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Nr. 27 Ministerrat, Wien, 18. Jänner 1872 – Protokoll I

RS. und bA.; P. Stransky; VS. Auersperg; BdE. und anw. (Auersperg 18.1.); Lasser 22. 1., Banhans 24. 1., Stremayr, Glaser 27. 1., Unger 26. 1., Chlumecký 28. 1., Pretis (bei I–IV) 30. 1.

KZ. 93 – MRZ. 12

|| || Protokoll I des zu Wien am 18. Jänner 1872 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Durchlaucht des Herrn Ministerpräsidenten Fürsten Auersperg.

I. Begrüßung des neuen Finanzministers

I. ℹ️ Der Ministerpräsident begrüßt den neu ernannten Finanzminister Baron de Pretis und spricht die sichere Überzeugung aus, dass zwischen ihm und sämtlichen Ministern dasselbe kollegiale Verhältnis wie es bis jetzt besteht, obwal|| || ten wird, worauf der Finanzminister Baron Pretis unter Ausdruck des au. Dankes an Se. Majestät für die ihm zuteil gewordene Auszeichnung durch Einreihung in ein Ministerium, welches sich der allgemeinen Achtung erfreut und für das in ihm gesetzte Ah. Vertrauen, erwidert, er werde es sich zur Aufgabe machen, nach seinen Kräften zur Erhaltung des kollegialen Verhältnisses beizutragen und zugleich die Bitte beifügt, dass ihm eine freundliche Unterstützung zu Teil werden möge, um die er umso mehr bitten müsse, als die ihm zufallende Aufgabe in der ersteren Zeit eine schwierige sein dürfte.

Der Handelsminister betrachtet die Ernennung des Baron Pretis auch hinsichtlich des Gesamtinteresses umso erfreulicher, als der neu ernannte Finanzminister || || [als ehe]maliger Leiter des Handelsministeriums besonders in der Lage sein wird, bei [den] kommenden Finanzangelegenheiten auf die volkswirtschaftlichen Interessen besonderen Bedacht zu nehmen, worauf er hinsichtlich seiner Tätigkeit als Handelsminister großen Wert legen müsse.1

II. Eintreibung der Inseratenstempelrückstände von böhmischen Journalen

II. ℹ️ Der Ministerpräsident teilt der Konferenz das ihm zugekommene Schreiben des Statthalters für Böhmen, Freiherrn von Koller, ddto. 17. Jänner 1872, Z. 435/Präs., mit.

In diesem Schreiben berichtet der Statthalter, dass gleich nach der Übernahme seines Postens, sein Augenmerk darauf gerichtet war, wo möglich dem Unfuge zu steuern, welcher darin bestand, dass die in Prag erscheinenden Journale, namentlich die oppositionellen Blätter die von den || || Inseraten eingehobenen Gebühren dem Staatschatze vorenthalten, beziehungsweise nicht ordnungsmäßig zur Abfuhr bringen.2

Da von den maßgebenden Persönlichkeiten darauf hingewiesen wurde, dass seitens der berufenen Behörden alles mögliche aufgeboten worden sei, um die namhaften Rückstände einzutreiben, dass jedoch die diesfälligen Schritte nicht von dem erwünschten Erfolge begleitet waren, hat der Statthalter mit dem Hofrat Raisky, mit dem Finanzprokurator Pawlik und mit dem Präsidenten des Prager Landesgerichtes Ritter von Ludwig3 wiederholt Rücksprache gepflogen, und es wurde das Übereinkommen dahin erzielt, dass die Finanzprokuratur bei Gericht eine Änderung der dem Sequester erteilten Instruktion in der Richtung anzustreben habe, dass demselben in Bezug auf die Zeitungs|| || [administ]ration ein weiterer []raum eingeräumt wer[de.] Nach dem Berichte des Statthalters wurde weiter für notwendig erkannt, bei der Wahl des Sequesters mit besonderer Sorgfalt vorzugehen, demselben für seine Mühewaltung nebst den sonstigen Gebühren eine angemessene Remuneration zuzusichern, und alle Vorsichten anzuwenden, damit die Abonnementsgebühren vollständig dem Sequester zukommen, bei dem Verdachte eines diesfälligen Unterschleifs aber ohne Verzug die Strafamtshandlung anhängig zu machen. Aufgrund dieser Vereinbarung hat der Statthalter als Präsident der Finanzlandesdirektion, die entsprechende Weisung an die Finanzprokuratur sowie an die Prager Finanzbezirksdirektion erlassen.4 Der Statthalter bemerkt hiebei, || || dass der Erfolg der angebahnten Schritte zunächst davon abhängt, dass dieselben seitens des Gerichtes wirksam unterstützt werden. Wenngleich ihm der Landesgerichtspräsident seinerseits die möglichste Unterstützung in Aussicht gestellt hat, so ersucht der Statthalter den Ministerpräsidenten, sowohl dem Oberlandesgerichts- als auch dem Landesgerichtspräsidenten in der angedeuteten Richtung von Seite des Justizministers einen Wink zukommen zu lassen. Auch ersucht der Statthalter den Ministerpräsidenten, die Aufmerksamkeit des Finanzministers auf diesen Gegenstand zu lenken, damit diesbezügliche Anträge der Finanzlandesdirektion auch seitens des Finanzministeriums in einem seine Bemühungen förderlichen Sinne erledigt werden.

|| || Der Justizminister bemerkt [hierauf], dass er sich nicht [bewogen] findet, in der gege[benen] Richtung einen Wink zu erteilen, da eigentlich das Oberlandesgericht die vorgesetzte Behörde des Landesgerichtspräsidenten ist, und eine solche unmittelbare Ingerenz des Justizministeriums weder durch den Dienstorganismus gerechtfertigt noch opportun wäre. Der Finanzminister sichert zu, dass er seinerseits dem Antrage entsprechende Maßregeln treffen wird.5

Über Antrag des Ministerpräsidenten beschließt die Konferenz in Berücksichtigung dessen, dass der Statthalter, welcher wegen der ihm von Seite der untergeordneten Beamten zukommenden ungenügenden Aufklärungen, diesfalls Anträge zu stellen sich veranlasst findet, denen von Seite der Ministerien nicht entsprochen || || werden kann, zum Behufe einer mündlichen Beratung über verschiedene Dienstesangelegenheiten, den Statthalter nach Wien einzuladen, wobei der Minister des Innern noch bemerkt, dass er die Anwesenheit des Statthalters Baron Koller gerne auch benützen wollte, um mit ihm über mehrere, die Personalangelegenheiten der Beamten betreffende Fragen mündlich zu verhandeln.6

III. Mitteilungen des Standpunktes der Regierung hinsichtlich des Notwahlgesetzes und der an Galizien zu machenden Konzessionen im Verfassungsausschusse des Abgeordnetenhauses

III. ℹ️ Der Ministerpräsident beabsichtigt in der nächsten Sitzung des Verfassungsausschusses, diesem Ausschusse mitzuteilen, dass es im Interesse der Regierung liege, dass zuerst das Notwahlgesetz vom Reichsrate angenommen werde, worauf erst eine Entscheidung über die an Galizien zu machenden Konzessionen erfolgen könnte.7

|| || [] [will] der Ministerpräsident [dem] Ausschusse ganz offen bekannt geben, welche Konzessionen die Regierung an Galizien [zu] machen geneigt ist und bezieht sich in dieser Beziehung auf die mit Ah. Genehmigung Sr. Majestät vereinbarten Punkte. Auf die Frage des Ministerpräsidenten ob in der ersten Sitzung des Verfassungsausschusses alle Minister zu erscheinen haben, spricht sich die Konferenz dahin aus, dass der Ministerpräsident mit einem oder zwei Mitgliedern der Konferenz sich an der bezüglichen Sitzung zu beteiligen hätten, wobei der Minister des Innern den Wunsch ausdrückt, dass der Justizminister an der Beratung des Ausschusses teilnehme. Der Ministerpräsident wird übrigens schon morgen mehrere Herren der Ver|| || fassungspartei, die er für den Abend zu sich geladen hat, mit dem bezüglichen Intentionen der Regierung vertraut machen. Zu dieser vertraulichen Mitteilung an einige Mitglieder der Verfassungspartei sieht er sich um so mehr veranlasst, als auch die Verfassungspartei berechtigt ist, eine solche Eröffnung zu verlangen, nachdem die Regierung über den von derselben einzuhaltenden Standpunkt bereits früher den Polen Mitteilung gemacht hat. Der Justizminister bemerkt, dass rücksichtlich der an Galizien zu machenden Konzessionen, die Regierung bei dem Passus „Banken“ im Ausschusse die Erklärung abzugeben hätte, dass selbstverständlich das Allgemeine Handelsgesetzbuch unverändert zu bleiben habe, dass ferner in Fragen, deren Lösung jetzt vom Reichsrate in die || || [Kompetenz] des galizischen [Landtages] übertragen werden würde, wenn sie bezüglich der anderen Länder [im] Reichsrate zur Verhandlung gelangen, die galizischen Abgeordneten sich des Stimmrechtes zu enthalten hätten mit Ausnahme des Budgets.

Schließlich wird seitens der Konferenz bemerkt, dass die in der Zusammenstellung enthaltenen Konzessionen nur als allgemeine Grundsätze zu gelten haben.8

IV. Vertrauensvotum des Kremsierer Stadtgemeindeausschusses

IV. ℹ️ Der Minister des Innern bringt das dem Gesamtministerium vom Gemeindeausschusse der Stadt Kremsier votierte Vertrauensvotum zur Kenntnis der Konferenz und übergibt das bezügliche Schreiben des Bürgermeisters von Kremsier dem Ministerpräsidenten.a ;9

V. Majestätsgesuche des Landesausschusses von Dalmatien, dann der Gemeindevertretungen von Zara und Sebenico, die Eisenbahn betreffend

|| || V. ℹ️ Der Handelsminister trägt vor: Mit dem der Ah. Bezeichnung gewürdigten Majestätsgesuche vom 19. März 1870 hat die Landesvertretung des Königreiches Dalmatien um die Ag. Veranlassung gebeten, dass eine die Sicherstellung der dalmatinischen Eisenbahn betreffende Gesetzvorlage noch im Laufe der damaligen Reichsratssession zur verfassungsmäßigen Behandlung eingebracht werde.10

Wenn nun auch diese Bitte infolge des kurz darauf eingetretenen Sessionsschlusses unerfüllt bleiben musste, so hat doch das dringende Verlangen des Königreiches Dalmatien nach baldiger Ausführung einer Eisenbahnverbindung mit dem Innern der Monarchie neuerdings in den gleichfalls der Ah. Signatur gewürdigten Majestätsgesuchen vom 28. und 30. März 1871 Ausdruck gefunden, mit welchen einerseits der dalmatinische Landesausschuss || || [] mit der Gemeindevertretung der Landeshauptstadt Zara, anderseits die Gemeindevertretung von Sebenico die Bitte gestellt haben, [es] möchten in die behufs Sicherstellung der dalmatinischen Eisenbahnen einzubringende Gesetzvorlage gleichzeitig auch die zur Einbeziehung der genannten Hafenstädte in die erforderlichen Bahnstrecken von Zara nach Knin [o]der Dernis und von Dernis nach Sebenico aufgenommen werden.11 Das diesfalls gestellte Ansuchen findet in dem Umstande seinen Erklärungsgrund, dass nach dem von der Generalinspektion der österreichischen Eisenbahnen vor mehreren Jahren ausgearbeiteten Projekte für die dalmatinischen Eisenbahnen zunächst die Herstellung der von Spalato über Stafileo, Naselic, Much, Gradac, Klanac und Knin an die Landesgrenze bei Pasic [nach] Pribudic führenden Hauptbahn in Aussicht genommen || || war, wogegen die Ausführung der von Knin über Kistanje und Benkovaz nach Zara, von Klanac über Dernis nach Sebenico, und von Stafileo nach Traù projektierten Zweigbahnen einer späteren Zukunft vorbehalten bleiben sollte. In Bezug auf die technischen Voraussetzungen, von denen zur Zeit der erwähnten Annahme ausgegangen wurde, sind jedoch seither Änderungen eingetreten, indem die neuerdings infolge der Ah. Entschließung vom 15. April 187112 eingeleiteten Erhebungen zu der Hoffnung berechtigen, dass es mit Hilfe der von dem bautechnischen Konsulenten des Handelsministeriums, Hofrat von Nördling,13 beantragten Modifikationen in der Richtung sowie in den Niveauverhältnissen und den Ausführungskosten der dalmatinischen Bahnen möglich sein werde, den Wünschen || || [der Stadt] Sebenico durch eine entsprechende Näherrückung [der] Hauptbahntrasse sofort [durch] Sicherstellung dieser letzteren gerecht zu werden, jenen der Stadt Zara [aber] wenigstens insoferne [eine] nähere Aussicht auf Erfüllung zu bieten, als dies durch die tunlichste [Re]striktion der Baukosten der von Knin dorthin zu führenden Zweigbahn geschehen kann. Nach der Darlegung des Hofrats v. Nördling vom 6. Juni 1871 würden technische und ökonomische Rücksichten dafür sprechen, die Trasse der dalmatinischen Hauptbahn von Spalato statt über Klissa und Much, über Salona, Perkovic, Dernis und Sivoric nach Klanac und Knin zu führen, und würden hiedurch die wichtigsten Lokalinteressen zugleich befriedigt. Insbesondere würde in diesem Falle die Stadt Sebenico sogleich eine || || nur 2 ½ Meilen entfernte Station in Perkovic erhalten, welche durch die Herstellung eines höchstens 3.000 Klafter langen Straßenfragmentes leicht zugänglich gemacht werden kann und in so lange als Ersatz einer unmittelbaren Bahnverbindung zu dienen hätte, bis die durch die Modifizierung des Projektes bedeutend herabgeminderten Baukosten einer besonderen Zweigbahn aufgebracht sein werden. Auf Grund dieser Anträge des bautechnischen Konsulenten, sind über Weisung des früheren Handelsministers die erforderlichen weiteren technischen Vorarbeiten von der Generalinspektion der österreichischen Eisenbahnen schon seit Beginn des Herbstes in Angriff genommen worden, mussten jedoch wegen der eingetretenen höchst ungünstigen Witterungsverhält|| || nisse, [welche] eine Fortsetzung der Arbeiten auf freiem [Felde] absolut nicht gestatten, [wie]der unterbrochen werden.14

Der Handelsminister beabsichtigt jedoch in nächster Zeit, und zwar so bald als möglich, Ingenieure zur Fortsetzung der begonnenen Trassierungsarbeiten an Ort und Stelle zu entsenden, und steht deren Beendigung mit Ende Juni l. J. bevor. Ebenso hat der Handelsminister mit dem kgl. ung. Kommunikationsminister von Tisza mündlich das Übereinkommen getroffen, dass sofort nach Eintritt der günstigeren Jahreszeit, Staatstechniker der beiden Reichshälften zusammentreten, um den Fixpunkt zu bestimmen, an welchem die dalmatinische Bahnlinie die Landesgrenze zwischen Dalmatien und der Militärgrenze zu erreichen haben wird. Es erübrigt demnach vorläufig nur eine Verständigung || || der Bittsteller von dem gegenwärtigen Stande der Angelegenheit, da eine meritorische Entscheidung erst in jenem Zeitpunkte wird getroffen werden können, wo eine vollkommen sichere technische Grundlage gewonnen sein wird.

Der Handelsminister beabsichtigt daher in dieser Richtung seinen au. Antrag zu stellen, was die Konferenz zustimmend zu Kenntnis nimmt.15

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Innsbruck, 7. Februar 1872. Franz Joseph.