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Nr. 26 Ministerrat, Wien, 17. Jänner 1872

RS. und bA.; P. Weber; VS. Auersperg; BdE. und anw. (Auersperg 17. 1.); Lasser 20. 1., Banhans 21. 1., Stremayr, Glaser 23. 1., Unger 22. 1., Chlumecký 27. 1.

KZ. 92 – MRZ. 11

Protokoll des zu Wien am 17. Jänner 1872 (im Ministerzimmer des Abgeordnetenhauses) abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Durchlaucht des Herrn Ministerpräsidenten Fürsten Auersperg.

I. Aditionalübereinkommen zum Lloydvertrag

I. ℹ️ Der Handelsminister referiert über das mit dem Lloyd [ab]geschlossene Additionalübereinkommen betreffend die Besorgung des Seepostdienstes auf den Linien TriestBombay und FiumeRio Janeiro.1

Nachdem er über Ermächtigung des Ministerrates, mit dem österreichisch-ungarischen Lloyd ein Übereinkommen bezüglich der obgenannten beiden Fahrten zu treffen, sich mit dem Minister des Äußern ins Einvernehmen gesetzt und von diesem die Zustimmung zur Einleitung der Verhandlung erhalten, nachdem ihm sodann aufgrund einer in Gegenwart des Ministerpräsidenten bei dem Minister des Äußern unter Zuziehung mehrerer ungarischer Minister abgehaltenen Besprechung der Auftrag [] geworden, zum förmlichen Abschluss des Übereinkommens zu schreiten, sei es nach mehrfachen Verhandlungen mit dem Lloyd und dem ungarischen Ministerium gelungen, ein solches Übereinkommen perfekt zu machen, und habe der Minister des Äußern im vorhinein zu den vereinbarten Punktationen, unter der Voraussetzung, dass sich auch der Ministerrat damit einverstanden erklärt, die Zustimmung erteilt. Der Handelsminister ist [in] der Lage, die Stipula[tionen] dieses Übereinkommens, [wel]ches einen „Aditionalvertrag zu dem vom gemeinsamen Minister des Äußern mit der Dampfschifffahrtsunternehmung [des] österreichisch-ungarischen Lloyd [über] die Besorgung des Seepostdienstes abgeschlossenen Vertrag vom 18. November 1871“ zu bilden bestimmt ist, der Konferenz im Folgenden mitzuteilen:

Der Lloyd verpflichtet sich, direkte Linien zwischen Triest und Bombay mit Berührung von Port Said, Suez, eventuell Dschidda und Aden, dann zwischen Fiume und Rio Janeiro mit Berührung von Bahia und Pernambuco einzurichten, und auf diesen Linien direkte Fahrten zu unterhalten, und zwar zwölf Reisen (Hin- und Rückfahrt) im Jahre, d. i. jeden Monat eine Reise zwischen Triest und Bombay, dann sechs Reisen (Hin- und Rückfahrt) d. i. jeden zweiten Monat eine Reise zwischen Fiume und Rio Janeiro. Der Lloyd verpflichtet sich, entsprechend gebaute, dem Post-, Personen- und Warenverkehr genügende Sicherheit gewährende Schiffe von mindestens 1.000 Gewichttonnen Ladungsfähigkeit und von einer Fahrgeschwindigkeit von acht Seemeilen per Stunde zu verwenden. Behufs der Weiterbeförderung von Reisenden und Sendungen von Bombay nach den übrigen süd- und ostasiatischen Hafenplätzen, namentlich in China, Japan und Niederländisch-Indien wird der Lloyd bestrebt sein, mit einer der nach jenen Richtungen verkehrenden Dampfschifffahrtsgesellschaften sich in Verbindung zu setzen. (Auf Niederländisch-Indien, bemerkt der Handelsminister, habe er deshalb einen besonderen Wert gelegt, weil dort die für den österreichischen Handel drückenden Differentialzölle aufgehoben worden sind, und zu hoffen ist, dass sich nun ein lebhafter Verkehr zwischen [Österreich] und Niederländisch-Indien entwickeln wird). Die Staatssubvention beträgt für die Bombay-Linie [jähr]lich 190.000 fl. österr. Währung und für die brasilianische Linie []0.000 fl. österr. Währung in zwölf [gleichen] Monatsraten. Außerdem werden dem Lloyd für die Bombay-Fahrten die nachweisbar ausgelegten Suezkanal-Passagegebühren vergütet. Behufs der sogleichen Anschaffung der erforderlichen Dampfer für die brasilianische Linie erhält der Lloyd einen Staatsvorschuss von 600.000 fl. in drei Raten gegen 5% Verzinsung und Rückzahlung in Monatsraten von 10.000 fl. vom Jänner 1873 angefangen bis Ende 1877. (Zu dieser Vertragsbestimmung fügt der Handelsminister bei, dass dieselbe vom Lloyd, da er bemüßigt ist, für die Fahrt nach Brasilien zwei neue Dampfer zu schaffen, als Conditio sine qua non hingestellt worden ist. Von ungarischer Seite wurde dagegen nicht die mindeste Einwendung erhoben.) Die Fahrten nach Bombay haben sogleich nach Genehmigung des Vertrags, jene nach Brasilien drei Monate nach Eröffnung der St. Peter–Fiumaner Eisenbahn ins Leben zu treten. Die Abfahrtszeiten sind mit der Fahrordnung der zwischen Triest und Fiume verkehrenden Lloyd-Dampfer in Einklang zu bringen. Im Übrigen finden auf die Fahrten in beiden Richtungen in ihrer Eigenschaft als Paketpostfahrten die Bestimmungen des Vertrags vom 18. November 1871 und des adhärierenden Zusatzprotokolls gleichen Datums analoge Anwendung. Der Vertrag dauert vom 1. Jänner 1872 bis Ende Dezember 1877.

Der Handelsminister bemerkt schließlich, er müsse es als ein freudiges Ereignis begrüßen, dass die Ungarn auf die Bombay-Linie ein[gegangen] sind und so bedeutende Leistungen übernehmen, da ihnen diese Linie [doch] wenig Vorteile in Aussicht stellt, während die brasilianische Linie Österreich gewiss [in] demselben Maße wie Ungarn zu statten kommen wird. Er ersucht sonach um die Ermächtigung, den Vertrag dem Minister des Äußern zur definitiven Abschließung und Einholung der Ah. Ratifikation – vorbehaltlich der Zustimmung des Reichsrates – übersenden zu dürfen.

Die Konferenz erteilt einhellig die gewünschte Ermächtigung.2

II. Besprechung der Ausscheidung der Forstdomänen- und Montanverwaltung aus dem Finanzministerium in den Zeitungen

II. ℹ️ Der Ministerpräsident findet sich genötigt, den sehr unliebsamen Vorfall zur Sprache zu bringen, dass die Überweisung der Forst-, Montan- und Staatsdomänenadministration aus dem Ressort des Finanzministeriums in jenes des Ackerbauministeriums, welche kürzlich Gegenstand der Behandlung im Ministerrate war, und worüber der au. Vortrag an Se. Majestät noch nicht abgegangen ist, im heutigen „Tagblatte“ als bevorstehend angekündigt und besprochen wird.3

Er habe Nachforschungen eingeleitet, und selbe bis zu dem Ergebnis verfolgt, dass die Nachricht durch einen gewissen Wolf, einen Zeitungskorrespondenten, der sich in den Ministerien herumzutreiben pflegt, in das Tagblatt gekommen ist.4 Indem der Ministerpräsident die Konferenzmitglieder dringendst bittet, darauf zu halten, dass die Möglichkeit der Wiederholung von derlei höchst bedauerlichen Vorkommnissen ausgeschlossen [wird], erklärt er, dass in [einem] solchen Falle er der [] auf das äußerste nachgehen und wie er hoffe, der Quelle endlich auf die Spur kommen werde.

Minister Dr. Unger sieht [sich], da vielleicht seine Stellung zufällig Anlass geben könnte, die Quelle zunächst in ihm zu suchen, selbst auf die Gefahr hin, nach dem bekannten „qui s’excuse, s’accuse“ den Verdacht auf sich zu lenken, zu der Erklärung bemüßigt: Er gebe hiemit sein Wort, 1) dass er in der bezeichneten Angelegenheit mit keinem Menschen eine Silbe gesprochen, und 2) dass er besagten Wolf, einen einzigen Fall ausgenommen, wo letzterer gleich nach seiner Ernennung zum Minister bei ihm war, nie gesehen hat, somit, wenn jene Nachricht von Wolf stammt, jede Verbindung mit ihm unmöglich ist.

Der Handelsminister glaubt, dass wohl alle Minister werden konstatieren können, die Mitteilung sei von keinem von ihnen ausgegangen. Der Justizminister bemerkt, in dem bezüglichen Artikel des „Tagblatts“ sei auch die Notiz enthalten, der Ackerbauminister habe die erwähnten Agenden nur unter der Bedingung zu übernehmen erklärt, dass er nicht auch das Personale mit zu übernehmen verpflichtet wird. Nach einer weiteren Zeitungsnotiz soll er, der Justizminister, derjenige gewesen sein, der den Baron de Pretis, und zwar infolge persönlicher Sympathien zum Finanzminister vorgeschlagen hat. Dies bringe ihn dahin, auf seine, schon bei einer anderen Gelegenheit ausgesprochene Ansicht zurückzukommen, dass sehr häufig [dasjenige], was als Indiskretion [] nichts anderes als eine Kombination der Zeitungskorrespondenten ist.5

III. Mitteilung des Standpunktes der Regierung in der galizischen Frage an einige Mitglieder der Verfassungspartei

III. ℹ️ Der Ministerpräsident übergeht hierauf zu der Frage, ob es nicht angezeigt erscheine, dass er nunmehr eine Besprechung mit einigen hervorragenden Mitgliedern der Verfassungspartei einleite, um ihnen in Betreff der galizischen Frage, des Maßes der zu gewährenden Konzessionen und des diesfalls beabsichtigten Vorgangs, wenigstens so viel mitzuteilen, als vor Wochen bereits dem Grafen Wodzicki und durch diesen seinen Parteigenossen gesagt worden ist.6

Er würde hiefür Dr. Herbst, Dr. Rechbauer, Ritter von Hopfen und Ritter von Hasner vorschlagen.7

Die Konferenz erklärt sich [in] der Sache vollkommen einverstanden, und einigt sich, was die Persönlichkeiten betrifft, nachdem der Minister des Innern statt Ritter von Hopfen den Freiherrn von Eichhoff8, und Minister Dr. Unger neben Ritter von Hasner aus dem Herrenhause noch den Altgrafen Franz Salm oder den Grafen Hartig in Vorschlag gebracht9, zu der beabsichtigten Besprechung außer den beiden Ministern Baron Lasser und Dr. Unger die Abgeordneten Dr. Herbst, Dr. Rechbauer und Baron Eichhoff, und die Herrenhausmitglieder Ritter von Hasner und Grafen Hartig beizuziehen.10

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Innsbruck, 7. Februar 1872. Franz Joseph.