MRP-3-0-03-1-18720127-P-0035.xml

|

Nr. 35 Ministerrat, Wien, 27. Jänner 1872

RS. und bA.; P. Weber; VS. Auersperg; BdE. und anw. (Auersperg 27.1.); Lasser 5. 2., Banhans 6. 2., Glaser, Unger 7. 2., Chlumecký 8. 2., Pretis 7. 2.; abw. Stremayr.

KZ. 101 – MRZ. 20

|| || Protokoll des zu Wien am 27. Jänner 1872 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Durchlaucht des Herrn Ministerpräsidenten Fürsten Auersperg.

I. Ah. Auszeichnung für Dr. Karl Schierl und für den Staatsbahninspektor Julius Kaan

I. ℹ️ Der Minister des Innern referiert über einen Auszeichnungsantrag, betreffend jene Personen, die sich um die Kaiser Franz-Joseph-Stiftung zur Versorgung von Offizierswitwen || || und Waisen in hervorragender Weise verdient gemacht haben.

Als solche werden bezeichnet, der Militäragent Dr. Karl Schierl und der Inspektor der Staatsbahn Julius Kaan.1

Die Anregung hiezu ist von der Militärzentralkanzlei Sr. Majestät des Kaisers ausgegangen, welche den Minister des Innern mit dem Ersuchen begrüßte, diesfalls sein Gutachten auszusprechen. Er halte dafür, dass es sich nicht um ein Gutachten des Ministers an die Militärzentralkanzlei, sondern, da die Angelegenheit Zivilpersonen betrifft, um einen selbstständigen Antrag des Ministers an Se. apost. Majestät handelt. Die zu Ende November v. J. gepflogenen Erhebungen haben prinzipiell die Verdienstlichkeit sowohl des Unternehmens als der in Rede stehenden Personen konstatiert. Damals waren jedoch die Einleitungen zur Durchführung der Stiftung || || [] weit gediehen, [auß]erdem kam in den [] eine Bemerkung vor, [die den] Minister etwas be[fremdlich] machte, nämlich, dass Schierl in früherer Zeit Mitglied des Wiener Ge[meinde]rates zu der vorge[]enen Partei [äußersten Linken] gehört habe.2 Aus diesem Anlasse habe er die Angelegenheit weiter verfolgen zu sollen geglaubt und sei dabei zu folgenden Resultaten gelangt:

Die Durchführung der Stiftung hat seitdem wesentliche Fortschritte gemacht. Es wird mit aller Kraft dahin gearbeitet, Beiträge von Stiftern zu gewinnen, und durch das Heranziehen der Offizierskorps der Stiftung eine breitere Grundlage zu geben. Die gesammelten [Da]ten konstatieren, dass an dem Gedeihen der Stiftung, zu welcher auch Se. Majestät die Summe von 25.000 fl. als Stifter beizutragen geruhten, nicht mehr gezweifelt || || werden kann, und dass das Verdienst derjenigen, welche den Gedanken angeregt, und die Durchführung unternommen haben, allerdings ein anerkennenswertes ist. Was den Dr. Schierl betrifft, so habe sich der Minister im kurzen Wege an den Bürgermeister gewendet und von diesem die Auskunft erhalten, dass Dr. Schierl im Anfang der 1860er Jahre sich wohl zuweilen in liberalen Phrasen ergangen hat, ohne aber deshalb zu denjenigen Personen zu gehören, denen ihre Wirksamkeit im Gemeinderate irgendwie abträglich sein könnte. Hiedurch halte der Minister sein früheres Bedenken für behoben. Dr. Schierl sei übrigens als der eigentliche Schöpfer des Unternehmens anzusehen, habe zwei Jahre an dem Zustandekommen desselben gearbeitet, die nötigen Lokalitäten zur Verfügung gestellt und selbst namhafte Beiträge geleistet. || || [] Behörden haben [] und der ihnen damals [vorgele]genen Daten über die []hnung der Stiftung so[] für Dr. Schierl als für [Inspektor] Kaan das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens bean[tragt.] Allein wenn erwogen [wird,] dass bei letzterem nach [seiner] Stellung als Inspektor [der] Staatsbahn unter die eben erwähnte Auszeichnungskategorie füglich nicht herabgegangen werden kann, so erscheine es nach dem Erachten des Ministers nicht wohl angemessen, dem Dr. Schierl, welchem das weit hervorragendere Verdienst gebührt, denselben Grad der Ah. Anerkennung zuzuwenden. Auf diese Erwägung stütze sich sein Antrag, Sr. apost. Majestät den Dr. Karl Schierl zur Ag. Verleihung der Eisernen Krone [III.] Klasse und den Bahninspektor Julius Kaan zur Ag. Verleihung des Ritterkreuzes vom Franz-Joseph-Orden au. || || in Vorschlag zu bringen, wobei er bemerkt, dass in der Publizierung die von den Genannten erworbenen besonderen Verdienste um die Gründung und Durchführung der Stiftung hervorzuheben wären, um jede etwaige Supposition eines Zusammenhangs mit einer anderweitigen Wirksamkeit zu beseitigen.

Der Ministerpräsident befürwortet den Antrag des Ministers des Innern in Betreff des Dr. Schierl, da ihm aus vielseitigen Mitteilungen seiner militärischen Freunde das gemeinnützige Wirken desselben bekannt ist, und man in Dr. Schierl jene Persönlichkeit sieht, welcher das Zustandekommen des segensreichen Instituts zunächst zu danken und dessen fernere Tätigkeit für den Fortbestand des Vereins zu wünschen ist. Nachdem noch der Handelsminister beide Anträge mit dem Beifügen unterstützt, || || [] dem heute nicht gegenwärtigen Leiter des [Landes]verteidigungsministeriums [] angegangen wurde dessen [] zur Kenntnis zu bringen [der] hohe Ministerrat möge sich [um] die Verleihung der gedachten Auszeichnungen bei Sr. Majestät verwenden, erteilt die Konferenz beiden Anträgen ihre einhellige Zustimmung.3

II. Schlussredaktion der Notwahlgesetze

II. ℹ️Der Minister des Innern [ist] heute in der Lage, seine [po]sitiv formulierten Anträge in Betreff des Notwahlgesetze der Konferenz vorzulegen.4

Es habe sich die Möglichkeit herausgestellt, die früher in Aussicht genommenen zwei Gesetzentwürfe, von denen der erste eine Zusatzbestimmung zum § 18 des Staatsgrundgesetzes über die Reichsvertretung, der zweite die Anwendbarkeit des Durchführungsgesetzes vom Juni 1868 auf alle Fälle || || unmittelbarer Wahlen zum Gegenstand hatte,5 in einen Gesetzentwurf zusammenzuziehen, da der Umstand, dass das zweiterwähnte Gesetz nur der einfachen, das erste aber der Zweidrittelmajorität bedarf, diesfalls nicht im Wege steht, indem, wenn der erste Teil des nun zusammengezogenen Gesetzes angenommen wird, an der Annahme des zweiten um so weniger gezweifelt werden kann. Zu dem Gesetzentwurf betreffend die Einberufung von Ersatzmännern in das Abgeordnetenhaus, macht der Minister des Innern aufmerksam, dass der Entwurf, den er gegenwärtig vorlegt, den Passus des früheren, „oder das Mandat als Reichsratsabgeordneter durch Ungiltigkeitserklärung ihrer Wahl verlieren“ nicht enthält, weil er jedenfalls zu weit geht, indem es Fälle von Ungiltigkeitserklärungen gibt, welche die Wirkung des proponierten Gesetzes nicht haben können. Wenn || || [] Wahlakt für [] erklärt wird, weil [eben] eine solche Nullität [nicht gestattet], dass niemand als [„gewählt“] erscheint, weder jene [welche] die absolute Majorität [noch] jene, welche mindestens [] [der] Stimmen erhalten [] so könne auch die Ein[beziehung] der letzteren nicht [statt]finden. Geht man alle Fälle durch, [so] komme man immer zu dem [einen] Fall, wo der direkte [Wahl]akt deshalb für ungültig erklärt wird, weil der Gewählte nicht wählbar ist. Dieser eine Fall müsse allerdings auch getroffen werden. Es habe sich nun um die Frage gehandelt, ob der Mandatsverlust durch Ungiltigkeitserklärung mit dieser beschränkten Formulierung in das vorliegende Gesetz einzubeziehen ist oder nicht. Er sei der Meinung, dass das Bedürfnis der Einbeziehung nicht vorliegt, und wenn es nicht vorliegt, die Einbeziehung auch nicht stattfinden soll. Dann || || ergebe sich aber die Notwendigkeit eines weiteren Gesetzentwurfes, den er gleichfalls vorzulegen sich erlaubt. Die Frage über die Zweckmäßigkeit der Einbeziehung des erwähnten Falles in das Gesetz II, oder der Normierung derselben durch ein abgesondertes Gesetz sei nicht so einfach, als es vielleicht den Anschein hat.

Der § 4 des Gesetzes vom 15. Mai 1868 lautet: „Im Falle der Ungiltigkeitserklärung der Wahl eines Abgeordneten, so wie in den Fällen des § 18 des Grundgesetzes über die Reichsvertretung ist sofort wegen Einleitung einer neuen Wahl das Erforderliche zu veranlassen.“6 Gegenüber diesem Satz, welcher eigentlich in der bezeichneten Ausdehnung nicht einmal richtig ist (denn sonst hätte im vorigen Jahre das Abgeordnetenhaus nicht die Wahl der Feudalen als ungültig und die Wahl der übrigen || || [] können) [] der Voraussetzung [] „insoferne eine Neu[wahl] erforderlich ist“, gehe die Beziehung des oberwähnten [] nicht an, ohne dass man in Kasuistik über die [Inter]pretation des § 4 verfällt, [] besser ist zu vermeiden. Dazu komme, dass bei [einer] Ungültigkeitserklärung [] wegen der Nichtwählbar[keit] des aus der Wahl Hervorgegangenen erfolgt, logischerweise von der Einberufung eines Ersatzmannes nicht wohl die Rede sein kann. Der Minister des Innern habe daher gesucht, der Sache eine andere Wendung zu geben, indem er sie dahin führte, dass man es bis zu einer Ungültigkeitserklärung gar nicht kommen zu lassen braucht, und sei auf diese [Art] zu dem Gesetzentwurfe III gelangt, welchen er in Form einer Abänderung des § 7 des Durchführungsgesetzes über die unmittelbaren Wahlen (also nicht in der Form einer || || Verfassungsbestimmung) proponiert.

Zur praktischen Erläuterung bemerkt der Minister noch Folgendes: Es komme nirgends eine Bestimmung vor, was mit solchen Stimmen zu geschehen hat, welche z. B. auf einen Minderjährigen oder auf jemanden fallen, der in einem anderen, nicht aber in dem Lande, wo die Wahl stattfindet, die Wahlfähigkeit besitzt. Daher könne es vorkommen, dass ein Statthalter selbst dem notorischen Fall gegenüber, dass ein Achtzehnjähriger gewählt worden ist, das Zertifikat ausstellen musste, denn der Statthalter hat das Zertifikat zu geben, wenn dem Gewählten kein Ausschließungsgrund entgegensteht. Die beiden erwähnten Fälle sind aber unter den Ausschließungsgründen nicht angeführt. Die Wahlkommission aber hat sich um diese Frage gar nicht zu kümmern, weil ihr nur zusteht, die Berechtigung des Wählenden zu prüfen. Ein so Gewählter würde mit seinem Zertifikat in das || || [Abgeordnetenhaus] eintreten, [] würde ungültig er[klärt] und nun müsste mit [einem] Zeitverluste von vier [Wochen] eine neue Wahl ein[geleitet] werden. Dieser [Vor]gang könnte sich ins Un[] wiederholen, wenn [die Wähler], wie anzunehmen immer wieder Personen [auf] die Wahlliste bringen, denen [die] Wählbarkeit überhaupt oder [in] dem betreffenden Lande [ab]geht. Wenn aber die Sache [an] der Wurzel gefasst wird, dass schon die Wahlkommission derlei Stimmen als verworfen zu betrachten hat, so werde die Lücke ausgefüllt, ohne auf das Prinzip der Minoritätswahlen zu kommen. Die Konferenz erteilt dem Minister des Innern mit einhelligem Beschlusse die Ermächtigung, für die proponierten drei Gesetzentwürfe, welche dem Protokolle sub I, II und III beiliegen,a die Ah. Bewilligung zur Einbringung im Reichsrate au. zu erbitten.7

III. Gesetz über den Schutz, der auf der Weltausstellung des Jahres 1873 zur Ausstellung gelangenden Gegenstände

|| || III. ℹ️ Der Handelsminister ist vom Generaldirektor Baron Schwarz auf die Notwendigkeit aufmerksam gemacht worden, im Interesse der Weltausstellung und der sie beschickenden Industriellen Sorge zu tragen, dass die Ausstellungsgegenstände gegen jede unberechtigte Nachahmung sichergestellt werden, und das geistige Eigentum des bereits erworbenen oder erst zu erwerbenden Privilegiums gewahrt bleibe.8

Bei früheren Ausstellungen in Frankreich und England sei immer im Gesetzgebungswege dahin gewirkt worden, dass die Gesetze zum Schutze der Privilegien, dann die Gesetze über Muster- und Markenschutz auf die Gegenstände der Ausstellung in Anwendung kommen. Der Handelsminister ist geneigt, der Weltausstellungskommission ein dahin abzielendes Zugeständnis zu erwirken, und legt der Konferenz den beiliegenden Gesetzentwurfb mit || || [der Bitte] um die Ermächtigung vor, mit der ungarischen Regierung ins Einvernehmen zu treten um nach [einge]holter Einwilligung der[selben] bei Sr. Majestät [die] Bitte um Ag. [Be]willigung zur Einbringung [des] Gesetzentwurfes im Reichsrate stellen zu können. Der Handelsminister entschuldigt die unterlassene vorherige Lithografierung und Verteilung des Gesetzentwurfes unter die Konferenzmitglieder mit der ausnahmsweisen Dringlichkeit des Gegenstandes und fügt bei, dass er sich nur die prinzipielle Zustimmung vorbehaltlich der Prüfung der Detailbestimmungen erbitte, in welcher letzteren Beziehung er den Gesetzentwurf nach Einlangung der Erklärung aus Ungarn ohnehin zur nochmaligen Beratung der Konferenz vorlegen werde.

Nachdem sich der Handelsminister bereit erklärt, dem in Art. II des Entwurfes ent|| || haltenen Passus, wonach das von dem Generaldirektor angefertigte Schutzzertifikat der Gegenzeichnung eines von dem ungarischen Ministerium hiezu bestimmten Organes bedarf, welche Bestimmung der Finanzminister als den Entschlüssen der ungarischen Regierung vorgreifend, beanstandet, wie auch der vom Justizminister aus demselben Grunde beanstandeten Passus des Art. V über die Veröffentlichung der Zertifikate in dem offiziellen Organe der ungarischen Regierung, wegzulassen, erteilt die Konferenz einhellig die gewünschte Ermächtigung zur Einleitung des Einvernehmens mit der ungarischen Regierung, indem sie sich die Detailprüfung des Gesetzentwurfes vorbehält.9

IV. Nachtragsforderung zum Budget des Ackerbauministeriums

IV. ℹ️ Der Ackerbauminister || || [ist in der Lage] zu dem Budget [seines Re]ssorts eine Nachtrags[nachweisung] in dem Gesamt[betrage] von 567.000 fl. einzubringen, die in der beigeschlossenen Nachweisung spezifiziert er[scheint].c Er stellt nach Begründung der einzelnen Posten wie sie [in] einem gleichzeitig einzubringenden Motivenbericht [ent]halten ist, das Ersuchen, ihm die Ermächtigung erteilen zu wollen, dass er sich die Ag. Bewilligung Sr. Majestät zur nachträglichen Vorlage dieses Erfordernissausweises im Reichsrate au. erbitten dürfe.

Der Finanzminister weist auf die Kollision hin, in der er sich befindet, wenn er sich einerseits seiner Pflicht, auf die Schonung des Staatsschatzes zu achten, und die zunächst ihn treffende Sorge für die Bedeckung solcher Ansprüche, andererseits, das auch ihm innewohnende Interesse für || || die Förderung wirtschaftlicher Anlagen, die er nicht hindern oder aufhalten möchte, gegenwärtig hält. Angesichts der Wahrnehmung, dass auch in allen übrigen Ministerien namhafte Nachtragsforderungen gestellt werden, so könne er, wenngleich er gegen die hier vorliegende Forderung im Augenblicke keinen Anstand zu erheben in der Lage ist, doch nicht umhin, die Bitte zu stellen, dass in allen diesen Dingen die sorgfältigste Ökonomie beobachtet werden möge, zumal auch die unaufschiebbare Maßregel der Beamtengehaltserhöhung eine zwar jetzt noch nicht berechenbare, jedenfalls aber sehr bedeutende Summe in Anspruch nehmen wird.

Die Konferenz erteilt dem Ackerbauminister die gewünschte Ermächtigung.10

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, am 10. Februar 1872. Franz Joseph.