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Nr. 618 Ministerrat, Wien, 21. November 1871 - (PDF)

RS. und bA.; P. Weber; VS. Holzgethan; BdE. und anw. (Holzgethan 21. 11.), Scholl 25. 11., Grocholski 25. 11., Wehli (bei I-IV), Fidler (bei V-VIII).

KZ. 3789 – MRZ. 125

|| || Protokoll des zu Wien am 21. November 1871 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Finanzministers Freiherrn v. Holzgethan als Vorsitzenden des Ministerrates.

I. Landesgesetz über die Aufnahme eines Darlehens seitens der Gemeinde Salzburg - (PDF)

I. ℹ️ Der Salzburger Landtag hat einen Gesetzentwurf beschlossen, womit der Gemeinde Salzburg die Aufnahme eines in Annuitäten rückzahlbaren Anlehens durch Ausgabe von Partialobligationen bis zum Gesamtbetrage von 1,726.200 fr. || || bewilligt wird1.

Der Leiter des Ministeriums des Innern bemerkt, dass über die Notwendigkeit der Aufnahme eines Darlehens für die aufstrebende Kommune Salzburg kein Zweifel obwaltet; fraglich könne nur sein, ob mit Rücksicht auf das Hofkammerdekret vom Jahre 1844 über die Ausgabe von Partialobligationen2 zur Bewilligung dieser Darlehensaufnahme nicht die Mitwirkung der Reichsgesetzgebung erforderlich erscheine.

Nach dem erwähnten Hofkammerdekret dürfen Partialobligationen nur dann ausgegeben werden, wenn sie erstens zum wenigsten auf den Betrag von 100 fr. und zweitens auf bestimmte Namen lauten.

Die Frage, ob hiezu ein Reichsgesetz nötig ist, war bereits Gegenstand der Beratung im Ministerrate und wurde dahin entschieden, dass die Notwendigkeit eines Reichsgesetzes nur dann eintritt, wenn es sich um || || [] [Prä]mienanlehen []3. Die Partialobligationen auf geringere Beträge [] ausgestellt werden [].

Da nun beides hier nicht der Fall ist, so findet der Leiter des Ministeriums des Innern keinen Grund zur Beanständung und beantragt die Ah. Sanktionierung des oberwähnten Gesetzentwurfes.

Die Konferenz stimmt einhellig bei4.

II. Gesetzentwürfe des Salzburger Landtages, betreffend: a) die Fällung der Schuberkenntnisse; b) die Bestreitung der Schubkosten - (PDF)

II. ℹ️ Der Salzburger Landtag hat zwei Gesetzentwürfe angenommen, von denen der eine die Fällung der Schuberkenntnisse den Schubstationsgemeinden überträgt, der andere die Tragung der Verpflegs- und Schubkosten dem Lande überweist5.

Der Leiter des Ministeriums des Innern gedenkt, diese der Sache nach zweckmäßigen und dem bezüglichen || || Reichsgesetze vom 27. Juli 1871 (§§ 6, 14)6 nicht zuwiderlaufenden Bestimmungen Sr. apost. Majestät zur Ah. Sanktionierung zu empfehlen.

Die Konferenz erteilt einhellig ihre Zustimmung7.

III. Landesgesetz wegen Zuerkennung des Gemeindewahlrechtes in Triest an die Kapitäne von Handelsschiffen weiter Fahrt - (PDF)

III. ℹ️ Der Leiter des Ministeriums des Innern wird mit einhelligem Beschlusse der Konferenz ermächtigt, einen Gesetzentwurf des Triester Landtags, womit den Kapitänen von Handelsschiffen langer Fahrt das Gemeindewahlrecht in Triest ohne Rücksicht auf die Steuerzahlung aus dem Titel der persönlichen Eigenschaft zuerkannt wird, Sr. apost. Majestät mit dem au. Antrage auf Erteilung der Ah. Sanktion vorzulegen8.

IV. Gesetzesentwurfs des Vorarlberger Landtages wegen Abänderung der Landtagswahlordnung - (PDF)

IV. ℹ️ Der Leiter des Ministeriums des Innern bringt einen vom || || Vorarlberger Landtag beschlossenen Gesetzentwurf wegen Abänderung der Landtagswahlordnung zum Vortrag9. Dem Vorarlberger Landtag ist wie allen anderen Landtagen eine auf die Abänderung der Landtagswahlordnung abzielende Regierungsvorlage gemacht worden10. Der genannte Landtag hat aber nicht die von der Regierung proponierten, sondern ganz andere Modifikationen der Landtagswahlordnung beschlossen und einen Gesetzentwurf zustande gebracht, der sich nach der übereinstimmenden Ansicht des Tiroler Statthalters und des Leiters des Ministeriums des Innern sowohl der Form als der Sache nach zur Erwirkung der Ah. Sanktion nicht eignet11.

In formeller Beziehung müsse beanständet werden, dass der neue Gesetzentwurf || || mehrere Paragrafen der Wahlordnung vom Jahre 1861 ändert, von den seither wiederholt erflossenen, || || zum Teil dieselben Paragrafe modifizierenden Gesetzesnovellen aber gar keine Erwähnung macht, so dass es unklar bleibt, ob letztere gleichfalls abgeändert worden sind oder fortzubestehen haben12. Eine weitere Unklarheit werde durch die Herausreißung einzelner Stellen und Alineas aus den abgeänderten Paragrafen ohne Anführung des an ihre Stelle tretenden neuen Wortlautes herbeigeführt, so dass in Betreff dessen, was noch zu gelten oder nicht mehr zu gelten hat, eine vollständige Verwirrung entsteht.

In meritorischer Beziehung ergeben sich folgende Bedenken: Die Zulassung von Wahlbevollmächtigten für nicht eigenberechtigte Personen, die Vertretung von in ehelicher Gemeinschaft lebenden Frauen durch die Gatten und von nicht in ehelicher Gemeinschaft lebenden Frauen durch Bevollmächtigte bei den Wahlen, || || Zulassung von Bevollmächtigten für Ärzte und Seelsorger], die durch ihren Beruf verhindert sind, bei der Wahl zu erscheinen. Abgesehen davon, dass die Bestellung von Bevollmächtigten bisher im Allgemeinen nicht zugelassen wurde, gebe die betreffende Bestimmung über die Vertretung von Ärzten und Seelsorgern zu verschiedenen Auslegungen und zu Zweifeln Anlass, wie denn der Nachweis über die wirklich eingetretene Verhinderung durch Berufsgeschäfte hergestellt werden soll. Weiter wurde als Bevollmächtigter jeder eigenberechtigte Staatsbürger zugelassen, gegen welchen kein Ausschließungsgrund vorliegt, ohne dass verlangt würde, dass der Bevollmächtigte selbst landtagswahlberechtigt sein muss.

Die in dem Gesetzentwurfe aufgenommenen Bestimmungen über die Bestellung von Kommissionen zur Prüfung der Wahlakte || || und über die Fristen sind geeignet, das Wahlgeschäft zu verschleppen und übermäßig in die Länge zu ziehen. Der Wirkungskreis der Bezirkshauptmannschaften in Bezug auf die Verifizierung der Wahllisten ist ganz übergangen. Das Wahlrecht wird in einer Weise erweitert, die der Einführung des suffrage universel gleichkommt, indem jeder, der nach der Vorarlberger Gemeindeordnung in der Gemeinde wahlberechtigt ist, somit jeder, der irgendeine noch so geringe Steuer entrichtet, auch für den Landtag das Wahlrecht auszuüben berechtigt sein soll. Aus allen diesen Gründen erachtet der Leiter des Ministeriums des Innern die Ablehnung des Gesetzentwurfes bei Sr. Majestät au. beantragen zu sollen.

Minister Ritter v. Grocholski spricht sich zwar gleichfalls gegen die Ah. Sanktionierung aus, aber nicht aus || || []ben ange[]. Insbesondere []llen Anstände scheinen ihm nicht hinreichend für die Ablehnung des Gesetzentwurfs. Auch würde er den Grundsatz, dass man wahlberechtigt sein muss, um als Bevollmächtigter eines anderen wählen zu können, nicht generell annehmen. Er findet vielmehr bloß den zuletzt angeführten Umstand, nämlich die Einführung des suffrage universel entscheidend; gegen dieses habe er prinzipielle Bedenken, die ihn bestimmen, sich entschieden gegen die Vorlage zu erklären.

Der Landesverteidigungsminister bemerkt, die Anbahnung des allgemeinen Stimmrechts in Vorarlberg habe ihre besondere Bedeutung. Dort sei der Kampf zwischen der ultramontanen und liberalen Partei weit größer als in Tirol. Die ultramontane Partei beabsichtige, um sich den Sieg zu sichern, die untern Schichten || || in größerem Umfang zur Wahl heranzuziehen. Indessen, wenn in andern Ländern ein ansehnlicherer Wahlzensus als Grundsatz festgehalten wurde, so sei er der Ansicht, dass gleichmäßig vorzugehen wäre, und spreche sich daher ebenfalls für die Nichtsanktionierung des Gesetzentwurfes aus.

Die Konferenz beschließt somit nach dem vom Leiter des Ministeriums des Innern gestellten Antragea,13.

V. Gesetzesentwurf des Salzburger Landtages betreffend die Abänderung des Landesgesetzes über die Rechtsverhältnisse der Lehrer - (PDF)

V. ℹ️ Der Leiter des Unterrichtsministeriums wird ermächtigt, einen vom Salzburger Landtag beschlossenen Gesetzentwurf, welcher mit Abänderung einiger Paragrafe des Landesgesetzes über die Regelung der Rechtsverhältnisse der Lehrer14 bezüglich der Stadt Salzburg eine Erhöhung der Lehrergehalte und die Regelung der Quartieräquivalente bezweckt, nach Antrag des

|| || [] zur Ah. Sanktionierung au. vorzulegen15.

VI. Gesetzesentwurf des Oberösterreichischen Landtages betreffend die Abänderung des Gesetzes wegen Errichtung und Erhaltung dreiklassiger Bürgerschulen - (PDF)

VI. ℹ️ Der oberösterreichische Landtag hat eine Abänderung zweier Paragrafe des Gesetzes vom 23. Jänner 1870 betreffend die Errichtung und Erhaltung der dreiklassigen Bürgerschulen beschlossen16.

Die Amendierung des § 15 bezweckt eine Herabminderung der Lehrergehalte und eine Modifikation der Bestimmung, wornach leitende Oberlehrer an Schulen, an denen sich mehr als zwei Lehrer befinden, eine Zulage von 100 fr. erhalten sollen, dahin, dass der Anspruch auf eine Zulage den leitenden Oberlehrern nur solcher Schulen zuerkannt wird, an denen mehr als drei Lehrer beschäftigt sind und dass der Betrag dieser Zulage statt 100 nur 50 fl. zu betragen hat. Der § 54, welcher die Zu|| || lagen als einen bei Berechnung der Pension anrechenbaren Teil des Gehaltes erklärt, wird in der Weise abgeändert, dass die erwähnten Zulagen bei Bemessung der Pensionen nicht eingerechnet werden sollen.

Der Leiter des Unterrichtsministeriums bemerkt, dass, wenn man schon die Herabdrückung der Lehrergehalte an sich im Interesse des Fortschrittes im Schulwesen für bedenklich hält, weil auf diese Art der durch das Gesetz vom Jänner 1870 bewirkte erfreuliche Zudrang zu den Lehrerstellen in Oberösterreich voraussichtlich wieder schwinden wird, man die Bestimmung, wornach die bisher als anrechenbar erklärten Zulagen bei der Pensionsbemessung nicht mehr eingerechnet werden sollen, geradezu als eine Verfügung, zu welcher der Landtag gar nicht berechtigt ist, als eine direkte Verletzung bereits erworbener Rechtsansprüche bezeichnet, so dass nicht nur || || [] im Lande [] Nichtbestätigung des Gesetzentwurfes petitionieren, sondern auch der Statthalter ganz entschieden auf die Verweigerung der Ah. Sanktion anträgt, zumal nach dem Berichte des Statthalters bei der dritten Lesung die Majorität eine zweifelhafte war17. Der Leiter des Unterrichtsministeriums ist der Ansicht, dass, wenn auch die nach mündlicher Mitteilung des Statthalters stattgefundene Überrumpelung des Landtages in den stenografischen Protokollen ihre Bestätigung findet, der Beschluss in dieser Richtung dennoch nicht angefochten werden kann, da die geschäftsordnungsmäßigen Formen eingehalten worden sind. Er glaubt aber, auf die Ah. Sanktionierung des Gesetzentwurfes teils aus Opportunitätsgründen, teils wegen Rechtsbedenken nicht einraten zu können. Sowohl die Verminderung der Gehalte und Zulagen als || || die Ausschließung der letzteren von der Anrechenbarkeit bei der Pensionsbemessung seien von nachteiligen Folgen für die Schule, da sie die Konkurrenz für Lehrstellen beeinträchtigen, und er glaube auch nicht, dass diese Beschlüsse der Ausdruck der Wünsche des Landes sind. Die Abänderung des § 54 aber in Betreff der Nichtanrechnung jener Zulagen, welche auf dem Gesetze vom Jänner 1870 beruhen und nach diesem anrechenbar sind, stelle sich als ein Verstoß gegen einen Rechtsgrundsatz aus, der in der ganzen Gesetzgebung gilt, nämlich gegen den Grundsatz, dass Gesetze nicht rückwirken und dass gesetzlich erworbene Rechte durch spätere Gesetze nicht verkümmert werden dürfen. Die Herabminderung der Bezüge könne allerdings nicht vom Standpunkt der Legalität, sondern nur von jenem der Zweckmäßigkeit angefochten werden, der Beschluss über die Nichtanrechnung || || [] sei vom rechtlichen Gesichtspunkte unzulässig.

Minister Ritter v. Grocholski möchte sich dem Antrage auf Nichtsanktionierung des Gesetzentwurfes nur aus dem hervorgehobenen Opportunitätsgrunde anschließen, das geltend gemachte rechtliche Bedenken dagegen nicht anerkennen. Er vermeint vielmehr sowohl dem Landtage als dem Reichsrate das Recht wahren zu sollen, Gehalts- und Pensionsbemessungen nach Ermessen herabzusetzen. Dazu komme überdies in Betracht, dass das gegenwärtig geltende Gesetz einen noch sehr kurzen Bestand hat; bei längerem Bestande könnte er eher Bedenken haben.

Der Leiter des Unterrichtsministeriums bemerkt, dass die Zeit, seit welcher ein Gesetz in Rechtskraft steht, keinen Unterschied begründen kann. Bei Erlassung abändernder Gesetze in ähnlichen Angelegenheiten werde stets der Grundsatz ausge|| || sprochen, dass auf jene, die nach dem früheren Gesetze einen Anspruch auf eine günstigere Behandlung erworben haben, das frühere Gesetz Anwendung findet. Es sei ein gegenseitiges Verhältnis entstanden; die in den oberösterreichischen Lehrdienst auf Grund des Gesetzes vom Jahre 1870 zahlreich eingetretenen Lehrer haben ihren Dienst im Vertrauen darauf übernommen, dass sie nach den Bestimmungen dieses Gesetzes werden behandelt werden.

Minister Ritter v. Grocholski ist mit der Ablehnung des Gesetzentwurfes aus Opportunitätsgründen einverstanden, verwahrt sich aber entschieden gegen die behauptete Rechtsverletzung; niemand könne gegen das Reich oder ein Land ein Recht erwerben außer im Wege eines abgeschlossenen Vertrages. Gesetze aber können von der gesetzgebenden Gewalt nach Ermessen gegeben und geändert werden.

|| || Der Landesverteidigungsminister stimmt gleichfalls aus Opportunitätsgründen für die Verweigerung der Ah. Sanktion.

Der Präsident des Ministerrates ist auch der Ansicht, dass ein rechtliches Bedenken nicht vorliegt, der Gesetzentwurf aber aus Opportunitätsrücksichten zur Ah. Sanktion nicht zu empfehlen wäre. Er konstatiert, dass die Majorität sich gegen das Vorhandensein von Rechtsbedenken ausgesprochen hat, die Ablehnung der Ah. Sanktion aus Opportunitätsgründen aber einhellig beschlossen worden ist18.

VII. Aufhebung der Bezeichnung „extra statum“ bei Lehrerstellen der Mittelschulen - (PDF)

VII. ℹ️ Der Leiter des Unterrichtsministeriums teilt den Entwurf eines au. Vortrages mit, in welchem die Bitte gestellt wird, Se. Majestät geruhe Ag. zu gestatten, dass die Bezeichnung „extra statum“ bei Lehrerstellen an || || den Mittelschulen in Hinkunft entfalle, wobei es sich von selbst verstehe, dass auch künftighin für jede Überschreitung der gegenwärtig bestehenden Lehrerzahl die Ah. Bewilligung zu erbitten und vorkommenden Falles die eventuelle Verminderung der Lehrerzahl im Auge zu behalten sein wird.

Nachdem der Leiter des Unterrichtsministeriums die Entstehung der Lehrerstellen extra statum und die durch das Gesetz über die Regelung der Lehrergehalte an Mittelschulen vom 1. Mai 187019 eingetretene Gegenstandslosigkeit dieser Einrichtung auseinandergesetzt und weiter die Nachweisung geliefert, dass durch die beabsichtigte Aufhebung der gedachten Einrichtung finanzielle Rücksichten nicht berührt werden, erteilt die Konferenz einhellig ihre Zustimmung zur Erstattung des au. Vortrages20.

VIII. Gesetz über die Mandatsdauer der Landesschulratsmitglieder in der Bukowina - (PDF)

|| || VIII. ℹ️ Der Leiter des Unterrichtsministeriums teilt mit, dass das im Bukowinaer Landtag beschlossene Gesetz betreffend die Mandatsdauer der aus dem Landesausschusse und der Kommune [Czern]owitz entsendeten Mitglieder des Landesschulrates die Ah. Sanktion erhalten hat21.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 15. Dezember 1871. Franz Joseph.