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Nr. 54 Ministerrat, Wien, 29. Februar 1872

RS. und bA.; P. Weber; VS. Auersperg (I bis VIII); BdE. und anw. (Auersperg 29. 2.) Lasser (IV bis X) 6. 3., Banhans 1. 3., Stremayr, Glaser, Unger, Chlumecký, Pretis.

KZ. 394 – MRZ. 39

|| || Protokoll des zu Wien am 29. Februar 1872 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Durchlaucht des Herrn Ministerpräsidenten Fürsten Auersperg.

I. Erwirkung des Ritterkreuzes vom Franz-Joseph-Orden für den Domkapitular Franz Schoffer in Königgrätz

I. ℹ️ Der Kultusminister wird mit einhelligem Beschluss ermächtigt, dem Antrage des Statthalters von Böhmen gemäß den Königgrätzer Domkapitular Franz Schoffer in Anerkennung seiner aufopfernden Tätigkeit im Schulfache || || und insbesondere seiner gegenüber der noch immer bestehenden Opposition gegen die Schulgesetze betätigten seltenen Hingebung und Loyalität Sr. Majestät zur Ag. Auszeichnung mit dem Ritterkreuze vom Franz-Joseph-Orden au. zu empfehlen.1

II. Erwirkung des Ritterkreuzes vom Franz-Joseph-Orden für den kaiserlichen Rat Leander Beck

II. ℹ️ Der Finanzminister erhält die einhellige Ermächtigung, für den kaiserlichen Rat und Obereinnehmer des Wiener Hauptzollamtes Leander Beck, aus Anlass dessen durch sein vorgerücktes Lebensalter begründeten Übergehung bei der Besetzung des Vorstandspostens, in Anerkennung der sehr belobten Dienstleistung das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens,2

III. Erwirkung der Eisernen Krone III. Klasse für den pensionierten Hofrat und Wiener Steueradministrator Johann Hähnel

III. ℹ️ und für den im Jahre 1871 || || [] der Ah. []denheit in den [Ruhestand] versetzten Wiener [Steuer]administrator Hofrat Johann Hähnel bei befürwortender Einbegleitung eines der Ah. Bezeichnung gewürdigten Gesuches, nachträglich die Verleihung der Eisernen Krone III. Klasse au. in Antrag zu bringen.3

IV. Emissionskurs für die Salzburger Bahn

IV. ℹ️ Der Handelsminister erbittet sich die Willensmeinung der Konferenz und zunächst des Finanzministers in folgender Angelegenheit: Heute sei der Ausschussbericht über die Regierungsvorlage betreffend die Herstellung einer aus Obersteiermark nach Salzburg und Nordtirol führenden Eisenbahn zur Verteilung gelangt.4

Der Handelsminister habe sich im Ausschusse, um einen soliden und möglichst billigen Bau zustande || || zu bringen, mit der Aufnahme einer Bestimmung einverstanden erklärt, wornach Bau und Geldbeschaffung getrennt voneinander im Konkurswege zu begeben sind.a Was den Emissionskurs anbelangt, so hat die Regierung denselben mit einem Minimum von 85% veranschlagt. Mittlerweile werde aber von hervorragenden Mitgliedern des Abgeordnetenhauses dahin gewirkt, dass die Regierung ermächtigt werden soll, die ganze Bahn in drei Partien, nämlich 1) von Salzburg nach Bischofshofen, 2) von Wörgl über St. Johann nach Bischofshofen, 3) von Rottenmann nach Bischofshofen zu vergeben. Dabei hat man im Auge, dass jeder der drei Anschlussbahngesellschaften [Südbahn, Elisabethbahn, Rudolphsbahn] den an ihre Strecke anschließenden Anteil übernehmen || || [] diese Voraussetzung [] [an]gesichts der günstigen Verhältnisse des Geld[marktes] wolle man den Emissionskurs, der zum Zwecke der Geldbeschaffung auszugebenen Titres statt mit 85%, wie die Regierung veranschlagte, mit dem Minimum von 87% festsetzen. Es scheine, als wollte man dies zur prinzipiellen Basis für alle Eisenbahnbauten machen. Dabei werde nicht bedacht, dass der Grund der Veranschlagung eines niedrigern Minimalkurses der war, eine möglichst große Konkurrenz herbeizuziehen, dass sich die genannten drei Gesellschaften vereinigen und jede Konkurrenz ferne halten können, und dass zwischen Bahnen im flachen Land und mit günstigen Erträgnisaussichten von schwierigen Gebirgsbauten mit geringer Aussicht auf einen baldigen Ertrag ein Unterschied gemacht werden müsse, wie es auch nicht gleichgiltig ist, ob eine neue, oder schon bestehende, anschließen|| || de Bahngesellschaften den Bau übernehmen. Er besorge, dass die Konkurrenzverhandlung illudiert wird, wenn man den Emissionskurs im Vorhinein in solcher Höhe annimmt.

Der Finanzminister spricht seine Ansicht dahin aus, dass ihm zwar der von der Regierung veranschlagte Minimalemissionskurs den heutigen Verhältnissen adäquat scheint, andererseits aber der Gedanke, die benachbarten Bahnen heranzuziehen, ein ganz gesunder sei, da letztere jedenfalls den Bau billiger herzustellen in der Lage wären. Vom Standpunkt des Handelsministers wäre es allerdings wünschenswert, eine größere Latitude zu erhalten. Immerhin sei aber die Differenz keine so große, als dass es sich empfehlen würde, falls maßgebende Abgeordnete darauf dringen, und ihr Antrag die Wahrscheinlichkeit der An|| || [] hat, dagegen []. Für klüger [würde] er es halten, wenn sich [] Annahme eines höheren [Kurses] als wahrscheinlich herausstellen sollte, keine Schwierigkeiten zu erheben. Präjudizierend für andere Bahnunternehmungen könne diese Bestimmung bei den hier obwaltenden speziellen Verhältnissen nicht sein.

Der Handelsminister erklärt, nach diesem Rate sein Benehmen im Klub einrichten zu wollen.5

V. Beantwortung einer Interpellation in Betreff der Reichenberg–Görlitzer und Tannwald–Eisenbroder Bahn

V. ℹ️ Der Handelsminister wird ermächtigt, die in der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 23. Februar 1872 von Dr. Hallwich und Genossen eingebrachte Interpellation betreffend die bisherige Nichtdurchführung des Gesetzes über ℹ️ die ReichenbergGörlitzer und ℹ️ EisenbrodTannwalder Bahn, lautend: „1) Welche sind die Gründe || || der bisherigen Nichtdurchführung des Gesetzes vom 19. Juli 1871 (RGBl. Nr. 86)? 2) Ist gegründete Aussicht vorhanden, die der Durchführung dieses Gesetzes entgegenstehenden Schwierigkeiten baldigst zu beheben? 3) Wäre für den Fall der Weigerung der Aktiengesellschaft der südnorddeutschen Verbindungsbahn die nachgesuchte Konzession für die von Reichenberg bis an die Landesgrenze und von Eisenbrod nach Tannwald, respektive GablonzReichenberg, zu führende Lokomotivbahn unter den ihr aufgetragenen Bedingungen zu übernehmen, die Regierung geneigt, mit tunlichster Beschleunigung einen neuerlichen Gesetzentwurf, betreffend die Verleihung der Konzession zum Baue und Betriebe der genannten Bahnen an einen oder mehrere andere Unternehmer, dem Abgeord|| || [netenhaus] vorzulegen?“ [in der] aus der Beilageb ersichtlichen Weise zu beantworten.6

VI. Beantwortung einer Interpellation in Betreff der dalmatinischen Eisenbahn

VI. ℹ️ Die Abgeordneten Ljubiša & Konsorten haben in der Sitzung vom 23. Februar die in der Beilage enthaltende Interpellation betreffend die Einbringung eines Gesetzentwurfes hinsichtlich der dalmatinischen Bahn gestellt.c

Der Handelsminister wird ermächtigt, diese Interpellation in der aus derselben Beilage ersichtlichen Weise zu beantworten.7

VII. Beantwortung einer Interpellation in Betreff der Regelung des Eisenbahntransportwesens

VII. ℹ️ In der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 6. Februar 1872 wurde von Dr. Max Menger & Konsorten eine auf die Regelung des Eisenbahntransportwesens bezügliche Interpellation eingebracht. || || Der Handelsminister gedenkt, dieselbe in der aus der Beilage, welche auch die von den Interpellanten gestellten Fragepunkte enthält, ersichtlichen Weise zu beantworten.d

Die Konferenz erteilt ihre Zustimmung.8

VIII. Maßregeln gegen den Aktienschwindel – Fortsetzung vom 28. Februar 1872 und Schluss

VIII. ℹ️ Der Minister des Innern rekapituliert die Beschlüsse, welche in der gestrigen Sitzung über die Anträge des Vereinskomitees bezüglich der bei Konzessionierung von Aktiengesellschaften behufs Hintanhaltung des Aktienschwindels einzuhaltenden Grundsätze gefasst worden sind.9

Hiernach wurden die Punkte 1) und 3), letzterer mit den im Konferenzprotokolle vom 28. Februar ersichtlich gemachten Beisätzen angenommen, während der Punkt 2), welcher die eigentlichen Kreditunternehmungen (Banken im engeren Sinne) betrifft, nicht || || [] gelangte. [] der Punkt wurde vom [Vereins]komitee allerdings auf Grund eines frühern Ministerratsbeschlusses dahin formuliert, dass von derlei Unternehmungen nur Aktien im Nominalbetrag von mindestens 200 fl. und nur gegen Volleinzahlung emittiert werden dürfen. Es wurde nun das Bedenken laut, dass man mit dieser Beschränkung eine Reihe von kleinen Bankunternehmungen welche dermalen in kleineren Städten im Entstehen begriffen, unmöglich machen, und dass es vielleicht genügen würde, solche Aktien dadurch vom Börsenmarkt auszuschließen, wenn die Côtierung an der Börse von der Einzahlung von 200 fl. per Aktie abhängig gemacht wird. Nebenbei wurde die Frage ventiliert, ob zur Konstituierung von derlei Unternehmungen nicht vielleicht die Einzahlung von 50% oder 60% statt 100% als hinreichend || || anzusehen wäre. Der Finanzminister habe seinen ursprünglichen Antrag, dem jener des Vereinskomitees genau entspricht, aufrechterhalten. Der Minister des Innern bemerkt, er für seine Person wäre bezüglich der kleinern Banken, deren Nützlichkeit nicht zu unterschätzen ist, weniger streng gewesen, und hätte eine Einzahlung von 60% (somit um 20% mehr als bei Industrialunternehmungen laut Punkt 3) gefordert wird) zur Konstituierung solcher minder gefährlicher Banken für genügend gehalten. Der Zweck der Restriktionen sei doch kein anderer, als die Ausbeutung des Publikums durch den Gründungsschwindel hintanzuhalten. Die bisherige Methode bestand darin, dass man auf 200 fl. Nominal, 80 fl. einzahlen ließ, sodann die Aktien mit einem Emissionskurs von 110–120 fl. auf die Börse brachte, den Kurs durch Börsenmanöver hinauftrieb, um die Differenz als Gründerge|| || [gewinn] [] Dies werde durch[]lung von 60% also 120 fl. []dert, da es unmöglich [ist], zu noch höherem Kurs zu emittieren, daher auf den Gewinn, der in der Differenz zwischen 80 und 120 liegt, nicht mehr zu rechnen ist.

Der Ministerpräsident würde auf die erwähnten kleinern Banken nicht die vom Minister des Innern angedeutete Rücksicht nehmen. Wenn bei großen Banken ein namhafter Gewinn, so werde hier ein kleinerer Gewinn angestrebt. Verhältnismäßig aber liege derselbe Schwindel zu Grunde. Er besorgt, dass durch das Misslingen solcher Anstalten gerade die kleinen Leute, die sich in dem Vertrauen beteiligen, die Bank repräsentiere in der Tat das in ihren Augen enorme Nominalkapital, am meisten würden geschädigt werden. Sind sie aber außerstande, eine höhere Einzahlung zu leisten, so könne es nicht als ein so || || großer Nachteil angesehen werden, wenn in einem kleinen Ort keine Bank entsteht, sondern die Landbevölkerung an große solide Institute, wie z. B. in Böhmen an die unter Landesgarantie stehende Hypothekenbank angewiesen bleibt, wo sie, wie er sich als Oberstlandmarschall durch jahrelange persönliche Einsicht überzeugt, auf kürzestem Wege und mit mäßigen Kosten ihren Kredit zu realisieren in der Lage ist. Der Finanzminister ist entschieden dafür, dass an dem 2) Punkt festgehalten werde. Es gebe kein Mittel, um das Übel an der Wurzel zu fassen, als indem man jenen Unternehmungen, deren Geschäft in Gründungen besteht, letzteres dadurch erschwert, dass man sie zwingt, den Ernst des Unternehmens durch sofortige Bereithaltung größerer Kapitalien zu bekunden, und eine bedeutende Steigerung ihrer Aktien durch reelle Geschäfte zu motivieren. || || [] [Gesch]äftskreis solcher [] Institute, welche nur ge[] werden, um neue zu gründen, gehe ins Unendliche und sei ein gänzlich undefinierbarer. Während sich bei Eisenbahnen der Nutzen approximativ berechnen lässt, können Banken ganz ungewöhnliche Gewinne realisieren. Sie sind imstande, ihren Papieren einen Kurs zu geben, über den man sich eine Rechenschaft zu legen nicht vermag, und sie nehmen, indem sie Pfandbriefe und Kassascheine ausstellen, direkt den Kredit des Publikums in Anspruch. Es sei wichtig, dass dies Letztere nicht in ungerechtfertigter Weise geschieht. Er weist auf die Gefahren hin, die den Geldmarkt bedrohen können, wenn zufällig gegen irgendeine Bank ein Misstrauen entstünde, und ihre Kassascheine plötzlich in großer Menge präsentiert würden. Irgendein Zweifel gegen eine noch so kleine Bank könne durch die sich daran knüpfen|| || den Konsequenzen zu Katastrophen führen. Ebenso können Nachzahlungen, welche unerwartet und in einem ungünstigen Moment von den Aktionären verlangt werden, und diese zur Verschleuderung ihrer Papiere nötigen, bedauerliche Folgen nach sich ziehen. Wenn man schon restringierende Maßregeln ergreift, und die Notwendigkeit derselben sei ja anerkannt worden, so müsse vor allem ins Auge gefasst werden, dass der in Anspruch genommene Kredit auch wirklich vorhanden sei. Ist das Unternehmen gut, so werde eine mäßige Agiotage noch immer möglich sein, es werde aber nicht angehen, die Papiere auf das drei- bis vierfache des eingezahlten Betrags hinaufzutreiben. Er sehe einen Grund, vom Punkt 2) abzugehen, nicht ab. Die Herabsetzung des Einzahlungsperzents scheine ihm eine halbe Maßregel, die ihren Zweck nicht erreicht. || || []lich der kleinen [Banken] könne er sich von der Notwendigkeit einer minder [stre]ngen Behandlung nicht überzeugen. Abgesehen von der möglichen Umgehung durch Fusionierung mehrerer kleiner Banken, glaube er, dass wo wirklich ein Bedürfnis besteht, dies die großen Banken zur Errichtung von Filialen führen wird, welche dem realen Bedürfnis vollständig genügen. Wenn aber eine kleine Bank gegründet werden soll, so könne man die Volleinzahlung anstandslos verlangen, denn ist die Sache solid, so werde die Leistung möglich sein. Und ist dies nicht der Fall, so müsste er die Gründung solcher Anstalten noch mehr perhorreszieren, als jene von großen Banken, weil der Schaden zunächst unwissende Leute trifft. Übrigens sei es unvermeidlich, dass mit einer allgemeinen Maßregel einzelne Interessen unangenehm berührt werden. Zwischen || || einem kasuistischen Vorgehen und der strengen allgemeinen Festhaltung eines Prinzips scheine ihm aber letzteres das geringere Übel.

Der Handelsminister erwähnt der volkswirtschaftlichen Vorteile kleiner Banken für die sonst leicht in Wucherhände fallende Landbevölkerung. Die Errichtung solcher Anstalten werde durch die Volleinzahlung positiv erschwert. Die Sparkassen am flachen Lande erfüllen wohl den Zweck, die Sparsamkeit zu fördern, jenen aber, den Geldbedarf zu vermitteln, nur in sehr ungenügender Weise, da sie nach ihren Statuten auf Hypotheken angewiesen sind. Die Vorschusskassen finden nicht überall Anklang, namentlich in Deutschböhmen nicht. Es frage sich weiter, ob durch eine so strenge Bestimmung nicht den Interventionsbanken erst recht in die || || [] wird, an [] sich zu wenden, der [den] Geldbesitzer genötigt [] um Aktien kaufen zu können. Was die Errichtung von Filialen größerer Banken auf dem Lande anbelangt, so bemerke er, dass der Bauer misstrauisch ist, und zu Anstalten, die er selbst mitbegründet, entschieden mehr Vertrauen hat. Der Übelstand bestehe doch hauptsächlich darin, dass die Banken, kaum gegründet, ihre Papiere auf die Börse werfen können, und die Differenz aus dem erkünstelten Kurs als Erwerb in Empfang nehmen. Diesem Schwindel würde aber durch die vom Minister des Innern proponierte 60% Einzahlung als Bedingung der Konstituierung, und die volle Einzahlung als Bedingung der Notierung nach seiner Ansicht genügend vorgebeugt. Der Ackerbauminister || || schließt sich dem Finanzminister an. Von der Voraussetzung ausgehend, dass die Notwendigkeit, dem Aktienschwindel Einhalt zu tun anerkannt wird, glaube er, dass speziell gegenüber den Banken die größtmögliche Strenge gerechtfertigt erscheine. Wenn der vom Minister des Innern vorgeschlagenen Weg, die Einzahlung von 40% auf 60% zu erhöhen, damit motiviert wird, dass der Agiotage dadurch ein Ziel gesetzt werden kann, so glaube er, dass nicht die absolute Höhe der Einzahlung es ist, welche die Agiotage nach sich zieht, sondern, dass das Agio bei einer Einzahlung von 120 sich eben in dem Verhältnis höher stellen wird, als das Papier um so viel mehr bar eingezahltes Geld repräsentiert. Die wesentlichste Gefahr sehe er darin, dass der Besitzer des Papiers in die Lage versetzt wird, jeden || || [,] vielleicht unter [den un]günstigsten Verhältnissen des Geldmarkts, Nachzahlungen zu leisten oder sich der Papiere mit Schaden zu entäußern, um der Einzahlung zu entgehen. Dagegen finde er in dem Vorschlag des Ministers des Innern keine Garantie. Gegenüber den Äußerungen des Handelsministers müsse er bemerken, dass er in einer geringeren Einzahlung eine so außerordentliche Erleichterung für das Zustandekommen reeller Institute nicht finde. Vielmehr erwarte er von der beantragten Forderung der Volleinzahlung die Wirkung, dass man sich gewöhnen wird, eine geringere Zahl von Aktien zu subskribieren, diese aber ganz einzuzahlen. Auch müsse er die Vorteile kleiner Institute, die mit all den zweischneidigen Rechten einer Bank ausgestattet werden, sehr in Zweifel ziehen, und glaube, || || dass die Vorschusskassen dem landwirtschaftlichen Kredit besser Genüge tun. Der Antrag aber, dass nicht die Konstituierung der Bank, sondern nur die Notierung auf der Börse von der Volleinzahlung abhängig gemacht werden soll, würde gerade das kleine Publikum, welches den Kurszettel nicht liest, und zum Ankauf von Papieren bewogen wird, die es für verkäuflich hält, im Momente einer Nachzahlungsforderung großen Gefahren aussetzen.

Der Justizminister schickt voraus, dass er kein Fachmann in dieser Angelegenheit sei. Sein Abgeordneter im Vereinskomitee aber, und die früher dort bestellt gewesenen Beamten des Justizministeriums haben ihm die Ansicht ausgesprochen, dass die ganze gegenwärtige Verhandlung nur einen neuen Beweis liefere, wie dringend es sei, dass die || || [Regierung] so rasch [als möglich] ihrer Verantwortlichkeit loswerde. Von [den] proponierten Maßregeln verspreche man sich wenig Abhilfe, weil die Börse Mittel finden wird, sie zu illudieren. Wenn er sich dessen ungeachtet bezüglich des Punktes zwei für die Ansicht des Finanzministers entscheidet, so geschehe dies aus zwei Gründen: 1) Er lege der Sache mehr eine moralische Bedeutung bei. Der moralische Wert würde aber abgeschwächt, wenn die Regierung, nachdem die Angelegenheit, wie sich nicht verhindern ließ, durch die Tätigkeit des Vereinskomitees in die Öffentlichkeit gedrungen ist, bevor sie noch ganz reif war, nun von ihren Beschlüssen wieder abgehen, und dadurch den Schein auf sich laden würde, als hätte sie etwa dem Drängen der dadurch getroffenen Finanzmächte nachgegeben. 2) bestimme ihn hiezu das || || Argument des Ackerbauministers bezüglich der Gefahr, welcher der kleine Geldbesitzer durch Nachzahlungen in ungünstigen Momenten ausgesetzt wäre. Dabei könne er den Wunsch nicht unterdrücken, dass bei den Unternehmungen ad 3) (Industrieunternehmungen) eine größere, als die bereits beschlossene Latitüde eingeräumt worden wäre. Übrigens glaube er, dass das Ministerium nicht für immer gebunden ist, sondern später auch wieder andere Beschlüsse werde fassen können.

Minister Dr. Unger betont gleichfalls, seine Unerfahrenheit in dem praktischen volkwirtschaftlichen Teile dieser Frage, über deren juristisch-theoretische Seite er allerdings viel nachgedacht, ja selbst geschrieben habe. Ihn bestimmt vorzugsweise die vom Justizminister hervorgehobene Rücksicht auf || || [] [Ver]lautbarung, [] Aufrechthaltung des [Be]schlusses zu votieren. In den Zeitungen sei von der Absicht der Regierung wiederholt in dem Sinne die Rede gewesen, als ob sie sich über den Artikel 222 des Handelsgesetzbuches betreffend die 40% Einzahlung hinaussetzen wolle. Er könne zur Beruhigung hinzufügen, dass er nach sorgfältigem Studium des Artikels 222 im Zusammenhang mit Artikel 249 des Handelsgesetzbuches, dann der darüber erschienen Kommentare zu der Überzeugung gelangt ist, in dem Handelsgesetzbuche liege durchaus kein Hindernis für die vorgeschlagene Maßregel. Das Handelsgesetzbuch kenne nur eine Schranke für das Minimum, nicht aber für das Maximum der Einzahlung. Er habe also juristisch keine Bedenken; kompromittiere in wirtschaftlicher Beziehung auf seine Kollegen vom Fache, || || und stimme daher mit dem Finanzminister und Ackerbauminister. Der Minister des Innern bemerkt, er sehe sich zwar durch die gegen seinen Antrag vorgebrachten Gegengründe nicht überzeugt, unterschätze aber keineswegs das Motiv, dass die Angelegenheit schon in die Öffentlichkeit gedrungen ist, und dass seitdem Statuten zurückgezogen und durch die Bestimmung der Volleinzahlung enthaltende ersetzt worden sind.

Der Handelsminister erklärt, sich aus diesem Grunde gleichfalls konformieren zu wollen.

Der Punkt 2) erscheint somit einhellig eingenommen. Die Konferenz beschließt ferner über Antrag des Ministers Dr. Unger, zur || || []des Scheins [] willkürlichen Vorgangs [] [von] den nun beschlossenen, dem Vereinskomitee zur Richtschnur dienenden Grundsätzen kein Geheimnis zu machen, sondern in entsprechender Weise die Veröffentlichung zu veranlassen.10

IX. Äußerung an den Minister des Äußern wegen der von der französischen Regierung angeregten Abänderung des Handels- und Schifffahrtsvertrages mit Frankreich vom 14. Dezember 1866

IX. ℹ️ Dem Handelsminister ist im Wege des Ministerratspräsidiums eine Note des Ministers des Äußern zugekommen, welche die von der französischen Regierung gewünschte Einwilligung der k. u. k. Regierung in eine Abänderung des Handelsvertrags und des Schifffahrtsvertrags vom 11. Dezember 1866, insbesondere in Betreff der Aufhebung der in den Artikeln 1) und 6) stipulierten Gleichstellung der Flaggen zum Gegenstande hat.11

Der Handelsminister wurde aufgefordert, das Ansinnen der französischen Re|| || gierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister in reiflichste Erwägung zu ziehen, und seine Anträge im Ministerrate zur Sprache zu bringen, dessen Beschlussfassung in der Sache vom Minister des Äußern gewünscht wird. In gleichem Zwecke hat sich der Minister des Äußern an den ungarischen Ministerpräsidenten gewendet. Der Handelsminister erlaubt sich, folgende Antwort an den Minister des Äußern vorzuschlagen: Die k. k. Regierung habe das Ansinnen der französischen Regierung der reiflichsten Erwägung unterzogen, und sich dabei die Folgen jener Modifikationen gegenwärtig gehalten, welche die erwähnten Verträge erleiden würden, wenn das neue französische Gesetz über die Handelsmarine vom 30. Jänner l. J. auch auf die Handels- und Schifffahrtsbeziehungen Österreich-Ungarns mit Frankreich || || [Anwendung finden] würde. [] Modifikationen wären [] [1)] Die im Artikel 6) des Schifffahrtsvertrages stipulierte Bestimmung, dass vom 12. Juni 1869 an Waren aller Art, welche aus irgendeinem Lande unter österreichischer Flagge nach Frankreich eingeführt werden, keine höhern Zölle oder andere Abgaben zu entrichten haben, als wenn die Einfuhr unter der Landesflagge stattgefunden hätte, wäre außer Kraft gesetzt, und hätten dagegen die Artikel 1) und 4) des neuen Gesetzes auch auf Österreich-Ungarn Anwendung zu finden. Hiernach würden alle Waren, welche auf fremden Schiffen nach Frankreich und Algier eingeführt werden, ausgenommen jene, welche von französischen Kolonien kommen, einer für je 100 Kilogramm wie folgt festgesetzten surtaxe de pavillon unterworfen sein: Von europäischen Ländern || || und aus dem mittelländischen Meere [] 0 Francs 75 centimes; von außereuropäischen Ländern diesseits des Kap Horn und des Kap der guten Hoffnung 1 Franc 50 centimes; von den Ländern jenseits dieser Kaps 2 Francs. 2) würde die Gestattung der Anwendbarkeit des Gesetzes auf Österreich-Ungarn auch die Aufhebung einer Bestimmung des Handelsvertrags mit Frankreich involvieren, welche den Zoll für Seeschiffe bei der Einfuhr in Frankreich mit 2 Francs für die französische Tonne festsetzt. Diese würde ersetzt durch Artikel 5) des Gesetzes, welcher die Zölle für Einfuhr von Seeschiffen je nach der Konstruktion mit 30 bis 60 Francs per französische Tonne normiert. Für die Anschauungen des Ministerrates konnte nur das Interesse des österreichischen Handels- und der österreichischen Schifffahrt maßgebend sein. Dieses Interesse sei nun || || [] geringes, [] von französischer Seite [] zu stellen gesucht wird. Im Jahre 1869 sind in französische Häfen eingelaufen 344 Schiffe unter österreichisch-ungarischer Flagge mit einem Tonnengehalte von 111.520 Tonnen. Die hiefür zu entrichtende surtaxe de pavillon würde künftighin zu dem geringsten Satz berechnet 836.000 Francs betragen. Diese Belastung unseres Handels, der wir uns freiwillig unterwürfen, wäre vor unserem Handels- und Schifferstande um so schwerer zu rechtfertigen, als von der französischen Regierung keinerlei Kompensation angeboten wird, und als Artikel 6) des neuen Gesetzes, gegen welchen wir keine Einsprache erheben können, da er auch auf die französische Flagge Anwendung findet, unsere Schiffe ohnedies mit einer neuen Abgabe unter dem Titel einer Quaitaxe belegt, welche für die Fahrten aus Europa und || || dem Mittelländischen Meere 50 centimes per 100 Kilogramm (5 Francs per Tonne) beträgt, sich also für obige 111.520 Tonnen auf 557.600 Francs belaufen würde. Auch die höhere Zollbelastung der aus Österreich nach Frankreich eingeführten Seeschiffe wäre dem Aufschwunge unserer beachtenswerten Schiffbauindustrie immerhin hinderlich. Das Tableau de Commerce weist 1869 eine Einfuhr von „Seeschiffen aus Holz“ aus Österreich nach Frankreich mit dem Gehalte von 356 Tonnen aus. Die künftig hiefür zu entrichtende Zollabgabe von 40 Francs per Tonne würde 14.200 fr. betragen, während nach unserem Handelsvertrage vom Jahre 1866 nur 712 fr. dafür zu entrichten kamen. Auch ein Eingehen auf das laut einer spätern Note auf die Häfen des Atlantischen Ozeans und des Kanals beschränkten Ansinnens Frankreichs müsse die k. k. Regierung entschieden ablehnen. Denn zunächst sei die Be|| || [] [öster]reichischen Han[dels mit] Frankreich durch die surtaxe de pavillon bei der Be[schrän]kung ihrer Anwendbarkeit auf die Häfen im Westen und im Norden Frankreichs zwar vermindert, jedoch nicht beseitigt, und es bleibe die Schädigung unserer Interessen immer noch beträchtlich genug, da die Zahl der in den französischen Häfen des Atlantischen Ozeans eingelaufenen österreichisch-ungarischen Schiffe in den letzten Jahren immer noch größer war, als die Zahl der unter französischer Flagge in alle österreichischen Häfen eingelaufenen Schiffe. Auch sei es trotz der Einschränkung des ursprünglich von der französischen Regierung gestellten Ansinnens der Regierung unmöglich, zu einer Maßregel die Hand zu bieten, welche einen Bruch mit den von uns und den meisten übrigen europäischen Staaten befolgten Grundsätzen einer rationel|| || len Handels- und Zollpolitik bedeutet, und einer halben Sperre der französischen Häfen gegen die fremde Schifffahrt gleichkömmt. Die Rücksicht auf die mit uns nicht minder wie Frankreich befreundeten Staaten, deren Behandlung in Frankreich vermöge der Klausel der Meistbegünstigung auf unserem Schifffahrtsvertrage basiert, und gegen welche die Spitze des französischen Ansinnens gerade in der eingeschränkten Fassung gerichtet ist, brauche als ein weiteres Motiv der Ablehnung nicht ausführlich erwähnt zu werden, da sie ohnedies einen Gegenstand der Erwägung des Ministers des Äußern bildet.

Der Handelsminister stelle sohin über Beschlussfassung des Ministerrates das Ersuchen, die französische Regierung im diplomatischen Wege verständigen zu wollen, dass die k. k. Regierung zu ihrem Bedauern sich nicht in der || || [Lage befindet] auf die ge[] Abänderungen des vertragsmäßigen [] selbst in der neuerlichst beschränkten Fassung einzugehen. Der Finanzminister stimmt der beantragten Erledigung vollkommen bei. Er lege weniger Wert auf die Nachweisung des materiellen Schadens, den wir durch die gewünschte Vertragsmodifizierung erleiden würden, als auf das ihm höherstehende Prinzip, das bei dem Vertragsabschlusse mit Mühe zur Geltung gebracht worden ist. Wenn Österreich das solidarische Prinzip der „Meistbegünstigten“ aufgibt, so erkläre es seine Bereitwilligkeit, auf jene Vorteile zu verzichten, welche zwischen dritten Staaten und Frankreich paktiert werden. Die surtaxe de pavillon liege als den Handel behindernd nicht einmal im französischen Interesse, || || würde aber unsern Zwischenhandel auf das Empfindlichste belasten. Die österreichische Regierung müsse absolut darauf bestehen, dass der Gedanke der Wiedereinführung dieser Einrichtung nicht aufleben dürfe. Es wäre eine unverantwortliche Schädigung unseres der Ausdehnung fähigen Küstenhandels, wenn die österreichische Regierung in die Zumutung höherer Gebühren einwilligen würde, bloß um Frankreich aus einer Verlegenheit zu helfen. Überhaupt könne es nicht zugegeben werden, dass Verträge auf eine bestimmte Dauer geschlossen werden, um sie zu ändern, sobald einem kontrahierenden Teile eine Verlegenheit erwächst. Hauptsächlich aber müsse er betonen, dass die Reziprozität mit andern Staaten, vermögen welcher Österreich an den Benefizien teilnimmt, die auf von dritten || || [] Frankreich ge[] Verträgen be[] uns gebietet, an den [gew]onnenen Befreiungen festzuhalten. Die von der französischen Regierung gewünschte Vertragsmodifikation würde ein Novum schaffen, durch welche das ganze System der „Meistbegünstigten“ in die Brüche ginge. Minister Dr. Unger stimmt der vom Handelsminister beantragten Antwort gleichfalls bei, indem er auf das politische Moment, nämlich die Rücksicht für die übrigen in Frankreich meistbegünstigten Staaten, welche durch eine Relaxation des österreichisch-französischen Handels- und Schifffahrtsvertrags entschieden zu Schaden kämen, das wesentlichste Gewicht legt. Eine Nachgiebigkeit Österreichs erschiene ihm als eine Koketterie mit Frankreich, die uns um die Sympathien Italiens und || || Deutschlands bringen würde, während wir letztere durch Festhalten an dem Vertragsprinzip zu einem Danke verpflichten, der Österreich bei einer gegebenen Konstellation von außerordentlicher Wichtigkeit sein kann.

Die Konferenz genehmigt sonach einhellig den Antrag des Handelsministers.12

X. Beantwortung einer Interpellation in dieser Angelegenheit

X. ℹ️ In der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 13. Februar 1872 wurde von den Abgeordneten Dr. von Mayerhofer & Konsorten eine auf den eben besprochenen Gegenstand bezügliche Interpellation eingebracht, welche mit der Frage schließt: „Sind der hohen Regierung bereits Eröffnungen von Seite der französischen Regierung, betreffend diese Mehrbelastung der österreichischen Schiffe und der unter österreichischer Flagge ein|| || [] Waren gemacht [] und welche Stellung [gedenkt] die hohe Regierung in dieser Frage einzunehmen?“

Der Handelsminister verliest den von ihm vorbereiteten Beantwortungsentwurf.e Da jedoch die Konferenz den Zeitpunkt für die Erteilung der Antwort noch nicht gekommen erachtet, wie auch den Inhalt derselben näherer Erwägung vorbehalten zu sollen glaubt, so wird der Beschluss über diese Interpellationsbeantwortung vertagt.13

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Ofen, 27. März 1872. Franz Joseph.