Wissenschaftlicher Paratext zur Edition der Ministerratsprotokolle in der Verantwortung der Herausgeber/in: Thomas Kletečka.
Ausführliche Editionsrichtlinien sind vermerkt in den Einleitungen zur Gesamtedition (Rumpler, MRP-1-0-00-0-00000000-edition.xml) sowie in den Dokumenten bzw. Abschnitten Probleme der Edition
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Von Thomas Kletečka
Mit der Errichtung eines Ministerrates erhielt der österreichische Kaiserstaat (d. h. die nichtungarische Reichshälfte; auf das Verhältnis zu Ungarn soll später noch eingegangen werden) erstmals eine funktionierende verantwortliche Zentralstelle. Das politische und verwaltungstechnische System während der Regierungszeit Ferdinand I. war bis dahin von einem eklatanten Mangel an Koordination gezeichnet
Der Ausbruch der Revolution in Österreich brachte dieses alte, durch innere Unzulänglichkeiten und akute Koordinierungsschwierigkeiten geschwächte System endgültig zum Einsturz. In dem unter dem Druck der Ereignisse erlassenen Patent vom
Von Anfang an sah der Ministerrat seine Rolle darin, als das ausführende politische Organ der Regierung seine Funktion auszuüben. Dabei war er sich der veränderten Bedingungen bewußt und versuchte diesen auch Rechnung zu tragen. Die einzelnen Minister waren verantwortlich, folglich auch der Ministerrat. Diese Verantwortlichkeit bestand nun darin, daß die Minister mittels der Notwendigkeit der Gegenzeichnung der Entscheidungen des ex lege unverantwortlichen Kaisers diesen indirekt an die bestehenden Gesetze banden. Die Minister waren also, da sie vom Monarchen zur Ausführung eines bestimmten Regierungsauftrags berufen wurden, in der Theorie einerseits das Ausführungsorgan des kaiserlichen Willens, andererseits auch zur Einhaltung der bestehenden Rechtsordnung verpflichtet. Bei allen Beteuerungen der Treue und Ergebenheit des Ministerrates dem Kaiser gegenüber muß immer in Betracht gezogen werden, daß die Bestimmungen der Verfassung und der kaiserliche Wille die Grundlangen für die Handlungen der Regierung bildeten. Jedes System, noch dazu wenn es sich im Stadium der Ausformung befindet, hängt auch von seinen Protagonisten ab. Zur Ergänzung der Rumplerschen Analyse1: Die Geschichte der Ministerien Kolowrat, Ficquelmont, Pillersdorf, Wessenberg-Doblhoff und Schwarzenberg (= Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs 49, Wien 1964) 6ff.
„Es war vielleicht das erste Mal, daß sechs Männer sich in einem Cabinette vereinigt fanden, welche früher nie ihre Grundsätze ausgetauscht, sich nicht über ein politisches System vereinigt hatten, ihr Programm und den von ihnen zu verfolgenden Gang daher erst bei den einzelnen Regierungshandlungen feststellen mußten.“Franz Xaver Freiherr v.
ebd., MRZ. 126/1848
; abgedruckt als Beilage III.Staatsformen und Gesetze
, wie er selbst formulierte, welche das Prinzip der Erblichkeit nicht in sich aufnehmen und alles auf die unsichere, unberechenbare Wahlform zurückführen, streiten so sehr gegen die Natur des Menschen, daß sie unvermögend sind, Ruhe und Ordnung zu begründen
. Seine Geschichte bis zur Märzrevolution. In: Mitteilungen des Vereines für Geschichte der Stadt Wien 4 (1923) 58 – 66
.
So sah das Ministerium aus, als es das erste Mal am
Die erste Phase der Tätigkeit des Ministerrates war demnach einerseits von der Absicht der Krone geprägt, den erzwungenen politischen Veränderungen durch wohlbedachte Personalpolitik entgegenzusteuern und darüber hinaus noch zur Rettung der alten Position korrektive strukturelle Maßnahmen zu setzen. Auf der anderen Seite entwikkelte der Ministerrat eine nicht vorgesehene Eigendynamik, um den eigenen Spielraum unter den geänderten gesellschaftspolitischen Verhältnissen nutzen zu können. Dem Druck, dem die Regierung seitens der Krone und der revolutionären Bewegung ausgesetzt war, versuchte sie durch Kodifizierung ihres Handlungsbereichs und durch Zugeständnisse, wie dies beispielsweise die Berufung des Bürgerlichen Zanini zum Kriegsministers war
Das derart zusammengesetzte Ministerium erlebte im April durch die bereits erwähnten Demissionen Kolowrats, Kübecks und Taaffes, denen am Er ist vor allem Bureaukrat de haut bord, dabei sehr beliebt und sehr geachtet. Mit Politik will er nichts zu tun haben
, urteilte über ihn 182
. Zu Wessenberg siehe auch
Dieses Regierungsprovisorium dauerte bis zum
Es stellt sich nun die Frage, welchen Aufschluß die Protokolle des Ministerrates über die hier skizzierte Entwicklung des neugeschaffenen staatlichen Zentralorgans geben; wie sind sie überhaupt als Quelle für die historische Forschung einzuordnenseiner soldatischen Gesinnung
diesen Beschluß nicht habe verhindern können, Schreiben (K.) Latours an Radetzky v. um bei der heutigen Beratung dem Ministerrat nicht hinderlich zu sein, wenn er sich veranlaßt sehen sollte, der Gewalt der Umstände nachzugeben und Beschlüsse zu fassen, denen ich als Soldat nicht zustimmen könnte
,
Unter Berücksichtigung des vorher Gesagten bieten die Ministerratsprotokolle des Jahres 1848 eine wertvolle Hilfe für die wissenschaftliche Evaluierun der Revolutionszeit. Über die unmittelbare Auswirkung der neuen konstitutionellen Ära auf die verwaltungstechnische Neuordnung des Staates geben jene Protokolle Auskunft, die sich mit der zeitgemäßen Organisierung der Zentralstellen, der Ministerien und ihrer Kompetenzen beschäftigen
Zur politischen Entwicklung, der Haltung der Regierung und ihren entsprechenden (Gegen) Maßnahmen bieten die Ministerratsprotokolle selbstverständlich eine erstklassige Quelle. An Hand der Arbeiterfrage, um nur ein Beispiel herauszugreifen, lassen sich die gesellschaftspolitischen Konjunkturen des Revolutionsjahres recht gut ablesen
Die wichtigste Errungenschaft der Märzrevolution war das Versprechen einer KonstitutionIn:
Allein die Erstellung einer Konstitution stellte schon eine große Errungenschaft auf dem Weg zur Erfüllung der liberalen Forderungen und zur Umgestaltung des Staates im bürgerlichen Sinn dar. Dementsprechend groß hätte die Begeisterung über ihre Publizierung sein sollen. Doch die Freude war nicht ungetrübt. Der Umstand, auf welche Art und Weise – durch Oktroyierung – sie das Licht der Welt erblickt hatte, und die Bestimmung über das Zweikammersystem des Reichstags, die eine effektive Teilnahme der Volksvertreter an der Gesetzgebung stark einschränkte, gaben zur zunehmenden Kritik am Verfassungswerk Anlaß
Mit dem auf Anraten der Regierung am
Die Flucht des Kaisers hatte wie ein Schock auf die Wiener Bevölkerung gewirkt. Das war zweifellos teilweise auf die tief verwurzelte Loyalität zur Dynastie zurückzuführen. Die Flucht hatte aber auch eine politische Dimension. Sie zeigte deutlich, wie weit die Krone bei der Gewährung revolutionärer Forderungen zu gehen gewillt war. Unter diesen Umständen schien eine politische Ernüchterung eingetreten zu sein. Selbst der Zentralausschuß der Nationalgarde, einer der Anlässe für die Sturmpetition, stellte am
Neben den politischen und sozialen Implikationen der Maiunruhen war der Mangel an einer effizienten Exekutivgewalt zur Sicherung von Recht und Ordnung evident Ebd. 113
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Insbesondere machte es sich der Sicherheitsausschuß zur Aufgabe, die Lage der Arbeiter zu verbessern. Der Arbeitslohn, Kinderarbeit und öffentliche Einrichtungen, die den Arbeitern zugute kamen, waren nur einige der Angelegenheiten, die er auf seine Tagesordnung setzte
Mit der Auflösung des Sicherheitsausschusses verlor die radikale Bewegung in Wien zwar ihre wirksamste organisatorische Plattform, die Ereignisse knapp eineinhalb Monate später sollten aber beweisen, daß sie auch ohne diese durchaus in der Lage war, die politische Entwicklung nachhaltig zu beeinflussen.
Die „polnische Frage“ gehörte zu den vielen ungelösten Problemen der vormärzlichen Ära. In Galizien, der größten und ärmsten Provinz der österreichischen Monarchie, hatte sich das wirtschaftliche und soziale Gefüge des feudalen Systems am ausgeprägtesten erhalten. Dem grundbesitzenden – polnischen – Adel stand eine arme, an Grund und Boden gebundene Bauernschaft gegenüber, die sich überdies zum größeren Teil aus der ruthenischen (ukrainischen) Bevölkerung zusammensetzte. Eine dünne bürgerliche Schicht hatte sich nur in den Städten gebildet
Somit war – zumindest aus österreichischer Sicht – der richtige Mann zur rechten Zeit am richtigen Ort. Die Nachrichten über die Wiener Märzrevolution, die Lemberg am 117
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Die Entwicklung in Galizien gab inzwischen Stadion Anlaß zur Besorgnis. Die polnische Nationalbewegung gewann zusehends Anhang und betrieb erfolgreich Propaganda, die den österreichischen Interessen diametral entgegen stand. Bereits am
Die polnischen nationalen Bestrebungen erfuhren aber nicht nur durch dieses Lehrstück der politischen Taktik einen Rückschlag. In Krakau hatte die national-revolutionäre Begeisterung derart hohe Wellen geschlagen und die Zivilverwaltung so völlig versagt, daß sich das Wiener Kabinett genötigt sah, die gesamte Administration der Militärgewalt zu übertragen
Doch inzwischen setzte die Regierung auf eine politische Lösung der anstehenden Probleme. In Galizien begann die ruthenische Bevölkerung, wenn auch zaghaft, ihre Emanzipation einzufordern. In einer Adresse vom
Die nationale „Wiedergeburt“, wie die seit dem Ende des 18. Jahrhunderts beginnende Transformation der tschechischen Gesellschaft auch bezeichnet wird und die hauptsächlich
Parallel zur Wiener Bewegung begann sich auch das liberal-nationale Tschechentum zu organisierenBd. 1, 44–124
und die umfassende weiterführende Literatur in ebd., Bd. 2, 979–990
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Wurde die St. Wenzelsbadbewegung wegen ihrer allgemeinpolitischen Bestrebungen noch von einem Teil der Deutschböhmen mitgetragen, sollte es sich bald zeigen, daß die nationalen Gegensätze zwischen Deutschen und Tschechen diese gemeinsamen Interessen in den Hintergrund drängten. Deutlich wurde dies zunächst in dem berühmten Absagebrief Palackćys nach Frankfurt, in dem er die Teilnahme als Tscheche an einer deutschen Volksversammlung ablehnte
Doch zunächst stand eine andere Frage im Vordergrund – nämlich die der Einberufung des böhmischen Landtages. Der böhmische Gubernialpräsident Graf Leo Thun war bemüht, diesen Landtag so schnell wie möglich zusammentreten zu lassen, da er sich von ihm eine Konsolidierung der Verhältnisse versprach, und ließ bereits am
Zugleich wurde das tschechische Nationalbewußtsein darüber hinaus durch einen weiteren Umstand gestärkt. Am
Das neue Ministerium hatte zwangsläufig das finanzielle Erbe des alten Systems übernommen. Die finanzielle Situation des Vormärz war von dem Staatsbankrott des Jahres 1811 und den seit 1815 angelaufenen Bemühungen um die Sanierung der österreichischen Währung bestimmt. Seit dieser Zeit bestand das innige Verhältnis zwischen den Staatsfinanzen und der Oesterreichischen Nationalbank, die zum Zweck der Einlösung des während der napoleonischen Kriege in Umlauf gebrachten inflationären 243
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Kübeck, der seit 1841 die Allgemeine Hofkammer leitete, war bemüht, die staatliche Verschuldung bei der Nationalbank zumindest nicht weiter auszudehnen und die Bedeckung der laufenden Ausgaben über neue Anleihen hereinzubringen. Sein Konzept ging dahin, durch Reformem des Steuer- und Verwaltungswesens eine zumindest ausgeglichene budgetäre Situation zu schaffen und mit den – erhofften – Überschüssen die Forderungen der Nationalbank schrittweise abzubauen
Nach anfänglichen Erfolgen wurden die Grenzen der Machbarkeit dieser Kübeckschen Bemühungen unter dem vormärzlichen System aufgezeigt. Die Mißernten der letzten Jahre vor 1848, die eine allgemeine ökonomische Verschlechterung bedingten, wodurch auch das präliminierte Steueraufkommen nicht zustande kam, und die zunehmende politische Destabilisierung im In- und Ausland verringerten die Aussicht auf einen halbwegs stabilen Haushaltsplan. Der Hofkammerpräsident hatte auf Grundlage eines Vierjahresplanes, der ein Defizit von 90 Millionen fl. vorsah, für 1847 einen Abgang von 21 Millionen fl. eingesetzt und mit einem Wiener Bankenkonsortium, dem u.a. die Bankhäuser Rothschild und Sina angehörten, eine unter den gegebenen Umständen günstige Anleihe abgeschlossen, die dem Staat eine jährliche Zufuhr von 15,5 Millionen fl. garantierte. Sollte allerdings der Kurs der Metalliques unter 98 sinken, war das Konsortium berechtigt, das Abkommen zu kündigen
Die europaweite Geldknappheit, die sich in den sinkenden Börsenkursen widerspiegelte, ließ befürchten, daß die Auflösungsklausel des Abkommens mit dem Bankenkonsortium
Während die Verhandlungen über das russische Darlehen gepflogen wurden, nahm die Entwicklung an der Wiener Börse einen für die österreichische Regierung bedenklichen Lauf. Und nachdem die Nachricht von den Pariser Februarereignissen Wien erreicht hatte, unterschritt der Kurs für österreichische Metalliques Anfang März den ominösen Kurs von 98. Die Folge war die Kündigung des Darlehens durch das Wiener Bankenkonsortium. Dadurch sah sich Kübeck einer fast aussichtslosen Situation gegenüberebd., GP. 3301/1848
, auf die nahenden Krise aufmerksam gemacht, wobei er den Mangel an Vertrauen für die triste Lage verantwortlich machte. Wurzelt das eingetretene Mißtrauen in den allgemeinen Zuständen der Regierung oder der Monarchie
, zog der Hofkammerpräsident die Konsequenz, so gibt es keine dringendere Angelegenheit als diese Zustände in das Auge zu fassen, und diejenigen Maßregeln zu ergreifen, welche das Vertrauen wieder herzustellen vermögen
. Mit Ah. E. v. ebd., GP. 3301/1848
.ebd., GP. 3301/1848
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Die grundsätzlichen Probleme der vormärzlichen Finanzgebarung blieben jedoch. Das waren vor allem die hohen Kosten der Militärverwaltung, das zu enge Verhältnis zur Nationalbank und Defizitbeseitigung. Nachdem Kübeck unmittelbar nach seiner Berufung in das neue, verantwortliche Ministerium aus Gesundheitsrücksichten – so seine Begründung – wieder ausgetreten war, übernahm Freiherr Philipp v. Krauß das Finanzressort. Von einer langfristigen Konsolidierung des Staatshaushaltes konnte jetzt allerdings keine Rede mehr sein. Die vordringlichste Aufgabe lag nun in der Erhaltung der Liquidität. Da der Ausbruch der Revolution in Österreich nicht nur die russischen Kreditverhandlungen zum Scheitern brachte, sondern auch der Abfall Lombardo-Venetiens die österreichischen Finanzen ihrer wichtigsten Metallgeldquelle beraubt hatte, war eine der ersten Handlungen des neuen Finanzministers, ein generelles Gold- und Silbergeldausfuhrverbot zu erlassen
Der finanzielle Bedarf während des Jahres 1848 beschränkte sich nicht nur auf die üblichen Ausgaben. Vor allem der Aufwand für das Militär brachte die Finanzen aus dem ohnehin schon labilen Gleichgewicht, da die Bezahlung der Truppen mit Papiergeld, wozu die Banknoten durch die Einführung des Zwangskurses de facto geworden waren, nicht ratsam erschien. Die Verstärkung der Armee in Italien wurde von der Regierung zunächst nicht in dem von Radetzky geforderten Ausmaß bewilligt. Dabei spielten neben politischen und militärischen Überlegungen auch finanzielle Gründe eine bedeutende Rolle. Die Idee, Lombardo-Venetien gegen eine finanzielle Entschädigung preiszugeben, gewann im Ministerrat immer festere Formen. Erst Ende Juni wurde diese Möglichkeit verworfen und beschlossen, das „italienische Problem“ mit militärischen Mitteln zu lösen, indem die geforderten Truppenverstärkungen zugesichert wurden
Neben den außerordentlichen Aufwendungen für das Militär wurde das Ärar auch durch die triste soziale Lage zunehmend in Anspruch genommen. Zur politischen Beruhigung der Masse von kleinen Gewerbetreibenden und der Arbeiter, die wegen des Einbruchs der Konjunktur nach dem Ausbruch der Revolution in eine schwierige Lage geraten waren, sah sich das Ministerium gezwungen, größere Geldbeträge zur Verfügung zu stellenSitzung v.
; schließlich erzwang Krauß, der als einziger amtsführender Minister in Wien geblieben war, am ebd., 52. Sitzung, 114–120
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Die politische Entwicklung in der ungarischen Reichshälfte, die deren Stellung zur Gesamtmonarchie unmittelbar beeinflußte, nahm die österreichische Regierung zunehmend in Anspruch
Tatsächlich war das Verhältnis Ungarns zum nicht ungarischen Teil der Monarchie in den Gesetzen nirgends genauer definiert
Bereits die Ernennung Jellačić“, der durch seine dynastietreu Agitation dem Hof aufgefallen war, zum Banus von Kroatien kann als ein Versuch gewertet werden, die Ferdinand abgerungene Eigenständigkeit der ungarischen Reichshälfte etwas zu relativieren. Der neue Banus entwickelte auch Aktivitäten, die darauf abzielten, die kroatischen Teile der Krone Ungarns nicht ausschließlich der Oberhoheit der Pester Regierung zu unterstellen
Auch die anderen Nationen des ungarischen Länderkomplexes hatten sich schon zuvor gegen die magyarische Vereinnahme abzugrenzen versucht und ihre nationalen Anliegen angemeldet. Während die Slowaken zunächst die Anerkennung als eigene Nation, mit den sich daraus ergebenden Rechten forderten, im wesentlichen aber ihre politische Verankerung im Rahmen Ungarns akzeptierten
Es war vor allem die kroatische Frage, die das österreichische Ministerium zum Vorwand nahm, gegen die ungarischen Separationsbestrebungen aufzutreten. Zwar hatte das Wiener Kabinett versichert, sich nicht in die ungarisch-kroatischen Differenzen einzumischen, doch die wiederholten Geldzuweisungen aus Wien für die von den seitens der Ungarn abgeschnittenen Finanzquellen unter Jellačić’ Kommando stehenden Truppen straften diese Versicherung der Lüge
Die Ereignisse nahmen nun einen dramatischen Verlauf. Nachdem Ferdinand am
Bereits in seiner ersten Sitzung am
Die Entwicklung in der reichsten Provinz der Habsburgermonarchie war nicht ganz überraschend gekommen. Ficquelmont hatte sich selbst, bevor er zum Hofkriegsratspräsident und schließlich zum Außenminister der neuen Regierung berufen wurde, in Mailand aufgehalten, um die Zustände dort zu studieren und Reformen, die die angespannte Situation entschärfen sollten, in die Wege zu leiten. In der Person Hartigs als Hofkommissär wurde ebenfalls ein Mann bestellt, der sich schon eingehend mit den Problemen dieser Provinz auseinandergesetzt hatte
Die Aufgabe Hartigs war nicht nur wegen der verworrenen Situation schwierig, sondern stieß auch auf die Ablehnung Radetzkys; ein Konflikt war geradezu schon vorprogrammiert. Eine Preisgabe Lombardo-Venetiens kam für den Feldmarschall nicht in Frage und er war bestrebt, den Erhalt dieser Provinzen mit militärischen Mitteln zu garantieren
Doch der Ministerrat setzte auf eine politische Lösung des Konflikts. Dazu war es notwendig, die Haltung Frankreichs abzuklären. Als unmittelbarer Nachbar Italiens hatte es ein vitales Interesse an einer in seinem Sinn zufriedenstellenden Beilegung der Wirren. Die Gefahr eines militärischen Eingreifens Frankreichs, die die österreichische Regierung eine Zeitlang beunruhigt hatte, erwies sich als unbegründet
Da inzwischen entmutigende Nachrichten vom Kriegsschauplatz und über die Pazifikationsmission Hartigs Wien erreicht hatten, entschloß sich die Regierung, direkte Verhandlungen mit der Mailänder provisorischen Regierung aufzunehmen. Mit dieser Aufgabe wurde der Legationsrat Philippsberg betraut, dem etwa die gleichen Verhandlungsgrundsätze wie Hummelauer auf den Weg mitgegeben wurden. Zu diesen Schritt sah sich die österreichische Regierung nicht nur wegen der vermeintlichen Aussichtslosigkeit anderer Wege veranlaßt, sondern auch durch die Aussicht, „daß diese Provinz zur Erlangung des Friedens und der Unabhägigkeit die größten Geldopfer bringen würde“
Obwohl noch keine Ergebnisse über die zwei erwähnten Verhandlungen bekannt waren, erlangte Außenminister Wessenberg am
Mit dieser Entscheidung hatte sich nicht nur Radetzky auf der ganzen Linie durchgesetzt, sondern es wurde hier zweifellos der Weg vorgezeichnet, den die Habsburgermonarchie in der weiteren Folge beschreiten sollte. Nicht die Politik, der Konsens, sondern militärische Mittel, die Gewalt, sollte zunehmend zur Lösung auftretender Probleme herangezogen werden.
Nachdem Hartig wegen seiner Differenzen mit Radetzky schon vor der prinzipiellen Entscheidung des Ministerrates vom
Schon vor dem Ausbruch der Revolution war der Gedanke einer national-liberalen oder sogar demokratischen Neuordnung Deutschlands von Bewegungen des linken politischen Spektrums ausgesprochen worden. Durch die eintreffenden Nachrichten ermutigt, beriefen diese Gruppierungen für den
Für das multinationale Österreich bedeutete das Aufkommen der deutschnationalen Einheitsbestrebungen eine Existenzfrage. Zwar hatten sich auf der im Grunde jeder Legitimität entbehrenden Heidelberger Versammlung nur zwei Vertreter Österreichs eingefunden, doch die Beschlüsse des Bundestages, der sich als das gesetzliche Organ der nationalen und politischen Einheit Deutschlands definiert hatte, konnten nicht ohne weiters negiert werden. Die österreichische Regierung war sich der politischen Sprengkraft der Entwicklung durchaus bewußt, dennoch sah sie sich gezwungen, diese Entwicklung mitzutragen, „da für Österreich jetzt nur im Anschlusse an Deutschland eine Rettung gegen die Separationsideen der Provinzen liege“
Die Eigendynamik, die die Reformbewegung in Frankfurt entwickelte, machte es indessen unmöglich, die offizielle österreichische Haltung in den Entscheidungsprozeß direkt einfließen zu lassen. Indirekt versuchte der Ministerrat durch die Bestellung der Vertrauensmänner und dann durch die Absicht, die Wahl der Abgeordneten zum Frankfurter Parlament in seinem Sinne zu beeinflussen, die Interessen des österreichischen Kaiserstaates zu wahren
Diese Empfehlung war eine logische Konsequenz der österreichischen Deutschlandpolitik. Denn noch bevor die deutsche Nationalversammlung Mitte Mai – obwohl zu diesem Zeitpunkt noch nicht alle gewählten Abgeordneten in Frankfurt eingetroffen waren – ihre Beratungen aufnahm, hatte sich der Bundestag mit der Frage eines Bundesexekutivorgans beschäftigt und Ende April beschlossen, bis zur Ausarbeitung einer definitiven deutschen Verfassung ein dreiköpfiges Bundesdirektorium einzusetzen. Dieser Beschluß gelangte zwar nicht zur Ausführung, hatte aber in Wien für Unruhe gesorgt. Auch die Nationalversammlung trat zunächst in die Diskussion über die Schaffung einer vorläufigen deutschen Zentralgewalt ein und verabschiedete am ebd.
Das Gesetz abgedruckt bei
Für die künftige Gestaltung Deutschlands war die Ausarbeitung einer Verfassung von entscheidender Bedeutung. Der aus den von den Einzelregierungen entsandten Vertrauensmännern entstandene „Siebzehnerausschuß“ begann bereits vor dem Zusammentreten
Die Ministerratsprotokolle der Regierungen des Revolutionsjahres von 1848, die in diesem Band erscheinen, enden mit dem
Drei Tage später meuterten die in Wien stationierten Truppen gegen den Befehl, an die ungarische Grenze abzugehen. Der dadurch verursachte Aufruhr griff rasch um sich
Die Publizierung der Ministerratsprotokolle des Revolutionsjahres 1848 bietet der breiteren wissenschaftlichen Öffentlichkeit die Möglichkeit, wichtiges und mit weiteren Quellen- und Literaturhinweisen versehenes Grundlagenmaterial für die Bewertung dieser Epoche. Sie trägt aber auch zum besseren Verständnis der Ära des Neoabsolutismus bei, denn die Beratungen im Ministerrat verdeutlichen beispielhaft, welche gesellschaftspolitischen Ansprüche nach dem Zerfall des vormärzlichen Systems erhoben wurden; die Reaktion, die gegen Ende 1848 einsetzte und das nachfolgende Jahrzehnt prägen sollte, wäre ohne dieses Vorwissen nur bedingt verständlich.
Die durch die Revolution verursachten Änderungen des gesamten öffentlichen Lebens fanden naturgemäß auch ihre Auswirkungen auf die Organisationsstruktur der Staatsverwaltung. Die Auflösung der alten Zentralverwaltungskörper, der Hofstellen, und die Errichtung neuer, der Ministerien, und die damit zunächst verbundene teilweise Überschneidung in der Fortführung der laufenden Geschäfte, was sich in der Aufsplitterung der Archivquellen niederschlug, bedingte für den Kommentar der Ministerratsprotokolle des Jahres 1848 im Vergleich zu bereits publizierten Bänden dieser Reihe einen erheblichen Mehraufwand. Denn die Hinterlegung des Quellenbestandes über eine Materie erfolgte in verschiedenen Archivabteilungen, wobei nicht immer die Logik des Systems durchschaubar war. So war es bisweilen notwendig, für die Kommentierung eines einzelnen Gegenstandes, der in den Ministerratsprotokollen zur Sprache kam, mehrere Abteilungen in verschiedenen Archiven einzusehen.
Für die Erstellung des Kommentars wurden größtenteils jene Akten verwendet, die sich in den Beständen der Wiener Archive befinden. Im Haus-, Hof- und Staatsarchiv war es an erster Stelle das Material der Kabinettskanzlei, der „Registratur“ des neugeschaffenen Ministerrates, und jenes des Kabinettsarchivs, Staatskonferenzakten und der Minister Kolowrat Akten, die mit dem erstgenannten unmittelbar zusammenhängen. Dabei erwies es sich als notwendig, bei einzelnen Angelegenheiten auch auf die Separatbillettenprotokolle und die Akten des Obersthofmeisteramtes und des Oberstkämmereramtes zurückzugreifen. Obwohl das Ministerium des Äußeren als solches mit der Ernennung der neuen Regierung in Funktion trat, befinden sich dessen Akten für das Jahr 1848 überwiegend in der Abteilung Staatskanzlei. Hier waren es hauptsächlich die Untergruppen der Staatenabteilung, wie etwa Frankreich, England, Sardinien und Deutsche Akten neue Reihe, die für die Kommentierung der außenpolitischen Entwicklung eingesehen wurden, aber auch die Korrespondenz mit den anderen Hofstellen/Ministerien und der Bestand Provinzen. Im Letzteren findet sich ebenfalls reichhaltiges Material zur lombardo-venezianischen Frage. Das für die Dokumentation der innenpolitischen und sozialen Entwicklung nach den Wiener Maiereignissen wichtige und bisher wenig genutzte Quellenmaterial über die Tätigkeit des Sicherheitsausschusses wurde aus unerfindlichen Gründen den Reichstagsakten angeschlossen.
In Angelegenheiten der Finanzverwaltung wurden die Bestände des Hofkammerarchivs und des Finanzarchivs herangezogen. Als störend erwies sich dabei der Umstand, daß der erste Indexband des Finanzministeriums von 1848 fehlt. Eine Besonderheit stellt das Ministerium der öffentlichen Arbeiten dar, das nur während des Revolutionsjahres bestand. Seine Auflösung brachte es mit sich, daß dessen Akten anderen Zentralstellen zugeordnet wurden. So ist die Präsidialreihe im Finanzarchiv, Montanpräsidialakten zu finden, die Allgemeine Reihe im Verkehrsarchiv des Allgemeinen Verwaltungsarchivs. Weiters wurden in Wien noch das Niederösterreichische Landesarchiv, vor allem das Statthaltereipräsidium, und das Wiener Stadt- und Landesarchiv in Anspruch genommen, wobei hier neben den die Stadtverwaltung betreffenden Akten auch solche über die Wiener Nationalgarde zu finden sind.
Die Komplexität der in den Ministerratsprotokollen auftauchenden Probleme und die teilweise stark ausgeprägte Dezentralisierung bei Entscheidungen in wichtigen Fragen, legten es nahe, auch andere als die in Wien zugänglichen Quellen für den Kommentar heranzuziehen. Dies umso mehr als viele dieser Angelegenheiten durch das Innenministerium, teils weil es ohnedies in sein Ressort fiel, teils im Auftrag des Gesamtministeriums, abgehandelt worden waren. Zur näheren Ausleuchtung der Vorgänge in Galizien und des zwar nicht eigenmächtigen aber doch recht eigenwilligen Vorgehens des dortigen Landesgouverneurs wurde das Zentrale Ukrainische Historische Staatsarchiv in Lemberg (Zentral’nyj Deržavnyj Istoryčnyj Archiv Ukrajiny u L’vovi) aufgesucht, um hauptsächlich die Bestände des Guberniumspräsidiums einzusehen. In Prag waren es ebenfalls die Akten des Guberniums im Zentralen Staatsarchiv (Státní Ústřední Archiv), die benötigt wurden, um vor allem die Vorgänge rund um die Errichtung der provisorischen Regierung Ende Mai und um den Prager Pfingstaufstand ausreichend zu kommentieren. Außerdem wurden noch das Mährische Landesarchiv in Brünn (Moravský Zemský Archiv) und das Staatsarchiv in Krakau (Archiwum Państwowe w Krakowie) konsultiert, wobei sich das Letztere bezüglich des erhofften Materials für das Jahr 1848 als wenig ergiebig erwies. Das Gegenteil war der Fall beim Ungarischen Staatsarchiv in Budapest (Magyar Országos Levéltár), das wegen der umstrittenen Stellung Ungarns zur Gesamtmonarchie und den sich daraus ergebenden Folgen auf allen Gebieten – selbstverständlich – auch besucht wurde. Die Bestände der außerhalb Österreich liegenden Archive dienten also als wichtiger Ersatz, als eine teilweise Rekonstruktion, des in Verlust geratenen Materials des Innenministeriums.