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Nr. 44 Ministerrat, Wien, 16. Februar 1872

RS. und bA.; P. Weber; VS. Auersperg; BdE. und anw. (Auersperg 16. 2.); Lasser, Banhans 21. 2., Stremayr, Glaser 23. 2., Unger, Chlumecký 24. 2., Pretis 26. 2.

KZ. 384 – MRZ. 29

|| || Protokoll des zu Wien am 16. Februar 1872 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Durchlaucht des Herrn Ministerpräsidenten Fürsten Auersperg.

I. Erwirkung der Ah. Ermächtigung zur Einbringung der Wahlreform nach dem, der bevorstehenden Vertagung folgenden Wiederzusammentritte des Reichsrates

[I.] ℹ️Der Ministerpräsident macht die Mitteilung, dass er sich gestern eine Audienz bei Sr. Majestät dem Kaiser erbeten habe, um Ah. Demselben über den Stand der parlamentarischen Aktion au. Bericht || || zu erstatten.1

Er habe hievon Anlass genommen, Sr. Majestät au. vorzutragen, wie es den ersprießlichen Fortgang der Regierungsaktion, insbesondere vom Standpunkte der galizischen Frage,2 wesentlich zu fördern geeignet wäre, wenn Se. Majestät der Regierung Ag. gestatten würden, im geeignet befundenen Zeitpunkte die Erklärung abzugeben, das Ministerium sei Ah. ermächtigt, die Wahlreform auszuarbeiten, und im Reichsrate bei dessen Wiedereinberufung nach der bevorstehenden Vertagung, somit in den Herbstmonaten dieses Jahres, in Vorlage zu bringen. Se. apost. Majestät habe mit diesem Antrage Ah. sich einverstanden zu erklären, und den Ministerpräsidenten zu beauftragen geruht, den Gegenstand im Ministerrate vorzubringen, und nach einge|| || [holtem] [] [Be]schlusse den [au.] Vortrag [in der] bezeichneten Richtung [zu] erstatten. Demgemäß habe Er die Minister zu der gegenwärtigen Sitzung berufen, und ersu[che] sie, sich darüber auszusprechen, ob der von Ihm beantragte Vorgang ihre Billigung findet.

Die Erklärung, zu deren Abgabe im geeigneten Moment, und zwar sowohl im Verfassungsausschusse, als auch, wenn es notwendig werden sollte, im Hause der Abgeordneten, die Ah. Bewilligung zu erbitten wäre, hätte nach Seinem Erachten dahin zu gehen, die Regierung sei von Sr. Majestät ermächtigt, sobald der Reichsrat nach dessen jetzt bevorstehender Vertagung wieder zusammentritt,3 also im Herbste dieses Jahres, ein positives Gesetz zur entsprechenden Abänderung des Reichsgrundgesetzes in Absicht auf die Einführung || || direkter Wahlen und in Verbindung damit ein Wahlgesetz unter Wahrung der Interessenvertretung einzubringen, wobei jedoch Galizien die Sonderstellung einzuräumen wäre, dass für die Reichsratswahlen dieses Landes der bisherige Modus beibehalten, und für die Zukunft die Art der Reichsratsbeschickung aus Galizien der Landesgesetzgebung überlassen wird. Was den Zeitpunkt für die Abgabe dieser Erklärung anbelangt, so halte er den Schluss der Debatte im Abgeordnetenhause über das Notwahlgesetz für den hiezu geeignetsten, während ein früheres Hervortreten mit der gedachten Erklärung zu der Anschauung führen könnte, als sei, nachdem die direkten Wahlen gesichert erscheinen, das Notwahlgesetz entbehrlich geworden.

Der Ministerpräsident || || [] mehrerwähn[ten] [] nach beiden Seiten [be]friedigend wir[ken wird], in der Ver[fassungs]partei deshalb, weil dieselbe daraus ersehen wird, dass von Ah. Stelle gegen die direkten Wahlen keine Schwierigkeiten erhoben werden, und bei den Polen, weil sie die Sicherheit erlangen, dass jener Punkt, auf welchen sie am meisten Gewicht legen, nämlich der Vorbehalt der selbstständigen Reichsratsbeschickung von Galizien, [in] die ihnen zu erteilenden Konzessionen aufgenommen werden wird. Minister Dr. Unger schließt sich dem Antrag des Ministerpräsidenten vollkommen an.

Die Schwierigkeiten, die der Verhandlung über den galizischen Ausgleich, abgesehen von einzelnen Punkten materieller Natur, || || [im] Ganzen noch entgegenstehen, wurzeln in dem gegenseitigen Misstrauen der Parteien. Den Galiziern erscheint das Ausgleichselaborat so lange nicht annehmbar, als ihnen die Freilassung ihres Landes von den direkten Reichsratswahlen nicht förmlich assekuriert wird, denn sie besorgen, dass die Verfassungspartei, wenn es der Regierung gelingt, einen verfassungstreuen Landtag in Böhmen zu erzielen, im Abgeordnetenhause über eine Zweidrittelmajorität gebieten wird, durch welche die direkten Wahlen nicht bloß für die anderen Länder beschlossen, sondern auch Galizien aufgenötigt werden könnten. Die Verfassungspartei dagegen besorgt, dass die Galizier, sobald ihre Wünsche realisiert sind, kein Interesse mehr haben werden, erstere in Betreff der direkten Wahlen zu unter|| || [stützen] auf diese Art [] beiden Parteien [] einem endlichen []nen entschließen kann, [] dass jede von ihnen erreicht hat, um was ihr zunächst zu tun ist, so könnte er es nur dankbarst begrüßen, wenn Se. Majestät geruhen würden, die Regierung zur Abgabe der gedachten Erklärung im geeigneten Moment – und als solchen erachte auch er die Beendigung der Debatte über das Notwahlgesetz – Ag. zu ermächtigten. Der Minister des Innern nimmt von der Mitteilung des Ministerpräsidenten mit Vergnügen Akt, indem er in der in Aussicht gestellten Ah. Ermächtigung eine wesentliche Erleichterung und Förderung der von der Regierung übernommenen Aufgabe erblickt.

|| || Nachdem auch die übrigen Konferenzmitglieder sich dem Antrage des Ministerpräsidenten anschließen, erscheint derselbe mit Stimmeneinhelligkeit angenommen, und wird der bezügliche au. Vortrag vom Minister des Innern unter Mitfertigung des Ministerpräsidenten erstattet werden.4

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Ofen, 3. März 1872. Franz Joseph.