung in der Höhe von 7,1 Millionen Gulden.
6. Einsparung bei der Zivilverwaltung in der Höhe von 1 Million Gulden.
7. Vermehrung der Einnahmen, im wesentlichen aus der Steuerreform, um 27 Millionen Gulden.
Die Summe der Einsparungen betrug 25,3 Millionen Gulden; zusammen mit der Vermehrung der Einnahmen ergab dies eine Reduktion des Defizits um 52,3 Millionen. Der verbleibende Rest von rund 10 Millionen, immer verglichen mit dem Budget 1863, sollte durch eine variable allgemeine Einkommensteuer hereingebracht werden. Plener nannte sie eine „besondere Klassensteuer mit mobiler, je nach den Jahresstaatsbedürfnissen wechselnder Wandelskala“. Soweit die Pläne des Finanzministers. Allerdings handelt es sich hierbei um die ordentlichen Ausgaben. Daß außerordentliche Ausgaben durch Kredite finanziert werden sollten, hatte Plener mehrfach ausgesprochen
Ein weiterer finanzpolitischer Erfolg nach dem Abschluß der Bankakte, der in den Protokollen dieses Bandes seinen Niederschlag findet, war die Plazierung der dritten Emission der 1860er Lotterieanleihe im Mai 1863
Die Verfassung bestimmte, daß sich die Landtage „in der Regel jährlich einmal“ zu versammeln hattenebd., Nr. 276.
Mit kaiserlichem Patent vom
Die zweite Landtagssession dauerte vom 8. Jänner bis zum
Besondere Verhältnisse herrschten auch in der reichsunmittelbaren Stadt Triest. Dem Stadtrat kamen zugleich die Befugnisse eines Landtages zuNr. 254.
Im Ministerrat kamen oft Angelegenheiten der Landtagssession zur Sprache, u. a. die Dauer der Session (Einberufung, Eröffnung, Vertagung und Schluß), die Ernennung von Landeshauptleuten, die Regierungsvorlagen für Gesetzentwürfe, verschiedene
Um die Bedeutung der im Ministerrat diskutierten Landesgemeindeordnungen zu erkennen, ist ein kurzer Rückblick notwendig. Die freie Gemeinde im freien Staat war eines der liberalen Schlagworte der Revolution von 1848, mit dem die Forderung nach einer tiefgreifenden Reform der vormärzlichen Gemeindeverfassung und eine grundlegende Änderung der lokalen Verwaltung gemeint war. Freie Wahl der Vertreter, Öffentlichkeit der Sitzungen, Selbstverwaltung anstelle gutsherrlicher oder staatlicher Bevormundung, Trennung der Justiz von der Administration, Gleichberechtigung der ländlichen mit der städtischen Gemeinde: das waren die wichtigsten Forderungen an das System der Zukunft. Rund zwei Jahrzehnte nahm der Prozeß der Ausgestaltung des lokalen Selfgovernment in Anspruch
Am Anfang stand das spontane, erst im nachhinein legalisierte Handeln in der Revolutionszeit. Parallel setzten die Bemühungen um eine gesetzliche Grundlage ein. Ab 1849 kam es zur Errichtung der Ortsgemeinden und 1850 zur Wahl und Konstituierung der Gemeindevertretungen nach dem inzwischen oktroyierten Stadionschen Provisorischen Gemeindegesetz vom
Ein Gemeindegesetz, das die Grundsätze des Silvesterpatents ausführen und den De-facto-Zustand der 1850er Jahre festschreiben sollte, wurde unter der Leitung des Innenministers Bach vorbereitet, aber erst am
Im Frühjahr 1861 wurden die Wahlen durchgeführt. Dies bedeutete eine Rückkehr zur Entwicklung von 1848 bis 1851. „Aus den Rathäusern verschwanden die aus der Ära Bach diskreditierten Gemeindefunktionäre, und an die Spitze der Gemeinden traten häufig wieder die aus dem parlamentarischen und kommunalen Leben des Jahres 1848 bekannten PolitikerEbd. 59.
Nr. 79.
Die Regierung begann sofort mit den Vorarbeiten zu den vom Gesetz vorgesehenen Landesgemeindegesetzen. Alle Länderstellen wurden beauftragt, im Einvernehmen mit den Landesausschüssen Beratungen abzuhalten. Aus ihren Gutachten wurde im Die Entwürfe zu den Landesgesetzen über die Lokalverwaltung.
Damit war die Gemeindeselbstverwaltung in ganz Österreich auf eine dauerhafte gesetzliche Grundlage gestellt. Sie blieb bis zum Ende der Monarchie und in den Nachfolgestaaten noch darüber hinaus in Geltung. Eingehende Reformdiskussionen brachten nur in bescheidenem Maß Veränderungen. Es war gelungen, zwischen lokal-autonomen und zentral-staatlichen Interessen ebenso wie zwischen den Zielen der bedeutendsten sozialen Schichten, dem Adel und dem Bürgertum, auf der Ebene der Gemeinden einen tragfähigen Ausgleich zu finden: „Die definitive Gestalt der Ortsverwaltung des bürgerlich-liberalen Österreich ergab sich als Produkt eines allmählichen Kräfteausgleichs derjenigen gesellschaftlichen Gruppen, die am Aufbau des konstitutionellen Regimes in den sechziger Jahren teilnahmen. Dadurch war die relative Stabilität und langdauernde Lebensfähigkeit der Institutionen der österreichischen Ortsverwaltung selbst bis in die Zeit nach dem Untergang der Monarchie begründet
Eng verknüpft mit den Gemeindeordnungen waren zwei andere Gruppen von Entwürfen: die Landesgesetze über die Gutsgebiete und jene über die Bezirks- oder Kreisvertretungen.
Die ersten betrafen die wichtigste Forderung des Adels und zugleich die größte Streitfrage der Gemeindegesetzgebung: die Ausscheidung der Gutsgebiete aus dem Gemeindeverband. Die großen zusammenhängenden Grundherrschaften waren im Zuge der Durchführung des Provisorischen Gemeindegesetzes im Jahre 1850 jeweils einer oder mehreren Ortsgemeinden eingegliedert wordenEbd. 45.
Schmerling verzichtete in dieser Frage darauf, den reinen bürgerlich-zentralistischen Standpunkt durchzusetzen. Der Entwurf des Gemeindegeseatzes verwies den Streit an die Landtage. Sie sollten bestimmen, „ob und unter welchen Bedingungen“ der große Grundbesitz anders als die Gemeinden behandelt werden sollte. Damit war den Landtagen freilich auch die Möglichkeit eingeräumt, die Sonderregelung ganz abzulehnen. Vergebens verlangte Rechberg, der sich, obwohl selbst Gegner der Trennung, zum Sprecher des Adels gemacht hatte, im Ministerrat die Beseitigung des Wörtchens „ob“
Für die Regierung erhob sich nun die Frage, ob und in welchen Kronländern sie die Initiative ergreifen sollte. Schmerling legte dem Ministerrat Regierungsentwürfe für zwei Ländergruppen vor, nämlich für Galizien und die Bukowina, dann für Böhmen und Mähren. Überraschend ist die Argumentation für Galizien. Durch die Aufrechterhaltung der Trennung zwischen Gutsgebiet und Ortsgemeinde sollten „die schlechten politischen Elemente“, d. h. der polnische Adel, „von dem Bauernstande möglichst fern[ge]halten“ werden
Eine andere offene Frage war, ob es zwischen der Ortsgemeinde und dem Landtag eine weitere autonome „Gemeinde höherer Ordnung“, ein „autonomes Mittelorgan“ mit dem Namen Bezirks-, Gau- oder Kreisvertretung geben sollte, parallel zu den Bezirks- und Kreisämtern im Bereich der Verwaltung. Hier ging es nicht wie bei den Gutsgebieten direkt und ausschließlich um die Interessen einer sozialen Schicht, sondern um verschiedene Vorstellungen vom Aufbau der Verwaltung und des Staates. Dezentralisierung und Föderalismus verlangten solche Organe, zentralistisches Denken lehnte sie ab, hielt sie für entbehrlich und bemühte sich um Verringerung der Ebenen. Bemerkenswert ist, daß mit Ausnahme des Bachschen Gemeindegesetzes von 1859 alle Programme und Gesetze zur Lokalverwaltung mit einer Ebene zwischen der Ortsgemeinde und dem Landtag rechneten: Stadion 1849, das Silvesterpatent,
Im Herbst 1862 diskutierte die Regierung so wie bei den Gutsgebieten, ob und in welchen Kronländern sie die Initiative ergreifen sollte. Schmerling lehnte einen Antrag des dalmatinischen Landesausschusses ab, legte aber Landesgesetzentwürfe über eine Kreisvertretung in Tirol und über Bezirksvertretungen in Böhmen, Mähren und Schlesien vor und begründete sie mit den Wünschen dieser Länder, mit der administrativen Notwendigkeit und mit der Opportunität einer Regierungsinitiative
Die bisher genannten Gesetze zur Lokalverwaltung waren häufig Gesprächsgegenstand im Ministerrat in der Zeit vor der Landtagssession 1863. Die folgende Übersicht soll den Zugang zu der verwirrenden, sich oft überkreuzenden Debatte im Ministerrat erleichtern.
Zu den wichtigsten Aufgaben der örtlichen Gemeinwesen gehörte die Pflege der Straßen als Voraussetzung der Kommunikation, die Erhaltung der Schulen und die Sorge für die Einrichtungen des gemeinsamen Kultes, also Kirchen und Pfarrhöfe. Die materiellen und personellen Aufwendungen dafür überstiegen die Kraft des einzelnen, daher hatte jeder beizutragen, zu „konkurrieren“ (lat. concurrere = zusammenlaufen, beitragen). Im Vormärz fielen diese Agenden in den Verantwortungsbereich der Grundherrschaften und Patrone, die für die finanzielle Last aufkamen, während die Untertanen ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen mußten. Die Aufhebung der Grundherrschaft erforderte eine Neuregelung, die Verantwortung sollte auf die Gemeinden übergehen.
Es handelte sich dabei um diffizile Bereiche, die die materiellen Interessen vieler, vor allem der alten Grundherren, unmittelbar berührten und durch zahlreiche Partikularvorschriften geregelt waren. Zugleich ging es um praktische, sehr handgreifliche Dinge, etwa die Bereitstellung von „Hand- und Zugrobot“ oder die Lieferung von Brennholz für die Schulen, die keinen Aufschub litten. So ist es nicht verwunderlich, daß die Neuregelung und die Legislative der Alltagspraxis nachhinkten.
Die Entwürfe zu den Landesgesetzen über die Lokalverwaltung im Ministerrat an Landtagssession 1863
– Gesetz betreffend die Bestreitung der Kosten der Herstellung und Erhaltung der katholischen Kirchen- und Pfründengebäude, dann der Beischaffung der Kirchenparamente, Einrichtung und Erfordernisse.
– Gesetze betreffend das Schulpatronat und die Kostenbestreitung für die Lokalitäten der Volksschulen.
– Gesetz betreffend die Herstellung und Erhaltung der nichtärarial-öffentlichen Straßen und Wege.
Beim Kirchen- und beim Schulkonkurrenzgesetz bezweifelten einige Staatsräte – alle Gesetze wurden vom Staatsrat begutachtet – die Kompetenz der Landtage und befürworteten Reichsgesetze. Die Regierung entschied sich einstimmig für die Landeskompetenz. Die Entwürfe wurden von der Regierung in den Landtagen eingebracht. Die meisten Geseatze wurden beschlossen, einige kamen erst später zustande, manche gar nicht, viele wurden später novelliert. Dennoch kann man sagen, daß mit der Landtagssession von 1863 weitgehend die legistischen Konsequenzen der Revolution von 1848 für Bau und Erhaltung von lokalen Straßen, Schulen und Kirchen gezogen wurden
Die bisher behandelten Gesetzentwürfe wurden vor dem Zusammentreten der Landtage im Ministerrat besprochen. Im Laufe der Session von Jänner bis März 1863 kamen noch mehrere Gesetze im Ministerrat zur Sprache, sowohl Regierungsvorlagen als auch Landtagsentwürfe, die meist nur ein Kronland betrafen, wie die Bauordnung für Linz, die steiermärkische Winzerordnung, Angelegenheiten der Landesvermögen usw. Ebenso wurde über verschiedene Anträge und Anliegen einzelner Landtage beraten, wie über den Wunsch aus Kärnten nach Verringerung des dortigen Infanterieregiments, eine Interpellation aus Oberösterreich über die Einführung der Geschworenengerichte, die Änderung der Landesordnung in Schlesien usw. Schließlich gab es formale und Verfahrensfragen zu klären, wie die Anwesenheit der Regierungskommissäre bei den Ausschußsitzungen, die Behandlung der Landtagsbeschlüsse, die Kundmachung der Landesgesetze, die Bewilligung von Landesumlagen usw.
Den Regierungsvertretern wurde distanzierte Vorsicht aufgetragen. Auf eine diesbezügliche Frage des Kaisers berichtete Schmerling, er habe die Statthalter „von einem unzeitigen Hervortreten gewarnt und ihnen bemerkbar gemacht, daß sie nicht in
Obwohl also die Landtagssession in verschiedenster Weise in den Protokollen des Ministerrates präsent ist, muß darauf hingewiesen werden, daß es sich dabei um einen spezifischen Widerschein handelt und daß aus den Protokollen kein vollständiger Einblick gewonnen werden kann. Die zum Teil erregten Debatten in den Landtagen, die besondere Stimmung in den Landtagsorten, die Vervielfachung des – trotz des eingeschränkten Wahlrechtes – parlamentarischen Lebens sind kein ausdrückliches Thema. Ebensowenig ist in den Protokollen etwas über die vielen Angelegenheiten zu finden, die im Wirkungsbereich der Landtage und allenfalls der Statthaltereien lagen und die einen guten Teil der „Verhandlungen“ in Anspruch nahmen, ohne der Regierung einen Anlaß zur Intervention zu bieten. Aber auch reichspolitisch bedeutende Debatten, wie etwa jene, die durch Palackýs Antrag wegen Änderung der Landesordnung (Wahlreform) im böhmischen Landtag ausgelöst wurde
Während im Reichsrat, in den cisleithanischen Landtagen und im Hinblick auf die Staatsfinanzen Ende 1862 und in den ersten Monaten des Jahres 1863 eine Zeit reicher Ernte war und Dinge erledigt werden konnten, ist derselbe Zeitraum in der ungarischen Frage, also auf der Ebene des „Staats- und Reichsproblems“ im Sinne von Josef Redlich, durch Stagnation und Machtkämpfe gekennzeichnet. Dies ist jedoch nicht gleichbedeutend mit Untätigkeit. Redlich hat der Schmerlingschen Politik u. a. „Langsamkeit, Energielosigkeit, politische Passivität“ vorgeworfen
In Wirklichkeit handelte es sich auf beiden Seiten um ein entschlossenes Festhalten an der einmal eingenommenen Position, um einen zähen Machtkampf der von Schmerling geführten deutschen Zentralisten mit den politischen Repräsentanten der magyarischen Nation um die Gestaltung des Verhältnisses der beiden Reichshälften zueinander und zur Krone. Es ist Schmerling in den vier Jahren, die ihm zur Verfügung standen, nicht gelungen, jene Lösung der ungarischen Frage herbeizuführen, die ihm vorschwebte und der zuzustimmen er den Kaiser – zum Teil mühsam genug – bewegen konnte. Er hat die Kräfteverhältnisse und nicht zuletzt auch Franz Joseph falsch eingeschätzt. Seine These von der Rechtsverwirkung durch die Revolution ist der Deákschen These von der Rechtskontinuität unterlegenZunehmend erkannte auch das deutschösterreichische Bürgertum, daß der Konstitutionalismus nur in beiden Reichshälften zugleich verwirklicht werden konnte. Deshalb wandte es sich gegen Schmerlings Reichspolitik und gegen seine Rechtsverwirkungstheorie
, Éva
Die Protokolle des vorliegenden Bandes geben vielfachen Aufschluß über die Aktivitäten und Rückzüge, über das Tun und Verweigern, über Erfolg und Mißerfolg sowohl der Regierung wie der Ungarn, aber auch der Serben, der Rumänen und der Slowaken in Ungarn und in seinen Nebenländern in diesen Monaten.
Im Ministerrat vom 3. November ging es um die Bitten der Serben in der Woiwodina und im Banat
Die Krone hatte darauf noch nicht geantwortet. Im Dezember 1861 beantragte Schmerling erstmals die Errichtung eines eigenen Distriktes
Trotz dieser drängenden Worte des Staatsministers wurde die Entscheidung vertagt. Der wahre Grund kam im Ministerrat vom
Auf die „ungarische Hauptfrage“ (Esterházy) galt es also, eine Antwort zu finden. Da sich Franz Joseph hierin noch nicht entschieden hatte, traf er auch in der serbischen Frage vorerst keine Entscheidung
Den gleichen Ausgang nahm die Angelegenheit der Errichtung einer eigenen Metropolie für die orthodoxen Rumänen. Sie waren dem serbischen Patriarchen in Karlowitz unterstellt und betrieben seit langem die Emanzipation von den Serben. Als die Frage am
Forgách und Esterházy opponierten heftig dagegen, die Metropolie aus politischen Gründen nur in Siebenbürgen zu kreieren und damit die in Ungarn lebenden Rumänen zu enttäuschen. Esterházy warnte auch davor, die „Schismatiker“, wie er die Orthodoxen nannte, im Rang zu erhöhen, ohne auch die mit Rom Unierten zufriedenzustellen. Dies sei ein Widerspruch zur traditionellen Politik Österreichs als „uralte Stütze des Katholizismus“. Was Forgách und Esterházy nicht aussprachen, was aber dennoch klar im Raum stand, war die Tatsache, daß Nádasdys „politische Opportunität“ aus ungarischer Sicht eine politische Inopportunität war. Denn ein von den Rumänen dominierter siebenbürgischer Landtag würde natürlich gegen die Union Siebenbürgens mit Ungarn stimmen und damit die Wiederherstellung der territorialen Integrität des Landes verhindern, die aus ungarischer Sicht eine Conditio sine qua non für den Ausgleich war. Franz Joseph entschied noch in der Ministerratssitzung gegen den Antrag Nádasdys, damit indirekt auch gegen Schmerling.
Mehr Erfolg hatten die siebenbürgischen Rumänen mit einem anderen Anliegen, der Einberufung einer Nationalkonferenz, bei der sie ihre Haltung auf dem bevorstehenden Landtag beraten wollten
Nádasdy replizierte, daß die Loyalität der beiden Oberhirten bekannt sei. Im übrigen träfen sich die Ungarn und Szekler fortwährend zu solchen Konferenzen, ohne die Regierung zu informieren. Schmerlings heftige Wortmeldung entsprach nicht dem Klischee vom Abwarten: „Ritter v. Schmerling erwähnte, daß, wenn man sich bei uns immer von der Furcht vor dem Auslande leiten ließe,… man wohl kaum den heutigen Standpunkt einnehmen würde. Vor kurzer Zeit habe man gewarnt, die serbische Frage zu lösen, … heute warne man wieder vor der rumänischen. Votant glaube aber, daß man unbeirrt festen Schrittes den geraden Weg gehen solle, zumal nach seiner Erfahrung das Zögern und Zuwarten noch zu keinem Heile geführt habe.“ Diesmal konnten sich die deutschliberalen Mitglieder des Kabinetts durchsetzen. Franz Joseph gestattete am 15. November die Versammlung, die Ende April in Hermannstadt abgehalten wurde
Gänzlich abschlägig wurden einige Beschwerden der Slowaken in Ungarn und ihr Wunsch nach Bildung eines eigenen Distriktes entschieden
Alle diese Protokolle – außer jenem über die Slowaken – sind sehr umfangreich und geben detailliert die Reden wieder. Die Minister debattierten wortreich, mit vielen Argumenten und nicht ohne Schärfe. Immer deutlicher war zu sehen, daß eine Entscheidung in der „ungarischen Hauptfrage“ unumgänglich wurde. Eineinhalb Jahre nach der abrupten Auflösung des Landtags, ein Jahr nach der Einführung des Provisoriums war man keinen Schritt weitergekommen. Mit Ausnahme der sogenannten altkonservativen Politiker lehnte die ungarische politische Führungsschicht den Ausweg aus der Sackgasse absolutistischen Regierens ab, den die Krone mit dem Oktoberdiplom und dem Februarpatent eingeschlagen hatte. Diese oktroyierten Verfassungsdokumente waren aus der Sicht der Rechtskontinuität inakzeptabel. Schmerling seinerseits war angesichts der Erfolge auf anderen Gebieten weniger denn je zu Kompromissen bereit.
Die Initiative zu neuen Gesprächen ging wahrscheinlich von Franz Joseph selbst aus. Um die Jahreswendes 1862/63 forderte er den ungarischen Hofkanzler auf, gemeinsam mit seinen ungarischen Gesprächspartnern einen Plan zur Lösung der Frage auszuarbeiten. Daraus entstand der Ausgleichsversuch vom März 1863, der im Ministerrat sein eigentliches Zentrum und dementsprechend in den Protokollen breitesten Niederschlag gefunden hat. Josef Redlich hat in seinem Standardwerk die betreffenden Protokolle verwendet und bekanntgemachtIn: Österreichische Osthefte 32 (1990).
Über die von Franz Joseph angeregten Gespräche der Altkonservativen existieren keine behördlichen Akten. Die Gerüchte, die an die Öffentlichkeit drangen, gipfelten Anfang Februar in den Spekulationen um die Berufung eines ungarischen Ministeriums unter der Führung des Judex Curiae, Georg Graf Apponyi. Schmerling mußte in diesen Gesprächen natürlich eine Gefahr für sich und seine Vorstellungen zur Lösung der ungarischen Frage sehen. Er benützte eine zufällig sich bietende Gelegenheit zum Gegenangriff. Eine Delegation des Klausenburger Landwirtschaftsvereins unter der Führung des Grafen Mikó wollte dem Kaiser aus Anlaß einer günstigen Entscheidung in der siebenbürgischen Eisenbahnfrage eine Dankadresse überbringen. Die Antwort, die der Kaiser der Delegation geben sollte, war von der siebenbürgischen Hofkanzlei, also von Nádasdy, vorzubereiten, der Schmerling treu ergeben war. Die Antwort wurde so konzipiert, daß sie eine unmißverständliche Aufforderung an den künftigen siebenbürgischen Landtag enthielt, das Februarpatent anzuerkennen und den Reichsrat zu beschicken. So wie Schmerling die Gespräche der Altkonservativen, so empfand Forgách diese Antwort als Provokation. Sie führte im Ministerrat vom
Über den Zusammenhang zwischen dem siebenbürgischen Landtag und den finanziellen Aufgaben des Reiches, den Franz Joseph hier herstellt, ist folgendes in Erinnerung
Schmerling hatte also, scheinbar den Angriff der Altkonservativen pariert, in Wirklichkeit hatte die Auseinandersetzung erst begonnen. Knapp einen Monat später legte Forgách im Ministerrat ein „Programm zur Ausgleichung der ungarischen Frage“ vor
Von dem Programm, das Forgách am 11. März vorlegte, sagt Redlich, daß dieses bedeutende Operat ebensogut den Ausgangspunkt zur schnellen Lösung des Konfliktes mit dem ungarischen Landtag hätte bilden können wie drei Jahre später der berühmte Osterartikel Franz DeáksEbd. 317.
Der Kaiser beauftragte nun die ungarischen Minister unter Beiziehung des kroatisch-slawonischen Hofkanzlers Mažuranić, einen Kompromißentwurf auszuarbeiten. Wie sehr sich Franz Joseph einen Ausgleich wünschte, geht aus den Protokollen ganz deutlich hervor. In der Konferenz am 23. März zeigte sich Schmerling der Form nach gesprächsbereit, indem er das Kompromißpapier, die „Punktation“, für annehmbar erklärte, freilich nur mit einigen Änderungen. In der Sache selbst, bei den konkreten Änderungen, blieb Schmerling hart: zuerst vorbehaltlose Anerkennung
Die Ministerratsprotokolle über den Ausgleichsversuch im März 1863
Damit war der Ausgleichsversuch im Grunde schon gescheitert. Franz Joseph war genötigt, selbst einen Ausweg zu finden. Er mußte sich entscheiden. Schon am 11. März hatten Nádasdy und Esterházy – inhaltlich Kontrahenten – übereinstimmend betont, es könne nur die eine oder die andere Richtung bestehen bleiben und hierin müsse sich vor allem Se. Majestät entscheiden. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als sich zurückzuziehen, um einen „Schiedsspruch“ (Redlich) zu fällen. Am 30. März war es soweit. Ohne Widerspruch hatten ihn die Minister hinzunehmen: „Se. Majestät der Kaiser geruhen zu eröffnen, Allerhöchstdieselben hätten die beiderseitigen Ansichten über die Behandlung der ungarischen Frage entgegengenommen und nach reifer Erwägung die früher gehegte Ansicht festgehalten, daß bei der gegenwärtigen Lage Österreichs im Inneren, namentlich aber dem Auslande gegenüber eine Veränderung in der Zusammensetzung des k. k. Ministeriums jetzt von Nachteil wäre. Zur Behebung der vorhandenen Differenzen haben Se. Majestät die Ah. Willensmeinung zu Papier gebracht … und erwarten von der pflichtschuldigen Treue und Hingebung aller Mitglieder des Ministeriums, daß sie diese Ah. Bestimmungen ohne Widerrede hinnehmen.“
In der Sache hatte sich Schmerling durchgesetzt. Die „Bestimmungen“ sagten: Alle Programme waren zurückzuziehen – Oktoberdiplom und Februarpatent waren mithin die Basis der Politik auch in Ungarn. Apponyi als Personifizierung des Gegensatzes zu Schmerling wurde enthoben. In Siebenbürgen war der Landtag einzuberufen. Die offizielle und offiziöse Presse war streng in die Schranken zu weisen.
So ist der Ausgleichsversuch vom März 1863 ergebnislos abgebrochen worden. Ohne Zweifel war er der bedeutendste zwischen 1861 und 1865, „der einzige ernste Vorstoß gegen Schmerlings konstitutionelle zentralistische Konzeption“
Die politische Entscheidung war also Ende März gefallen: „In Siebenbürgen wird der Landtag einzuberufen sein …“ Die Vorbereitungen dazu reichen weit zurück. Nádasdys Betrauung mit der Leitung der Hofkanzlei und Ludwig Graf Crennevilles Ernennung zum Präsidenten des Guberniums in Klausenburg im November 1861 hatten schon zum Ziel gehabt, ein solches politisches Klima herbeizuführen, in dem mit Erfolg ein Landtag abgehalten werden konnte. Erfolg hieß dabei Erweiterung des Landtags durch rumänische Abgeordnete, Anerkennung von Oktoberdiplom und Februarpatent und Beschickung des Reichsrates. Das geeignete Klima sollte durch gezielten Druck auf „politisch Renitente“, im Grunde auf die Ungarn, gleichzeitig durch Förderung der Sachsen und der Rumänen herbeigeführt werden.
Im Herbst 1862, knapp ein Jahr nach seiner Ernennung, hielt Nádasdy die Zeit reif für neue Initiativen. Am
Im Ministerrat vom 10. und
Am
Forgách versuchte, obwohl sich der Kaiser ja schon entschieden hatte, noch einmal und ohne Erfolg Zeit zu gewinnen, indem er die Prüfung des Entwurfes durch Vertrauensmänner aus Siebenbürgen vorschlug.
Die Landtagsordnung wurde verabschiedet und mit dem ebenfalls von Nádasdy vorgelegten Einberufungsreskript sanktioniert. Beide Stücke wurden in der „Wiener Zeitung“ vom
Nach diesem Vorgriff zurück zum April 1863. Die Ministerratsprotokolle zum Landtag selbst sind im nächsten Band enthalten. Der vorliegende reicht bis zur Verabschiedung des Einberufungsreskriptes und der Landtagsordnung. Hingewiesen sei aber noch auf das letzte Protokoll dieses Bandes mit dem Antrag Nádasdys auf Amnestie für jene Siebenbürger, die wegen politischer Straftaten verurteilt waren
Im Zeitraum des vorliegenden Bandes waren zwei Ereignisse im Ausland von besonderer Bedeutung für Österreich: der Beginn der Ära Bismarck und der polnische Aufstand von 1863.
Am
Bismarcks Vorgangsweise im Heeres- und Verfassungskonflikt, einfach ohne Budgetbewilligung Ausgaben zu tätigen, wurde im österreichischen Ministerrat, wo kurze Zeit später eine ernste Differenz mit dem Abgeordnetenhaus über das Budgetrecht diskutiert wurde, als abschreckendes Beispiel hingestellt. „Ein verfassungswidriges Budgetvakuum“, eine „preußische Krise“, „die jüngsten Berliner Vorgänge“ wollte die Mehrheit der Minister und schließlich auch Franz Joseph vermeiden
Den ersten Vorstoß in Richtung Österreich unternahm Bismarck im Dezember 1862. Anlaß war ein Projekt zur Reform des Deutschen Bundes. Er riet in Gesprächen mit dem österreichischen Gesandten in Berlin, Graf Károlyi, in einer gar nicht diplomatischen Sprache, Österreich solle sich aus Deutschland zurückziehen und verstärkt dem Osten und Südosten zuwenden, wofür er Unterstützung anbot. Er drohte sogar offen mit Krieg. Da er aber sehen mußte, daß die Rückendeckung für einen Waffengang mit Österreich noch fehlte, und da Wien weder auf die Drohung noch auf das Angebot der neuen Machtverteilung einging, lenkte er im Jänner 1863 wieder ein. In diesem Kontext ist das Ministerratsprotokoll vom
Das zweite Ereignis, das vom Ausland her tief nach Österreich wirkte, war der Ausbruch des Jänneraufstandes im russischen Teilungsgebiet Polens. Zum vierten Mal nach 1830, 1846 und 1848 versuchte die polnische Nation, sich aus der „politischen Entmachtung, territorialen Zerstückelung und nationalen Unterdrückung“, in der sie
Immerhin stand bereits der Ministerrat vom
Die internationale Bedeutung des Aufstands und die starke Betroffenheit Galiziens und Krakaus erforderten große Aufmerksamkeit seitens der Zentralregierung. Das ist der Grund, weshalb in Wiener Archiven trotz einiger Verluste und Aktenabtretungen noch viel Material zum Jänneraufstand vorhanden ist. Die Arbeiten von Wereszycki und CzastekHHSTA.
gearbeitet.
Das erwähnte Protokoll vom 26. Jänner geht auch auf die außenpolitische Dimension des Aufstandes ein, insgesamt aber bieten die Protokolle mehr Information über die innenpolitische Seite und die Vorgangsweise der Regierung in Galizien und in Krakau. Die ersten Maßnahmen setzte freilich nicht die Zentralregierung, sondern sie mußten vor Ort getroffen werden. So wurden die Finanzämter sofort angewiesen, nicht benötigte Bargelder abzuführen und die Kassen und Ämter zu sichernebd.
So ordnete er einerseits Patrouillen an, die aus der Gendarmerie und der Finanzwache unter Mithilfe der Gemeindevorsteher zu organisieren waren und die die Grenze ständig abgehen und Grenzüberläufer, vor allem bewaffnete Insurgenten, zurückweisen sollten. Bewaffnete einzelne oder Banden waren sofort zu entwaffnen. Zugleich deklarierte er eine offene Flüchtlingspolitik. „Anständigen Personen und Familien“, die, vor den Unruhen Schutz suchend, als Flüchtlinge auf österreichisches Staatsgebiet kamen, sollte, auch wenn sie keine Papiere besaßen, die Aufenthaltsbewilligung erteilt werden. Auch sollte ihnen, falls sie mittellos waren, gegen seinerzeitigen Ersatzanspruch an die russische Regierung, der Unterhalt gewährt werden. Die Zollwache hatte besonders auf Waffentransporte zu achten. Unterstützung durch das Militär wollte Mensdorff möglichst vermeiden. Er schärfte den Kreis- und Bezirksvorstehern ein: „Ein ruhiges, besonnenes und umsichtiges Vorgehen sichert stets den Erfolg. Darauf baue ich bei den politischen Exekutivorganen. Deshalb erwarte ich auch zuversichtlich, daß ein unzeitiges und unbegründetes Requirieren militärischer Unterstützung nicht vorkommen werde.“
Alle diese Themen – Übertritt und Behandlung der Aufständischen, Flüchtlinge, Waffentransporte – kehren im Ministerrat wieder. Eine andere wichtige Maßnahme, die politische Situation in Galizien stillzuhalten, war die Vertagung des Landtags. Wie in allen cisleithanischen Kronländern waren auch in Lemberg die Abgeordneten Anfang Jänner zur zweiten Session zusammengetreten. Nach Ausbruch des Aufstands in Russisch-Polen wurde die Sitzung zunächst vertagt, dann der Landtag unauffällig, nämlich gemeinsam mit allen anderen, geschlossen
Mit besonderer Erregung wurde der Aufstand in Krakau verfolgt – die Stadt gewann sogar operative Bedeutung für die Insurgenten. Mitte März eskalierten die Ereignisse dort aus der Sicht der Regierung. Es war zwischen dem Militärkommandanten für Westgalizien, FML. Bamberg, und dem Leiter der Statthaltereiabteilung in Krakau, Hofrat Merkl, zu heftigen Differenzen gekommen. Bamberg trat dafür ein, gegen die ins Krakauer Gebiet übergetretenen Aufständischen rigoros vorzugehen und die Unterstützung zu unterbinden, die sie durch die Zivilbevölkerung erhielten. Merkl wollte offenbar so wenig wie möglich eingreifen, sei es aus Schwäche, sei es aus Überzeugung. Im Grunde war es der schon in den Anweisungen Mensdorffs aufgetretene Zwiespalt in der österreichischen Politik zwischen Sympathie und Unterbindung. Am 12. März erreichte den Kriegsminister die Abschrift eines Schreibens Bambergs an Merkl, in dem der in Wien sehr angesehene General die Lage so beschrieb: „Der Einwurf dagegen, daß der Verkehr gehemmt, die Paßvorschriften, das Hausrecht verletzt würden, ist unhaltbar einer Stadtbevölkerung gegenüber, die seit zwei Jahren Revolution spielt, unter deren Augen öffentlich Werbebüros für den Aufstand bestanden und noch bestehen (25 Falschwerber sind arretiert
Daß diese Zustände die Meinung förderten, Österreich sympathisiere offen mit dem Aufstand, ist wenig verwunderlich, und offiziöse Zeitungsartikel gegen die Insurgenten waren angesichts der Tatsachen nicht mehr glaubwürdig. Der Ministerrat sah sich veranlaßt, wirkungsvollere Mittel zu ergreifen
Eine Woche später ereilte die Aufständischen eine schwere Niederlage, als das Korps des sogenannten Diktators Langiewicz durch eine Offensive russischer Truppen nach Galizien abgedrängt und zerstreut wurde. Langiewicz selbst flüchtete auf österreichisches Gebiet und stellte sich den Behörden. Am 23. März berichtete ein Krakauer Korrespondent der Lemberger Zeitung: „Seit dem 22. Früh beherbergt unsere Stadt auf dem Schlosse den Exdiktator Langiewicz … Die Aufregung war und ist in diesen Tagen eine ungeheure. Flüchtige Insurgenten sind mindestens tausend in Krakau in allen verfügbaren Räumen untergebracht, manche derselben kamen in einem erbarmungswürdigen Zustande an ..
Langiewicz selbst wurde den internationalen Gepflogenheiten entsprechend interniert, und zwar in der Nähe von Brünn. Der Gedanke, ihn nach Preußen abzuschieben, weil er im preußischen Teilungsgebiet geboren war, wurde vom Ministerrat verworfen, um „das Odium der Auslieferung“ zu vermeiden
Der Jänneraufstand war für die Habsburgermonarchie nicht nur durch die direkten Wirkungen auf Galizien und Krakau von Bedeutung, sondern, wie J. Radzyner herausgearbeitet hat, noch mehr durch die politischen Fernwirkungen
Am
Hein, geboren 1808 in Olmütz, war seit 1847 Advokat im Troppau. Er war 1848/49 Mitglied des konstituierenden Reichstages und seines Verfassungsausschusses. 1860 wurde er in den verstärkten Reichsrat berufen. Als Präsident des Abgeordnetenhauses hatte er sich durch energische Leitung der Sitzungen ausgezeichnet
Am ebd., Nr. 189.
ebd.