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Nr. 38 Ministerrat, Wien, 8. Februar 1872 – Protokoll I

RS. und bA.; P. Weber; VS. Auersperg; BdE. und anw. (Auersperg 8.2.); Lasser 13. 2. (von V bis X), Banhans 13.2., Stremayr, Glaser 18. 2., Unger, Pretis, Horst (bei I–III); abw. Chlumecký.

KZ. 378 – MRZ. 23

Protokoll I des zu Wien am 8. Februar 1872 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Durchlaucht des Herrn Ministerpräsidenten Fürsten Auersperg.

I. Ansuchen der Salzburger Landesvertretung um günstigere Behandlung des Landes bei Aufteilung des Rekrutenkontingents

I. ℹ️ Dem Leiter des Landesverteidigungsministeriums ist vom Salzburger Landesausschusse in Vollziehung eines Beschlusses des Landtages das Ansuchen zugekommen, die Regierung möge

a) eine Abänderung des § 30 des Wehrgesetzes vom 5. Dezember 1868 in der Richtung anstreben, dass die Aufteilung des Rekrutenkontingents nicht nach der Ziffer der Bevölkerung, sondern nach der Zahl der Wehrfähigen zu erfolgen habe oder

b) eventuell dafür Sorge tragen, dass Salzburg bei Verteilung des Kontingents auf die einzelnen Länder weniger als bisher belastet werde.1

Der Leiter des Landesverteidigungsministeriums bemerkt, Salzburg halte sich deshalb für überbürdet, weil infolge der geringeren physischen Leistungsfähigkeit der dortigen Bevölkerung auf die höhern Altersklassen gegriffen werden muss. Die Auffassung sei keine richtige, im Ganzen treffe Salzburg verhältnismäßig eine gleiche Last wie die anderen Länder. Nach gepflogenem Einvernehmen mit dem Reichskriegsministerium beabsichtigt [das Ministerium für] Landesverteidigung im [] der [Landes]regierung [] erlassen: Ad a) Nachdem außer vom Salzburger Landtage sonst noch von keiner Landesvertretung oder von einer andern Seite eine Abänderung des § 30 als notwendig oder wünschenswert bezeichnet worden ist, und auch die bisher gewonnenen Erfahrungen nicht von der Art sind, um hiezu gegründete Anhaltspunkte zu bieten, so ist die Regierung nicht in der Lage, die gewünschte Änderung anzubahnen. Ad b) Die Willfahrung dieses Ansuchens erscheint gesetzlich unzulässig. Die Aufteilung auf die einzelnen Länder beruht auf der einfachen Berechnung nach der Bevölkerungssumme, an welcher Berechnung eine Änderung eintreten zu lassen außer der Macht des verantwortlichen Ressortministers liegt.

Der Handelsminister erklärt [sich] im Prinzip mit der ablehnenden Antwort vollkommen einverstanden, würde aber ad a) den zweiten Grund für zureichend halten, um die Abweisung zu begründen, während der erste, nämlich die Hinweisung darauf, dass sonst noch von keiner Seite eine Anregung in dieser Richtung eingelangt ist, bei den bezüglich des § 30 bestehenden auseinandergehenden Anschauungen nur geeignet erschiene, ähnliche Resolutionen anderer Landesvertretungen erst hervorzurufen, daher der erst angeführte Grund wegzulassen wäre. Der Leiter des Landesverteidigungsministeriums konformiert sich diesem Amendement.

Die Konferenz stimmt dem hiernach modifizierten Antrage des Leiters des Landesverteidigungsministeriums bei.2

II. Ansuchen des schlesischen Landtags um Erhöhung der Bequartierungsentschädigung für Teschen

II. ℹ️ Dem Leiter des Landesverteidigungsministeriums [liegt ein Ansuchen] des schlesischen [Landtags] vor, dahin gehend, [dass] der Stadtgemeinde Teschen eine höhere, als die nach dem Bequartierungsreglement entfallende Entschädigung für die Bequartierungslast gewährt werde.3

Das Reichskriegsministerium, mit welchem diesfalls das Einvernehmen gepflogen wurde, hat sich der Ansicht des Landesverteidigungsministeriums angeschlossen, dass an dem bestehenden Gesetze, so lange es nicht im verfassungsmäßigen Wege abgeändert worden ist, festgehalten werden muss, und bis dahin dem Ansuchen einzelner Gemeinden um Aufbesserung, bei Aufrechthaltung der geringeren Entschädigung für die übrigen Gemeinden, nicht entsprochen werden kann. Dies wäre der schlesischen Landesvertretung im Wege des Landeschefs mit dem Beifügen zu eröffnen, dass die Regierung mit dem Entwurf eines bezüglichen neuen Gesetzes beschäftigt ist.

Die Konferenz ist mit dieser Erledigung einverstanden.4

III. Fallenlassen der vom Ausschusse für das Unteroffiziersversorgungsgesetz beabsichtigten Resolution betreffend die Berücksichtigung gedienter Unteroffiziere seitens der Gemeinden, Bezirks- und Landesvertretungen

III. ℹ️ Der Leiter des Landesverteidigungsministeriums bringt zur Kenntnis, dass die vom Ausschusse für das Unteroffiziersversorgungsgesetz beabsichtigt gewesene Resolution, der Regierung die geeigneten Schritte zu empfehlen, damit auch die Gemeinde-, Bezirks- und Landesvertretungen zur Berücksichtigung gedienter Unteroffiziere herangezogen werden, wieder fallen gelassen worden ist, und zwar aus dem Grunde, weil eine Garantie für die Annahme der Resolution im Plenum bei den mehrseitig obwaltenden Kompetenzbedenken nicht vorhanden ist, und eine Ablehnung im Plenum der Sache selbst nur schaden würde, indem die Gemeinden und andere autonome [Körperschaften] darin eine [prinzipielle] Zurückweisung [sehen] würden, während [wenn] die Resolution nicht eingebracht wird, die Regierung freie Hand behält, so ferne sie [für] nötig findet, Regierungsvorlagen in den Landtagen einzubringen.5

Der Leiter des Landesverteidigungsministeriums habe sich diesen Motiven im Interesse der Sache selbst nicht verschließen können, und daher auf das Zustandekommen der Resolution nicht weiter dringen zu sollen erachtet. Der Justizminister bezeichnet den vom Leiter des Landesverteidigungsministeriums beobachteten Vorgang als einen ganz richtigen. Die Regierung, welche in der Sache nichts anderes tun kann, als Vorlagen an die Landesvertretungen einzubringen, benötige die Resolution gar nicht, und da das Schicksal der letzteren bei den auf der rechten Seite des Hauses herrschenden Anschauungen nicht gesichert ist, so sei es dem Interesse der Sache gewiss dienlicher, wenn die Resolution gar nicht vor das Haus gebracht wird. Allerdings sei zu besorgen, dass bei den Vorlagen an die Landtage einer jener Nachteile zum Vorschein kommen wird, welche der Regierung aus der Teilung der Gesetzgebung überhaupt erwachsen. In einer großen Mehrzahl der Landesvertretungen werde vielleicht die volle Geneigtheit, auf die Vorlage einzugehen, vorhanden sein. Jede einzelne werde aber besorgen, dass die andern Landtage darauf nicht eingehen und das Land dann eine Verpflichtung übernehmen würde, von welcher die andern frei bleiben. In Folge dessen werde ein Landtag auf den andern warten, und so das Zustandekommen der beabsichtigten Landesgesetze in Frage gestellt oder doch sehr erschwert werden.

Die Konferenz nimmt die [] [des Leiters] des Landesverteidigungsministeriums zur Kenntnis.6

IV. Bestellung eines Direktors der Normaleichungskommission

IV. ℹ️ Der Handelsminister weist auf die Dringlichkeit der Aufstellung einer Normaleichungskommission hin, da das Gesetz über das neue Maß- und Gewichtssystem fakultativ schon mit 1. Jänner 1873 ins Leben treten kann.7

Die Instruktion für diese Kommission, die er im eigenen Wirkungskreise zu erlassen hat, liege fertig vor, nachdem er sie vorher einigen Konferenzmitgliedern mitgeteilt, und den aus diesem Anlass gemachten Andeutungen Rücksicht getragen hat. An der Spitze der Kommission soll ein Direktor mit dem Titel und Range eines Ministerialrats stehen, für welchen Posten er den Professor der Astronomie am Wiener Polytechnikum Regierungsrat Herr ins Auge gefasst hat. Professor Herr [habe] sich bei dem Zustandekommen des Gesetzes wesentlich hervorgetan, erfreue sich eines günstigen Rufes in der wissenschaftlichen Welt Österreichs, ja aller vorgeschrittenen Staaten Europas, und berechtige zu der Erwartung, dass seine Tätigkeit von dem besten Erfolg begleitet sein wird. Professor Herr lege aber ein Gewicht darauf, gerade in seiner Stellung als Direktor der Normaleichungskommission seiner wissenschaftlichen Beschäftigung nicht entzogen zu werden, berufe sich auf gleiche Vorgänge im Auslande, wo ebenfalls an der Spitze dieser Kommissionen Männer der Wissenschaft stehen, und verlange die Beibehaltung seines mit einem Gehalte von 3.000 fl. verbundenen Professorspostens, dann für die Dienstleistung als Direktor nebst dem Titel und Range eines Ministerialrates eine jährliche Remuneration von 4.000 fl., und für den Fall der Dienstesunfähigkeit, zu seinem [] Ruhegehalt noch eine [Zulage] jährlicher 1.500 fl. [Auf] diese Art würde, wenn er [als] Professor mit seinem ganzen Aktivitätsbezug pensioniert wird, die ganze Pension annäherungsweise jener eines Ministerialrats der höheren Gehaltskategorie gleichkommen. Der Handelsminister, dem wesentlich an der Gewinnung einer dem In- und Ausland gegenüber Vertrauen einflößenden Kapazität zu tun ist, habe gegen diese Bedingungen, da ihm eine andere Kraft nicht zur Verfügung steht, nichts einwenden können. Für die Remuneration sei im Budget insoferne vorgesorgt, als für das Eichungswesen in runder Summe 150.000 fl. eingestellt worden sind, welche auch zur Bedeckung der Remuneration vollkommen ausreichen werden. Nachdem er sich in dieser Angelegenheit wegen der Kumulierung des Direktors- und Professorspostens, dann wegen des Pensionsanspruchs mit dem Unterrichts- und Finanzminister ins Einvernehmen gesetzt, ersucht er die Konferenz um die Zustimmung für die Systemisierung des mit dem Titel und Range eines Ministerialrates, einer Jahresremuneration von 4.000 fl. und dem Anspruch auf eine Pensionszulage von 1.500 fl. auszustattenden Direktorspostens, die Ah. Genehmigung einholen zu dürfen.

Der Unterrichtsminister ist zwar prinzipiell nicht für die Kumulierung von praktischen Geschäften mit der Professur, und bedauert nur, dass sie in einzelnen Fällen, wie in dem vorliegenden, kaum vermeidlich ist. Da übrigens Professor Herr nur ein Fach (höhere Geodäsie) vorträgt, für welches ein Lehrstuhl, um ihn festzuhalten, eigens kreiert worden ist, und welches nur fünf Stunden wöchentlich in Anspruch nimmt, so wolle er in Anbetracht, [dass] der Handelsminister auf die Gewinnung dieses Professors legt, keine Einwen[dung] erheben. Gegen die Remuneration, die allerdings sehr [hoch] ist, habe er nichts einzuwenden, da sie nicht sein Ressort berührt – ebenso in Betreff der Pension, obwohl es ganz [ab]norm sei, aus einer Remuneration Pensionsansprüche zu deduzieren. Der Finanzminister beanständet die ganz außerordentliche Höhe der beanspruchten Remuneration, durch welche die Bezüge des Professor Herr höhergestellt werden als jene eines Sektionschefs. Er glaubt, dass die Einleitung von Verhandlungen mit andern Fachmännern den gedachten Professor, der allem Anscheine nach seine vermeintliche Unentbehrlichkeit auszunützen bestrebt ist, vielleicht zu einer Ermäßigung seiner Ansprüche bestimmt hätte. Der Ministerpräsident findet die Remunerations- und Pensionsansprüche des Professors Herr für eine bloße Nebenbeschäftigung übertrieben, und ist mit deren Gewährung nicht einverstanden. Nachdem der Handelsminister auf die Verhandlungen, die er mit Professor Herr gepflogen, und bei welchen er es auch an Andeutungen in der vom Finanzminister bezeichneten Richtung nicht habe fehlen lassen, eines nähern zurückgekommen, erklärt der Finanzminister, dass er auf die ausdrückliche Versicherung des Handelsministers, die Akquirierung des Professors Herr für den fraglichen Posten sei absolut notwendig, und eine Ermäßigung seiner Remunerationsansprüche nicht zu erzielen, sich der Notlage füge und in Betreff der Remuneration seine Zustimmung erteile, bezüglich der Pension jedoch nur dann einwilligen könnte, [] [ent]sprechende Modifikationen festgesetzt werden, [die] die Möglichkeit aus[schließe], dem Ärar nach einer ganz kurzen, vielleicht [von] der freien Entschließung des Direktors abhängigen Zeit die volle Pensionslast aufzubürden. Er proponiert die Pension für Professor Herr, wenn derselbe als Direktor nach einer zehnjährigen Verwendung in den Ruhestand versetzt wird, mit jährlichen 1.000 fl., nach einer 15-jährigen Verwendung mit 1.500 fl. zu bemessen.

Der Handelsminister ist bereit, bezüglich der Pensionsansprüche nochmals mit Professor Herr in diesem Sinne zu verhandeln. Zu der beabsichtigten Einsetzung der Normaleichungskommission und Bestellung eines mit dem Titel und Range eines Ministerialrates bekleideten Direktors erteilt die Konferenz ihre Zustimmung.8

V. Amtssprache im Verkehr zwischen den Postmeistern und den Postdirektionen

[V.]a ℹ️ Der mährische Landtagsabgeordnete Postmeister Wurm von der Postdirektion im Disziplinarwege zu einer Geldstrafe verurteilt, hat dagegen einen in tschechischer Sprache verfassten Rekurs bei der Brünner Postdirektion eingereicht. Letztere fragt sich bei dem Handelsministerium an, ob im ämtlichen Verkehr zwischen Postmeistern und der vorgesetzten Behörde eine andere als die deutsche Sprache angewendet werden dürfe, und fügt bei, dass Wurm, welcher seit 1852 die Postmeisterstelle versieht und jederzeit seine Berichte in der deutschen Sprache erstattet hat, der letzteren vollkommen mächtig ist.9

Der Handelsminister ist der Ansicht, dass im ämtlichen Verkehr der Behörden unter einander ausschließlich die deutsche Sprache anzuwenden ist, untergebene Organe aber bezüglich ihrer Privateingaben ebenso wie andere Private zu behandeln sind, [] anheimgestellt [werden] muss, bei Privatein[gaben sich] auch einer anderen Sprache zu bedienen. Die fragliche Eingabe aber sei vorwiegend ämtlicher Natur, da die Verhängung der Geldstrafe im Disziplinarwege erfolgte. So geringfügig die Frage an sich scheint, so habe er, da sie vor der Öffentlichkeit leicht zu einer prinzipiellen gemacht werden kann, den Ausspruch der Konferenz einzuholen geglaubt, ob seine Anschauung korrekt ist. Er müsse um so vorsichtiger sein, als er aus Anlass der angeblichen Einführung deutscher Korrespondenzkarten in Kärnten, welche sich aber in der Wahrheit auf die aus ökonomischen Rücksichten getroffene Verfügung des Generalpostdirektors beschränkt, dass dort wo mehrsprachige Korrespondenzkarten verlangt werden, diese, wo aber nur deutsche Karten verlangt werden, nur letztere erfolgt werden, bereits als Germanisator bezeichnet worden ist. Der Finanzminister beantragt, den Beisatz, betreffend private Eingaben untergebener Beamten, wegzulassen, und die Zurückstellung der in Rede stehenden dienstlichen Beschwerde aus dem Grunde zu verfügen, weil die Amtssprache im Verkehre der Behörden die deutsche ist.

Die Konferenz stimmt diesem Antrage bei.10

VI. Vertrag mit dem Lloyd über die Linie Triest–Bombay

VI. ℹ️ Der Handelsminister referiert über den beiliegenden Vertrags- und Gesetzentwurf wegen Sicherstellung einer direkten Lloydpostfahrt zwischen Triest und Bombay.b,11

Die mit der ungarischen Regierung gepflogenen und bis zur Vereinbarung gediehenen Verhandlungen über die Eröffnung der Linie TriestBombay, in welche über Wunsch der ungarischen Regierung auch die Linie FiumeBrasilien einbezogen wurde, scheiterten [] [in der schließ]lichen Ablehnung [der] [ge]nannten Regierung, [die] damit beschäftigt ist, [eine] eigene ungarische Dampfschifffahrtsgesellschaft ins Leben zu rufen. Der Handelsminister ist von dem Entschlusse der ungarischen Regierung, auf den Aditionalvertrag dermal nicht einzugehen, sowohl vom ungarischen Handelsministerium als vom Minister des Äußern, von letzterem mit dem Beisatze verständigt worden, dass er nunmehr freie Hand habe, in der Angelegenheit zu verfügen, was ihm zweckmäßig scheint.12

Der Handelsminister, von der Überzeugung geleitet, dass die Handelsinteressen Österreichs die Beibehaltung einer direkten Verbindung mit Indien gebieterisch fordern, hat dem Minister des Äußern die Absicht eröffnet, nunmehr die Bombaylinie allein im legislativen Wege sicherzustellen und sich hiezu die Ah. Genehmigung zu erbitten. Der Minister des Äußern hat sich damit einverstanden erklärt.

Infolgedessen ist der Handelsminister mit dem Lloyd ins Einvernehmen getreten und dieser ist bereit, mit der österreichischen Regierung allein in Betreff der Bombaylinie einen Vertrag, und zwar unter den früher schon vereinbarten Bedingungen zu schließen.

Der Handelsminister ersucht nun um die Zustimmung der Konferenz, von Sr. Majestät die Ah. Genehmigung zur Einbringung des beiliegenden die Regierung zum Abschluss des Vertrags ermächtigenden Gesetzentwurfes erbitten zu dürfen. Er hätte einen Wert daraufgelegt, den österreichisch-ungarischen Handel als einen einheitlichen zur Geltung zu bringen. Da dies aber unmöglich ist, so halte er es für Pflicht, Sorge zu treffen, dass die österreichischen [Handelsinter]essen und na[mentlich] ein so blühender [Handel], wie der österreichisch-indische es zu werden verspricht, in keiner Weise geschädigt werden, zumal gegenüber der Gefahr, dass bei Auflassung dieser Linie der ganze Verkehr über Italien geleitet würde, welches alle Anstrengungen macht, den [in]dischen Handel an sich zu reißen. Soll Österreich im adriatischen Meere nicht abdizieren, so müsse diese Linie sichergestellt werden. In der Alternative, erst das Gesetz vorzulegen, und aufgrund desselben den Vertrag abzuschließen, oder den Vertrag zu schließen, und dann mit einer Nachtragsforderung vor das Haus zu treten, habe er den ersteren Weg für den zweckmäßigeren erachtet, weil derselbe den Abschluss des Vertrags auf die ganze durch das Gesetz bestimmte Dauer ermöglicht.

Der Finanzminister ist prinzipiell der Ansicht, dass staatliche Subventionen für Seefahrten sich nur vom postalischen Standpunkte rechtfertigen lassen, während die Subventionierung rein merkantilischer Zwecke Präjudize schaffen würde, die sich nicht empfehlen. Er ist mit der Sicherstellung der fraglichen Linie einverstanden, da es sich darum handelt, der Konkurrenz Italiens die Stirne zu bieten. Doch macht er aufmerksam, dass durch diese Linie nur ein Glied in der Kette hergestellt wird, welche unsere Stellung zum indischen Handel sichert. Österreich würde letzteren trotz dieser Linie einbüßen, wenn nicht bald die Predilbahn13 und mittelst derselben die weitere Verbindung mit dem Bodensee hergestellt wird. Der direkte österreichische Verkehr mit Indien sei nicht sehr bedeutend, und werde es lange nicht werden, dagegen sei es notwendig, uns den Anteil [an dem] Handelsverkehr [zu sichern] welcher zwischen [Indien] und anderen Staaten besteht. Um das Prinzip zu salvieren, dass die staatliche Subvention nur aus postalischen Rücksichten stattfinde, würde er vorschlagen, in dem Entwurfe nicht von einer „Post- und Warendampferlinie“ zu sprechen, sondern die Linie bloß als Postlinie zu bezeichnen. Dafür spreche auch der Umstand, dass die Befreiung von Konsulargebühren nur unter dem Titel der Postfahrten gerechtfertigt werden kann, und dass gewisse Fazilitäten in den levantinischen Häfen eben nur Postschiffen zugestanden werden. Der Zweck, welcher mit dem Beisatz „Warendampfer“ angestrebt wird, würde besser durch die Stipulierung erreicht, dass die Dampfer auch für Warenverfrachtung benützbar eingerichtet sein müssen. Weiter sei ihm aufgefallen, dass der Vertrag gleich auf [fünf] Jahre abgeschlossen werden soll, ohne dass für die Eventualität einer mittlerweiligen Änderung der Verhältnisse eine Revision des Vertrags vorbehalten wird. Er glaubt, dass sich der Lloyd dem Vorbehalt einer Vertragsrevision nach Ablauf von etwa drei Jahren, die ja möglicherweise auch für ihn günstig ausschlagen kann, und für den Staat den Vorteil hat, dass er sich nicht unbedingt auf fünf Jahre bindet, bereitwillig fügen würde. Bezüglich des Subventionsbetrags von 190.000 fl. würde er, da die Subvention nicht nach der Zahl der zurückgelegten Meilen, sondern pauschaliert für zwölf Hin- und Herfahrten per Jahr entrichtet wird, eine Bestimmung wünschen, welche das Ärar für den Fall, wenn eine oder die andere Fahrt ausfällt, in der Richtung sichert, dass ein adäquater Abzug [] Subventionssumme [.] Der Handelsminister ist auf den Wunsch des Finanzministers, betreffend die Bezeichnung der Linie als Postlinie und Aufnahme der Verpflichtung die Postdampfer für die Warenverfrachtung benutzbar einzurichten, wie auch auf den weiteren Wunsch betreffend die Stipulation eines verhältnismäßigen Abzugs an der Subvention für die Eventualität ausfallender Fahrten, einzugehen bereit. Dagegen hat er nicht die Absicht, sich eine Revision des Vertrags vorzubehalten, da es ihm nicht zweckmäßig scheint, etwas, was im Gesetzgebungswege fixiert werden soll, im Vorhinein wieder in Frage zu stellen. Die Freiheit der Regierung sei im Artikel IV dieses Separatvertrags in derselben Weise gesichert, wie sie die gemeinsame Regierung [in] dem gemeinsamen Vertrag gewahrt hat. Der Justizminister bemerkt, dass der Vorbehalt der Revision ohne dem Rechte der Kündigung nichts nützt. Entweder verständigt man sich im Falle geänderter Verhältnisse, dann bedürfe es des Vorbehalts einer Revision nicht, oder man verständigt sich nicht, dann habe auch der Revisionsvorbehalt keinen Erfolg.

Nachdem sich der Finanzminister mit den vom Handelsminister akzeptierten zwei Modifikationen, denen auch die übrigen Konferenzmitglieder beitreten, zufriedengestellt und auf den Vorbehalt einer Revision nicht weiter bestehen zu wollen, erklärt, wird der Handelsminister ermächtigt, zur Einbringung des Gesetzentwurfes die Ah. Genehmigung einzuholen.14

VII. Reorganisierung der Telegrafenverwaltung

VII. ℹ️ Der Handelsminister ist [] nachdem der gegenwärtige Organismus des Telegrafendienstes bei der Zunahme des Depeschenverkehres und der raschen Vermehrung der Leitungen und Stationen sich von Tag zu Tag mehr als ungenügend erweist, zu einer Reorganisierung der Verwaltung des Telegrafeninstituts in den im Reichsrate vertretenen Ländern zu schreiten, und Se. apost. Majestät um die Ah. Genehmigung des nunmehr vollendeten Reorganisierungselaborats au. zu bitten.15

Die bezüglichen Anträge des Handelsministers, deren in dem au. Vortrage enthaltene nähere Begründung er der Konferenz mitteilt, beziehen sich auf folgende Punkte:

1) Aufhebung der im Zentrum befindlichen Telegrafendirektion und der beiden Inspektorate zu Krakau und Reichenberg.

2) Umstaltung der in jenen zehn Provinzialhauptstädten, in welchen sich Postdirektionen befinden, bestehenden Inspektorate in Telegrafendirektionen mit erweiterter Ingerenz auf die ausübenden Organe, und Unterstellung der Telegrafendirektionen gegenüber den Landeschefs in derselben Weise, wie es kürzlich bezüglich der Postdirektionen verfügt worden ist, nämlich der Art, dass dem Statthalter ein Einfluss auf die Errichtung von Stationen und auf die Personalien zukommt, dass alle Personalanträge durch ihn vorgelegt und alle Übersetzungen ihm angezeigt werden müssen.

3) Feststellung des Wirkungskreises der Telegrafenorgane.

4) Errichtung von drei Departements in der Post- und Telegrafensektion des Handelsministeriums, und zwar eines für den administrativen, eines für den technischen Dienst, und eines dritten für den inter[nen] [] [Ver]kehr und das [] Systemisierung [von] drei Rats- und vier Sekretärsposten in der genannten Sektion des Handelsministeriums [wovon ein Sekretärposten für das bereits seit Mai v. J. bestehende neue fünfte Departement der Postabteilung bestimmt ist], dann des nötigen Personalstandes für den technischen Teil der Zentralleitung, für die Direktionen und Telegrafenstationen.

5) Ermächtigung des Handelsministers, die Stationsverwalter- und Kontrollorstellen nach Bedarf vermehren zu dürfen.

Was die Gehalte anbelangt, so bietet die Reorganisierung dem Minister die Möglichkeit, die Lage der Beamten zu verbessern. Die Stellen mit 500 fl. Gehalt werden ganz aufgelassen, der geringste Beamtengehalt wird mit 600 fl. bemessen. Das Institut der Eleven beabsichtigt der Handelsminister aufrechtzuerhalten, die Zahl derselben von [] auf 100 zu vermehren, und ihre Bezüge, welche bisher in 300 fl. bestanden, zur Hälfte mit 400 fl. zur anderen Hälfte mit 300 fl. zu bemessen. Ungeachtet dessen werde er mit dem, dem Vorjahre gegenüber allerdings um 200.000 fl. erhöhten Voranschlag pro 1872 das vollkommene Auslangen finden, ja noch eine Ersparnis von 13.000 fl. erzielen. Der Finanzminister ersucht um vorherige Mitteilung des Elaborats, welche zugesagt wird.

Vorbehaltlich der Zustimmung des Finanzministers erteilt die Konferenz dem Handelsminister die Ermächtigung zur Erstattung des bezüglichen au. Vortrags.16

VIII. Eisenbahn von Leluchów nach Tarnów mit einer Abzweigung von Grybów nach Zagórz

VIII. ℹ️ Der Handelsminister bringt zur Kenntnis, dass er wegen des Baues einer Eisenbahn von Leluchów nach Tarnów über [] mit einer [Abzweigung von] Grybów [nach Zagórz] einen Gesetzentwurf vorbereitet, denselben [aber], bevor er ihn zum Vortrage im Ministerrate bringt, dem Reichskriegsminister zur Einsicht zugemittelt hat.17

IX. Auszeichnungen für die Funktionäre der königlich preußischen Direktion der oberschlesischen Eisenbahnen Friedrich Lentze, Reinhard Gehlen und Carl Ottmann

IX. ℹ️ Der Generalinspektor der Kaiser-Ferdinands-Nordbahn hat in einem an den damaligen Leiter des Handelsministeriums Baron Pretis gerichteten Promemoria vom 9. Jänner 1871 auf die Verdienste aufmerksam gemacht, welche sich mehrere höhere Funktionäre der königlich preußischen Direktion der oberschlesischen Eisenbahn um die Hebung des internationalen Verkehrs zwischen Österreich und Preußen erworben haben.

Als solche werden bezeichnet: Der königlich geheime Regierungsrat und Vorsitzende der Direktion der oberschlesischen Eisenbahn Friedrich Ludwig Lentze, der königliche Regierungsrat Reinhard Gehlen und der königliche Obergüterverwalter Carl Ottmann.

Der Handelsminister beabsichtigt, sich an den Minister des Äußern mit dem Ersuchen zu verwenden, für die genannten preußischen Beamten die Ag. Verleihung von Auszeichnungen erbitten zu wollen, und zwar für den geheimen Regierungsrat Lentze das Komturkreuz des Franz-Joseph-Ordens, für den Regierungsrat Gehlen die Eiserne Krone III. Klasse und für den Obergüterverwalter Ottmann das Ritterkreuz vom Franz-Joseph-Orden.

Die Konferenz stimmt bei.18

X. Dienstesentlassung von zu Freiheitsstrafen verurteilten Nordbahnbeamten

X. ℹ️ Der Justizminister bringt zur Sprache, dass bei der Kaiser-Ferdinands-Nordbahn der Vorgang besteht, jeden Beamten des Dienstes zu entlassen, der aus was immer für einem [Grunde zu einer] Freiheitsstrafe [verurteilt worden] ist.

So [] es an sich scheine, dass den strafgerichtlichen Urteilen [] so ernste Folge gegeben wird, so erfordere doch die Billigkeit, einen Unterschied zwischen den Ursachen der Verurteilung zu machen. Die Folge des Vorgangs der Nordbahn seien Begnadigungsgesuche an die Regierung, welche immer nur die Wahl hat, entweder dem Gesuche Folge zu geben, oder den Bittsteller zu ruinieren. Da der Justizminister sich auf die Dauer nicht in diese Zwangslage bringen lassen will, so ersucht er den Handelsminister, diesfalls mit der Verwaltung der Nordbahn Rücksprache zu nehmen, was der Handelsminister zusagt.19

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Ofen, 28. Februar 1872. Franz Joseph.