Protokoll in Reinschrift überliefert
Ausführliche Editionsrichtlinien sind vermerkt in den Einleitungen zur Gesamtedition (Rumpler, MRP-1-0-00-0-00000000-edition.xml) sowie in den Dokumenten bzw. Abschnitten Probleme der Edition
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Der böhmische Gubernialpräsident Leo Graf Thun machte am 19. d. M. mittelst der angeschlossenen gedruckten Kundmachung
Da das Ministerium am 18. d. M. keine telegraphische Depesche dieses Inhalts nach Prag expedieren ließ, und überhaupt den Grund der Erlassung der gedachten Kundmachung nicht kennt, so fand sich dasselbe veranlaßt, an den vorgerufenen Oberinspektor des Telegraphen die Frage zu stellen, ob außer jener telegraphischen Depesche des Ministers des Inneren am 18. d. M. noch eine andere nach Prag aufgegeben worden sei. Derselbe zeigte die an diesem Tage erlassenen telegraphischen Nachrichten nach Prag vor, von denen keine als Grund der erwähnten Kundmachung angenommen werden kann, bemerkte ferner, daß alle Aufträge für den Telegraphen im telegraphischen Büro genau protokolliert werden, daß ohne sein Wissen nichts expediert werden kann, und nur, wenn er verhindert ist (wie dies am
Der Ministerrat findet es notwendig, zur näheren Aufklärung dieses Gegenstandes auch den Telegraphen-Unterinspektor Malzenau zu vernehmen, und der
Minister der öffentlichen Arbeiten v. Baumgartner
übernahm es, denselben für den 21. d. M. vor den Ministerrat zu bestellen, dann auch die Protokolle und andere zur Aufklärung allenfalls nötigen Daten zu verschaffen.
Minister des Inneren
hat übrigens schon heute die Mitteilung an den Gubernialpräsidenten gemacht, um von ihm Aufklärung über diesen Gegenstand zu erhalten
Es wird noch heute durch den Telegraphen die Anzeige erwartet, von wem die Mitteilung geschah, welche die Bekanntmachung vom 19. d. in Prag über die Abreise des Kaisers von Wien veranlaßte,
Der
Kriegsminister Graf Latour
brachte hierauf einen soeben erhaltenen Brief zur Kenntnis des Ministerrates, worin im wesentlichen vorkommt, daß es hier mehreren aufgefallen, wie sich neuerdings in der Akademischen Legion eine Aufregung bemerkbar mache, daß italienische, polnische und französische Emissäre unter ihnen Aufwieglungen veranlassen, und worin zugleich die Andeutung vorkommt, daß die Akademische Legion, bei welcher sich mehrere hundert Individuen befinden, die eigentlich nicht zu ihr gehören, unter die Nationalgarde einzuteilen, und wollte sie nicht folge leisten, ihre Auflösung zu verfügen wäre
Der Ministerrat erachtet, solche Materialien künftig dem Sicherheitskomitee zu übergeben, was auch mit diesem Briefe in Abschrift und mit Weglassung des Namens zu geschehen hätte
Hierauf kamen folgende zwei Fragen zur Erörterung:
a) das Einschreiten des Ministeriums an Ew. Majestät hinsichtlich der Ah. Rückkehr nach Wien und die Richtung dieses Einschreitens, ob nämlich Ew. Majestät die Zurückkunft an gewisse Bedingungen knüpfen sollen und in welcher Art;
b) ob ein vertrauenswürdiges Individuum überhaupt oder nur ein Organ des Ministeriums abzusenden sei, das an der Seite Ew. Majestät zu bleiben und mit den Ministern die Verbindung zu unterhalten hätte
Der provisorische Regierungspräsident
Graf Montecuccoli
, behufs der Erörterung dieser Fragen dem Ministerrate beigezogen, bemerkte ad a) es wäre von Seite des Ministeriums, damit das Publikum es wisse, bestimmt zu erklären, daß das Benehmen der Studenten und der Abfall des uniformierten Bürgerkorps Ew. Majestät zur Abreise bestimmt habe. Erfolgt ein solcher Ausspruch, so wird die Sympathie der Nationalgarde für die Studenten in Abneigung verwandelt. Graf Montecuccoli bemerkte weiter, daß die Bürger eine Petition vorbereiten, worin sie Ew. Majestät um die Zurückkunft nach Wien und um die Auflösung der Akademischen Legion bitten wollen. Am wirksamsten wäre es nach seinem Dafürhalten, wenn Ew. Majestät das Oberwähnte selbst aussprächen, weil dann umso ernstlicher gegen die Studenten eingeschritten werden könnte. Alle Bürger teilen die Ansicht, daß das Bestehen der Akademischen Legion für sie nur gefahrbringend sei.
Justizminister Freiherr v. Sommaruga
war der Meinung, daß vor allem die Akademische Legion noch einmal von dem Ministerium auf die Gefahr aufmerksam zu machen wäre, welcher sie sich durch ihr Verharren bei ihrem bisherigen Benehmen aussetzt. Der
Rücksichtlich des Antrages, daß der an Ew. Majestät Abgesandte Allerhöchstdenselben die Auflösung der Akademischen Legion als Bedingung der Zurückkunft vortragen soll, kann sich Baron Doblhoff nicht einverstehen. Das gegenwärtige Ministerium ist dazu nicht mehr autorisiert, die bekannten Konzessionen
Der
Minister des Inneren und provisorische Ministerpräsident Freiherr v. Pillersdorf
wäre in der Sache selbst gleichfalls für die Auflösung der Akademischen Legion, jedoch immer mit Rücksicht auf den obersten Grundsatz, daß die Mittel der Energie auch den beabsichtigten Erfolg sichern. Da indessen über den Gegenstand der Frage geteilte Meinungen waren, so wurde darüber heute kein entscheidender Beschluß gefaßt, sondern die Angelegenheit einstweilen ajourniert.
Nachdem Graf Montecuccoli hierauf die Sitzung verlassen hatte, erklärte sich der Ministerrat einstimmig dafür, daß eine ernste Mahnung von Seite des Ministeriums an die Akademische Legion durch ihren Kommandanten zu erlassen wäre, etwa des Inhalts: Sie hätten die bestimmtesten Erklärungen gegeben, Ruhe zu halten, nun seien aber dem Ministerium abermals Versicherungen zugekommen, daß in der Aula wieder Aufregung herrsche. Das Ministerium fühle sich verpflichtet, die Studierenden auf ihre Zusicherungen aufmerksam zu machen, um nicht ernstere Maßregeln zur Aufrechthaltung der Ruhe und Ordnung ergreifen zu müssen.
Der
Minister des Handels etc. Baron Doblhoff
übernahm es, den Entwurf zu dieser Mahnung zu verfassen und morgen dem Ministerrate vorzutragen
Auch über die weitere Frage, ob der an die Seite Ew. Majestät zur Unterhaltung des Verkehrs mit den Ministern abzusendende Geschäftsmann aus der Mitte des Ministeriums zu nehmen sei, oder ob es auch ein anderes vertrauenswürdiges Individuum sein könne, waren die Meinungen der Minister geteilt. Einige hielten die Absendung eines vertrauenswürdigen Individuums überhaupt (Baron Sommaruga den Grafen Wilczek, Baron Pillersdorf den Grafen Montecuccoli) für hinreichend, während andere hierzu ein Mitglied des Ministeriums wünschten, weil dieses die Gesinnungen des Ministeriums bereits kennt, und weil das deutsche Ministeriums nicht weniger tun kann, als das ungarische durch die Absendung des Ministers Fürsten Esterházy zu Ew. Majestät bereits getan hat.
Die Erledigung dieser Frage wurde daher gleichfalls vertagt
Der
Kriegsminister Graf Latour
bemerkte, daß der Regierungspräsident Graf Montecuccoli den Wunsch ausgesprochen habe, es möchte die hiesige Garnison verstärkt werden.
Graf Latour wird morgen (den 21. Mai) mit Grafen Montecuccoli darüber näher sprechen, und wenn er noch die Verstärkung der Garnison notwendig findet, darüber dem Ministerrate referieren. Er seinerseits würde sogleich zwei Bataillons hierher beordern können
Der
Minister des Handels, der Industrie und des Ackerbaues Baron Doblhoff
brachte mit Beziehung auf das in dem Ministerratsprotokolle vom
Der
Finanzminister Freiherr v. Krauß
leitete schließlich die Aufmerksamkeit des Ministerrates auf die gegenwärtigen Verlegenheiten der Bank, bei welcher heute nur 600.000 fr. in Silber erhoben worden sind
Der Finanzminister wird hierüber einige Notabilitäten des Handelsstandes (Rothschild, Stametz-Mayer, Stifft und andere) vernehmen und das Resultat zur Kenntnis des Ministerrates bringenebd.
; anbei ein entsprechendes Zirkular (K.) an alle Länderpräsidenten mit Ausnahme von Tirol und Dalmatien. Fortsetzung des Gegenstandes in MR. v.