Ausführliche Editionsrichtlinien sind vermerkt in den Einleitungen zur Gesamtedition (Rumpler, MRP-1-0-00-0-00000000-edition.xml) sowie in den Dokumenten bzw. Abschnitten Probleme der Edition
.
Von Helmut Rumpler
Untrennbar von der Frage nach dem neuen Tatsachenmaterial, das aus den Protokollen des österreichischen Ministerrates geschöpft werden kann, stellt sich jene nach der Form, in der diese Protokolle überliefert sind. Die Deutung dieser Form als Veranschaulichung und Erläuterung eines Macht- und RechtsverhältnissesArchivalienkunde vom 16. Jahrhundert bis 1918, Göttingen 1969
, enthält das entsprechende Kapitel in stark veränderter Fassung); eine in diesem spezifischen Sinn verstandene Aktenkunde der Ministerratsprotokolle wird, über die Durchführung dieses methodischen Programms bei
Bis etwa in die Hälfte des Jahres 1848 wurden die Protokolle des Ministerrates, was ihre formale Struktur betrifft, fast in derselben Weise gestaltet wie diejenigen des vormärzlichen Staatsrates. Den neuen staatsrechtlichen Verhältnissen entsprechend, setzte aber noch 1848 ein Wandel ein, der 1850 zum Abschluß gelangte.
Was im folgenden als Form der Protokolle verstanden wird, resultiert aus zwei Elementen: den Normen der Verhandlungsführung im Ministerrat und den Regeln, nach welchen die Beratungen schriftlich fixiert wurden. Für die kritische Beurteilung der Protokolltexte ist die Analyse dementsprechend nach zwei Richtungen hin anzulegen. Einerseits ist zu fragen: Was konnten und durften die Minister oder der Vorsitzende des Ministerrates auf Grund der ihnen zukommenden rechtlichen Stellung aussprechen, welcher Grad der freien Meinungsäußerung darf vorausgesetzt werden, wieweit sind die Protokolle als Zeugnisse einer echten Diskussion oder nur einer offiziellen Sprachregelung zu werten? Andererseits: Welcher Art waren die formalen Bedingungen der Protokollierung, in welchem Ausmaß wurde das Wort der Minister bewußt oder unbewußt durch das Medium der schriftlichen Fixierung modifiziert? Zwei Entwicklungslinien sind zu verfolgen: eine rechtlich-politische, d. h. verfassungs- und behördengeschichtliche, und eine kanzleigeschichtliche. Von diesen beiden Blickpunkten her wird zu bestimmen sein, was als bedeutsam für die interpretative Auswertung der Protokolle einführend generell darzulegen und im einzelnen bei der editorischen Gestaltung zu verarbeiten ist.
Ein Ministerratsprotokoll bedarf in demselben Maße der formalen Kritik wie etwa ein diplomatischer Bericht. Dieser ist erst dann in seinem Wert zu bestimmen, wenn die sachlichen und personellen Voraussetzungen seiner Entstehung bekannt sind. Er ist bestenfalls eine Primärquelle für den Informationsgrad und die politischen Ziele des Berichterstatters, wobei meist noch die dem Adressaten gegenüber verfolgte Tendenz eine schwer zu eliminierende Fehlerquelle bleibt. Bei einem Ministerratsprotokoll liegen die Verhältnisse noch um einen Grad komplizierter. Die Zahl der Akteure vervielfältigt das Problem der Quellenkritik. Ein Protokoll enthält im wesentlichen Aussagen über zwei verschiedene Ereigniskategorien: mittelbar über die Verhandlungsgegenstände, die von den Ministern vor den Ministerrat gebracht wurden, unmittelbar über die Verhandlungen der Minister selbst. Die Verhandlungen der Minister im Ministerrat bilden aber gleichsam nur die Schauseite des Kampfes verschiedener Interessen. Vom Kampf selbst und damit vom Kern der Ereignisse wird in den Ministerratsprotokollen nur wenig sichtbar, es muß eigentlich erst durch die Kritik sichtbar gemacht werden. Diese wird zunächst eine Sachkritik sein, die die Positionen der Minister
Das Bild, das „auf Grund der Akten“ von der politischen Bedeutung des Ministerrates und vom Quellenwert der Protokolle gezeichnet werden kann, ist unvollständig.
Die Rücksichtnahme auf die öffentliche Meinung bei der Stellungnahme im Ministerrat einerseits und bei der protokollarischen Festlegung dieser Stellungnahme andererseits ist kaum faßbar. Daß zumindest für 1848 mit einer solchen Rücksichtnahme zu rechnen ist, legt der Beschluß des Ministerrates vom M[inister]-R[ats]-Z[ahl] (weiterhin MRZ.) 292—294/1848
.aus dem Ministerrat
siehe S. 69.
Einige für die Quellenkritik nicht unwesentliche Details sind offenbar seitens der Zeitgenossen als der Überlieferung unwert empfunden worden und daher nur vermutungsweise rekonstruierbar. Über die Atmosphäre, in der die Beratungen stattfanden, soweit sie durch äußere Formen bedingt war, finden sich in den Akten sowie in den einschlägigen erzählenden Quellen nur spärliche Angaben. Die Tageszeit, zu der der Ministerrat routinemäßig zusammentrat, ist z. B. nur in Ausnahmefällen angegebenMRZ. 955/1848: Protokoll des Ministerrates am
.MRZ. 2961/1851
.MRZ. 12/1848
; ebenso MR. v. MRZ. 62/1848
.MRZ. 2299/1849: Nach Aufhebung der Sitzung, welche im Ah. Beisein gehalten wurde, versammelten sich die eingangs erwähnten Minister sofort in der Staatskanzlei unter dem Vorsitz des Ministerpräsidenten
.
Über diese Unvollständigkeiten hinaus müssen bei der Bewertung der Formelemente der Ministerratsprotokolle Fehlerquellen kalkuliert werden, die auch durch eine allseitige Ergänzung der Quellengrundlage nicht auszuschalten wären. Zufall und Nachlässigkeit haben bei der Abfassung der Protokolle wahrscheinlich eine größere Rolle gespielt, als man anzunehmen geneigt ist. Die Ursache für die Nichtbeachtung einer bei der Protokollierung im allgemeinen streng beachteten Regel kann so verschiedener Art gewesen sein, daß Rückschlüsse aus der bloßen Existenz solcher Unregelmäßigkeiten immer unsicher bleiben müssen. Ob z. B. die Unterschrift Belcredis unter dem Ministerratsprotokoll vom MRZ. 9/1865
.
Dem Vergleich mit der Entwicklung in den anderen europäischen Staaten sind enge Grenzen gesetzt. Im Rahmen der vergleichenden Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte wird der spezifischen Rechtsstellung des Gesamtministeriums in der Epoche der europäischen Reaktion nur wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Dies mit der unausgesprochenen, oberflächlichen Begründung, daß dem Staatsrat in seinen verschiedenen Varianten für diesen Zeitraum politisch größere Bedeutung zukam als dem Ministerrat. Ebenso schwierig ist es, eine Verbindung zur verfassungspolitischen Situation in Österreich vor 1848 herzustellen. Die Staatsratsprotokolle bilden zwar das unmittelbare Vorbild für die Ministerratsprotokolle, aber die Rechtsstellung des Staatsrates schließt einen Vergleich mit dem Ministerrat aus. Die Staatskonferenz käme bedingt für einen
Besser faßbar ist die Kontinuität über das Jahr 1867 hinaus. Der gemeinsame Ministerrat der Ausgleichsperiode ist verfassungsrechtlich und formal, d. h. was die Form seiner Verhandlungsführung anlangt, fast ein vollkommenes Ebenbild des Ministerrates der Periode von 1848 bis 1867. Der Ausgleich bildete in seinen Auswirkungen auf die Funktionsweise der obersten Regierungsinstanzen und das Zustandekommen der Regierungsentscheidungen kaum eine echte Zäsur.
Weder alle Ereignisse noch alle Quellen sind im Detail für die vorliegende Untersuchung berücksichtigt — dafür kann auf die Werke von Redlich, Friedjung und Walter verwiesen werden, die sich eine weitestgehend lückenlose Sachdarstellung zum Ziele gesetzt haben(= Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs 49 und 50, Wien 1964)
; III. Abt., Bd. 3 und 4, desselben Werkes (vom Tod Schwarzenbergs bis 1867) befand sich zur Zeit der Abfassung dieser Arbeit erst im Druck.
Staatskonferenz und Ministerrat — Ministerrat und Nebenregierung 1848 — Stellung des Ministerpräsidenten — Teilnahme der Minister an der Regierung — Sanktion der Beschlüsse des Ministerrates durch den Monarchen — Das Problem der Ministerverantwortlichkeit — Schwarzenberg und der Ministerrat — Ministerrat und Reichsrat — Der Kaiser übernimmt den Vorsitz im Ministerrat — Stellung des Ministerrates nach dem Ah. Handschreiben vom
Form und Gehalt der Ministerratsprotokolle wurden in erster Linie durch die politisch-rechtliche Stellung des Ministerrates bestimmt. Die angestrebte politische Deutung der Aktenform der Ministerratsprotokolle ist nur in Zusammenhang mit dieser politisch-rechtlichen Stellung des Ministerrates zu erreichen.
In der „Konferenz“, der Metternich seit dem Tode des Grafen Karl Zichy 1826 präsidierte, hatte der österreichische Kaiserstaat schon vor 1848 dem Namen nach eine „oberste ostensible Behörde“. Der Staatsrat war demgegenüber ein bloßes Beratungsorgan, das Kabinett zum Expedit des Monarchen herabgesunken. Praktisch waren aber Verwaltung und Regierung ohne Leitung. Persönliche Macht — die Metternichs in der Außen- und die Kolowrats in der Innenpolitik — war das einzige Ordnungsprinzip, das dem Chaos Schranken setzte. Die mangelhafte Organisation „im Zentrum“ war eine der Ursachen für den innenpolitischen Bankrott des Metternichschen Systems. Das war Metternich selbst wohl bewußt. Die strikte Trennung der administrativen Sphäre von jener der Regierung kennzeichnete nach dem Urteil des Staatskanzlers die Struktur jener obersten Staatsleitung, die er selbst als unzureichend empfand und zu deren Reform er insbesondere nach dem Thronwechsel von 1835 in zunehmendem Maße drängte. Die reformierte Staatskonferenz, wie sie Metternich in seiner Denkschrift vom
Die Idee einer Gesamtregierung konnte, obwohl verfassungsrechtlich keine Bedenken dagegen bestanden, nicht verwirklicht werden. Das blieb dem Jahr 1848 mit der Schaffung des Ministerrates vorbehalten. Obwohl dieser Ministerrat verfassungsrechtlich einen Neuansatz darstellte, wurden mit ihm organisatorische Ideen verwirklicht, die in Ansätzen schon im Rahmen der Reformbestrebungen des Vormärz, insbesondere bei Metternich, vorgebildet waren. Die politische
direkte
Unterstellung der Minister unter den Monarchen und Alleinverantwortlichkeit diesem gegenüber in einem Komplementärverhältnis zueinander stehen, folgte wohl konsequent aus der Beibehaltung des Prinzips der Verantwortlichkeit der Minister nur dem Monarchen gegenüber die Untergrabung der Idee eines Gesamtministeriums bis zu dem Versuch hin, den Ministerrat als Organ dieses Gesamtministeriums überhaupt aufzulösen. Schon bei der Gründung des Ministerrates war also der Keim zu seiner Niederlage gegenüber den Ansprüchen des mit der Revolution zum Abwehrkampf herausgeforderten Absolutismus gelegt.
Am MRZ. 12/1848
.
Zwei volle Wochen hatte der Hof gezögert, einen in der Staatskonferenz vom 17. März gefaßten BeschlußMRZ. 125/1848
.MRZ. 21/1848
.
Gegen diesen neuen Kurs setzte sich der Ministerrat mehr oder weniger offen zur Wehr. Die Bedeutung dieses Protestes darf, trotz der Vorsicht, mit der er MRZ. 12/1848
.
Solchen Machtanwandlungen setzte der Hof, insbesondere im Falle des Staatsrates, einen Widerstand entgegen, den der Ministerrat nur formal zu überwinden vermochte. Die Absicht der Hofpartei, nicht einen Ministerrat im konstitutionellen Sinn, sondern nur einen um Minister erweiterten Staatsrat einzurichten, war von vornherein klarüberhaupt scheint man am Hofe mit dem Gedanken gespielt zu haben, diese Einrichtung [den Staatsrat], wenn möglich, in irgendeiner Form in die konstitutionelle Ära hinüberzuretten
.
neben
sich wollte der Ministerrat den weiter amtierenden Staatsrat dulden. Mit einer deutlich vom übrigen Protokolltext abgehobenen Schärfe erklärte der Ministerrat am 1. April als Antwort auf den kaiserlichen Befehl: „Zwischen Ew. Majestät und dem Ministerrat befindet sich kein Organ, dessen Einfluß selbständig oder maßgebend wirkt, und namentlich ist diesfalls durch Tatsachen eine Aufklärung des Publikums wünschenswert, daß nicht ein Staatsrat oder eine Konferenz die Beschlüsse des Ministerrates einer nochmaligen Prüfung oder Erwägung unterziehe, indem jedes solche Verfahren ein
MRZ. 12/1848.
MRZ. 96/1848.
MRZ. 181/1848.
MRZ. 181/1848.
MRZ. 646 bis 684/1848; Doblhoff verlangt:
... Unmittelbaren Verkehr des Ministeriums mit Ew. Majestät, Besetzung der obersten Hofämter, als z. B. des Obersthofmeisters, mit von der öffentlichen Meinung getragenen Personen, ... baldige Verwendung der Beamten des aufgelösten Staatsrates, Auflösung der Hof- und Staatskanzlei in ihrer dermaligen Wirksamkeit und Erlöschung der Würde eines Haus-, Hof- und Staatskanzlers, ... Umgestaltung der Hofstellen in Ministerkanzleien, unbedingte Wahl der Beamten durch die Minister ...
Nicht als ein störendes, sondern offenbar als notwendiges Zwischenorgan anerkannte der Ministerrat den Thronfolger Erzherzog Franz Karl: „In der Stellung Sr. kaiserlichen Hoheit werde durch den Ministerrat nichts geändert“, erklärten Pillersdorf und Ficquelmont in der Sitzung vom MRZ. 62/1848
; am Vortag hatte sich Erzherzog Ludwig von den Geschäften zurückgezogen, an seine Stelle war Erzherzog Franz Karl getreten.
Es ist von Interesse, in diesem Zusammenhang an einen Vorschlag Kübecks zur Aktivierung der Staatskonferenz aus dem Jahre 1840 zu erinnern, der seinerzeit von Metternich nicht verwirklicht worden ist
Dies war „die Übung“, und dabei konnte es nach Ansicht der Ministerrates sein Bewenden haben — „Se. kaiserliche Hoheit scheinen auch nichts anderes zu beabsichtigenEbd
.MRZ. 97/1848
.nach Ah. Befehle
signiert; ab Protokoll v. MRZ. 1987/1848
(das ist das erste Protokoll ad circulandum bei den Herren Ministern
), fehlt jegliche Ah. Kenntnisnahme; vom 10. 8. bis MRZ. 1177/1848
.MRZ. 1991/1848
.
Neben diesen aus dem Vormärz fortbestehenden institutionellen Faktoren regierte auch eine Kamarilla. Nur in seltenen Fällen läßt sich der Umfang dieses privaten, außerhalb jeder Verantwortung stehenden Einflusses näher bestimmen. Am besten gelingt dies am Beispiel Baron Kübecks. Er hatte seine Berufung als Finanzminister ins Kabinett Kolowrat aus Gesundheitsgründen abgelehntMRZ. 12/1848
.MRZ. 12/1848
.MRZ. 528/1849
, war Kübeck zum Delegierten der Regierung (allerdings nicht auf Antrag Schwarzenbergs, sondern auf Drängen Stadions) bei den Verhandlungen mit dem Komitee bestimmt worden, das die Frage der Eingliederung Ungarns in den Reichsverband zu beraten hatte. Kübecks konsultative Tätigkeit — ob dabei die Initiative vom Ministerium oder vom Kaiser ausgegangen ist, muß allerdings offenbleiben — setzte aber schon am MRZ. 526/1848
, ein, als jene Sektion
des Ministerrates zu arbeiten begann, die sich mit der Zustandebringung eines Konstitutionsentwurfes
befaßte; daß Kübeck nicht erst am
Aber auch unter den geänderten Verhältnissen nach dem Regierungsantritt Franz Josephs war der Ministerrat bestrebt, selbst zu bestimmen, wem außerhalb seines Bereiches er Einfluß zubilligte. Die Bemerkungen des Fürsten Windischgrätz zum Verfassungsentwurf wies der Ministerrat z. B. zurück — ein „eigener Beamter des Ministeriums des Äußern“ wurde mit diesem Bescheid an den Fürsten gesandtMRZ. 543/1848
.
Um die im Vergleich zu 1848 in dieser Frage zunächst erstaunlich passive Haltung des Ministerrates unter Schwarzenberg richtig zu beurteilen, muß untersucht werden, wie die Regierungsgewalt zwischen dem Ministerpräsidenten und dem Kollegium der Ressortminister einerseits, dem Ministerrat und dem Herrscher andererseits verteilt war.
Es ist auffällig, daß die einschlägige Literatur bei der Untersuchung dieses Problems die Zeit von 1848 bis 1851 fast völlig ausklammertIn: Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart, hg. von
In
:
Das Handschreiben vom Rechtliche Stellung des österreichischen Gesamtministeriums 276
.
Die Personalunion zwischen Ministerpräsident und Minister des Hauses und des Äußern war im Handschreiben vom
Immerhin wuchsen dem österreichischen Ministerpräsidenten aus der Geschäftspraxis einige Vorteile zu, die seinen Einfluß zunächst über den der Ministerkollegen erhoben. Ihm allein wurden die Ministerratsprotokolle vom Kanzleidirektor zunächst vorgelegt, und er hatte als einziger der Minister die Möglichkeit, auf die Formulierungen, die in den ersten Monaten ausschließlich das Werk der Protokollführer und des Kanzleidirektors waren, Einfluß zu nehmen. Wenn es zutrifft, daß die Protokolle — wie angenommen werden darf — nicht nur im Konzept, sondern auch in der Reinschrift dem Ministerpräsidenten vorgelegt worden sindMRZ. 618/1848, 967/1848, 974/1848
.
Ferner stand dem Präsidenten das Recht zu, die Protokolle zu signieren. Er handelte dabei zwar nicht kraft eines Amtes mit eigenem Rechtsbereich, gleichsam über den Ministern stehend, sondern im Namen des Ministerrates, „gemäß den gefaßten Beschlüssen des MinisterratesMRZ. 96/1848
.MRZ. 95/1848
.MRZ. 1988/1848
; vorher hatte er schon das Ministerratsprotokoll (weiterhin MRProt.) v. MRZ. 1987/1848
, für den als abwesend verzeichneten Wessenberg signiert; seiner Unterschrift fügten aber auch Bach und Hornbostel ihr gesehen
hinzu, und zwar zusätzlich zu ihrer Einsichtsbestätigung auf dem Mantelbogen.MRZ. 1412/1848
; den Vorsitz hat noch Pillersdorf geführt, signiert ist das Protokoll von Doblhoff am
Das Prinzip der kollektiven Verantwortung aller Mitglieder des Ministerrates fand auch sehr bald seinen formalen Ausdruck, und zwar sehr augenfällig in der Einführung des „Zirkulandums“.
Dieses hatte formal in der Kanzleipraxis des Vormärz ein Vorbild, nämlich den „Abstimmungsbogen“. Mit ihm wurde zu bestimmten Vorträgen die Zustimmung verschiedener Ressorts eingeholt. Der Rechtsqualität nach unterschied sich aber das „Zirkulandum“ von diesem „Abstimmungsbogen“. Unter Doblhoffs stellvertretender Leitung wurde am MRZ. 1987/1848
.MRZ. 1990/1848
.MRZ. 2671/1848
.
Aus der Möglichkeit, ins Protokoll Einsicht zu nehmen, verbunden mit der Pflicht, für die darin festgelegten Beschlüsse zu haften, folgte für die Minister die Notwendigkeit zu kontrollieren, ob das Protokoll ihre Stellungnahme auch richtig wiedergibt, und, wo dies nicht der Fall ist, zu korrigierenMRZ. 1987/1848
(erstes Zirkulandum): Ich glaube, daß sich hier vielmehr der Herr Finanzminister mit der zwanzigjährigen Steuerfreiheit einverstanden erklärt hat; sollte ich irrig aufgefaßt haben, so bitte ich, meine Ansicht hier schriftlich zu berichtigen. Doblhoff
.
Der Mantelbogen, auf dem die Minister ihre Einsicht bestätigten, hatte den Charakter eines Dokumentes: er wurde mit ganz wenigen Ausnahmen nur den Ministern zugesendet, d. h. nicht allen auf einer gesonderten Liste verzeichneten Anwesenden. Vor der Einführung des Zirkulandums erfüllte die Liste der gegenwärtigen und abwesenden Minister die Funktion, die an den Beschlüssen Mitverantwortlichen zu bezeichnen. Daraus erklärt sich der Unterschied zwischen den Anwesenheitslisten vor und nach dem Protokoll vom MRZ. 96/1848
.MRZ. 1398/1848
.MRZ. 976/1848
.MRZ. 21/1848
.
Zu den Bemühungen, dieses Mitwirkungsrecht zu wahren, gehören der Kampf um die Formel „nach Anhörung und über Antrag der MinisterMRZ. 292—294/1848
; die Formel war aber schon in den Erledigungsentwürfen zum MR. v. MRZ. 12/1848
, gebraucht worden.MRZ. 635—636/1848
.
Da sich der Ministerrat 1848 nicht als eine Versammlung von Ressortministern, sondern als einheitliches Organ betrachtete, war das Problem der Abstimmung zunächst überhaupt nicht gestellt. Einstimmigkeit im Ministerrat, d. h. allgemeine Übereinstimmung nach erfolgter Beratung, war, bevor unter Schwarzenberg das Prinzip der Mehrstimmigkeit praktiziert wurdeMRZ. 1368/1852
, spricht von einer Abstimmung, ohne daß über deren Modalitäten Konkretes bestimmt würde: Die Abstimmung findet in der Art statt, daß in der Regel nach dem vortragenden Minister die übrigen Minister nach dem Alterswege, von dem Ältesten angefangen, ihre Stimme abgeben. Der Präsident der Konferenz gibt seine Stimme zuletzt ab
.
Was der Ministerrat als der eine Teil der konstitutionellen Regierungsgewalt beschlossen hatte, wurde zur Erlangung der Rechtsgültigkeit vom Präsidenten dem Monarchen zur Sanktion unterbreitet. Nicht die Ministerratsprotokolle selbst, sondern nur die in ihnen beantragten Beschlüsse waren vorerst Gegenstand der kaiserlichen Sanktion. Die Protokolle als solche waren ein rechtlich unverbindlicher Teil des Geschäftsverkehrs zwischen der Regierung und dem Monarchen. Sogar in der sprachlichen Formulierung tragen sie mit dem Gebrauch der direkten Anrede an den Herrscher den Stempel der bloßen Mitteilung. Sie sind im Stil eines Vortrages an „Ew. Majestät“ verfaßtMRZ. 103/1848: Nachdem Ew. Majestät die Aufhebung der Naturalrobot ... auszusprechen geruht haben
; MR. v. MRZ. 138/1848: Zugleich zeigt das Kriegsministerium Ew. Majestät an ...
MRZ. 970/1848
.MRZ. 1237—1238/1848: Die Geschäftsverbindung Sr. kaiserlichen Hoheit [Erzherzog Johann] wäre übrigens in der Art wie bei Ew. Majestät durch die tägliche Vorlage der Ministerratsprotokolle und anderer Gegenstände einzuhalten
.MRZ. 652—653/1848
.MRZ. 127/1848
.MRZ. 325/1848: Die diesfälligen Erledigungsentwürfe befinden sich bei den betreffenden Kabinettsakten
.
Die Protokolle vom 22. und MRZ. 343/1848 und 354/1848
.
Wohl im Anschluß an vormärzliche Kanzleitraditionen, aber doch als Ausdruck und in Anwendung eines neuen Verfassungsprinzips hatte sich im Jahre 1848 ein Regierungsstil herausgebildet, der auch in seinen äußeren Formen den Willen des Ministeriums dokumentierte, verantwortlich mitzuregieren. Die Rechtslage, wie sie sich dem neuen Herrscher und dem neuen Ministerium im November 1848 präsentierte, war ein Kompromiß zwischen Absolutismus und Konstitutionalismus. Gefördert durch die Revolution, teilweise sogar mit ihr im Bündnis, hatten die Minister selbst den Ministerrat als ein Organ geschaffen, das einen Teil der Regierungsgewalt für sich in Anspruch nahm. Und dieser Anspruch mußte gegen die ursprünglichen Absichten des Hofes durchgesetzt werden. Das Urteil, daß der Hof irgendwann während der Revolution „sehr entschieden auf die konstitutionelle Linie einschwenkte
Das Symbol dieser Vorläufigkeit blieb die bis August 1851 ungeklärte Frage der Ministerverantwortlichkeit. Nicht einmal für die Theorie, geschweige denn für die Praxis gilt, daß mit dem Ministerialsystem auch das Prinzip der Verantwortlichkeit in Österreich zur Geltung gekommen istDie österreichischen Verfassungsgesetze, hg. von
MRZ. 125/1848
, wurde beschlossen, mit Berücksichtigung des Ah. Patents v. 15. März d. J. einen verantwortlichen Ministerrat zu bilden
; gleichzeitig wurde das Ah. Handschreiben, das die Bildung dieses verantwortlichen
Ministeriums verkündete, folgendermaßen formuliert: Se. Majestät haben die Bildung eines für die Vollziehung und Durchführung der im Patent v. 15. März d. J. ausgesprochenen Grundsätze verantwortlichen Ministerrates zu beschließen geruht
.eingedenk der eingetretenen Änderung in den Fundamentaleinrichtungen des Staates
nicht als Vollziehungsorgane des Monarchen; dagegen wurde ihnen die Wahrung der Ehre und des Besten Sr. Majestät und des Staates
, und zwar in Gemäßheit der demselben gegebenen Institutionen
, auferlegt; MR. v. MRZ. 62/1848
.
Im ganzen gesehen, war hier offensichtlich die Lösung einer zentralen Frage vertagt. An diesen wundesten Punkt des konstitutionellen Zwischenspiels konnte Kaiser Franz Joseph 1851 anknüpfen und erklären: „Lieber Fürst Schwarzenberg. Da die dermalen ausgesprochene Verantwortlichkeit des Ministeriums einer gesetzlichen Deutlichkeit und jeder genauen Beziehung ermangelt, so fühle ich Mich durch Meine Regentenpflicht bestimmt, das Ministerium aus seinen zweifelhaften politischen Beziehungen in die ihm als Meinem Rate und obersten Vollziehungsorgan zustehende gehörige Stellung zu bringen, dasselbe als allein und ausschließlich gegenüber dem Monarchen und dem Throne verantwortlich zu erklären und es der Verantwortlichkeit gegenüber jeder anderen politischen Autorität zu enthebenMRZ. 2986/1851
.Aus dem Nachlaß des Freiherrn Karl Friedrich Kübeck von Kübau, hg. von
Ebd. 333
.
Und das alles dürfte, obwohl direkte Aussagen dazu schwer beizubringen sind, auch für Schwarzenberg persönlich gelten. Die These H. SchlittersVersäumte Gelegenheiten (Zürich/Leipzig/Wien 1920) 68—72
.Danken wir Gott, daß wir in drei Jahren fast schon dort sind, wohin wir kommen sollten
; Franz Joseph an seine Mutter, zit. bei
Seit dem MRZ. 4865—4894/1850
.MRZ. 370/1851
.Bemerkungen zum Behufe der provisorischen Organisation des Reichsrates
, Beilage ebd
.Der Reichsrat ist zur Beratung aller jener Angelegenheiten bestimmt, über welche er im Sinne des § 7 des Statuts einen beratenden Einfluß auszuüben berufen oder von Uns oder von Unserem Ministerrat um sein Gutachten angegangen wird
.Der Beratung und Begutachtung des Reichsrates sind jederzeit zu unterziehen: alle Gegenstände der Reichs- und Landesgesetzgebung und der Gesetzeserläuterung sowie jene der im Verfügungswege zu erlassenden Anordnungen, welche zu ihrer gesetzlichen Geltung der kaiserlichen Sanktion bedürfen. In der Kundmachung solcher Gesetze und Verfügungen ist die vorausgegangene Vernehmung des Reichsrates stets ausdrücklich zu erwähnen
; § 8: In Beziehung auf alle anderen Gegenstände steht es der Krone und dem Ministerium frei, sie der Beratung und Begutachtung des Reichsrates zu unterziehen
.MRZ. 648/1851
; Text
Bei der Diskussion des sogenannten Schwarzenberg-Kübeckschen Entwurfes sprachen sich nur die Minister Kulmer und Schwarzenberg für die proponierte Textierung aus. Die übrigen StimmenMRZ. 648/1851
.An der Seite der Krone und der vollziehenden Reichsgewalt wird ein Reichsrat eingesetzt, dessen Bestimmung ein beratender Einfluß auf alle jene Angelegenheiten sein soll, worüber er von der vollziehenden Reichsgewalt um sein Gutachten angegangen wird
.
vollziehenden Gewalt
frei läßt, zu bestimmen, über welche Gegenstände sie den Reichsrat vernehmen wolle
MRZ. 648/1851.
MRZ. 662/1851.
Am MRZ. 737/1851
.MRZ. 738/1851
.
Den Ministerrat ganz beiseite zu schieben, wagte Franz Joseph aber denn doch nicht. Formal hat sich der Kaiser auch weiterhin an das bestehende Recht gehalten. Er hat das Statut am MRZ. 820/1851
.MRZ. 833/1851
.
Auf dieser Basis war an eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen Ministerrat und Reichsrat nicht zu denken. Nur zweimal, am 11. und am MRZ. 1674/1851 und MRZ. 1704/1851
.MRZ. 1704/1851
.MRZ. 1705/1851
.MRZ. 1704/1851
.MRZ. 1704/1851
.MRZ. 1941/1851
.
Nach diesem mißglückten Versuch einer direkten Zusammenarbeit im Rahmen des Ministerrates reduzierten sich die Geschäftsbeziehungen zwischen Ministerrat und Reichsrat auf den Austausch von Schriftstücken. Dem Reichsratspräsidenten wurden einschlägige Teile der Ministerratsprotokolle in Abschrift von der Ministerratskanzlei zugestelltMRZ. 1992/1851: Abschrift des Punktes IV an den Reichsratspräsidenten.
; oder MR. v. MRZ. 2203/1851: Vom Absatz I wurde dem Reichsratspräsidenten am 9. Julius 1851 eine Abschrift übermittelt. Ransonnet
.MRZ. 2203/1851
.MRZ. 2300/1851
.Ebd
. Aktennotiz Ransonnets unter Berufung auf den Beschluß des MR. v.
Als bleibendes Ergebnis der Rivalität zwischen Ministerrat und Reichsrat ist ein entscheidender Wandel im Verhandlungsstil des Ministerrates festzustellen. Die Mittlerrolle, die dem Kaiser zwischen den beiden miteinander rivalisierenden Institutionen zugefallen war, weiters die Machteinbuße, die der Ministerrat erlitten hatte, zeitigten praktische Folgen. Franz Joseph übernahm höchstpersönlich den Vorsitz im Ministerrat. Aus den näheren Umständen, aus denen sich die Notwendigkeit und die Möglichkeit dieser Neuerung ergaben, beantwortet sich von selbst die Frage, ob es sich dabei um eine Aufwertung des Ministerrates oder um ein Einschreiten gegen dessen Unbotmäßigkeit handelte.
In den Wirren des Jahres 1848 berieten die Minister mit dem Kaiser bzw. dessen Stellvertreter in der Regel außerhalb des MinisterratesMRZ. 1365/1848: Diese Gegenstände werden übrigens bei der heute um zwei Uhr nachmittags bei Sr. kaiserlichen Hoheit stattfindenden Beratung der Minister umständlich besprochen werden
. Der für MRZ. 618/1848
, bezeugte Vorsitz Sr. kaiserlichen Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Franz Karl
ist als Ausnahme in einer besonderen Krisensituation anzusehen.MRZ. 2815/1848
), 2. (MRZ. 2871/1848
) und 5. (MRZ. 2985/1848
); die Titel der Protokolle der 1. und der 2. Sitzung sprechen von der Anwesenheit Sr. Majestät
, der Titel der 5. Sitzung vom Vorsitz Sr. Majestät
.MRZ. 2815/1848
.MRZ. 2720/1850
.MRZ. 3067/1850
.
Der erste Ministerrat, der formal und tatsächlich „Unter dem Vorsitz Sr. Majestät des Kaisers“ verhandelte, fand am MRZ. 1992/1851
.MKZ. [= Ministerratskanzleizahl] 1785/1851
.MKZ. 1824/1851
.
So war die Entscheidung über die Entmachtung des Ministerrates eigentlich schon gefallen, bevor noch dem Ministerrat am MRZ. 2846/1851
.Ebd
.
Der Entmachtung des Ministerrates entsprach keine Aufwertung des Reichsrates zum ersten Regierungsorgan. Der Reichsrat als „alleiniger Ratgeber des Kaisers“ wurde nicht zum Staatsrat. Die diesbezügliche Kontroverse zwischen Fr. Reinöhl und K. KazbundaGesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs 2
, hg. von
In Beurteilung der verfassungsrechtlichen Lage seit dem Andeutungen über die bei der Verfassungsurkunde zur Erörterung kommenden Punkte
, o. D.; Beilage zum MRProt. v. MRZ. 4242/1851
.
Angesichts dieser vollendeten Tatsache wäre das Problem der Stellung des Ministerrates im Rahmen der Verhandlungen über die Verfassungsrevision überhaupt nicht mehr zu berühren gewesen. Umso mehr Beachtung verdient der Umstand, daß die Minister, und zwar in seltener Geschlossenheit, ihr Problem wieder zur Sprache brachten, obwohl darüber bereits das letzte Wort gesprochen war. Noch ehe mit dem Silvesterpatent die Rückkehr zum Absolutismus vollendet war, ging vom Ministerrat der erste Versuch aus, die Neuordnung zu revidieren. Als am MRZ. 4391/1851; ebd
. die dem Ministerrat vorgelegte Nachweisende Zusammenstellung der Hauptergebnisse der Beratungen der zum Behufe der Verfassungsrevision aufgestellten Kommission
v. Darstellung der Abweichungen, welche in der nachweisenden Zusammenstellung der Hauptergebnisse vom Ministerrat beschlossen worden sind
, o. D.MRZ. 4242/1851
.MRZ. 4266/1851
.MRZ. 4282/1851
.
Die Antwort auf diesen Protest blieb Franz Joseph denn auch nicht lange schuldig. Bevor der Ministerrat noch mit seiner Diskussion zu Ende gekommen warMRZ. 4348/1851
.MRZ. 4376/1851
.MRZ. 4377/1851
.MRZ. 4391/1851
.
Konferenz
“.
Noch um einen Grad harthöriger als in der Frage der Verfassungsrevision zeigte sich der Ministerrat bei der Feststellung des „Wirkungskreises des Gesamtministeriums“. Den Auftrag zu dieser Selbstverdammung erhielt der Ministerrat durch kaiserliches Handschreiben vom MRZ. 2960/1851
.
Ministerrat
als konkretes und funktionsfähiges Organ dieser Einheit. Darüber ließ der Kaiser die Minister nicht im Zweifel. Am 28. August erklärte er ihnen unzweideutig, daß es keinen Ministerrat mehr zu geben hätte, sondern nur Ministerratssitzungen, und daß dieser Unterschied wohl zu beachten sei: „In der Form der von den Ministern auszufertigenden Beschlüsse muß beobachtet werden, daß dieselben immer nur im Namen des betreffenden Ministers oder infolge Ah. Entschließung, nicht mehr aber, wie es früher geschah, als Ministerratsbeschluß ausgefertigt werden, weil wohl der einzelne Minister, nicht aber der Ministerrat als vollziehenden Organ besteht
MRZ. 2961/1851.
Ebd.
Ebd.
Nur zögernd kam der Ministerrat dem kaiserlichen Auftrag nach. Vor allem erfüllte er ihn nicht in dem Sinn, in dem er am MRZ. 77/1852: Protokolle der kommissionellen Beratungen ...
v. 5., 10. und 19. 11. und 2. und ebd
.MRZ. 3371/1851
.MRZ. 3670/1851
.MRZ. 3777/1851
.MRZ. 4166/1851
.
So konnte Schwarzenberg erst am MRZ. 77/1851
; Wortlaut des Vortrags mit allen beiliegenden Dokumenten bei Bestimmungen über die Ministerkonferenz
, die nicht zum Vortrag Schwarzenbergs gehören.
Eine abschließende Klärung haben diese Differenzen nicht mehr gefunden. Am MRZ. 77/1852
.MCZ. 1427/1852: Der Antrag wegen Publizierung des Wirkungskreises der Ministerien soll nach dem Ah. Ausspruche Sr. Majestät auf sich zu beruhen haben, wonach also die Publizierung dieser Wirkungskreise zu unterlassen ist
.
Umwandlung des Ministerrates in die Ministerkonferenz nach dem Tod Schwarzenbergs — Buol-Schauenstein „Vorsitzender“ der Ministerkonferenz — Geschäftsordnung für die Ministerkonferenz vom
Wenn auch noch kein offener Konflikt, ein tiefgreifender Gegensatz zwischen Franz Joseph und Schwarzenberg in der Frage der Machtbefugnisse des Ministerrates hat unbestritten bestanden. Daß Schwarzenberg bei der Entmachtung des Ministerrates nicht auf seiten des Kaisers gestanden ist, ist exakt schwer zu beweisen, aber doch in hohem Grade als wahrscheinlich zu erkennen. Darf als Symbol der Solidarität Schwarzenbergs mit dem oppositionellen Ministerrat gelten, daß Schwarzenberg faktisch während einer Ministerratssitzung gestorben ist? Das Protokoll vom MRZ. 1056/1852
.
Mit aller gebotenen Vorsicht darf in diesem Zusammenhang die Frage formuliert werden, ob Felix Schwarzenberg für sich und für die Intentionen des Kaisers nicht zur rechten Stunde gestorben ist. Die Grenze, bis zu der Schwarzenberg nachzugeben sich bereit fand, war wohl schon erreicht. Zur Erklärung seiner Nachgiebigkeit darf nicht außer acht gelassen werden, daß er auch Minister des kaiserlichen Hauses war und ihm als solchem die Verpflichtung oblag, „die Rechte des Kaiserhauses und der Ah. Familie zu wahren und zu vertretenBesonderen Wirkungskreises des k. k. Ministeriums des kaiserlichen Hauses
, Andeutungen über die das kaiserliche Haus betreffenden ministeriellen Agenda
, Beilage 8 zu MRZ. 77/1852
, Oktober 1851
, sind von Schwarzenberg selbst stipuliert worden.ebd
.MCZ. 1163/1852
.
In der Entschließung vom MRZ. 77/1852
.
Unter den Beilagen zum Vortrag Schwarzenbergs vom
In innerem Zusammenhang damit stehend fiel die Entscheidung gegen den „Ministerpräsidenten“. Wichtiger als die Tatsache, daß Franz Joseph sich zu diesem Schritt erst am 10./MRZ. 1081/1852
; auch die Bestimmungen über die Ministerkonferenz
sehen im § 10 einen Präsidenten
der Ministerkonferenz vor; sie müssen also vor dem Der Ministerrat soll in eine Ministerberatung oder-konferenz umgestaltet und aus dem Ministerpräsidenten ein Präsident der Beratung geschaffen werden, wozu der Kaiser den Grafen Buol ernennen will
; dagegen erwähnt Kübeck zum Der Ministerrat wird in eine Ministerkonferenz umgestaltet, und mit Unterdrückung des Ministerpräsidenten dem Grafen Buol ... der Vorsitz in den Ministerkonferenzen eingeräumt
.nicht publizieren
.MRZ. 1109/1852
.ebd
.
Buol hat die beabsichtigte Bedeutungslosigkeit der ihm zugekommenen Stellung und die feinen Unterschiede in der Terminologie nicht sofort erfaßt. Für seine Angelobung unterbreitete er dem Kaiser „die mit Ah. Entschließung vom
Ministerpräsidenten
und
MRZ. 1123/1852.
MRZ. 1121/1852.
MRZ. 1123/1852.
Unter diesen Auspizien versammelte der Kaiser am MCZ. 1163/1852
.
Da nun der Ministerrat als Behörde aufgelöst, die Ministerkonferenz nur noch eine unverbindliche Versammlung von Ministern war und bestenfalls die Modalitäten
Ministerrates
und nach Anhörung Meines Reichsrates“ zu setzen wäre
MCZ. 1284/1852, und Immediatbericht Buols v.
MCZ. 1258/1852.
Den Endpunkt unter diese Entwicklung setzte die „Geschäftsordnung der Ministerkonferenzen“, die Buol am MCZ. 1368/1852
.MCZ. 1321/1852
.
Als Ergänzung der rechtlichen Degradierung des Ministerrates zu einem Verwaltungszentrum wurden dem Ministerium einerseits Aufgaben entzogen, andererseits wurde die Ministerkonferenz um Funktionäre erweitert, denen von vornherein Titel und Stelle eines Ministers nicht zustanden. Nicht ein „Polizeiministerium“, sondern eine „Oberste Polizeibehörde“ wurde daher am MCZ. 500/1853: Seine Beziehungen zu Meinem Ministerium finde Ich dergestalt festzustellen, daß er kein Mitglied der Ministerkonferenz zu sein hat, sondern in derselben nur entweder auf Meinen Befehl oder nach seinem Ermessen erscheint
.MCZ. 933/1857
.MCZ. 2075/1854: Mit dem vom Herrn Minister des Innern hinzugefügten Absatz kann ich mich nicht einverstanden erklären
.MCZ. 2129/1856
.
Der Bedeutungslosigkeit der Ministerkonferenz angemessen wurde auch die Form der Protokolle zur bloßen Formalität, die mit keinerlei Rechtsfolgen verbunden war. Die Protokolle halten nicht mehr die Meinung politisch leitender Persönlichkeiten fest. Sie referieren nur allgemein: „es wurde“, „man kam überein“. Nicht die Meinung der Mitglieder, sondern die Konferenzmeinung wurde festgehalten. Die Entschlüsse wurden nicht in der Ministerkonferenz, sondern im kaiserlichen Kabinett gefaßt, von wo sie zur Ausführung an die Ministerkonferenz herabgelangten. Anlaß zu Ministerkorrekturen boten die Protokolle nur in seltenen Fällen. Die Möglichkeit der Einsichtnahme wurde weder als Recht noch als Pflicht empfunden. Der wichtigste Teil der Protokolle war von 1852 bis 1859 die Ah. Kenntnisnahme. In Entsprechung zur Rolle des Befehlsempfängers, die die Ministerkonferenz zu spielen hatte, sind eben aus der Zeit jene Fälle bezeugt, in welchen die Beschlüsse der Ministerkonferenz auch in rein organisatorischen Belangen von Franz Joseph zurückgewiesen wurden. Das Protokoll MCZ. 2290/1856
.MCZ. 2109/1857
.MCZ. 1711/1857
.
Im selben Maße, in dem die Ministerkonferenz als Regierungshilfe ausschied, mußten andere Instanzen an Bedeutung gewinnen. Das wichtigste Werkzeug, das sich der Monarch zu seiner persönlichen Unterstützung schuf, war die „Konferenz“. Die Konferenz unter dem Vorsitz des Kaisers wurde nun das eigentliche, vom Kaiser persönlich dirigierte Regierungsinstrument. Daher verloren die ohne kaiserlichen Vorsitz geführten Beratungen weitgehend an Bedeutung. Ihre Zahl konnte daher beschränkt werden: „Für die regelmäßigen Konferenzen, nämlich der gewöhnlichen kurrenten Geschäfte, werden zwei Tage in jeder Woche als vollkommen genügend erkannt und dazu die Dienstage und Samstage bestimmtMCZ. 1182/1852
.Ebd
.Ebd
.MCZ. 1299/1852
.Konferenzen
v. MCZ. 3430/1853: Reduktion der k. k. Armee
; MCZ. 3807/1853: Ausbruch des russischtürkischen Krieges
(anwesend: Erzherzog Albrecht, Erzherzog Wilhelm, Buol, Bach, Baumgartner, Hess, Grünne); auch Konferenz
unter dem Vorsitz Buols v. MCZ. 2075/1854
— aber deutlicher Ausnahmefall: Frage der Okkupation der Walachei
(anwesend: Bach, Baumgartner, Ritter v. Krauß, Hess, Bamberg).Konferenz unter Vorsitz des Kaisers. Graf Buol, Baron Hess, Graf Grünne, Bach, Baumgartner, ich, Meysenbug als Protokollführer ...
; ebd
. Konferenz unter dem Vorsitz des Kaisers und mit Beiziehung derselben Personen wie am 22. ...
; Kübeck dürfte den Ausdruck tatsächlich nur für private Besprechungen beim Kaiser verwendet haben (vgl. auch ebd. 104)
, während er für die Ministerkonferenz Minister-Sitzung
oder Sitzung
schreibt; auch Staatskonferenz
verwendet er allerdings (ebd. 95)
.PA XL 48, Vorträge 1853—1854: Protokoll der Konferenz v.
; unter Vorsitz des Kaisers waren anwesend: Kübeck, Buol, Bach, Baumgartner; für Mithilfe bei der Auffindung dieser Protokolle danke ich Fr. Dr. W. Heindl, die die Protokolle der Ära Buol-Schauenstein bearbeitet.Ebd. 61, Anm. 97
.
Kübeck war zwar weder de jure noch de facto nach 1852 der Leiter der Politik — das war der Kaiser —, aber er war der erste Mann im Staate, so wie der Reichsrat dem Thron für einige Jahre näher stand als die Ministerkonferenz. Das Votum des Reichsrates entschied über wichtigste Fragen, die Ministerkonferenz wurde erst in zweiter Instanz zur Begutachtung herangezogen. Versuche der Ministerkonferenz, in solchen Angelegenheiten direkt in Kontakt mit dem Kaiser zu treten, erfuhren eine scharfe Zurückweisung. Z. B. hatte der Ministerrat in Ausübung des ihm verbliebenen Rechtes der Initiative in der politisch wichtigen MCZ. 3649/1854
.MCZ. 3706/1854
.MCZ. 3653/1854
.MCZ. 3744/1854
.
Aber die Ministerkonferenz gab den Widerstand gegen ihre vollkommene Entmachtung nicht auf. Für das Jahr 1856 hatte Bach — zum erstenmal seit 1848 — die Herausgabe eines Staatshandbuches vorbereitet. In der Ministerkonferenz vom MCZ. 69/1856
.MCZ. 307/1856
.
Bach fügte seinem Vortrag an den Kaiser die ungeheuerliche Bemerkung bei, daß der Druck des ersten Teiles des Handbuches bereits beendet sei
Zunächst stellte sich heraus, daß eine Beschreibung der Tätigkeit und tatsächlichen Stellung der Ministerkonferenz sich nicht für eine Publikation eignete. Ransonnet war aufgefordert worden, über Zusammensetzung, Geschäfte und Wirkungskreis der Ministerkonferenz eine Notiz für das Staatshandbuch zu verfassen, erklärte sich aber dazu außerstande. Oder wollte er sich von einem Schritt distanzieren, der letztlich einer Kabinettsrevolte gleichkam? Sehr geschickt gab Ransonnet den Auftrag an Bach zurück. Dabei stellte er diesem die wirkliche Lage des Ministerrates vor Augen: „Vorerst muß ich bemerken, daß von einem Wirkungskreis der Ministerkonferenz keine Rede sein kann, indem sie keine Behörde ist und weder mit Behörden noch mit Parteien verkehrt. Ihre einzige Aufgabe ist die Beratung über die au. Anträge oder administrative und legislative Verfügungen der einzelnen Ministerien. Diese Aufgabe ist in den Ah. Bestimmungen über die Ministerkonferenzen vom MCZ. 565/1856
.Ebd
.
Bach und Buol wußten natürlich genau, daß ihre Argumente für den Vorrang der Ministerkonferenz nicht der gegebenen Lage entsprachen, sie hielten aber die Stunde für gekommen, verlorene Rechte wieder geltend zu machen. Ihre Berufung auf die nicht existenten Rechte der Ministerkonferenz hatte den Zweck, einen trotz des nach außen hin beobachteten Gehorsams nie aufgegebenen Anspruch anzumelden. Buol selbst dürfte dabei nicht jene unschuldige Rolle gespielt haben, die er später, vom Kaiser zur Rechenschaft gezogen, vortäuschte.
Was Franz Joseph, von Bach und Buol vor eine vollendete Tatsache gestellt, für 1856 gebilligt hatte, wollte er 1857 wieder rückgängig machen. Eine kaiserliche Entschließung vom K[abinetts]-Z[ahl]
(in den Akten auch C[abinetts]-K[anzlei]-Z[ahl]) 66/1857
.MCZ. 282/1858
.
Hätte die Darstellung Bachs den Tatsachen entsprochen, wäre Buol jeder Verantwortung enthoben gewesen. Er berief sich aber nicht darauf, daß ihm die kaiserliche Entschließung unbekannt geblieben ist, sondern versuchte, den Gebrauch des Präsidententitels „zu rechtfertigen“: „Woran mir wesentlich liegt, ist, mich Ew. Majestät gegenüber gerechtfertigt zu wissen, daß ich mich zu dem Gebrauche der nebenerwähnten Bezeichnung für berechtigt, ja für verpflichtet halten mußte, nachdem es Allerhöchstderselben selbst gefällig gewesen war, sie mir und der ersten Behörde des Reiches gegenüber fortwährend zur Anwendung MCZ. 282/1858
; das dort erliegende Konzept des Vortrags gelangte erst am 2. 11. 1903 vom Kabinettsdirektor in die Registratur; ein anderes dazugehöriges Aktenstück trägt den Vermerk: Dieser Vortrag wurde nicht in der Ministerkonferenzkanzlei konzipiert
.
Als Buol am Kurrent-Billetten (weiterhin CB.) 57c/1859
.MCZ. 123/1859
.MCZ. 134/1859
.
Weniger ihre Eigeninitiative als die Macht der Ereignisse stellte die Ministerkonferenz vorübergehend wieder an den Platz, wo der Ministerrat unter Schwarzenberg gestanden hatte. Zunächst wurde es notwendig und möglich, daß sich die Minister öfter als bisher versammelten. Auf Antrag Thuns beschloß die Ministerkonferenz, „sich während der Dauer der gegenwärtigen ernsten Zeitverhältnisse MCZ. 130/1859
.KZ. 2964/1859
.
Der erste die Ministerkonferenz betreffende Artikel des Ministerprogramms lautete: „Der Ministerpräsident leitet die Verhandlungen der Ministerkonferenz. Diese faßt mit Stimmenmehrheit für alle ihre Mitglieder bindende Beschlüsse. Einem jeden Minister steht frei, Separatvoten dem Protokoll beizufügen.“ Dieser kurze, aber inhaltsschwere Passus stellte fast wieder jene Rechtslage her, die 1848 bis 1851 bestanden hatte. In den Beratungen der Minister über das „Programm“ wurden die diesbezüglichen Intentionen deutlicher ausgesprochen als im „Programm“ selbst
Nach einer vorbereitenden Routineberatung am MCZ. 162/1859
.
Dann traf der Kaiser die erste Maßnahme, um die Ministerkonferenz in der eigenen Hand zu behalten: „Um sich von der Tätigkeit Ihrer Minister bei Lösung der vorgezeichneten Aufgaben in fortlaufender, unmittelbarer Kenntnis zu erhalten, beabsichtigen Se. Majestät der Kaiser, fortan regelmäßig alle Donnerstage eine Konferenz Allerhöchst zu präsidieren, vorbehaltlich der etwa noch außerdem unter dem Ah. Vorsitze nach Erfordernis abzuhaltenden BeratungenEbd
.MCZ. 205/1859
.
Aber die Zeit arbeitete für die Ministerkonferenz und die allerdings mit immer weniger Energie vertretenen Pläne des Ministerpräsidenten. Wenn Franz Joseph den Wünschen Rechbergs hinsichtlich einer Stärkung der Ministerkonferenz teilweise entsprach, so vor allem deshalb, weil eine „Bürgschaft der Einheitlichkeit“ innerhalb der Regierung, wie sie Rechberg forderte und in Aussicht stellen zu können glaubte, zum ersten Erfordernis der Zeit wurde. Auf die Einheit der Gesamtregierung berief sich Rechberg auch, als er im September 1859 die Änderungen der Bestimmungen über die Kontrasignatur beantragte. Er verlangte, „daß die Ah. Patente ohne Unterschied künftig mit der Gegenzeichnung der sämtlichen k. k. Minister zu versehen sein dürftenMCZ. 179/1859
, und Vortrag Rechbergs v. KZ. 3227/1859
.
Die große Stunde der Ministerkonferenz war wieder gekommen, als der Monarch die „Ah. Erlässe über die neue politische und administrative Organisation der Kronländer“ in der Konferenz vom MCZ. 606/1860
.
Unter diesen Voraussetzungen führten auch Maßnahmen zu einer Stärkung der Ministerkonferenz, denen ursprünglich dieser Zweck nicht zugedacht war. Als Folge des Verfassungsexperiments vom MCZ. 728/1861
.Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 63 (1955) 549
.
Als taktisches Ziel seines Vorstoßes hatte Schmerling wohl vornehmlich vor Augen, die beiden mit dem Oktoberdiplom neu geschaffenen Zentralstellen der siebenbürgischen Hofkanzlei und des kroatisch-slawonischen Hofdikasteriums der Ministerkonferenz zu unterstellen und als direkt dem Monarchen verantwortliche Instanzen auszuschalten
Es dürfte schwierig sein, ein einzelnes Motiv als bestimmend für den Entschluß Franz Josephs nachzuweisen, Erzherzog Rainer mit dem Vorsitz im Ministerrat zu betrauen. Eine Deutung aber ist nach dem Vorhergesagten auszuschließen — daß er sich nämlich bestimmt sah, „Erzherzog Rainer zum Präsidenten des ersten Ministerkonferenz
ist auf Ministerrat
korrigiert worden; Vordruck Ministerrat
erst ab MRZ. 809/1861
, wieder in Verwendung.MCZ. 747/1861
: 22. 1. Rechberg; 22. bis 28. 1. Minister; 29. 1. Rainer; 24. 3. Kaiser; Empfangen
; ebenso MK. v. MCZ. 758/1861
(Landesstatut für Böhmen); in diesem Fall war Rainer bei der Ministerkonferenz selbst nicht einmal anwesend.MRZ. 768/1861
.
Daß mit der Ernennung Rainers auch eine Kürzung der Rechte des Ministerrates intendiert war, ergibt sich auch aus einem anderen Zusammenhang. Es war unter den damaligen Umständen unmöglich, das Amt des Ministerpräsidenten wieder abzuschaffen. Dies wünschte der Kaiser aber vor allem im Hinblick auf den von ihm angestrebten Ausgleich mit Ungarn. Der Wechsel in der Person des Vorsitzenden bot die Möglichkeit, ohne Aufsehen die Stelle des Ministerpräsidenten zu liquidieren. Bald nach seinem Amtsantritt nahm Erzherzog Rainer die Gelegenheit wahr, für den internen Gebrauch diesbezüglich Klarheit zu schaffen. Mehrere Zentralstellen richteten ihre Zuschriften an ihn unter der Aufschrift „An Se. k. k. Hoheit den Ministerpräsidenten“. Nicht aus Bescheidenheit, sondern aus dem Wissen um die tiefere politische Bedeutung der Sache wies Erzherzog Rainer im Ministerrat darauf hin, daß er nur mit der „Leitung der Geschäfte des Ministerrates und mit dem Präsidium in demselben“ beauftragt worden seiMRZ. 771/1861
.
Mit dem Februarpatent wurde der Kübecksche Reichsrat aufgelöst. Als Beratungsorgan der Krone wurde der Staatsrat eingerichtet. Es ist möglich und wurde auch behauptet, daß dem Staatsrat eine ähnliche Funktion zugedacht war, wie seinerzeit dem Kübeckschen ReichsratMRZ. 777/1861
.ebd
.MRZ. 782/1861
.
So stand das Problem, ob der Staatsrat der Erbe des ständigen Reichsrates werden sollte, wohl im Raum, aber der Kaiser selbst entschied, anders als 1851, für den Ministerrat. Er glaubte sich und den Schutz seiner Herrscherrechte diesem anvertrauen zu können. Im Ministerrat vom MRZ. 789/1861
.
Damit war zum erstenmal in der Regierungszeit Franz Josephs die Chance einer echten Annäherung zwischen dem Kaiser und dem Ministerrat gegeben. Wie anders wäre die Entwicklung verlaufen, wenn den Ministerpersönlichkeiten der Regierung Schwarzenberg diese Chance geboten worden wäre! Die personellen und sachlich-politischen Bedingungen eines Ausgleiches waren aber 1861 so gestaltet, daß die Chance ungenützt blieb.
Der Ministerrat des Ministeriums Rainer–Schmerling, der zuletzt aus 13 ordentlichen Mitgliedern bestand, war keine institutionelle Einheit mehr. Als außerordentliche Mitglieder wohnten ihm nicht nur der ungarische, der siebenbürgische, der kroatische Hofkanzler, der Judex Curiae und der Präsident des Staatsrates bei, sondern auch der Präsident MRZ. 787/1861
.KZ. 3237/1864
.
Aber nicht nur die administrativen Probleme verlagerten sich zunehmend in den Ministerrat und sprengten dessen Einheit. Die an das Februarpatent anschließenden Verfassungskämpfe wurden zum Großteil im Ministerrat ausgetragenMRZ. 805/1861
; Mecséry hat sich selbst und den Minister ohne Portefeuille Anton Graf Szécsen als ungarische Minister
betrachtet.Ebd
.
Franz Joseph hatte sich bei Gewährung der neuen Verfassung dem Ministerrat anvertraut, diesen zum Schutz seiner Herrscherrechte aufgerufen. Daß der Ministerrat nicht geschlossen der am
Im Kampf gegen die konstitutionellen Forderungen des engeren Reichsrates stand der Ministerrat nämlich nicht mit der von Franz Joseph erwarteten Bedingungslosigkeit auf seiten des Kaisers. Als im Abgeordnetenhaus das Gesetz über die Ministerverantwortlichkeit beantragt wurde, „befahl“ Franz Joseph seinen Ministern, dem Antrage mit Entschiedenheit entgegenzutreten und die dazu notwendigen Schritte sogleich zu beratenMRZ. 1850/1861
.
In der ersten Beratung des Ministeriums über diese heraufziehende Gefahr besprach Schmerling die Richtlinien für das Verhalten des Ministeriums in dieser FrageMRZ. 876/1861
.
Der Finanzminister Ignaz v. Plener drohte mit seiner Demission, falls sich das Ministerium gegen die Ministerverantwortlichkeit im Sinne einer Rechtfertigungspflicht aussprechen sollte. Ihm schlossen sich Pratobevera und Lasser an. Dagegen kündigte Degenfeld seinen Rücktritt an, „wenn das Ministerium die gesetzliche Verankerung der konstitutionellen Ministerverantwortlichkeit dulde“. Wohl ergab sich eine Mehrheit für Schmerling, aber die Gegensätze waren so groß, daß Erzherzog Rainer eine Entscheidung des Kaisers erbat. Franz Joseph ordnete zwar die Ablehnung des Reichsratsantrages an, genehmigte aber, „daß gleichzeitig mit dieser Ablehnung die Anerkennung des Prinzips der Verantwortlichkeit ausgesprochen werde — unter welcher jedoch Se. Majestät keineswegs die parlamentarische verstanden wissen wollen, indem Allerhöchstdieselben sich die volle Freiheit der Wahl und Entlassung ihrer Minister vorbehalten haben und keineswegs gesonnen sind, einen Minister deswegen allein seiner Dienste zu entheben, weil seine Anträge in der Minderheit bleiben. Diese parlamentarische Verantwortlichkeit sei in Österreich eine Unmöglichkeit und Allerhöchstdieselben werden niemals die gesetzliche Sanktion derselben erteilen“. Die prinzipielle Anerkennung der Ministerverantwortlichkeit änderte also nichts an der prinzipiellen Ablehnung des Reichsratsantrages. Franz Joseph hielt an der Bestimmung des Handschreibens vom
Als das Abgeordnetenhaus im April 1862 die Frage neuerlich aufgriff und mit der Votierung des Budgets junktimierte, rückte Schmerling einen weiteren Schritt von der prinzipiellen Ablehnung der Ministerverantwortlichkeit im konstitutionellen Sinn ab. Er beantragte die Zurücknahme des Handschreibens vom MRZ. 1030/1862
.
Nach Ansicht des Kaisers hatten die opponierenden Minister ihre Loyalitätspflicht verletzt, indem sie ihn in einem Sinne auf die Februarverfassung festlegten, den er ihr nie zu geben gewillt war. Das letzte Wort, das Franz Joseph zu dieser Sache sprach, war daher ein Vorwurf an den Ministerrat: „Se. Majestät geruhten zu erinnern, daß Allerhöchstdieselben mit der größten Gewissenhaftigkeit die in der Verfassung vom 26. Februar festgesetzten Grenzen der souveränen Gewalt eingehalten haben und daß die übrigen Faktoren ebenfalls jede Überschreitung ihrer verfassungsmäßigen Rechte gewissenhaft unterlassen sollen, widrigens die Übergriffe Ah. Orts mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen würden. Ein Versuch überzugreifen liegt in dem vorhandenen Streben nach der ,parlamentarischen Ministerverantwortlichkeit‘, gegen die Se. Majestät sich wiederholt, und zwar schon vor der Erlassung des Staatsgrundgesetzes, auszusprechen geruht haben, weil mit dieser Art von Verantwortlichkeit eine Regierung in Österreich nicht möglich ist. Für die Verantwortlichkeit der Minister im Sinne der Verfassung gebe die Erklärung vom 2. Juli Maß und Ziel, worüber auch nicht ein Schritt hinausgegangen werden darfEbd
.
Parallel zu diesen politischen Differenzen wurde das Verhältnis zwischen Kaiser und Ministerrat durch eine schwere persönliche Vertrauenskrise belastet. Ihre Bedeutung kann man nur dann richtig einschätzen, wenn man in Betracht zieht, was für Franz Joseph das Dienstgeheimnis bedeutet hat.
Am MRZ. 4007/1857
.MRZ. 820/1861
.MRZ. 907/1861
.MRZ. 1031/1862
.MRZ. 1082/1862
.
Zwei Jahre später wurde ein kleiner Zwischenfall aktenkundig, der einiges Licht auf die Praktiken der Herren Minister wirft. Bei der Einsichtnahme in das Protokoll vom MRZ. 1283/1864
.
Der Gründe waren also genug, daß der Ministerrat beim Kaiser jeden Kredit verloren hatte. Da der Staatsrat die vertrauliche Funktion einer Nebenregierung nicht erfüllen konnte, der Kaiser sich andererseits seit 1861 verpflichtet fühlte, bis zu einem gewissen Grad mit dem Ministerrat zusammenzuarbeiten, bildete sich im Ministerrat selbst ein engeres Gremium, dessen sich Franz Joseph für vertrauliche Beratungen bediente. Die „Konferenz“, die vor 1861 doch nur als Sonderfall bestanden hat, erlangte nun beinahe institutionellen Charakter, ohne daß allerdings in der Terminologie der Unterschied konsequent beachtet worden wäre. Es waren meist nicht mehr als vier Minister, die der Kaiser unter seinem Vorsitz zu dieser Sonderform des Ministerrates versammelte. Rechberg und Schmerling waren immer dabei, Degenfeld und Mecséry sehr oft, Plener gelegentlich. Die Auswahl dieser Personen ist für Kaiser Franz Josephs formale Objektivität in politischen Fragen charakteristisch. Nicht alle waren Männer seiner Ministerkonferenz unter Ah. Vorsitz Sr. M. der Kaisers
v. MRZ. 826/1861
.Ministerrat unter Ah. Vorsitz Sr. Majestät des Kaisers
v. MRZ. 837/1861
.Ministerkonferenz
v. MRZ. 1159/1861
.Ministerkonferenz
v. MRZ. 1175/1863
.Konferenz
v. MRZ. 1223/1861
.MRZ. 1159: Se. Majestät geruhten zu eröffnen, Allerhöchstdieselben hätten die heutige engere Konferenz zu dem Zwecke berufen, bei der gegenwärtigen Wendung ...
Als Franz Joseph am MRZ. 1865/1865
.MRZ. 81/1866
; besprochen wurde der Abschluß der Konvention mit Frankreich.
Als Grundpfeiler der Neuordnung von 1865 mag allein die Bestätigung der persönlichen Herrscherstellung Franz Josephs erscheinen. Sie wurde von dem streng konservativ gesinnten Ministerium tatsächlich in keiner Weise angefochten. Die Ansprache Franz Josephs an das neue Ministerium markiert deutlich dieses neue Verhältnis zwischen dem Ministerrat und dem Kaiser. Am Protokolle des österreichischen Ministerrates 1848—1867, VI. Abt.: Das Ministerium Belcredi, Bd. 1, bearb. v.
MRZ. 4181/2/1861
.
Die Instruktion ist vom Kaiser dem Ministerium zur Annahme vorgelegt worden. Das als Ausdruck einer neuen Welle des Absolutismus zu deuten liegt nahe. Wesentlich ist allerdings der Umstand, daß das Ministerium in der erfolgten Nachberatung an dem kaiserlichen Vorschlag nichts Wesentliches geändert hat. Belcredi hatte noch im Ministerrat vom KZ. 2266/1865
.
Der Kaiser hatte den § 6 als den Kernpunkt der Instruktion bezeichnet. Würde man diesen Paragraphen verfassungsrechtlich, also als Schmälerung der Macht des Ministerrates deuten, stünde er in eklatantem Widerspruch zu den §§ 1 und 2, die den Behördencharakter des Ministerrates konzedieren. Der § 6 sollte dagegen ebd
.; eine Notiz des Kanzleibeamten Seidl v. Se. Exzellenz der Herr Staatsminister Graf Belcredi finden nicht mehr nötig, die Ministergesuche zu vidieren
.
In der konkreten Situation des August 1865 war der Konflikt zwischen Kaiser und Ministerrat unzeitgemäß geworden. Nicht der Ministerrat und seine rechtliche Stellung waren daher der Gegenstand der Instruktion für das Gesamtministerium, sondern der Ausgleich mit Ungarn. Das war durchaus der Situation angemessen, der sich der Kaiser und das Ministerium gleicherweise gegenübersahen. Erst aus dieser staatspolitischen Notlage ist das Provisorium von 1865 entstanden. Die Front zwischen Kaiser und Ministerrat, an der bis 1861 so heiß gekämpft worden war, ist 1865 zum Nebenkriegsschauplatz geworden. Freilich hat dieser Waffenstillstand die absolutistische Epoche nicht beendet, sondern ihr Weiterbestehen lediglich verschleiert. 1865 war der für das habsburgische Reich fundamentale Zusammenhang zwischen Konstitution und Reichseinheit beispielhaft offenbar geworden. Gerade aus der Perspektive der Außenpolitik, die seine Domäne war, hat Kaiser Franz Joseph diesen Zusammenhang vielleicht anfangs nur geahnt, seit 1859 aber klar gesehen. Beurteilt man die Entwicklung von ihrem Ergebnis her, so scheint der Kaiser staatsmännischer gedacht zu haben als seine Minister. Ihm war die Reichseinheit oberstes Anliegen, diesen die Wahrung ihres konstitutionellen Rechts. In dieser Ausschließlichkeit waren aber die Fronten nicht gezogen. Es wäre zu prüfen, ob die um Mitbestimmung ringenden Regierungen nicht das gleiche Ziel vor Augen hatten wie der Kaiser. Ja es ist die Frage angebracht, ob ein konstitutionelles Zusammenwirken zumindest zwischen Monarch und Regierung nicht eine bessere Garantie für die Reichseinheit geboten hätte, als es die Dynastie allein auf die Dauer sein konnte. Auf jeden Fall lähmte der de facto nie ruhende Kampf zwischen Ministerium und Kaiser die Aktionskraft gerade jener Instanzen, die zur Lösung des Reichsproblems vordringlich berufen gewesen (= Veröffentlichungen des österreichischen Ost- und Südosteuropainstituts 6, Graz/Wien/Köln 1967)
.
Auflösung des Büros der Staatskonferenz — Regulierung des Büros des Ministerrats am
Die erste Instanz, die auf die Gestaltung der Ministerratsprotokolle direkten Einfluß nahm, war die Kanzlei des Ministerrates. Vom Standpunkt der Quellenkritik ist dieser Einfluß insofern besonders interessant, als er nicht bloß kanzleitechnischer Art war. Die Schicksale des Ministerrates wirkten nämlich jeweils so nachhaltig auf seine Kanzlei zurück, daß deren Geschichte als ein Spiegelbild der politischen Entwicklung betrachtet werden kann
Es ist daher sehr wohl zu verstehen, daß 1848 der Bruch mit dem Vormärz auch auf der Ebene der Kanzleiorganisation vollzogen wurde. Die Büros jener Behörden, auf die man für die Führung der Geschäfte des Ministerrates naheliegenderweise hätte zurückgreifen können, wurden aufgelöst. Keiner der leitenden Kanzleibeamten des „Büros der Staatskonferenz“ oder der „Staatsratskanzlei“ wurde für die Kanzleigeschäfte des neugegründeten Ministerrates eingesetzt. Neben rein politischen Erwägungen dürften allerdings auch solche technisch-organisatorischer Art für diese Entscheidung maßgebend gewesen sein.
Die Hauptaufgabe der zu begründenden Ministerratskanzlei sollte es sein, die Protokolle der zunächst täglich stattfindenden Ministerratssitzungen zu führen. Gerade diese Aufgabe war aber für das bis dahin in Dienst stehende Kanzleipersonal neu. Natürlich gab es auch vor 1848 Sitzungsprotokolle der Staatskonferenz und des Staatsrates, die der Form nach in etwa den Ministerratsprotokollen entsprachenKonferenzprotokolle
liegen;
Die sogenannten „Konferenzprotokolle“ waren also im Normalfall keine Mitschriften von Verhandlungen der Staats- und Konferenzminister, sondern einfache Vortragserledigungen in Form von Empfehlungen der Staatskonferenz an den Monarchen
Konferenzprotokolls
Abbildung I.
Daß keine der bestehenden Kanzleiorganisationen für den Ministerrat übernommen wurde, erklärt sich ferner vielleicht auch aus der Tatsache, daß die in Frage kommenden Büros nur noch sehr beschränkt funktionsfähig gewesen sind. Der Staatsschematismus für das Jahr 1847 nennt nur noch zwei Kanzleibeamte im Status der Staatskonferenz: einen Offizial und einen Registranten. Obwohl diese Angabe dem tatsächlichen Personalstand, wie er sich aus dem erhaltenen Aktenbestand rekonstruieren läßt
Erst im Oktober 1850 bemühte sich Schwarzenberg um eine definitive Organisierung der Kanzlei des Ministerrates. Bis dahin besorgte die Geschäfte des Ministerrates ein „aus Beamten verschiedener Behörden zusammengesetztes“ Kollegium — so hat sich Schwarzenberg rückblickend ausgedrücktMRZ. 4379/1850
.
Am MRZ. 697/1848
.
Als Pillersdorf die Anstellung von sechs ehemaligen Beamten des Staatsrates, des Kabinettsarchivs und der Hofkammer im Ministerrat beantragte, wies er zu ihrer Charakterisierung dezent darauf hin, daß das Personal der Kanzlei auch bei „Änderung des Ministeriums und seiner Grundsätze“ das gleiche bleiben solle, „weil die verwendeten Beamten sich durch Schnelligkeit und Treue der Auffassung, nicht aber durch eine bestimmte politische Meinung auszeichnen müssen“. Dem Hof schien aber diese Garantie politischer Verläßlichkeit nicht zu genügen. Denn die kaiserliche Entschließung vom MRZ. 697/1848
.
Pillersdorf sah diese von ihm getroffene Maßnahme in Zusammenhang mit der Reorganisierung anderer Zentralbehörden, namentlich jener der inneren Verwaltung und des Kriegswesens. Er ging von der nicht ganz zutreffenden Annahme aus, daß der Ministerrat und dessen Präsident mit einer eigenen Kanzlei das Erbe des Staatsrates oder der Staatskonferenz antreten würden. Andererseits dürfte er genau gewußt haben, daß darüber noch keine Entscheidung gefallen war. Denn er verlangte nur, „was unter allen Umständen und ohne irgendeine Beziehung auf die Stellung des Ministerpräsidenten erforderlich ist“. Daher blieb die Neuerung in einem wichtigen Punkt unvollendet: Pillersdorf überließ es dem künftigen Ministerpräsidenten, für die „Direktion der vorkommenden Geschäfte, die Korrespondenz und das Zeitungswesen“ eine offizielle Entscheidung zu treffen. Diese Direktion übte ein halbes Jahr hindurch, ohne einen offiziellen Auftrag dazu erhalten zu haben, der Staatsrat Joseph Ritter v. Pipitz ausMRZ. 2815/1848
.
Über die praktische Wirksamkeit des Leiters der Kanzlei lassen sich nur schwer konkrete Angaben machen. Auf jeden Fall war er jene Instanz, die für die Gestaltung der Protokolle die letzte Verantwortung trug. Neben dem Vermerk „Protokollführer Ransonnet“ stand daher regelmäßig „Diese Protokollaufnahme bestätigt durch Staatsrat PipitzMRZ. 62/1848
.MRZ. 100/1848
.MRZ. 973/1848
.MRZ. 1412/1848
.
Zur Festlegung dieser neuen Verantwortung erhielten die Protokollführer am MRZ. 97/1849
; Text bei MCZ. 3503/1854
.MRZ. 833/1851
.MRZ. 820/1851
.MRZ. 1704/1851
.
Der zweite Protokollführer, Freiherr v. Ransonnet, hatte schon im Dezember 1848 die Agenden des Staatsrates Pipitz übernommen. Darauf verwies Schwarzenberg, als er am MRZ. 1639/1849
; die Ernennung erfolgte am ebd
.
Welche Bedeutung Schwarzenberg der Neuordnung beigemessen hat, erhellt vielleicht aus den Vergleichen, mit deren Hilfe er den Rang des neuen Beamten zu umschreiben suchte. Schwarzenberg verlangte für Ransonnet „den Charakter und die Bezüge eines Ministerialrates“ mit der folgenden Begründung: „Die Wichtigkeit der ihm an dem erwähnten Platze anzuvertrauenden Funktion, die Analogie mit der Stellung des früheren Protokollführers der vor dem März 1848 bestandenen Staatskonferenz, endlich der Umstand, daß der Kabinettssekretär Ew. Majestät den oben erwähnten Rang bekleidet und eine Gleichstellung beider Beamter im Range bei der steten Wechselwirkung unter ihren beiderseitigen Geschäften sich als beförderlich darstellt, alle diese Verhältnisse rechtfertigen meines unmaßgeblichen Erachtens den Vorschlag, den ich Ew. Majestät die Ehre habe zu unterbreitenMRZ. 1639/1849
.MRZ. 3899/1849
.
Im Hinblick auf die politische Bedeutung dieser Neuordnung des Kanzleiwesens muß darauf hingewiesen werden, daß der Ministerrat bereits im August 1848 einen Versuch unternommen hatte, das kaiserliche Kabinett zu beseitigen
Nachdem die Kanzlei des Ministerrats am MRZ. 4379/1850
.Ebd
.
Von den damaligen sechs Beamten der Kanzlei gehörten drei, nämlich Manker, Sticher und Karpf, dem Status des Kabinettsarchivs an. Auch die sechs Beamten, die seit März 1848 „zur Verfassung der zum Ah. Gebrauche dienenden Extrakte aus den Vorträgen“ verwendet wurden, waren nur vom Kabinettsarchiv zur Dienstleistung in den Ministerrat beordertEbd
.
Die Konstituierung des Reichsrates wurde damals in Angriff genommen. Wäre das Kabinettsarchiv unter seinem Direktor Ritter v. Pusswald weiterhin nur das Kabinettsarchiv geblieben, Schwarzenberg hätte kaum Anstoß daran nehmen müssen, daß der größere Teil der Beamten des Ministerratsbüros dem Kabinettsarchiv angehörte. Das Kabinettsarchiv war aber nun dazu bestimmt, die Geschäfte des zukünftigen Reichsrates zu führen. Die abschließende Organisierung der Kanzlei des Ministerrates, wie sie Schwarzenberg am MRZ. 1378/1851
.
Die künftige Entwicklung ging aber gerade dahin, der Ministerratskanzlei diese Selbständigkeit zu nehmen, sie wieder jenen Institutionen einzugliedern, aus denen sie Schwarzenberg gelöst hatte. Der erste Schritt dazu erfolgte schon in Zusammenhang mit der Berufung Buols. Als Nachtrag zu der Aufforderung, eine Geschäftsordnung für die Ministerkonferenz vorzulegen, erreichte Buol am MRZ. 1215/1852
.MCZ. 1368/1852
.
Schwarzenberg hatte offenbar nicht verhindern können, daß sich die Kanzlei des Ministerrates immer mehr zu einer Kanzlei des Kaisers gewandelt hatte. Die Ministerratskanzlei war auf dieselbe Stufe gestellt worden wie die weiterbestehende Kabinettskanzlei, aber in einem anderen Sinn, als es sich Schwarzenberg vorgestellt hatte. Nicht die Ministerratskanzlei hatte die Funktionen der Kabinettskanzlei übernommen, sondern sie war selbst zur Kabinettskanzlei umfunktioniert worden. Die Bestandsaufnahme der „Berufstätigkeit der Ministerkonferenzialkanzlei“, die Buol durch Ransonnet hatte vornehmen lassen, ergab, daß der Kanzlei vor allem Geschäfte oblagen, „welche sie im Ah. Auftrag unmittelbar für Se. Majestät den Kaiser verrichtete“. Die Agenden, welche die Kanzlei für die Ministerkonferenz und deren Vorsitzenden besorgte, waren demgegenüber „der Zahl und dem Umfange nach weit geringerebd
.MCZ. 565/1856
.
Womit war das Personal der Kanzlei nun wirklich beschäftigt? Die Arbeitslast war so groß, daß Ransonnet immer wieder nachdrücklich gegen beabsichtigte Personalverminderungen protestierteMCZ. 1368/1852
.MCZ. 1368/1852
.MCZ. 2030/1858
; die bis dahin freie Konzipistenstelle wurde am
Der Geschäfts- und Personalausweitung im Bereich der Arbeiten für den Kaiser stand eine Verminderung im Bereich der Arbeiten für die Ministerkonferenz gegenüber. Nur mehr die beiden Protokollführer arbeiteten eigentlich noch für die Ministerkonferenz. Je enger aber der Kompetenzbereich der Ministerkonferenz wurde, desto weniger waren sie mit Arbeit ausgelastet. Als daher der erste Protokollführer Wacek am MCZ. 3503/1854
; auch Kübeck an Buol, MCZ. 3313/1854
; Ernennung Waceks MCZ. 3437/1854
.
Die Praxis der Protokollführung war 1852, ebenfalls in Zusammenhang mit der Festsetzung der Geschäftsordnung für die Ministerkonferenz und die Ministerkonferenzialkanzlei, vorübergehend neu geordnet worden. Damals war der Ministerrat praktisch entmachtet worden, obwohl er formal weiterbestand. Fortan war er nur noch ein Diskussionsforum, nicht aber das Exekutionsorgan der Gesamtregierung. Dem Willen des Kaisers entsprechend sollte es in Hinkunft keine Gesamtregierung mehr geben, sondern nur noch einzelne Minister. Historisch gesehen, bedeutete das im Wesen die Wiederherstellung der Hofbehörden des Vormärz. Entsprechend dieser De-facto-Auflösung des Ministerrates in einzelne Ressorts, die isoliert voneinander dem Kaiser unmittelbar unterstanden, sollten auch die Ministerkonferenzprotokolle in einzelne Sachakten aufgelöst werden. Jedes Protokoll sollte entsprechend den verschiedenen Beratungsgegenständen in mehrere Hefte geteilt werden. Am MCZ. 1748/1852
.Protokoll der Sitzungen v. 28. und 31. 8., 4., 7. 9., 12., 19., 26. und 30. 10. und 2. 11., dann
, MCZ. 4220/1853
.
Das Ende der Existenz der Kanzlei, die ihrer ursprünglichen Bestimmung völlig verlustig gegangen war, konnte nicht mehr fern sein. Es lag durchaus in der Konsequenz der Gewichtsverlagerung in deren Agenden, daß sie am MCZ. 8996/1858
.MCZ. 4687/1858
.MCZ. 4987/1858
.Ebd
. Verzeichnis der übergebenen Akten.
Aber die Neuordnung des Kanzleiwesens der Ministerkonferenz erwies sich auf die Dauer als untragbar. Sie hatte nur dem Kaiser ermöglicht, an allen Regierungs- und Verwaltungsgeschäften leichter persönlichen Anteil nehmen zu können. Als auch die politischen Voraussetzungen für eine Reaktivierung der Kanzlei unter Erzherzog Rainer wieder gegeben schienen, wurde sie wiederhergestellt. Nachdem Erzherzog Rainer sein Amt übernommen hatte, erklärte er sofort, ein bis zwei Konzeptsbeamte, über welche er jederzeit zu verfügen in der Lage wäre, zu „benötigenKZ. 402/1861
.MRZ. 3147/1861
.
Im Sinne und als Folge des Kompromisses, der zwischen dem Kaiser und dem wiederhergestellten Ministerrat zustandegekommen warKZ. 2482/1865
.KZ. 2720/1865
.KZ. 2720/1865
.
Es ging ganz offensichtlich darum, ein letztes Erbstück der Revolutionsära, die Kanzlei des Ministerrates als Symbol einer politischen Idee, zu liquidieren
Äußerer Aufbau der Protokolle — Registrierung — Überlieferungsform — Begleitakten — Zur aktenkundlichen Definition — Die Rechtsstellung der Minister in vergleichender Betrachtung (England, Frankreich, Preußen) — Der gemeinsame Ministerrat der österreichisch-ungarischen Monarchie als Rechtsnachfolger des österreichischen Ministerrates
Obwohl die einzelnen Formelemente der österreichischen Ministerratsprotokolle als Ausdruck der jeweiligen politischen Stellung des Ministerrates einem beträchtlichen Bedeutungswandel unterworfen waren, änderte sich an der äußeren Form der Protokolle von 1848 bis 1867 nur wenig. Die Geschichte des Ministerrates als Spiegelbild der verschiedenen Stufen der Entwicklung der Verfassungswirklichkeit zeigt zwar, welch verschiedener Wert etwa dem Verzeichnis der Anwesenden, der Bezeichnung der Sitzung, der Liste der Anwesenden, der Signatur des Vorsitzenden und der Ah. Kenntnisnahme jeweils zukam. Im äußeren Erscheinungsbild aber kam dieser Bedeutungswandel nur unvollkommen zum Ausdruck. Abgesehen von der kurzfristigen formalen Auflösung der Protokolle in Einzelhefte nach dem Juni 1852 und der im September dieses Jahres vorübergehend eingeführten Praxis der „Sonderprotokolle
Dieses „Normalprotokoll“ zeigt folgenden AufbauMCZ. 1321/1852
; siehe Abbildung III.
Der Mantelbogen, ein dem Protokoll beigefügtes, aber an sich selbständiges Aktenstück, besteht in gleichbleibender Reihenfolge aus vier Teilen:
1. Bis zum Jahre 1855 trägt jedes Protokoll eine dreigliedrige Aktenzahl („5–KZ. 1683–MCZ. 1321/1852“), zusammengesetzt aus der Nummer des Ministerrates, der K[abinetts-]Z[ahl] und der M[inister-]R[ats-] Z[ahl]M[inisterrats]-K[anzlei]-Z[ahl] (MKZ)
.Ministerrat
und Ministerratszahl
: Praktisch zwar erst ab
2. Die Aktbezeichnung („Protokoll der Sitzung vom
3. In einer nach dem Rang der Minister angeordneten Liste („Zur h[ohen] Einsicht der Herren Minister: des Innern, des Kultus „“) bestätigten die Minister ihre Einsichtnahme in das Protokoll.
4. In Anlehnung an die Gliederung des Protokolls wurde für den Mantelbogen in der Regel vom Protokollführer selbst ein Verzeichnis der Beratungsgegenstände („Inhalt“) angelegt.
Das Protokoll selbst beginnt mit dem Titel, der neben der Zeit- und Ortsangabe auch den jeweiligen Vorsitzenden bezeichnet („Protokoll der am
Es folgen zwei Verzeichnisse: „Gegenwärtig“ und „Abwesend“.
Daran schließt sich linksbrüchig der Protokolltext. Zu Beginn des Protokolltextes zeichnet rechtsbrüchig der Protokollführer.
Das Protokoll schließt mit dem Datum und der Unterschrift des Vorsitzenden.
An gleicher Stelle rechtsbrüchig steht die „A[llerhöchste] E[ntschließung]. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien,
In der Regel verwendeten die Protokollführer vorgedruckte Formulare: für den Mantelbogen ein Aktenblatt des Ministerrates bzw. der Ministerkonferenz mit den Vordrucken: „Ministerrat“ bzw. „Ministerkonferenz“, „KZ.“, „MRZ.“ bzw. „MCZ.“, „Datum“, „Präsent[atum]“, ,,Exped[itum]“; für die erste Seite des Protokolls ein Blatt mit den Vordrucken: „Ministerrat“ bzw. „Ministerkonferenz“, „KZ.“
Ein beträchtlicher Teil der Protokolle ist ohne Verwendung eines Vordruckes geschrieben. Daraus resultierende Abweichungen im Gebrauch des formelhaften Teiles der Protokolle sind mit einer Ausnahme vom Standpunkt der Quellenkritik aus belanglos, d. h. sie können bei der Gestaltung der Kopfregesten im Rahmen der Edition unberücksichtigt bleiben. Die Ausnahme bildet der vom Protokollführer jeweils handschriftlich gesetzte Protokolltitel. Abgesehen von verschiedenen aufschlußreichen Ergänzungen des Titels, wie „Mittags-“ oder „Abendsitzung“, oft Angabe des Ortes u. a. m., wurde von den Protokollführern im eigentlichen Protokolltitel — im Gegensatz zum Kurztitel auf dem Mantelbogen — unterschieden zwischen „Ministerrat“, „Ministerkonferenz“, „Ministerratsversammlung“, „Ministerversammlung“, „Besprechung“, „vertrauliche Besprechung“
In jedem Falle ist die auf der ersten Seite des Protokolls gegebene Liste der anwesenden Minister einer Kontrolle zu unterziehen. Sie ist gelegentlich schon nicht identisch mit der Liste des Mantelbogens, mit der der Rundlauf des Protokolls vorgeschrieben wurde, weil im Prinzip das Protokoll auch Ministern zur Einsicht vorgelegt werden konnte, die nicht an der Sitzung teilgenommen haben, wie umgekehrt in der Regel die Protokolle nur den Ministern und nicht allen Anwesenden zur Einsichtnahme unterbreitet wurden. Unberücksichtigt in beiden Listen bleiben meist jene Personen, die als Fachleute zu einem Referat in die Sitzung berufen wurden, oder der Umstand, daß ein Minister die Sitzung vor deren Ende bereits verlassen hat
Der seit Ende des Jahres 1848 angelegte Mantelbogen bestand ursprünglich nur aus der Liste, in der die Minister ihre Einsichtnahme bestätigten. Wohl waren die Protokolle von Anfang an nach Tagesordnungspunkten gegliedert, aber diese Tagesordnungspunkte waren nirgends übersichtlich zusammengestellt. In Anlehnung an die Formulierungen des Protokolls wurde nun ab Mai 1849 ein solches die Beratungen stichwortartig zusammenfassendes Verzeichnis vom Protokollführer, gelegentlich aber auch von einem anderen Beamten der Ministerratskanzlei, hergestellt.
Neben diesen beiden Verzeichnissen steht oft auch ein solches der Abwesenden. Nach welchem Prinzip Abwesende eigens als solche angeführt wurden, kann nur vermutet werden: als abwesend wurden anscheinend nur jene Personen vermerkt, die zu den Sitzungen eingeladen worden waren und dann an diesen nicht teilnahmen. Das heißt, daß die Abwesenheitsliste den einzigen Anhaltspunkt zur Beantwortung der nicht unwesentlichen Frage liefert, wer jeweils zu den Sitzungen eingeladen wurde. Das erklärt, warum die Liste der Abwesenden nicht alle, sondern nur einen Teil der tatsächlich abwesenden Minister vermerkt.
Zum Teil erklären sich die angedeuteten Divergenzen aus der Tatsache, daß der Mantelbogen, das damit in Verbindung stehende Verzeichnis der Anwesenden und Abwesenden und der Protokolltext in verschiedenen Arbeitsgängen, wenn nicht überhaupt von verschiedenen Schreibern abgefaßt wurden, ohne bei der MRZ. 1225/1851
, enthält den Namen Br. Gutmannsthal —
offenbar nach einer schlechten Lesung oder Falschschreibung des Konzeptes; in der Reinschrift des Protokolls steht richtig Br. Bruckental
. Nach der Reinschrift wurde dann vom Protokollführer die Falschschreibung auf dem Mantelbogen korrigiert.MRZ. 1669/1849
; MR. v. MRZ. 4446/1850
.
und sehe einem Bericht darüber entgegen, was veranlaßt worden ist
MCZ. 794/1861.
Eine Edition der Ministerratsprotokolle muß, um den sachlichen, die Beratungsgegenstände betreffenden wie den behördengeschichtlichen Zusammenhang zu wahren, vollständig sein. Diesem Anspruch kann bei der bestehenden Aktenlage nur insofern sinnvoll entsprochen werden, daß nur die in den 33 Kartons der „Ministerratsprotokolle“ des Kabinettsarchivs erhaltenen Protokolle gedruckt werden. Dieses Auswahlprinzip rechtfertigt sich von der Tatsache her, daß als echtes Ministerratsprotokoll nur ein von der Regierung dem Kaiser vorgelegtes und von diesem sanktioniertes Schriftstück anzusprechen ist. Der Vorlage an den Kaiser wie der Sanktion kommt dabei der gleiche politische Stellenwert zu. Keines der beiden Kriterien allein genügt daher, um die Mitschrift einer Ministerbesprechung zu einem Ministerratsprotokoll zu klassifizieren. Erst nachdem das Protokoll einer Ministerberatung als Beschluß oder Vorschlag der Regierung über die Kabinettskanzlei dem Monarchen zur Annahme vorgelegt worden ist, war eine Regierungsentscheidung in die Wege geleitet. Und erst wenn der Kaiser den Vorschlag seiner Regierung sanktioniert hatte, war eine Regierungsentscheidung zustande
In der Reihe der Ministerratsprotokolle der Registratur des Kabinettsarchivs sind zwar alle Ministerratsprotokolle erhalten, nicht aber alle Protokolle von Ministerberatungen. Denn nicht jede Ministerberatung war ein Ministerrat. Wir kennen eine Anzahl von Protokollen von Ministerbesprechungen, die nicht in der Reihe der Ministerratsprotokolle archiviert sind. Allen fehlt aber eines der oben angeführten Kriterien eines echten Ministerratsprotokolls. Manche von ihnen haben sogar die kaiserliche Sanktion erhalten, aber nicht auf dem offiziellen Weg über die Kabinettskanzlei. Sie sind daher auch nicht protokolliert worden und tragen keine Aktenzahl. In all diesen Fällen handelt es sich um Protokolle von Ministerberatungen, nicht aber um Ministerratsprotokolle. Alle Protokolle von Ministerbesprechungen, für die die kaiserliche Sanktion aus irgendeinem Grunde nicht eingeholt worden ist, sind nicht in der Registratur des Kabinettsarchivs enthalten. Von manchen wissen wir, daß sie vernichtet worden sind. Wir kennen solche in anderen Beständen: im Nachlaß Rechberg und in den Vorträgen an den Kaiser. Dabei ist erkennbar, daß manche Protokolle ursprünglich wohl als Ministerratsprotokolle gedacht waren. Erst nach der Sitzung fiel die Entscheidung, daß das Protokoll dem Kaiser nicht vorgelegt werden sollte. Manche „Ministerbesprechung“ wurde aber auch nachträglich in den Rang eines
In der Reihe der Ministerratsprotokolle selbst spiegelt sich die komplizierte Struktur des offiziellen und inoffiziellen Zusammenspiels zwischen der Regierung und dem Monarchen getreu wider. Die verschiedenen Kategorien von Ministerberatungen haben in der Reihe der offiziellen Ministerratsprotokolle selbst in verschiedener Form deutliche Spuren hinterlassen. Das Ministerratsprotokoll vom MRZ. 1854/1850
.Ebd
.MRZ. 1390/1865
.MRZ. 1388/1865
; auch der zweite Ministerrat vom selben Tag ist nicht von Erzherzog Rainer präsidiert worden.MRZ. 1/1865
.MRZ. 67/1865
.
Daß von Ministerbesprechungen dieser Art Mitschriften — teils innerhalb, teils außerhalb der Reihe der Ministerratsprotokolle — erhalten sind, ist mehr oder weniger dem Zufall zu verdanken. Der Großteil solcher und ähnlicher Protokolle dürfte verlorengegangen sein. Die meisten Hinweise auf diese nicht in Form von Protokollen dokumentierten Ministerversammlungen geben die Protokolle selbst. Im Ministerrat am MRZ. 646—684/1848
.MRZ. 649—651/1848
.MRZ. 473/1848
.MRZ. 138/1848
.MRZ. 163/1848
.
Die Existenz von Protokollen, die zwar angefertigt, aber nicht archiviert worden sind, bezeugt auch eine Analyse der Aktenzahlen, mit denen die Protokolle in der Registratur versehen worden sind. Nur die kurrenten, mit jedem Kalenderjahr und jedem neuen Vorsitzenden neu mit der Zählung beginnenden Protokollnummern können dabei als Hinweise auf den Grad der Vollständigkeit ausgewertet werden, denn die Kabinettszahl und die Ministerratszahl erhielten die Protokolle in fortlaufender Zählung gemeinsam mit den anderen MinisterratsaktenMRZ. 1/1865
.MRZ. 2846/1851
, mit dem die Ära des Neoabsolutismus eröffnet wurde, trägt die Protokollnummer 104; dieselbe Nummer hat das folgende Protokoll v. MRZ. 2415/1849, Nr. 120 1/2
.MRZ. 526/1849
.MRZ. 527/1849
.
Ähnlich unvollständig bleibt die Antwort auf die Frage nach dem Aussagewert der überlieferten Protokolle, weil deren kanzleitechnische Entstehung in keinem Falle belegbar ist. Die Protokolle sind nämlich nur im Reinkonzept überliefert. Ein wichtiges formales Indiz dafür sind die Eigenkorrekturen der Protokollführer. Es handelt sich dabei um typische Stilisierungen während der Reinschrift. Eine Superrevision der Protokollführer durch den Kanzleidirektor ist für das Jahr 1848 häufig, für die Protokolle der Regierung Schwarzenberg gelegentlich bezeugtMRZ. 1355/1848
, mit Korrekturen des Protokollführers Marherr und des Kanzleidirektors Pipitz.MRZ. 871/1848
: der Generalsekretär des Justizministeriums Hye protokollierte die Schilderung des Oberstkämmerers Philipp Stadion von der Abreise des Kaisers nach Innsbruck.
Einige Hinweise auf die Entstehungsgeschichte dieser Korrekturen lassen sich aber aus den Protokollen herauslesen. Wo die Protokollführer oder der Kanzleidirektor selbst größere Passagen kürzten, haben sie das auf eigene Verantwortung, wohl nur in Befolgung der für sie verpflichtenden allgemeinen Instruktion über die ProtokollführungMRZ. 643 et 644/1848
.
Auch die Eigenkorrekturen der Protokollführer zeigen gelegentlich Differenzierungen in der Wortwahl, die aus dem üblichen Maß an Sorgfalt bei der Redaktion MRZ. 522/1849
.Ebd
.
Die Minister erhielten also das Protokoll in einer bereits zweifach redigierten Form. Bedeutsamer als diese scheinbare Benachteiligung ist aber die Tatsache, daß das Protokoll unmittelbar nach der Einsichtnahme der Minister dem Monarchen vorgelegt wurde. Die Minister hatten demnach die Möglichkeit, die Protokollführung und den Ministerpräsidenten zu kontrollieren, ihr eigenes Votum gelangte aber unmittelbar vor den Herrscher, ohne daß der Ministerpräsident davon Kenntnis haben konnte. Diese Kontrolle der Vorsitzenden durch die Minister schloß zwar auch die Möglichkeit einer Korrektur ein, sie wurde aber nie, oder in den seltensten Fällen, in dieser Weise gehandhabt. Der erhaltene Bestand an Korrekturen legt den Schluß nahe, daß zwischen den Ministern und den Ministerpräsidenten ein stillschweigendes Übereinkommen der Art bestanden hat, daß sich jeder der Korrektoren — es gibt allerdings Ausnahmen von dieser Regel — im Prinzip strikt an die Kontrolle seiner eigenen Ausführungen gehalten hat. Daher war es praktisch belanglos, daß der zuletzt kontrollierende Minister, und nicht etwa der Ministerpräsident, als einziger vor dem Kaiser Einblick in das vollständige Protokoll hatte. Dieser amtliche Weg des Protokolls entsprach dem Prinzip der Kollektivverantwortung, welches das Verhältnis der Minister zueinander bestimmte; er entsprach vor allem der Stellung des Ministerpräsidenten
Eine Reinschrift unter Berücksichtigung der Ministerkorrekturen, d. h. mit der Qualität einer Ausfertigung, wurde von den Protokollen nie hergestellt. Die uns überlieferte Letztform der Protokolle ist mit dem im Rahmen der Aktenkunde der Neuzeit entwickelten Begriffsschema schwer zu definieren. Formal entspricht diese Letztform in ihrem Kern dem, was H. O. Meisner als „Reinkonzept“ bezeichnetArchivalienkunde 267
.MRZ. 1982/1848
.MRZ. 1091 et 1092/1848
und MRZ. 1135 et 1136/1848
.MRZ. 967/1848
.MRZ. 974/1848
.
Schematisch läßt sich die Entstehung der uns überlieferten Ministerratsprotokolle folgendermaßen darstellen:
Diese vornehmlich an Hand des Materials des Jahres 1848 gewonnenen Fakten lassen sich mit einiger Sicherheit auf die ganze Periode von der Revolution bis zum Ausgleich übertragen. Wenn sich für das Jahr 1848 solche Zusammenhänge noch leichter an der äußeren Form der Protokolle ablesen lassen als in den späteren Jahren, so liegt der Grund sicher nicht darin, daß etwa mit oder nach Schwarzenberg eine andere Kanzleipraxis in Übung kam. Daß in den Protokollen unter Buol-Schauenstein und Rechberg kaum mehr eine Korrektur oder ein Kanzleivermerk etwas von der Redaktion der Konzepte verrät, beweist nicht mehr, als daß die Routine bei der Herstellung der Reinschriften größer geworden war.
In viel höherem Maße als andere Schriftsätze der politischen Geschäftsführung tragen die Ministerratsprotokolle das konstitutive Merkmal einer Akte: sie sind nur Teil einer größeren Überlieferungseinheit; sie dokumentieren nur eine, oft gar nicht die ausschlaggebende Phase der Entstehung einer bestimmten politischen Entscheidung. Die Beratung in der Versammlung der Minister ist einerseits bereits ein Arbeitsergebnis eines Geschäftsganges, welches dem Ministerrat teils zum Zwecke der Beschlußfassung, teils aber auch nur zur Information vorgelegt wurde. Andererseits bilden die Beschlüsse des Ministerrates und die damit in Verbindung stehenden Beschlüsse des Monarchen nur die undifferenzierte Grundlage für ihre administrative oder legislative Durchführung. Die Behandlung Verfassungsurkunde des österreichischen Kaiserstaates
als Beilage zum MRProt. v. [22.] 4. 1848, MRZ. 473/1848
, mit Korrekturen Pillersdorfs und Krauß’; wetters das von Schwarzenberg und Bach redigierte Patent über ein Entschädigungsgesetz
in Zusammenhang mit der Grundablöse in Galizien, MR. v. MRZ. 528/1849
; bes. aufschlußreich der Entwurf des Reichsratsstatuts nach der Auffassung der mehreren Stimmen der Kommission
mit Korrekturen der einzelnen Minister, dazu Bemerkungen
von Bach, MR. v. MRZ. 370/1851
.
Die Protokolle bilden weitgehend nur die formale Zusammenfassung verschiedener, meist außerhalb des Ministerrates liegender Geschäftsgänge. Infolge ihres stark formalisierten Charakters verweisen sie oft nur auf den Verhandlungsinhalt. Wie eng, vielfältig und doch unausgeführt dieser Zusammenhang sein kann, illustriert etwa ein Passus aus dem Ministerratsprotokoll vom MRZ. 643 et 644/1848
.1674/1848, 576 MR
.
In jedem Falle bildeten die Protokolle und die sie ergänzenden Akten eine Einheit, die in irgendeiner Weise wieder hergestellt werden muß. Die Edition der Ministerratsprotokolle kann daher streng genommen nur eine „Dokumentation“ sein, in deren Mittelpunkt zwar die Protokolle stehen, die aber zumindest im MRZ. 635 et 636/1848: Derselbe Minister [Pillersdorf] zeigte dem Ministerrat den Inhalt eines von Sr. kaiserlichen Hoheit, dem Herrn Erzherzog Stephan, Reichspalatin von Ungarn, als Antwort auf die demselben brieflich mitgeteilte Verfassungsurkunde von
; oder ebd.: Der Ministerrat wurde mit der Verlesung eines infolge eines früheren Beschlusses des Ministerrates verfaßten Aufsatzes eröffnet, welcher die Besetzung der durch den Austritt des Grafen Ficquelmont frei gewordenen Stelle ... zum Gegenstand hat
; ferner MR. v. MRZ. 1885/1848: Der Ministerpräsident [Schwarzenberg] teilte dem Ministerrat zwei von dem Reichsverweser aus Frankfurt erhaltene Depeschen mit, in deren einer der Herr Erzherzog Reichsverweser seine politischen Gedanken über Deutschland und Österreich auseinandersetzte
. Das Schreiben
, der Aufsatz
und die Depeschen
sind evidenterweise Bestandteile der Protokolle, daher editionstechnisch als Beilagen zu klassifizieren.
Die Protokolle des österreichischen Ministerrates lassen sich nicht ohne weiteres dem Typus des „Sessionsprotokolls“, wie ihn die Aktenkunde beschreibt, subsumieren. Ein Vergleich, sofern er die verfassungsrechtliche Bedeutung der formalen Elemente der Protokolle gebührend berücksichtigt und sie als Veranschaulichung eines Macht- oder Rechtsverhältnisses wertet, zeigt Besonderheiten, welche die Protokolle des österreichischen Ministerrates deutlich von dem unterscheiden, was etwa H. O. Meisner als Merkmale eines Sitzungsprotokolls beschreibt. Die Divergenz erklärt sich aus der bekannten Tatsache, daß Meisner seine Aktenkunde ausschließlich aus brandenburgisch-preußischen Beispielen entwickelt hat. Der in Österreich und Preußen zwar sehr ähnlichen Verfassungsstruktur entsprachen aber nicht gleiche Formen der ministeriellen Mitsprache bei den Regierungsgeschäften.
Auch Preußen hat in der oktroyierten Verfassung von 1848 und der revidierten Verfassung von 1850 an dem monarchischen Prinzip als dem institutionellen Kern des preußischen Staatsrechts festgehalten. Der preußische König war wie Ebd
. Prot. v. Konseil-Sitzung
bezeichnet für Preußen von 1850 bis 1878 die in Gegenwart des Königs abgehaltenen Ministerberatungen. Vorher wurde dafür der Ausdruck Sitzungen des Staatsministeriums mit dem König
verwendet. Am Kronrat
zu bezeichnen. Vermutlich dürften jene Faszikelbezeichnungen, die schon für 1849/50 den Ausdruck Kronrat
verwenden, erst aus der Zeit nach dieser Anweisung stammen. — Für die Mitteilung dieser Details, die aus Das gegenwärtige Protokoll ist von den Mitgliedern des Staatsministeriums und dem Generalleutnant v. Radowitz zum Zweck der Beglaubigung vollzogen worden und wird demnächst Ah. Befehl zufolge Sr. Majestät dem König vorgelegt werden. — gel[esen], appr[obiert] Fr. W
.Nachdem das Staatsministerium mit vorstehenden Punkten sich einverstanden erklärt hatte, geruhten des Königs Majestät dieses Protokoll Allerhöchsteigenhändig wie folgt: Friedrich Wilhelm, zu vollziehen, worauf dasselbe auch von den Mitgliedern des Staatsministeriums unterzeichnet worden ist.
Aktenkunde 193
für Wilhelm I.Ebd
.Ebd. 27
.Ebd. 49
.
Von allen europäischen Großmächten, in deren Verfassungsstruktur die Revolution von 1848 ihre Spuren hinterlassen hatte, kehrte damit Österreich am weitesten und am dauerhaftesten zu den Prinzipien absoluter Herrschergewalt zurück, nachdem es 1848 zum Ministerialsystem übergegangen warEnciclopedia del Diritto, hg. unter der Leitung von
Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart 10 (1883) 304—348
; wichtig ist die Arbeit von Gesammelte Abhandlungen 1 (Göttingen 1962) 275—320
; Hintze geht aber auf die Zeit nach 1848 nur am Rande ein;
Die gleiche rechtliche Position nahmen die Minister Österreichs und Preußens nach 1851 ein. Beide Staaten hatten eine monarchisch-konstitutionelle Verfassung. Was aber das Ministerrecht anlangt, war diese Verfassung nur dem Wortlaut nach konstitutionell. Die Verantwortlichkeit der Minister war verfassungsrechtlich zwar im Prinzip zugestanden, ihre Geltendmachung aber einem eigenen Gesetz vorbehalten. Nach den Regeln der juristischen Interpretation darf behauptet werden, daß auf Grund dieser Gesetzeslage der Grundsatz der Ministerverantwortlichkeit in Österreich und Preußen keine Geltung hatteWenn nämlich der Gesetzgeber einen Grundsatz formuliert, zugleich aber dessen Ausführung sich vorbehält, so gibt er damit den Willen kund, daß der Grundsatz selbst bis zu dem Zeitpunkt seiner näheren Ausführung in seinen Wirkungen suspendiert sein soll
.
Daran änderte sich auch 1867 nichts, als der gemeinsame Ministerrat Teile der Funktionen seines formalen Rechtsvorgängers übernahm
Wie der österreichische, so trug der gemeinsame Ministerrat alle Merkmale eines Kompromisses, und zwar nicht nur eines solchen zwischen Ungarn und dem Reich, sondern auch zwischen der Krone und einer auf Mitbestimmung bedachten Reichsregierung. Verfassungsrechtlich stand das neue Reichsregierungsorgan auf derselben Basis wie sein Vorgänger. Der § 18 des Gesetzes vom