Protokoll in Reinschrift überliefert
Ausführliche Editionsrichtlinien sind vermerkt in den Einleitungen zur Gesamtedition (Rumpler, MRP-1-0-00-0-00000000-edition.xml) sowie in den Dokumenten bzw. Abschnitten Probleme der Edition
.
Der
Staatsminister
referierte, er habe die in der Sitzung am 3. Oktober l. J. an ihn gerichtete Interpellation des Reichsratsabgeordneten Dr. Zyblikiewicz bezüglich der Verurteilung mehrerer Krakauer und Lemberger Bürger aus Anlaß der Sperrung von Verkaufsläden zu beantworten
Dem Ministerrate ergab sich hierwegen keine Erinnerungebd., 2237 (95/
; der Verwaltungsminister Lasser wies diesen schweren Vorwurf sofort zurück, ebd., 2238 f
., und legte später noch einmal anhand der Akten die genaueren Umstände dar, ebd., 2538 (109/
.
Der Staatsminister referiert über eine Note des Präsidiums des Abgeordnetenhauses vom 27. Oktober l. J. an das Ministerratspräsidium, worin gebeten wird, die Anfrage der k. k. Staatsdruckerei, ob die Regierungsvorlagen, die an das Abgeordnetenhaus gelangen, ferner Anträge, Kommissionsberichte und Sitzungsprotokolle dieses Hauses durch den Ärarialdrucksortenverschleiß der Staatsdruckerei im Wege des Verkaufes an das Publikum veröffentlicht und verbreitet werden dürfen, der Schlußfassung des Ministerrates zuzuführen und hievon das Präsidium des Abgeordnetenhauses in Kenntnis zu setzen. Die Anfrage der Staatsdruckerei gründet sich auf ein diesfalls an sie von dem böhmischen Landtagsabgeordneten Dr. Hanisch gerichtetes Verlangen. Der Staatsminister bemerkt, daß von einer Geheimhaltung der Gegenstände, die einmal im Hause der Abgeordneten zur Verteilung gekommen sind, wohl keine Rede sein kann, und er ist somit des Erachtens, es wäre dem Präsidium des Abgeordnetenhauses zu antworten, daß alle jene Vorlagen, die im Hause angekündigt sind und verlesen wurden, auch gedruckt werden können und deren Veröffentlichung durch den Ärarialdrucksortenverschleiß im Wege des Verkaufes keinem Anstande unterliegen.
Der
Minister des Äußern
rügte das Vorgehen der Staatsdruckerei, daß sie sich unmittelbar an das Abgeordnetenhaus gewendet habe, und besorgt, daß dieses leicht eine Nachahmung anderer Unterbehörden hervorbringen könnte, was doch der Folgen halber
Der
Staatsminister
referierte, daß er das von dem Reichsratsabgeordneten Dr. Smolka an die ungarischen Munizipien gerichtete und damals von allen Zeitschriften veröffentlichte Schreiben, welches bei allen honetten Leuten Ärgernis erregte, der Oberstaatsanwaltschaft zur Amtshandlung zugewiesen habe, deren Bericht nun vorliegt
Der hierüber zuerst zur Abgabe seiner Meinung aufgeforderte
Sektionschef Dr. Rizy
bemerkte, daß der von der Oberstaatsanwaltschaft in dieser Angelegenheit eingenommene Standpunkt nicht der richtige sei, indem dieselbe nicht gefragt wurde, ob sie es für angemessen halte, daß eine strafgerichtliche Verhandlung eingeleitet werde, und ob dabei mit Erfolg durchzukommen sei, sondern ob im vorliegenden Falle das Landesgericht zum gesetzlichen Einschreiten kompetent sei. Er halte überhaupt die Auffassung des Oberstaatsanwaltes für ganz irrig. Daß mit diesem Briefe gemeint ist, die ungarische Sache mit der polnischen so zu verbinden, daß durch das Zusammenwirken dieser beiden Nationen die Losreißung von Österreich bewirkt wird, kann jedermann leicht einsehen. Über den Erfolg eines solchen Prozesses läßt sich nicht gleich absprechen, obgleich es ganz richtig ist, daß alle solche Prozesse äußerst schwierig sind, weil die gegenwärtigen Verhältnisse sehr beirrend einwirken. In dieser Beziehung müsse also auch hier der Erfolg immer als zweifelhaft angesehen werden, und in dieser Erwägung stimme er dafür, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Der
Ebd., §
65.
Der
Minister des Äußern
, welcher es ebenfalls für sehr bedenklich hält, irgendeinen Schritt zu tun, bevor man sich nicht der Zustimmung des Reichsrates versichert, glaubte, daß man vorläufig unter der Hand durch verläßliche Abgeordnete dahin wirken könnte, die Majorität des Reichsrates für die Zustimmung zu gewinnen, und erst wenn dieser Versuch mißlingt, die ganze Sache fallenzulassen wäre. Er hebt hervor, wie es die Pflicht des Oberstaatsanwaltes gewesen wäre, sich ex officio mit der Sache zu befassen, aber wegen der politischen Seite, die sie biete, mit dem Ministerium der Justiz sich ins Einvernehmen zu setzen.
Minister Ritter v. Lasser
eröffnete, daß er die in der Sitzung am 1. Oktober l. J. an den Justizminister gerichtete Interpellation
ebd., 1665 f. (72. Sitzung/. Der Abgeordnete Dr. Nikolaus Zybliktewicz kritisierte diese Antwort,12. 11. 1861 )
ebd., 2237 (95/, Lasser entgegnete sofort,21. 2. 1862 )
2238 f. Zu diesem Gegenstand siehe auch die frühere, im Ministerrat nicht behandelte Interpellation Wodzickis und die Beantwortung durch Mecséry,
ebd., 325 f. (16/und22. 6. 1861 )
435 f. (21/.5. 7. 1861 )
Der
Finanzminister
brachte zur Kenntnis des Ministerrates, daß ihm ein hier erschienener Vertrauungsagent Frankreichs die Insinuation gemacht habe, ein Darlehen im Wege der hiesigen Nationalbank zu effektuieren, welches in sechs Monaten zurückzuzahlen wäre. Obwohl diese Insinuation keinen offiziellen Charakter hat und dieser Agent eigentlich nur beabsichtigt zu erfahren, ob, wenn von Seite Frankreichs dieses Ersuchen gestellt wird, darauf eingegangen würde, habe der Finanzminister dennoch diesfalls mit dem Bankgouverneur geheime Besprechungen gepflogen, welche das Resultat gaben, daß sich aus dem Barschatze der Nationalbank höchstens nur 10 Millionen hiezu verwenden ließen, während nach den Andeutungen des Agenten wenigstens 40 Millionen verlangt werden würden. Der Finanzminister bespricht in einer längeren Rede die Verhältnisse der Nationalbank nach innen und außen, deutet an, daß selbst die eigene Regierung es um jeden Preis zu vermeiden sucht, die Bank in dieser Weise in Anspruch zu nehmen, und setzt weitläufig die Gründe auseinander, welche gegen das fragliche Geschäft sprechen, und ist endlich der Meinung, daß es umso weniger angezeigt wäre, eine Geneigtheit hiezu auszusprechen, als eigentlich keine offizielle Verhandlung hierwegen eingeleitet ist und der bisherige Schritt nur als eine Art „Fühler“ anzusehen ist, was sich machen ließe. Als eine feindselige Handlung von Seite Österreichs könnte die Ablehnung
es auch.
ist.
Der
Minister des Äußern
erinnerte, daß die Mission der gedachten Vertrauensperson nicht zweifelhaft sei, indem dieselbe seines Wissens nicht nur von der französischen Regierung, sondern von der höchsten Spitze derselben abgesendet ist, sowie es auch gewiß ist, daß die französische Regierung dabei die Garantie geben würde, bei einer allfälligen Anleihe Österreichs allen möglichen Vorschub zu leisten. Von großer Wichtigkeit sei aber die politische Seite dieser Sache, denn es würde gewiß großes Aufsehen erregen, wenn das als finanziell ruiniert verschrieene Österreich dem mächtigen Frankreich mit Geld aushelfen würde. Aber auch von der finanziellen Seite lasse sich bedenken, daß, wenn Frankreich in eine Finanzkrisis kommt, hiedurch ein großer Rückschlag für Österreich eintreten wird. Nachdem aber nach der Versicherung des Finanzministers bei der verlangten großen Summe dieses Geschäft nicht möglich ist, würde er doch wünschen, daß die Antwort sehr vorsichtig abgefaßt werde, damit allen politischen Folgen vorgebeugt werde. Minister Graf Esterházy pflichtete dieser Ansicht bei. Allen übrigen Stimmführern schienen hier vorzugsweise nur die finanziellen Gründe maßgebend zu sein, und dieselben schlossen sich dem Antrage des Finanzministers vollkommen an, welcher schließlich erklärte, die Antwort in sehr vorsichtiger und kulanter Weise zu geben.