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Nr. 20 Ministerrat, Wien, 8. Jänner 1872 – Protokoll II

RS. und bA.; P. Weber; VS. Auersperg; BdE. und anw. (Auersperg 8.1.); Lasser 12. 1., Banhans 12. 1., Stremayr 13. 1., Glaser 15. 1., Unger 15. 1., Chlumecký 17. 1.; abw. Holzgethan

KZ. 86 – MRZ. 5

Protokoll II des zu Wien am 8. Jänner 1872 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Durchlaucht des Herrn Ministerpräsidenten Fürsten Auersperg.

I. Eintreten der Minister und der Präsidenten beider Häuser des Reichsrates in die Weltausstellungskommission als Mitglieder vermöge ihrer ämtlichen Stellung – Mitgliedschaft des früheren Präsidenten des Herrenhauses Ritter von Schmerling

I. ℹ️ Der Handelsminister ist, als er daran ging, die Einleitung zu treffen, dass der Ministerpräsident und die Minister [von] dem Stand der Weltausstellungsangelegenheit durch den Generaldirektor Baron Schwarz in Kenntnis gesetzt werden, darauf aufmerksam geworden, dass in der offiziell publizierten Liste aller Minister, darunter auch der Minister für Galizien, als Mitglieder der Kommission aufgeführt erscheinen.1 Minister Dr. Unger habe Zweifel gehegt, ob er berechtigt sei, sich als Mitglied der Kommission anzusehen. Der Handelsminister ist der Meinung, dass Minister Dr. Unger allerdings selbstverständlich Kommissionsmitglied sei.

In dem von dem Amtsvorgänger des Handelsministers unterm 11. September 1871 erstatteten au. Vortrag2 werde ausdrücklich beantragt, dass zunächst die Chefs der obersten Hofämter (mit Ausnahme des dem Kommissionspräsidiumangehörigen Ersten Obersthofmeisters) dann sämtliche Minister sowohl des gemeinsamen als des Ministeriums für die im Reichsrate vertretenen Länder, ferner der Landeschef, der Landmarschall, der Wiener Bürgermeister etc. etc. als Mitglieder [der Kommission] zu fungieren hätten. [Dass in] der publizierten Liste der [dama]lige Minister ohne Portefeuille als „Minister für Galizien“ [an]geführt wurde, sei nur einem Versehen des Generaldirektors bei der Redaktion des Verzeichnisses zuzuschreiben, denn Minister Ritter von Grocholski wurde nicht zum Minister für Galizien, sondern zum Minister ohne Portefeuille ernannt.3

Da nun der au. Vortrag vom 11. September von Sr. Majestät vollinhaltlich zur Ah. Kenntnis genommen wurde, mit dem Beisatze, Se. Majestät gestatte die Ernennung der vorgeschlagenen Mitglieder und ermächtige den Handelsminister zur Veröffentlichung des au. Vortrages, soweit derselbe es nötig findet, so halte er es für selbstverständlich, dass alle Minister, somit auch Minister Dr. Unger vermöge ihrer ämtlichen Stellung als Mitglieder der Weltausstellungskommission anzusehen sind. Er beabsichtige, sie hievon unter Berufung auf die Ah. Genehmigung des Vortrages vom 11. September 1871 schriftlich mit der Bitte zu verständigen, dem Unternehmen ihr Interesse zuwenden zu wollen. Ein ähnliches Bewandtnis habe es mit dem Präsidenten der beiden Häuser des Reichsrates, welche in dem au. Vortrag und in der Liste gleichfalls als Mitglieder der Kommission vermöge ihrer ämtlichen Stellung bezeichnet erscheinen. Der Handelsminister glaubt daher recht daran zu sein, wenn er den Präsidenten des Herrenhauses Fürsten Carlos Auersperg hievon in Kenntnis setzt, und den Generaldirektor veranlasst, ihm die nötigen Auskünfte zu geben. Der Präsident des Abgeordnetenhauses Ritter von Hopfen sei wohl schon als Präsident der Bodenkreditanstalt Mitglied der Kommission, nichtsdestoweniger gedenkt der Handelsminister ihn zu verständigen, dass er nunmehr seine Funktion als Kommissionsmitglied auch als [Präsident] des Abgeordnetenhauses [ausü]ben möge.

Was den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes, Ritter von Schmerling, betrifft, dem als früheren Präsidenten des Herrenhauses die Verständigung von seiner Ernennung als Kommissionsmitglied zugekommen [ist,] so hält der Handelsminister die Auffassung für richtig, dass Ritter von Schmerling heute nicht mehr Mitglied ist, glaubt aber in Anbetracht der hervorragenden Stellung, welche der Präsident des Obersten Gerichtshofes unter allen Verhältnissen in Österreich eingenommen hat und auch gegenwärtig einnimmt, bei Sr. Majestät die Ernennung des Ritters von Schmerling zum Kommissionsmitglied au. beantragen zu sollen, umso mehr, als ihm (dem Handelsminister) daran liegt, dass Ritter von Schmerling auch tatsächlich in der Kommission fungiere, wozu sich derselbe ohne neuerliche Ah. Ernennung gewiss nicht für berechtigt halten würde.4

Die Konferenz erklärt sich mit den Anträgen des Handelsministers einverstanden, und spricht nur, da nach einer Andeutung des Handelsministers noch eine weitere Vervollständigung der Liste von ihm in Aussicht genommen ist, den Wunsch aus, dass wenn diese Vervollständigung bald erfolgen kann, die Publikation in Betreff des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes nicht für sich allein, sondern zugleich mit der Veröffentlichung der übrigen noch zu ernennenden Mitglieder veranlasst werden möge.5

II. Organisierung einer selbstständigen Postdirektion für die Bukowina

II. ℹ️ Der Handelsminister erhält die Ermächtigung der Konferenz, bei Sr. Majestät die Organisierung einer selbstständigen Postdirektion für die Bukowina, an deren Spitze ein mit dem Titel und Charakter eines Oberpostrates bekleideter und mit einem Gehalte von 2.000 fl. dotierter Postdirektor zu stehen hätte, [au.] beantragen [zu dür]fen.6

III. Dekoration und Pensionserhöhung für den Dichter Bauernfeld

III. ℹ️ Minister Dr. Unger macht aufmerksam, dass der Dichter Bauernfeld am 13. d. M. seinen [70.] Geburtstag feiert. Er hält [es] für angezeigt, an Se. Majestät die au. Bitte zu richten, diesem in Österreich und Deutschland vielbeliebten Schriftsteller eine entsprechende Dekoration zu Teil werden zu lassen.

Es sei wohl hier nicht notwendig, die Verdienste hervorzuheben, die sich Bauernfeld als Schriftsteller erworben hat. Sie seien allgemein anerkannt. Wichtiger scheine ihm zu betonen, dass es wenige aufrichtigere und treuere österreichische Patrioten gibt, als Bauernfeld. Ungeachtet des Umstandes, dass seine Zunge sich zuweilen nicht im Zaume halten lässt, und über manche Verhältnisse sich gerne in einer Weise ergeht, die man am Wenigsten aus dem Munde eines hochbetagten Mannes erwartet, stehe es fest, dass sein Herz ein österreichisches, und vom wärmsten Patriotismus erfüllt ist. Was die Kategorie der Ordensdekoration betrifft, so würde Minister Dr. Unger das Komturkreuz vom Franz-Joseph-Orden in Vorschlag zu bringen sich erlauben, und zwar aus einem doppelten Grunde. Einerseits werde Bauernfeld, wie zu lesen war, aus diesem Anlass von anderen Höfen mit Orden bedacht werden, und bereits durchlaufe die Nachricht die Blätter, dass im Ministerrate zu Berlin, als von einer Seite der Antrag auf einen niedrigern Ordensgrad gestellt wurde, Fürst Bismarck das Wort ergriff und für eine höhere Dekoration plädierte. Es wäre eigentümlich, wenn gerade in der Heimat, welcher der Dichter angehört, die Auszeichnung eine minder hervorragende wäre, als es jene sind, die ihm von auswärtigen Höfen zugedacht werden. Andererseits [wäre in Be]tracht zu ziehen, dass [Dichter], die nicht nur an Jahren Bauernfeld nachstehen, sondern [auch] nach ihrer geistigen Be[deutung] nicht entfernt an denselben heranreichen – er stehe nicht an, Mosentahl7 zu nennen – bereits mit dem Orden der Eisernen Krone III. Klasse dekoriert worden sind. Die Würdigung der hervorragenden schriftstellerischen Stellung wäre keine ganz entsprechende, wenn sie nicht in einer Auszeichnung bestünde, die sich namhaft abhebt von der, Dichtern geringern Ranges zu Teil gewordenen Dekoration.

Nebstbei erlaube er sich den Antrag, Se. Majestät um die Ag. Gestattung zu bitten, dass die Pension von 400 fl., welche Bauernfeld aus Staatsmitteln bezieht, auf jährlich 1.000 fl. erhöht werde. Es könne sich allerdings nicht darum handeln, diese Pensionserhöhung dem ehemaligen Lottobeamten zu bewilligen, sondern es sei dies eine Form, in welcher der Staat einen Mann ehren und lohnen würde, der sich ganz dem geistigen Leben hingegeben hat, und in ziemlich bedrängten, vom Zufall abhängigen, und bei vorrückendem Alter und sinkender Arbeitskraft sich immer ungünstiger gestaltenden Verhältnissen lebt.

Der Unterrichtsminister bemerkt, er habe Gelegenheit gehabt, vor wenigen Tagen die Ah. Aufmerksamkeit Sr. Majestät in mündlichem Gespräch auf Bauernfeld und dessen nahes Geburtsfest zu lenken. Se. Majestät habe, als der Unterrichtsminister sich die Anfrage erlaubte, ob aus diesem Anlass ein Antrag auf eine Ah. Auszeichnung gestellt werden kann, Ah. sich dahin geäußert, es sei nicht nötig, von Seite des Unterrichtsministers etwas zu tun, nachdem Se. Majestät bereits von Seite der Theaterintendanz darauf aufmerksam gemacht worden seien. Dies sei der Grund, warum der Unterrichtsminister heute diesen [Gegenstand], der auch sein [Ressort] berührt, nicht zur [Sprache] gebracht hat. Was die Pensionserhöhung betrifft, so bedauere er, dass der Finanzminister nicht zuge[gen] ist, er wisse aber, dass sich derselbe zustimmend geäußert hat, als hievon im Allgemeinen die Rede war.

Minister Dr. Unger ist in Betreff des Umstandes, dass Se. Majestät bereits vom Theaterintendanten auf Bauernfeld aufmerksam gemacht worden ist, vom Intendanten Grafen Wrbna, mit dem er heute diesfalls gesprochen, autorisiert worden mitzuteilen, dass Graf Wrbna bei Erstattung seines Vortrags lediglich im Auge hatte, die Pflicht der Dankbarkeit zu erfüllen, welche die Theaterintendanz als solche Bauernfeld gegenüber hat. Die Anerkennung, die Bauernfeld in dieser Richtung zugedacht ist, bestehe darin, dass ihm durch den Intendanten ein Brillantring mit der Chiffre Sr. Majestät übergeben werden soll. Die Erwirkung eines Ordens und die Aufbesserung der Bezüge aus Staatsmitteln, sei als in den Wirkungskreis des Ministeriums gehörig anzusehen, und soll durch den Antrag des Intendanten die Tätigkeit des Ministeriums in den angegebenen beiden Richtungen keineswegs ausgeschlossen sein. Der Minister des Innern erklärt sich mit beiden Anträgen vollkommen einverstanden, und kann namentlich das eine vom Antragsteller hervorgehobene Moment aus langjähriger und innerster Überzeugung bestätigen, dass Bauernfeld in jeder Beziehung ein warmer Patriot ist. Was die Einleitung wegen Erwirkung des Ah. Gnadenaktes betrifft, so glaube er, dass der au. Vortrag, wie in andern ähnlichen Fällen von dem Unterrichtsminister als Ressortminister auszugehen hätte, welcher Ansicht Minister Dr. Unger, der Unterrichtsminister und der Minister[präsident], letzterer mit dem Bemerken beistimmen, dass au. Vorträge [stets] nur von dem Ressortminister erstattet werden können.

Der Antrag auf Erwirkung des Komturkreuzes vom Franz-Joseph-Orden und auf Erhöhung der von Bauernfeld bezogenen Pension um den Betrag von 600 fl. wird einhellig genehmigt.8

IV. Zeitungsnotiz über das Vorsprechen eines Abgesandten der Altkatholiken beim Kultus- und Unterrichtsminister

IV. ℹ️ Der Unterrichtsminister bemerkt, er sei unmittelbar vor der Konferenz auf einen in der heutigen Nummer der [] „Deutschen Zeitung“ enthaltenen Artikel aufmerksam gemacht worden, welcher über eine angeblich anderthalbstündige Besprechung referiert, die zwischen ihm und dem Präsidenten des Wiener Zentralaktionskomitee der Altkatholiken Carl Lindner stattgefunden haben soll.9

In Wirklichkeit habe sich Lindner etwa fünf Minuten bei ihm aufgehalten, ihm die Lage der Altkatholiken im Allgemeinen geschildert, und sei von ihm mit der Zusage entlassen worden, dass er der kirchlichen Reformbewegung seine volle Aufmerksamkeit zuwenden werde. Diese letztere Bemerkung werde von einigen Zeitungen richtig wiedergegeben. Die „Deutsche Zeitung“ dagegen bringe den Bericht über diese Begegnung mit ihren eigenen Ausführungen über die altkatholische Bewegung und zwar in so geschickter Weise in Verbindung, dass der Leser nicht wissen kann, ob dies vom Unterrichtsminister ausgesprochene Ansichten oder jene des Blattes sind. Wahr seien aber bloß die oberwähnten Worte, alles Übrige habe er nicht gesagt, und binnen der wenigen Minuten auch nicht sagen können. Es entstehe nun die Frage, ob und wie man dieser Zeitungsnotiz entgegentreten könne. Eine Berichtigung wäre allerdings möglich, und könnte in der Richtung stattfinden, dass []hung weder die an[] Dauer noch jenen [] hatte, der nach dem Zeitungsbericht als Äußerung des Ministers supponiert werden könnte. Eine solche Berichtigung würde aber nicht ohne Sensation bleiben, und gewiss weitere missliebige Erörterungen hervorrufen, so dass er, wenn der Ministerrat damit einverstanden ist, es vorziehen möchte, die Sache mit Stillschweigen zu übergehen.

Der Ministerpräsident ist gleichfalls dafür, die Berichtigung zu unterlassen. Einerseits sei es wohl ziemlich gleichgiltig, ob die Besprechung kürzer oder länger gedauert hat, und andererseits sei es immer [miss]lich, die Worte zu wiederholen, die ein Minister einer Deputation gegenüber gesprochen hat. Nichts werde so sehr missbraucht, um Ministern beliebige Äußerungen zu unterschieben, als das Vorsprechen von Deputationen. In Zeiten politischer Windstille werden übrigens Notizen speziell zu dem Zwecke erfunden, um Berichtigungen und dadurch Polemiken hervorzurufen. Er glaube, es habe dem Ministerium bisher nur gute Früchte getragen, dass es Berichtigungen vermied, und sich um derlei Zeitungsnotizen so wenig als möglich kümmerte. Minister Dr. Unger spricht sich gleichfalls entschieden für die Unterlassung einer Berichtigung aus. Bisher habe das Ministerium das System beobachtet, nichts berichtigen zu lassen, von der Ansicht ausgehend, dass sich derlei Nachrichten in der Regel am besten von selbst berichtigen, während Dementis nur unliebsame Erörterungen hervorrufen. So habe denn auch er die in tschechischen Blättern gebrachte Notiz über einen zwischen dem Finanzminister und ihm angeblich vorgefallenen Dissens nicht dementiert, und werde auch die heute in der alten Presse erschienene Notiz über eine [Un]terredung zwischen [ihm und] dem Literaten Schlesin[ger], betreffend die Zulassung des Lustspiels „Der liberale Kandidat“ [nicht] dementieren.10 Der Justizminister bemerkt, gegen Dementierungen spreche auch der Umstand, dass wenn sie einmal usuell geworden sind, die Unterlassung in einem einzelnen Falle als ein Eingeständnis gilt, während es doch Fälle gibt, die wegen der Geschicklichkeit der Lüge schwer dementiert werden können.

Die Konferenz stimmt der Ansicht des Unterrichtsministers einhellig bei.11

V. Haltung des Ministeriums in Betreff der Adressdebatte

V. ℹ️Der Ministerpräsident teilt mit, dass soeben eine Einladung zu der morgen am 9. Jänner stattfindenden Sitzung des vom Herrenhaus gewählten Adressausschusses eingelangt sei.12

Der Entwurf der Adresse des Herrenhauses sei ihm nicht zugekommen, was er umso mehr bedauern müsse, als darin vielleicht mancher Punkt der Ah. Thronrede13 unberührt bleibt, und als er bezüglich des im Abgeordnetenhause einzubringenden Adressentwurfs in der angenehmen Lage war, sich mit Dr. Herbst ins Einvernehmen zu setzten, mit ihm so manchen Wunsch in Betreff einzelner Stellen des Entwurfs vertraulich zu besprechen, und der vollsten Geneigtheit zu begegnen auf die Wünsche der Regierung so weit als möglich einzugehen, damit der Entwurf in keiner Richtung Anstoß gebe, und nicht von anderer Seite unwillkommene Anträge herbeiführe. Was die Beteiligung an der Sitzung des Herrenhausausschusses anbelangt, so glaube er, dass das Ministerium denselben Vorgang einzuhalten hätte, wie es bezüglich des Abgeordnetenhausausschusses der Fall war, nämlich nicht zu erscheinen.14

Minister Dr. Unger findet [das Nicht]erscheinen vollkommen motiviert. Die Pflicht, []lüsse zu geben, habe das Ministerium in der letzten [Sitz]ung vollständig erfüllt. Aus den damaligen Äußerungen könne geschlossen werden, dass die Kommission dem Ministerium ein Vertrauensvotum auszusprechen gedenkt. Dass diejenigen, denen man ein solches Votum aussprechen will, bei der Formulierung desselben zugegen seien, scheine nicht passend, ja könnte sogar zu Abschwächungen führen. Auf den Tenor der Herrenhausadresse Einfluss zu nehmen, sei durch den im Herrenhaus bestehenden Usus, dass der Referentenentwurf nicht lithografiert wird, unmöglich gemacht.

Die Konferenz erklärt sich mit dem Nichterscheinen der Minister in der Adresskommission des Herrenhauses einverstanden. Der Ackerbauminister gibt in Betreff des Adressentwurfes des Abgeordnetenhauses der Voraussetzung Ausdruck, dass der Ministerpräsident in der vertraulichen Besprechung mit Dr. Herbst nicht so weit gegangen sei, dass das Ministerium für den Inhalt der Adresse verantwortlich gemacht werden könnte, welche Voraussetzung der Ministerpräsident als richtig erklärt. Der Justizminister fügt bei, für eine Adresse könne die Regierung schon deshalb nicht verantwortlich sein, weil dies ein Akt ist, der zunächst eine Kritik des Ministerium bezweckt, auf welchen daher letzteres am wenigsten Einfluss zu nehmen in der Lage ist.

Die Konferenz spricht die Anerkennung aus, dass der vom Präsidenten bezüglich der Abgeordnetenhausadresse eingeschlagene Weg der allein richtige war. Der Justizminister regt die [] der Abstimmung der [stimm]berechtigten Minister bei [der] Adressdebatte an. Er ist der [Mei]nung, dass die Minister [nicht] mitzustimmen hätten. Der Ministerpräsident macht aufmerksam, dass es sich nicht allein um die ein Vertrauensvotum enthaltenden Stellen handle, sondern auch um andere Punkte, deren Annahme von Wichtigkeit ist, und bezüglich welcher das Aufstehen der Minister vielleicht die Majorität herbeizuführen geeignet wäre. Der Justizminister entgegnet, dem gegenüber komme in Betracht, dass es sich andererseits auch um Stellen handeln kann, für welche aufzustehen den Ministern schwer wäre. Haben sich dieselben aber in einem Falle der Abstimmung enthalten, so können sie ohne unangenehme Sensation nicht bei anderen Stellen mitstimmen. Minister Dr. Unger glaubt, dass um Missdeutungen vorzubeugen der Ministerpräsident vor der Abstimmung erklären sollte, dass und warum sich die stimmberechtigten Minister der Abgabe ihres Votums enthalten werden. Der Ministerpräsident würde die Erklärung, dass die Minister nicht mitstimmen werden, ganz korrekt, dagegen die Angabe des Grundes bedenklich finden. Der Justizminister bemerkt, dass der Ministerpräsident ohnehin vor der Abstimmung in die Lage kommen werde, das Wort zu ergreifen, bei welchem Anlasse sich sehr leicht der Satz einfügen ließe, dass sich die Minister selbstverständlich der Abstimmung enthalten werden.

Der Ministerpräsident bemerkt, dass das von ihm zu Sagende, was jedenfalls sehr kurz zu sein hätte, im rechten Moment noch zu vereinbaren wäre, womit die Konferenz einverstanden ist.15

VI. Steiermärkisches Landesgesetz über die Bezüge des weiblichen Lehrpersonals

VI. ℹ️ Der Unterrichtsminister wird ermächtigt, den vom steiermärkischen Landtag beschlossenen Gesetzentwurf, betreffend die Ver[besserung] der pekuniären Lage des weiblichen Lehrpersonales zur Ah. Sanktionierung zu empfehlen.16

VII. Auszeichnung für die Universitätsprofessoren Jäger und Aschbach

VII. ℹ️ Der Unterrichtsminister wird weiter ermächtigt, für die nach zurückgelegtem 70. Lebensjahr in den Ruhestand tretenden Universitätsprofessoren Albert Jäger und Regierungsrat Aschbach in Anerkennung ihrer im Lehramte und auf literarischem Gebiete erworbenen Verdienste Ah. Auszeichnung, und zwar für Professor Jäger den Orden der Eisernen Krone III. Klasse und für Aschbach die taxfreie Verleihung des Titels und Charakters eines Hofrates von Sr. Majestät au. zu erbitten.17

VIII. Gesetzentwurf wegen Errichtung einer Hochschule für Bodenkultur in Wien

VIII. ℹ️ Der Ackerbauminister bringt einen Gesetzentwurf über die „Errichtung einer Hochschule für Bodenkultur in Wien“ zum Vortrage, für dessen Einbringung als Regierungsvorlage im Reichsrate er die Ah. Bewilligung einzuholen gedenkt.18

Er bemerkt, dass er den Entwurf den Konferenzmitgliedern vorher mitgeteilt hat, und ihm vorderhand nur vom Minister Dr. Unger Andeutungen vorwiegend stilistischer Natur gemacht worden sind, die, nachdem er sie vollkommen gegründet findet, durch eine geänderte Fassung Berücksichtigung finden werden. Was das Gesetz selbst anbelangt, so sei die Errichtung einer Hochschule für Bodenkultur seit dem durch den Grafen Potocki einberufenen Agrarkongress unausgesetzt im Auge behalten, und vom Reichsrate wiederholt dadurch in Aussicht genommen worden, dass namhafte Beträge in die Budgets eingestellt worden sind. Auch sei der Ankauf des hiefür bestimmten Gebäudes bereits bewerkstelligt. Es scheine nur noch von [Wichtig]keit, den Bestand [der Hoch]schule im Gesetzgebungs[wege] zu regeln, wobei im Ge[setze] selbst nur die allgemeinen Grundsätze aufgestellt, die [Details] der Durchführung aber dem seinerzeitigen Statut vorbehalten werden sollen, dessen Entwurf dem Abgeordnetenhause mittelst des Motivenberichtes mitgeteilt werden wird.19

Der Justizminister sieht sich veranlasst, bevor in die Beratung des Gesetzentwurfes eingegangen wird, auf die Einwendungen aufmerksam zu machen, welcher möglicherweise in Betreff der Kompetenz des Reichsrates erhoben werden dürften.

Der Ackerbauminister glaubt sich solchen eventuellen Einwendungen gegenüber darauf berufen zu können, dass das Gesetz tatsächlich seit Jahren auf der parlamentarischen Tagesordnung steht, dass das Abgeordnetenhaus die Kompetenz durch Zuweisung an einen Ausschuss in Anspruch genommen, und dass auch föderalistische Mitglieder an den Ausschussverhandlungen Teil genommen haben, ohne dass von irgendeiner Seite Kompetenzbedenken erhoben worden wären. Der Justizminister gibt zu erwägen, ob es sich nicht, um Kompetenzbedenken auszuweichen, empfehlen würde, in das Gesetz bloß die Bestimmungen über die Besoldung und Stellung der Lehrer aufzunehmen, alles andere aber dem Verordnungswege vorzubehalten. Minister Dr. Unger hätte kein Bedenken, der Reichsgesetzgebung die Kompetenz zu vindizieren. Der Ausdruck „Hochschule“ gelte als gleichbedeutend mit der Bezeichnung „Universität“. Gegen den Vorschlag des Justizministers werde zuverlässig die Einwendung erhoben werde, dass wenn der Reichsrat die Mittel bewilligen soll, er auch die Zwecke und Einrichtung der Anstalt kennen und normieren wolle. Der Justizminister glaubt nicht [sagen] zu dürfen, dass ihm die Beschränkung der Kompetenz [des] Reichsrates ferne liegt. Es [möge] ihm daher nicht missdeutet werden, dass er auf die Kompetenzfrage zurückkam. Hochschule und Universität seien nicht kongruente Begriffe. Das Wort Universität werde in dem historischen Sinne der vereinigten vier Fakultäten aufgefasst. Die technische Hochschule in Wien sei infolge einer Spezialabstimmung von der Kompetenz des Reichsrates ausgeschlossen worden.20 Das einzige Refugium bestehe darin, dass sich die Regierung darauf beruft, wie die Hochschule für Bodenkultur bereits ohne Beanstandung von irgendeiner Seite Gegenstand reichsrätlicher Verhandlungen war, und der Reichsrat durch das Eingehen auf die Vorlagen seine Kompetenz anerkannt hat. Der Ackerbauminister wolle sich aber auf eventuelle Einwendungen gerüstet halten. Der Minister des Innern bemerkt, dass das frühere Ministerium, welchem man die Tendenz einer Beschränkung der Landesautonomie nicht zumuten konnte, keinen Anstand genommen hat, die Kompetenz des Reichsrates über die fragliche Hochschule anzuerkennen.

Nachdem die Vorfrage über die Kompetenz einhellig im Sinne des Ackerbauministers entschieden worden, wird über Antrag des Ministerpräsidenten beschlossen, den Gesetzentwurf selbst vor der Schlussfassung über die Details einer Beratung durch ein Komitee, bestehend aus den Ministern für Ackerbau, Unterricht und Justiz zu unterziehen.21

IX. Wasserrechtsgesetz für Steiermark

IX. ℹ️ Dem Ackerbauminister liegt ein vom steiermärkischen Landtage beschlossener Gesetzentwurf über die Benützung, Leitung und Abwehr der Gewässer [vor], dessen meritorischen [] nachdem der Landtag [nach] zweimaliger Beratung [nun]mehr alle Andeutungen der Regierung akzeptiert hat, kein Bedenken obwaltet, dem aber [in]sofern ein formeller Anstand anhaftet, als der Zeitpunkt der Wirksamkeit des Gesetzes mit 1. Jänner 1872, also einem jetzt schon verstrichenen Datum, angegeben ist.

Der Ackerbauminister bemerkt, dass wenn man sich nicht für berechtigt hielte, in dieser Beziehung eine Änderung im Kundmachungspatente vorzunehmen, aus diesem Grund auf die Nichtsanktionierung angetragen werden müsste. Da nun Steiermark einen großen Wert auf die Ah. Sanktionierung dieses Gesetzes legt, gegen dieselbe auch sonst kein Anstand besteht, da ferner Präjudikate vorliegen, wornach man in ähnlichen Fällen, in Anbetracht dass die Kundmachung der Gesetze eine Aufgabe der Exekutive ist, keinen Anstand genommen hat, im Kundmachungspatente einen entsprechenden Termin anzusetzen, so glaubt der Ackerbauminister, auf die Ah. Sanktionierung des gedachten Gesetzentwurfes einraten zu können. Der Justizminister ist des Erachtens, dass eine Änderung im Texte immer ein gefährliches Präjudiz ist. Dessen ungeachtet erscheine es nicht notwendig, die Ah. Sanktion zu verweigern. Ein Gesetz kann in einem Zeitpunkt, in welchem es nicht existiert, nicht wirken. Es brauche daher nur mit dem vom Landtage beschlossenen Datum publiziert zu werden, während in einer Vollzugsverordnung erklärt wird, dass das Gesetz wegen verspäteter Publizierung selbstverständlich erst von dem anzugebenden späteren Datum beobachtet werden kann. Dieser Vorgang sei praktisch von derselben Wirksamkeit und verfassungsmäßig weniger bedenklich.

Die Konferenz unter Beitritt des Ackerbauministers [genehmigt den] Antrag und er[teilt die] Zustimmung zur Er[wirkung] der Ah. Sanktion für den gedachten Gesetzentwurf.22

X. Gesetzentwürfe über die Thayaregulierung in Niederösterreich und Mähren

X. ℹ️ Der Ackerbauminister wird ermächtigt, für zwei Landesgesetzentwürfe über die Thayaregulierung in Niederösterreich und Mähren,23

XI. Gesetzentwürfe des Salzburger Landtages betreffend die Vertilgung schädlicher Insekten und den Schutz der nützlichen Tiere

XI. ℹ️ ferner für die vom Salzburger Landtage votierten Gesetzentwürfe, betreffend die Vertilgung schädlicher Insekten und den Schutz nützlicher Tiere,24 die Ah. Sanktionierung zu erwirken.

XII. Vorlage von Gesetzentwürfen über die Erwerbung von durch Wasserregulierungen gewonnenen Bodens für Niederösterreich und Schlesien

XII. ℹ️ Die Landtage von Niederösterreich und Schlesien haben bei Votierung des Wasserrechtsgesetzes jene Bestimmung, welche die Eigentumsfrage in Betreff des Zuwachses von Grund und Boden aus Anlass von Regulierungsarbeiten normiert (§ 47), nicht in eigener Kompetenz entscheiden wollen, sondern selbe der Reichsgesetzgebung vorbehalten, während alle anderen Landtage darüber in eigener Kompetenz Beschluss fassten.25

Der Ackerbauminister erachtet, sich in einen Kompetenzstreit mit den Landtagen um so weniger einlassen zu können, als er den Vorgang der genannten zwei Landtage als eine Kompetenzübertragung im Sinne des § 12 des Staatsgrundgesetzes26 ansieht. Aus diesem Grunde beabsichtigt er, ein Spezialgesetz für Niederösterreich und Schlesien einzubringen, welches in gleicher Weise, wie die bereits sanktionierten Landesgesetze für Vorarlberg und Mähren27, die Bestimmung trifft, dass der durch Wasserregulierungen gewonnene Boden in Niederösterreich und Schlesien denjenigen zufällt, welche die [Kosten der] Unternehmung tra[gen].

Die Konferenz ermächtigt den Ackerbauminister zur Einbringung dieser Gesetzvorlage die au. Bewilligung einzuholen.28

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 24. Jänner 1872. Franz Joseph.