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Nr. 1 Ministerrat, Wien, 25. November 1871

RS. und bA.; P. Weber; VS. Auersperg; BdE. und anw. (Auersperg 24. 11.); Lasser 1.12., Banhans 5.12., Stremayr, Glaser 6.12., Unger 6.12., Chlumecký 6.12.; abw. Holzgethan.

KZ. 3790 – MRZ. 126

|| || Protokoll des zu Wien, am 25. November 1871 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Durchlaucht des Herrn Ministerpräsidenten Fürsten Adolph Auersperg.

I. Begrüßung des Ministeriums durch den Präsidenten

I. ℹ️ Der Ministerpräsident eröffnet die erste Konferenz des neu konstituierten Ministeriums mit einer die Mitglieder desselben begrüßenden Ansprache. Er hebt hervor, || || wie Er den Mut und die Kraft zur Durchführung der schweren Aufgabe, die ihm geworden, nur in dem Ag. Vertrauen Sr. Majestät und in dem Umstande finde, dass die Herren, die sich bereitfanden, Ihm Ihre Unterstützung zu leihen, zu den besten Männern Österreichs gehören. Er dankt für das Vertrauen, das sie ihm geschenkt, indem sie unter Seiner Leitung in das Ministerium traten, und bittet sie, von seiner Seite stets auf Offenheit, vertrauensvolles Entgegenkommen und echte Kollegialität zählen zu wollen.1

II. Mitteilung einer Ah. Willensmeinung betreffend das Verhalten der Minister gegenüber der Journalistik

II. ℹ️ Der Ministerpräsident teilt mit, Se. Majestät habe ihm gegenüber der Hoffnung Ausdruck zu geben geruht, dass unter den Ministern stets Einigkeit und Kollegialität herrschen werde. Se. Majestät geruhten || || [darauf] hinzuweisen, wie Man[gel an] Einigkeit im Schoße an[derer] [Min]isterien die Quelle [] Folgen war. Es sei [vorgeko]mmen, dass einzelne Minister ihre Leibjournale hatten, in denen sie sich Lob spenden [und] ihre Kollegen direkt oder indirekt herabsetzen ließen. Se. Majestät vertrauen, dass derlei nicht vorkommen, und dass, so schwer die Aufgabe sei, der Presse gegenüber die größte Zurückhaltung beobachtet, insbesondere aber über die Vorgänge in den Ministerkonferenzen unbedingte Verschwiegenheit eingehalten werden wird.

Der Ministerpräsident, durchdrungen von der Richtigkeit dieser Ah. Bemerkungen, spricht die Überzeugung aus, dass ähnliche Vorkommnisse unter den Mitgliedern dieses Ministeriums nie eintreten werden.2

III. Besprechung über die Zweckmäßigkeit der Veröffentlichung eines Regierungsprogrammes – Entwurf eines Zeitungskommuniqués aus Anlass des Amtsantritts des Ministeriums

III. ℹ️ Der Ministerpräsident bringt die Frage zur Bera|| || tung, ob es zweckmäßig sei, in der offiziellen Zeitung eine Art Programm der Regierung zu veröffentlichen, oder die Kundmachung über die Konstituierung des Ministeriums mit einigen die Richtung seiner Tätigkeit kennzeichnenden Worten zu begleiten.

Ihm für seine Person schiene es in Anbetracht der traurigen Erfahrungen, die man über das Los von Programmen zu machen bereits in der Lage war, in Anbetracht der unliebsamen Diskussionen, zu denen sie Anlass bieten, und der verschiedenen, teilweise unrichtigen Deutungen, denen sie preisgegeben sind, für das Geratenste, in dieser Beziehung so wenig als möglich zu tun. Der Veröffentlichung einiger entsprechender Antrittsworte dagegen wäre Er nicht abgeneigt. Minister Dr. Unger hält es für kaum leicht möglich, dass || || [das Ministerium] seine Tä[tigkeit] beginne, ohne wenig[stens] einige Worte im Wege [des offiziellen] Journals an [die Bevö]lkerung zu richten. [Frühere] Regierungen seien zumeist mit sehr ausführlichen Programmen hervorgetreten. Der wenig glückliche Ausgang, den sie damit gefunden, wäre wohl ein Fingerzeig für das gegenwärtige Ministerium, denselben Weg nicht einzuschlagen. Doch werde es sich seiner Zeit der Aufgabe nicht entziehen können, den beiden Häusern des Reichsrates sein wohlüberlegtes Programm darzulegen. Für den jetzigen Augenblick empfehle sich nach seiner Meinung ein kurzes Kommuniqué, welches gleichzeitig mit der Ernennung der Mitglieder des Kabinetts in der Wiener Zeitung zu erscheinen hätte. Er habe einen Entwurf hiefür vorbereitet und werde sich erlauben, denselben der Prüfung der Konferenz zu unterziehen. || || Die Veröffentlichung einer so kurz gehaltenen und nicht sehr bedeutenden Manifestation dürfte jedoch nicht etwa einige Tage nach der Kundmachung der Ernennungen erfolgen, sondern müsste jedenfalls morgen vor sich gehen.

Der Minister für Kultus und Unterricht wünscht, da es sich darum handelt, die Richtung des Ministeriums zu kennzeichnen, ohne ein Programm zu publizieren, vorher den Wortlaut des Entwurfes zu vernehmen. Was die Bemerkung des Ministers Dr. Unger in Betreff des dem Reichsrat vorzulegenden Programms betrifft, so glaubt der Kultus- und Unterrichtsminister der Hoffnung Raum geben zu können, dass die Ah. Thronrede die Vorlage eines Regierungsprogramms überflüssig machen werde.3 Der Minister des Innern macht kein Hehl daraus, || || dass [er nach viel]fältig gemachten [Erfahr]ungen kein Freund ver[öffentlichter] Programme sei, []er Konsequenzen []ziehen, und den Gegenstand der Bekrittlung bilden. Die Mitglieder des gegenwärtigen Ministeriums seien in dieser Beziehung in einer etwas glücklicheren Lage, als deren unmittelbare Vorgänger, die als homines novi in der Tat die Notwendigkeit empfinden mussten, ihr Wirken mit einer Devise zu beginnen. Das gegenwärtige Ministerium zähle genügend bekannte Namen. Wer die Vorgänge der letzten Zeit in Österreich halbwegs beobachtet, wisse, wie jeder gewirkt oder sich ausgesprochen hat. Die Diagonale alles dessen bilde das faktische Programm der Regierung. Dies vorausgeschickt, würde er einer kurzen Andeutung, welche gewissermaßen das mot d’ordre enthält, unter welchem das Ministerium zu kämpfen gedenkt, vorbe|| || haltlich des Inhalts nicht entgegen sein. Nachdem hierauf vom Minister Dr. Unger über Aufforderung des Ministerpräsidenten der Entwurf des Kommuniqué verlesen und von der Konferenz einer eingehenden Besprechung unterzogen worden, beschließt der Ministerrat, von der Veröffentlichung eines förmlichen Programms abzusehen, und akzeptiert nach einigen stilistischen Modifikationen mit Einhelligkeit folgende Fassung des morgen in der Wiener Zeitung einzurückenden Kommuniqués:

„Die Regierung, welche Se. Majestät in diesem schwierigen Augenblick mit der Leitung der Staatsgeschäfte Ag. zu betrauen geruht, ist aus Männern gebildet, welche im politischen Leben wiederholt ihre Überzeugungen durch Wort und Tat bekundet haben. Als Männer von Ehre und Gesinnungstreue werde sie ihre Überzeugungen || || [] [Stellung] zu bewähren [und zu be]tätigen wissen, zu wel[cher das] Vertrauen Sr. [Majestät sie] berufen hat. [Die Sch]ritte der Regierung werden keinen Zweifel lassen an ihrem ernsten Willen und eifrigen Bestreben, den Staatsgrundgesetzen auf allen Gebieten die ihnen gebührende Achtung zu sichern, die staatlichen Institutionen dem wahren Geiste der Verfassung gemäß fortzubilden, allen Volksstämmen den gleichen unparteiischen Schutz und die gleiche liebevolle Pflege zuzuwenden, die Verwaltung mit festen Händen zu führen, und für die Hebung der materiellen Lage und der volkswirtschaftlichen Interessen wirksame Sorge zu tragen.“

Der Ministerpräsident übernimmt es, den Entwurf vor der Veröffentlichung Sr. apost. Majestät vorzulegen.4

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 15. Dezember 1871. Franz Joseph.