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Nr. 603 Ministerrat, Wien, 14. Oktober 1871 - (PDF)

RS. und bA.; P. Weber; VS. Hohenwart; BdE. und anw. (Hohenwart 14. 10.), Holzgethan 19. 10., Scholl 19. 10., Jireček 20. 10., Schäffle 22. 10., Habietinek 23. 10., Grocholski 23. 10.

KZ. 2814 – MRZ. 110

|| || Protokoll des zu Wien am 14. Oktober 1871 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Se. Exzellenz des Herrn Präsidenten des Ministerrates und Ministers des Innern Grafen Hohenwart.

I. Vertrauenskundgebungen - (PDF)

I. ℹ️ Der Präsident des Ministerrates macht Mitteilung von nachstehenden, neuerdings eingelangten Vertrauenskundgebungen: 1. Beschluss der Bezirksvertretung Manetin, der Regierung das Vertrauen der Bevölkerung aus Anlass der Ausgleichsaktion || || auszudrücken. 2. Vertrauenserklärung von zwölf deutschen Gemeinden des Klattauer Gerichtsbezirkes zu den von Sr. Majestät angeordneten Ausgleichsverhandlungen und Ausdruck des Bedauerns über den Austritt der deutschen Abgeordneten aus dem Landtag. 3. Eingabe der deutschen Gemeinde Huttendorf im Starkenbacher Bezirke gleichen Inhalts. 4. Zustimmungsadresse der Deutschen des Hohenelber Bezirkes (fünf Gemeinden) zu der Aktion der Regierung. 5. Eingabe desselben Inhalts vom katholisch-politischen Verein in Plan. 6. Von den deutschen Vorständen der Stadt Trebnitz und 18 umliegenden Gemeinden des Bezirkes Lobositz. 7. Vertrauenskundgebung der Gemeinden Eisenstrass und Hammern im Bezirke Neuern. 8. Adresse der Stadtgemeinde Manetin1.

II. Landtagsgesetz für Dalmatien betreffend die Berechnung der Gemeindeumlagen nach dem Maßstab der gesamten direkten Steuer mit Einrechnung des außerordentlichen Zuschlages - (PDF)

II. ℹ️ Dem Präsidenten des Ministerrates als Minister des Innern || || liegt ein vom dalmatinischen Landtag beschlossener Gesetzentwurf vor, womit der Art. III des Landesgesetzes vom 19. März 1866 (LGBl. 5) abgeändert wird2. Nach § 76 der dalmatinischen Gemeindeordnung vom Jahre 1864 sind die Auslagen für Zwecke der ganzen Gemeinde von allen Fraktionen der Gemeinden zu bestreiten3. Zur Lösung der streitigen Frage des Beitragsmaßstabes der einzelnen Fraktionen würde mit dem Landesgesetze vom 19. März 1866, Art. III, ausgesprochen, dass der von den Fraktionen zu leistende Beitrag „im [E]benmaße mit jenem Teilbetrag zu stehen habe, welchen jede Fraktion zur Gesamtschuldigkeit der ganzen Gemeinde an lf. direkten Steuern im ursprünglichen Ausmaße entrichtet“.

In der Sitzung vom 26. September 1871 hat nun der dalmatinische Landtag einen Gesetzentwurf angenommen, welcher den oberwähnten Art. III dahin modifiziert, dass der von den Fraktionen zu || || entrichtende Teilbetrag im Verhältnis mit jenem Teilbetrag stehen müsse, welchen jede Fraktion zur Gesamtschuldigkeit der ganzen Gemeinde an lf. direkten Steuern entrichtet. Die Genesis dieses Gesetzentwurfes ist ein Ministerialerlass vom 16. Juli l. J. an sämtliche Länderchefs, worin dieselben aufgefordert wurden, dahin zu wirken, dass bei allen Beschlüssen der Vertretungskörper, welche die Bewilligung von Umlagen zum Gegenstande haben, die ganze wirklich zu entrichtende Steuer zur Grundlage genommen werde4. Die Gesichtspunkte, von welchen bei Hinausgabe dieses Erlasses ausgegangen wurde, sind folgende: Die Einhebung der verschiedenen Zuschläge obliegt den Steuerämtern, welchen hiedurch eine bedeutende Geschäftslast erwächst. Die Repartierung auf die Steuer samt Zuschlägen macht die Repartition schneller und sicherer und erleichtert die Kontrolle seitens der Behörden || || und Parteien. Dazu kommt, dass bei der durch die Ungleichheit der Besteuerungsverhältnisse begründeten Verschiedenheit des außerordentlichen Zuschlages die Gesamtsteuer eine gerechtere Grundlage für die Umlagen bildet als die Steuer ohne Zuschlag und dass die der Bewilligung dieser Umlagen zum Grunde liegenden gesetzlichen Bestimmungen im Allgemeinen nur die Umlage auf die direkten Steuern im Auge haben. Der dalmatinische Landtag hat, die Grundhältigkeit dieser Erwägungen anerkennend, den in Rede stehenden Gesetzentwurf beschlossen. Der Präsident des Ministerrates erachtet, auf die Ah. Sanktionierung des Gesetzentwurfes antragen zu können.

Die Konferenz erteilt ihre Zustimmung5.

III. Landtagsgesetz für Oberösterreich über den Mandatsverlust von Landtagsabgeordneten - (PDF)

III. ℹ️ Der Präsident des Minister|| || rates als Minister des Innern bringt den vom oberösterreichischen Landtag beschlossenen Entwurf eines Gesetzes betreffend den Mandatsverlust von Landtagsabgeordneten zum Vortrag6.

Der Umstand, dass in der jüngst abgelaufenen Session des oberösterreichisch Landtages eine Anzahl Abgeordneter sich den Verhandlungen aus Gründen entzog, welche der Landtag als gerechtfertigt nicht anzuerkennen vermochte, veranlasste den Landesausschuss, dem Landtage einen Gesetzentwurf zu empfehlen, nach welchem ein Abgeordneter, welcher nach ergangener Aufforderung des Landeshauptmannes seinen Eintritt über acht Tage verzögert oder eben solange ohne Urlaub sich entfernt und der vom Landeshauptmanne an ihn ergangenen Aufforderung, binnen acht Tagen zu erscheinen, nicht entspricht oder seine Abwesenheit in einer solchen Weise nicht rechtfertigt, dass diese Rechtfertigung vom Landtage als genügend erachtet wird, als ausgetreten zu behandeln ist7. || || Das gleiche soll auch von solchen Landtagsabgeordneten gelten, welche dem Landtage ausdrücklich ihre Mitwirkung versagen. Der oberösterreichische Landtag hat diesen Entwurf angenommen. Da derselbe im Wesentlichen dem vom Krainer Landtage beschlossenen und mit Ah. Entschließung vom [] Oktober 1871 sanktionierten Gesetze gleicht8, erlaubt sich der Präsident des Ministerrates auch für den vorliegenden Gesetzentwurf die Ah. Sanktion zu beantragen.

Die Konferenz stimmt bei9.

IV. Auszeichnung für den Wiener Finanzbezirksdirektor Hofrat v. Orosz - (PDF)

IV. ℹ️ Der Finanzminister bringt einen Bericht des niederösterreichischen Finanzlandesdirektionspräsidiums zur Kenntnis, welcher die hervorragende Dienstleistung des Wiener Finanzbezirksdirektors Hofrates Karl v. Orosz in ausführlicher Weise schildert und eine Ah. Anerken|| || nung für diesen verdienstvollen Beamten durch Ag. Verleihung des Ritterkreuzes vom Leopoldorden in Anregung bringt.

Der Finanzminister bemerkt, er könne dieser Schilderung das Zeugnis beifügen, dass Hofrat Orosz, der eine mehr als 37-jährige, stets ausgezeichnete Dienstleistung für sich hat, diese umfangreiche Geschäftsaufgabe der Finanzbezirksdirektion, einer Behörde, welche einen Einlauf von 70.000 Exhibiten hat und Steuerobjekte mit einem in stetem Steigen begriffenen Jahreserträgnis von 25–26 Millionen verwaltet, bei verhältnismäßig geringem Personalstand nur vermöge seiner vorzüglichen Leitungsgabe in vollkommen zufriedenstellender Weise bewältigt, sich mit wahrer Aufopferung seinem Berufe widmet und eine durchaus ehrenhafte und loyale Haltung an den Tag legt. Er müsse daher eine Ah. Anerkennung für diesen Beamten befürworten, doch scheine ihm mit Rücksicht auf die im Status des Finanz|| || ministeriums bisher beobachtete Übung, wornach bloß für Hofräte der Zentralstelle die Verleihung des Leopoldordens beantragt zu werden pflegt, dieser Auszeichnungsgrad zu hoch gegriffen und der Orden der Eisernen Krone III. Klasse angemessener, welchen letzteren er sich erlauben würde, für Hofrat v. Orosz in Vorschlag zu bringen.

Der Landesverteidigungsminister kann in dem Umstand, dass Hofrat v. Orosz nicht bei der Zentralstelle dient, kein Argument dafür erkennen, ihm bloß die Eiserne Krone zuzuwenden. Verdienste können in welchem Dienstverhältnis immer erworben werden, erachte man jemanden einer Belohnung für würdig, so müsse man ganz objektiv vorgehen. Er stimme daher für die Verleihung des Leopoldordens.

Die übrigen Minister votieren für den Antrag des Finanzministers, der somit zum Beschlusse erwächst10.

V. Einräumung der Salvatorkapelle im Wiener Rathaus zum Gottesdienst der Altkatholiken - (PDF)

|| || V. ℹ️ Der Kultusminister ist in der Lage, die Angelegenheit der Altkatholiken nochmals zur Sprache zu bringen11.

Bekanntlich habe der Wiener Gemeinderat beschlossen, den Altkatholiken die Salvatorkapelle zum Gottesdienst einzuräumen12. Der Kardinal habe sich diesfalls an den Statthalter gewendet, welcher konform dem in Betreff der Gumpendorfer Angelegenheit in der letzten Konferenz gefassten Ministerratsbeschlusse erwiderte, dass mit Rücksicht auf die Artikel 14, 15, 16 des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867 über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger für die Staatsverwaltung in dem Beschlusse des Gemeinderates kein Anlass zu einer Ingerenz vorliege, und er daher außer Stande sei, diesem Beschlusse entgegen zu treten13. Der Kardinal setzt in seinem an das Ministerium gerichteten Rekurse auseinander, die Salvatorkapelle sei von jeher eine katholische Kirche gewesen, habe als Begräbnisstätte von Katholiken gedient und sei mit einer Reihe von katholischen Stiftungen aus|| || gestattet, so dass ihre Angehörigkeit zur katholischen Kirche außer allem Zweifel stehe. Nachdem er weiter die Frage diskutiert, inwieferne das Staatsgrundgesetz auf den vorliegenden Fall Anwendung finde, gelangt er zu folgendem Schlusse: Da im Artikel 14 keine Bestimmung zu finden ist, welche dem Gemeinderate das Recht einräumen würde, das Gotteshaus seinen Zwecken zu entfremden, aus Artikel 15 vielmehr erhellt, dass durch diesen Eingriff bestehende Rechte verletzt werden und nach Artikel 16 der neuen Sekte nichts andere gebührt, als die Gestattung der häuslichen Religionsübung, so stelle er an die Regierung die Bitte, der Benützung der Salvatorkapelle durch die Altkatholiken als einer Rechtsverletzung durch geeignete Verfügungen entgegen zu wirken. Der Kardinal gehe übrigens von der Voraussetzung aus, dass die Altkatholiken keine Katholiken sind; von Pater Anton sei vor einiger Zeit in Pest eine Broschüre erschienen, durch || || welche er sich von der Gemeinsamkeit mit der katholischen Kirche losgesagt habe14.

Der Kultus- und Unterrichtsminister bemerkt, dass nach seiner Ansicht die Berufung des Statthalters auf alle drei Artikel (14, 15, 16) im vorliegenden Falle wohl nicht ganz richtig angewendet sei. So sehr hier der Art. 15 maßgebend ist, so sehe er keinen Grund ein, die Art. 14 und 16 zu zitieren. Dagegen glaube er, dass nach Artikel 15 ein Einschreiten der Regierung kaum denkbar ist. Er kehre zu der Argumentation zurück, welche in der letzten Konferenz gebilligt worden ist, nämlich dass der Kardinal als Oberhirt das Recht haben mag, die Altkatholiken nicht als Katholiken anzuerkennen, die Regierung ihnen aber die Prärogativen als Katholiken nicht absprechen kann, solange sie nicht in gesetzlicher Form ausgetreten sind.

Er beabsichtige daher, dem Kardinal folgendes zu eröffnen: Obgleich er die Motive vollkommen würdige, welche Se. || || Eminenz vom Standpunkte des Oberhirten geltend macht, so müsse er dessen Aufmerksamkeit auf den Umstand lenken, daß die Regierung von ihrem Standpunkte die sogenannten Altkatholiken, da dieselben den Austritt aus der Kirchengemeinschaft im Sinne des Gesetzes vom 25. Mai 186815 noch nicht vollzogen haben, immer noch als Angehörige der katholischen Kirche betrachten muss. Es handle sich also nicht um einen interkonfessionellen Konflikt, bezüglich dessen der Regierung eine Einflussnahme gestattet ist, sondern um einen Vorgang, welcher eine rein innerkirchliche Angelegenheit berührt, daher es lediglich der Kirche überlassen werden muss, die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen.

Der Finanzminister erklärt sich in der Sache selbst einverstanden und hält nur den Eingang, in welchem die Zustimmung zu den Motiven des Kardinals ausgesprochen wird, nicht für notwendig.

|| || Der Landesverteidigungsminister ist in gleicher Weise einverstanden, indem er die Notwendigkeit einer vorsichtigen Formulierung betont, da man im Publikum auf den Ausspruch der Regierung sehr gespannt sei.

Der Handelsminister stellt, nachdem in dem Entwurfe der Antwort bloß von dem noch nicht vollzogenen freiwilligen Austritte die Rede ist, die Frage, ob es kirchenrechtlich auch eine Ausstoßung gebe. Weiter ersucht er um die Aufklärung, ob die vom Kardinal berührte Angehörigkeit der Kapelle eine im gewöhnlichen Rechtswege auszutragende oder in die Kompetenz der politischen Behörden gehörige Frage ist.

Der Kultus- und Unterrichtsminister erwidert, dass nach den von ihm eingezogenen Informationen der Exkommunizierte in der katholischen Kirche bleibt und ihm bloß zeitweilig Rechte entzogen werden. Die Kirche strafe nur, stoße aber || || niemanden aus, mache niemanden zum Nichtkatholiken. Was die zweite Frage anbelangt, so würde die Entscheidung der Angehörigkeit der Kapelle nicht vor den Richter, sondern vor die politische Behörde gehören.

Der Justizminister ist in Betreff der Kompetenz über die Angehörigkeitsfrage derselben Ansicht. Die Kapelle sei ein Eigentum der Stadtgemeinde. Die Frage, ob eine Sache eine res sacra oder sacrata ist, könne nur im politischen Wege, nie aber durch den Richter ausgetragen werden, der nur über das Eigentum entscheidet.

Nach der Ansicht des Präsidenten des Ministerrates reduziert sich die vorliegende Angelegenheit eigentlich auf die Frage, ob Pater Anton berechtigt ist, Messe zu lesen oder nicht. Die Regierung habe es nicht mit den Altkatholiken zu tun, die sie als Religionsgenossenschaft nicht anerkennen könne, weil eine solche || || nicht besteht, sondern mit der Person des Pater Anton. Ob dieser zum Messelesen berechtigt ist oder nicht, könne nur der Kardinal entscheiden. Die Staatsgewalt sei aber nicht berufen, einen Priester, dem vom Kardinal das Messelesen untersagt worden ist, mit Gewalt aus der Kirche zu entfernen oder ihm die Abhaltung des Gottesdienstes unmöglich zu machen.

Dem Handelsminister scheint die Argumentation des Präsidenten des Ministerrates die weniger bindende und minder verfängliche zu sein.

Der Minister für Kultus und Unterricht stimmt gleichfalls dieser Argumentation bei, in welcher der eigentliche Kern der Frage ruhe.

Der Präsident des Ministerrates konstatiert, der Ministerrat sei einverstanden, dass über den Rekurs des Kardinals ein Einschreiten der Staatsgewalt nicht zu erfolgen habe16.

VI. Mitteilung über die am 9. Oktober 1871 bei der Installation des Rektors in der Wiener Aula stattgefundene Demonstration - (PDF)

|| || VI. ℹ️ Der Präsident des Ministerrates sieht sich veranlasst, der Konferenz folgende Mitteilung zu machen: Der bekannte Vorfall, der sich in der Wiener Aula am 9. Oktober bei der Installation des Universitätsrektors ereignete, habe zu einem Konflikte Veranlassung gegeben, bei welchem die Minister Dr. Schäffle und Habietinek und respektive auch der Unterrichtsminister, welcher zugegen war, berührt sind17.

Die beiden erstgenannten Herren Minister, welche die durch die Demonstration der Studenten zunächst Angegriffenen waren, haben das Benehmen des Reichskanzlers, welcher bei der Feierlichkeit fortan blieb, auch nachdem der Unterrichtsminister die Aula verlassen hatte, und überdies noch eine Ovation von den Studierenden entgegennahm, als ein sie selbst beleidigendes und, wenn ihnen nicht eine Genugtuung wird, sie in ihrem Wirken Hemmendes ansehen zu müssen geglaubt18. || || Er, der Präsident des Ministerrates, habe dies Sr. Majestät nach Ischl zur Ah. Kenntnis gebracht, und nachdem Se. Majestät heute angekommen, Gelegenheit gehabt, mit Allerhöchstdemselben diesfalls zu sprechen19. Die Ah. Entscheidung dürfte in den nächsten Tagen erfolgen. Er erlaube sich, die Konferenz davon in Kenntnis zu setzen, weil die Angelegenheit in den Zeitungen und zwar insoferne unrichtig besprochen worden ist, als gesagt wurde, die beiden Herren Minister hätten bereits ihre Demission gegeben, was bisher nicht der Fall war20.

VII. Suspendierung der Art. 12 und 13 des Staatsgrundgesetztes vom 21. Dezember 1867 für Wien und des Art. 13 desselben Staatsgrundgesetzes für Prag - (PDF)

VII. ℹ️ Der Präsident des Ministerrates weist darauf hin, wie die Erregung der öffentlichen Stimmung seit dem Bekanntwerden der böhmischen Fundamentalartikel in einer solchen Weise gestiegen sei, dass Ausschreitungen zu besorgen || || seien, deren Tragweite und Ausdehnung nicht übersehen werden könne. Es sei notwendig, Vorsichtsmaßregeln für alle Fälle zu treffen21.

Der Ministerrat werde mit ihm darin übereinstimmen, dass die wesentlichste Veranlassung zu der herrschenden Aufregung in der Agitation der Presse liege, welche seit Monaten die Stimmung der Bevölkerung gegen das Ministerium, gegen alle Maßregeln desselben, gegen jeden Ausgleich aufregt und die Propositionen des böhmischen Landtags, seit sie bekannt geworden sind, mit einer noch nicht da gewesenen Heftigkeit bekämpft. Die Agitation der Presse habe nun ihren Höhepunkt erreicht22. Er glaube, dass mit entschiedenen Maßregeln vorgegangen werden müsse. Vor allem sei es notwendig, die Garnison in Wien so zu verstärken, dass sie jeder Eventualität gewachsen ist. Se. Majestät habe ihm bereits zugesichert, || || in dieser Beziehung die geeigneten Einleitungen treffen zu wollen23. Weiter ergebe sich die Notwendigkeit, das Gesetz vom 5. Mai 1869 in Anwendung zu bringen, durch welches die Regierung ermächtigt wird, in gewissen Fällen zeitweilige örtliche Ausnahmen von den bestehenden Gesetzen zu verfügen24. Dieses Gesetz berechtigt die Regierung, die Bestimmungen der Artikel 8, 9, 10, 12, 13 des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867 über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger25 zu suspendieren und in Gemäßheit der §§ 8 und 9 desselben Gesetzes Ausnahmsanordnungen zur Handhabung der Polizei- und Strafgewalt mit verbindender Kraft zu erlassen. Was die Verhältnisse in Wien anbelangt, so erscheine es unbedingt notwendig, die Artikel 12 und 13 des Staatsgrundgesetzes (Vereinsrecht, Versammlungsrecht und Pressfreiheit) zu suspendieren und gleichzeitig die Folgen der §§ 8 und 9 des Ge|| || setzes vom 5. Mai 1869 auszusprechen.

Es sei aber, wenn auch die Wiener Presse den größten Anteil der Schuld an der bestehenden Aufregung trägt, nicht zu leugnen, dass hiezu auch die in Prag erscheinenden böhmischen Blätter durch eine Schreibweise, welche die Stimmung in Wien aufreizen musste, das Ihrige beigetragen haben. Er brauche in dieser Beziehung nur auf die letzten Artikel der böhmischen Blätter, worin geradezu ein Einmarsch der Tschechen und die Herabsetzung Wiens von der Reichshaupt- und Residenzstadt zu einer einfachen Provinzialstadt angedroht wird, dann auf den gestrigen Artikel der „Politik“, in welchem der Reichskanzler in einer noch nicht vorgekommenen Weise angegriffen wird, zu verweisen26. Er sei daher der Ansicht, dass auch in Prag der Artikel 13 des Staatsgrundgesetzes suspendiert werden müsste. Dies || || schiene ihm schon deshalb nötig, um dem Vorwurf der Parteilichkeit für die böhmische und gegen die deutsche Nation zu begegnen. Dagegen sei für einen Ausnahmszustand in Prag bezüglich des Vereins- und Versammlungsrechtes kein Anlass vorhanden, weil dort die Verhältnisse normal sind und daher kein Grund vorliegt, diese verfassungsmäßigen Freiheiten zu beschränken. Die Verordnungen hätten nachstehend zu lauten:

(1. 2.) In Anwendung des Gesetzes vom 5. Mai 1869 und auf Grund Beschlusses des Gesamtministeriums vom … werden mit Ah. Genehmigung die Bestimmungen (1.) der Artikel 12 und 13 des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867 über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger in der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien zeitweilig außer Wirksam|| || keit gesetzt, und es haben die Bestimmungen der §§ 6, 7, 8, 9 des Gesetzes vom 5. Mai 1869 in Wirksamkeit zu treten. (2.) des Artikels 13 des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867 in der königlichen Hauptstadt Prag zeitweilig außer Wirksamkeit gesetzt, und es haben die die Bestimmungen der §§ 7 und 9 des Gesetzes vom 5. Mai 1869 in Wirksamkeit zu treten. (1. 2.) Gegenwärtige Verordnung tritt mit dem Tage der Kundmachung in Kraft.

Er erlaube sich, diese Anträge in der Konferenz zu stellen, weil zu den vorgeschlagenen Verfügungen nach § 1 des Gesetzes vom 5. Mai 1869 eine Verordnung des Gesamtministeriums und die vorläufige Genehmigung Sr. Majestät erforderlich ist. Nach dieser Auseinandersetzung glaube er auch den Entwurf des bezüglichen || || au. Vortrags dem Ministerrat mitteilen zu sollen, weil seines Erachtens auch dieser vom Gesamtministerium gefertigt sein sollte. Der Präsident des Ministerrates verliest sodann den Entwurf des au. Vortrags und fordert die Konferenzmitglieder auf, ihre Ansicht auszusprechen.

Der Finanzminister sieht hier eine Konsequenz der großen Aktion vorliegen, mit welcher er bekanntlich nicht einverstanden war und auch heute nicht einverstanden ist. Gleich wie bei der Aktion selbst, könne er sich auch bei diesem Korollarium derselben nicht beteiligen. Nachdem die beabsichtigten Verfügungen durch das Gesamtministerium zu erlassen sind, so erübrige nichts anderes, als dass seiner Bitte um Ausscheidung willfahrt werden möge.

Der Präsident des Minister|| || rates glaubt, dass die in Rede stehenden Verfügungen doch nicht in einem so unmittelbaren Zusammenhange mit der Aktion stehen und dass der Finanzminister, da es sich nur um die Frage handelt, ob der gegenwärtige Zustand der öffentlichen Verhältnisse in Wien, wodurch immer er hervorgerufen sein mag, Ausnahmsmaßregeln erheische oder nicht, sich ganz unabhängig von der Verantwortlichkeit des Ministerrates über diese Frage aussprechen könnte.

Der Finanzminister erinnert, wie er in der Konferenz vom 30. August seine Besorgnis ausgesprochen, dass diese Aktion statt zum inneren Frieden zum Bürgerkriege führen wird27. Der Bürgerkrieg sei wohl noch nicht da, aber die Anzeichen desselben seien vorhanden. Er glaube nicht, dass die Herrschaft des Belagerungszustandes beitragen wird, den inneren Frieden zu || || befördern. Dies hieße nur Öl ins Feuer gießen. Die Situation werde noch akuter werden. Für die Folgen wolle er keine Verantwortung übernehmen.

Der Landesverteidigungsminister erklärt sich mit den Anträgen des Präsidenten einverstanden und regt an, ob dieselben nicht auch auf Graz auszudehnen wären, wo gleichfalls ein Blatt erscheint, das in vielen Exemplaren nach Wien kömmt und hier und in Graz Aufregung verursacht.

Der Präsident des Ministerrates erwidert, er habe Graz nicht einbezogen, weil es denn doch schwer sein dürfte, den Grazer Blättern, die übrigens in einer nur geringen Anzahl von Exemplaren nach Wien kommen, einen wesentlichen Einfluss auf die Verhältnisse in Wien zuzuerkennen. Auch herrsche in Graz selbst keine derartige Aufregung, || || dass eine solche Maßregel gerechtfertigt wäre.

Der Minister für Kultus und Unterricht stimmt den Anträgen des Präsidenten des Ministerrates bei.

Der Handelsminister votiert gleichfalls zustimmend. Er würde es allerdings vorziehen, wenn ein Mittel angegeben werden könnte, wie der unleugbar bestehenden Gefahr ohne Ausnahmsmaßregeln zu entgehen wäre. Er gestehe, dass er den Ausnahmsverfügungen, obwohl er sie als notwendig bezeichnet habe, nicht sehr gerne zustimme. Aber wenn die Aktion ihren Gang weiter gehen soll, so sei man es den Reichsratsmitgliedern schuldig, für ihre persönliche Sicherheit einzustehen. Von der persönlichen Sicher|| || heit der Minister wolle er absehen, obwohl selbe der öffentlichen Meinung förmlich denunziert worden sind. Da er nicht verkennen könne, dass die Presse an der gegenwärtigen Aufregung die wesentlichste Schuld trägt, so schließe er sich der Maßregel an. In Betreff der praktischen Ausführung schiene es ihm nicht zu genügen, in der Verordnung bloß Wien zu nennen, da es möglich wäre, dass die Journale sofort in die Vororte übersiedeln, und so ein förmlicher Guerillakrieg inauguriert wird, welcher noch gefährlicher und dessen Bewältigung noch schwieriger wäre. Die Ausnahmsmaßregeln wären daher auch auf die Vororte auszudehnen. Was die Begründung der Maßregeln bezüg|| || lich Prags betrifft, so gebe er zu, dass die Rückwirkung der böhmischen Journale auf Wien eine nachteilige sei, andererseits habe er aber auch schon in den Blättern der deutschen Partei eine Haltung wahrgenommen, die für die Beruhigung und den Frieden im Lande nicht günstig ist. Er gebe daher zu erwägen, ob sich nicht auf die Prager Zustände überhaupt zu beziehen und nicht bloß die Rückwirkung auf die Stimmung in Wien hervorzuheben wäre.

Der Präsident des Ministerrates ist nicht dieser Ansicht. Nach dem Gesetze sei die Suspendierung von Grundrechten nur möglich, wenn die Voraussetzung einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit eintritt. || || Man könne aber nicht sagen, dass durch die deutschen Artikel in Böhmen die öffentliche Sicherheit gefährdet sei. Es liege von dort überhaupt keine Anzeige über einen bedrohlichen Zustand der Sicherheit vor, und daher könne auch im au. Vortrage eine solche Gefährdung nicht als bestehend anerkannt werden. Was die Bemerkung in Betreff der Vororte Wiens anbelangt, so finde er selbe richtig und behalte sich vor, in Absicht auf die genaue Bezeichnung des Rayons vor Unterbreitung des au. Vortrags an Se. apost. Majestät mit dem Statthalter Rücksprache zu pflegen.

Minister Ritter v. Grocholski erklärt, dass er bis Jetzt die Notwendigkeit einer || || Suspension der Grundrechte noch nicht einsehe. Er gebe zu, dass die Aufregung bedeutend ist, aber kein Faktum sei ihm bisher bekannt, auf Grund dessen er behaupten könnte, dass die persönliche Sicherheit gefährdet sei. Er befürchte allerdings, dass es dazu kommen könnte, gegenwärtig seien aber solche die Sicherheit gefährdende Umtriebe noch nicht zum Vorschein gekommen, wie sie § 1 das Gesetz vom 5. Mai 1869 voraussetzt. Es seien also heute die Voraussetzungen des § 1 nicht gegeben. Das Faktum in der Aula sei bedauernswert, aber man könne nicht sagen, dass es die persönliche Sicherheit bedrohte28. Es sei eine unliebsame Demonstration, die allenfalls die Schließung || || der Aula nach sich ziehen, nicht aber die Suspendierung der Grundrechte rechtfertigen könnte. Er ist daher der Ansicht, auf die besprochenen Maßregeln vorbereitet zu sein, aber jetzt noch nicht dazu zu greifen. Er zweifle übrigens, ob infolge dieser Verfügung die Aufregung sich legen würde. Vielleicht kenne er die Verhältnisse Wiens zu wenig, aber er würde vielmehr eine Zunahme der Aufregung besorgen. Die Versammlungen und Vereine haben doch bis jetzt keinen derartigen Charakter || || angenommen, dass ihre Sperrung notwendig geworden wäre. Das Schlimmste, was gesprochen wurde, wurde in einer Versammlung gesprochen, die nicht nach dem in Rede stehenden Gesetz behandelt werden kann, wenn sie auch seither wirklich geschlossen wurde. Aber, wenn man auch Versammlungen schließt, so könne man doch nicht solche schließen, die in den Gasthäusern stattfinden; in diesen werde die größte Agitation gemacht, ohne dass sie die Eigenschaft von Versammlungen haben, wie sie das Gesetz voraussetzt. Für den Augenblick wäre er, wie || || gesagt, noch nicht für die Suspension der Grundrechte; sollte sich der Ministerrat doch dazu entschließen, so sei er einverstanden, dass die Maßregel auch auf Prag ausgedehnt werden müsse. Es frage sich aber, ob dann die Verfügungen nicht für Prag und Wien gleichartig zu treffen wären. Werde in Prag das Vereins- und Versammlungsrecht nicht beschränkt, so sei auch in Wien kein Grund dafür. Er möchte nicht wünschen, dass das Ministerium denselben Weg wandle, der in Prag unter dem Ministerium Giskra ohne Erfolg eingeschlagen wurde29. Das Ministerium würde nur den Vorwurf ernten, dass das nichts anderes, nur in entgegengesetztem Sinne zu tun vermocht habe.

|| || Der Präsident des Ministerrates würde in Betreff der Frage, ob die Maßregel gleich ins Leben treten soll, keinen Anstand nehmen, sich dem Minister Ritter v. Grocholski anzuschließen. Die Regierung müsse aber gerüstet sein und daher die Ah. Genehmigung einholen, um im gegebenen Momente mit der Verordnung hervortreten zu können. Dazu dürfe sie nicht ein wirklich bereits eingetretenes größeres Ereignis abwarten. Das, was die Zeitungen seit geraumer Zeit treiben, könne ganz füglich mit dem Namen hochverräterischer Umtriebe belegt werden. Dass die Störung persönlicher Sicherheit noch nicht in so hohem Grade hervorgetreten, um für sich allein den Ausnahmszustand zu rechtfertigen, gebe er zu. Dennoch seien schon einzelne Fälle vorgekommen; so haben in Gasthäusern bereits Schlägereien zwischen Deutschen und Böhmen stattgefunden. Dies seien Symptome, die im Zusammenhalte mit der Haltung der Zeitungen hin|| || reichen dürften, Ausnahmsmaßregeln zu begründen. Er glaube daher, dass sich im Augenblicke darauf zu beschränken wäre, von Sr. Majestät die Ermächtigung zur Erlassung der Ausnahmsmaßregeln zu erbitten. Der Moment der Bekanntmachung und Einführung derselben hätte ein Gegenstand weiterer Beschlussfassung der Konferenz zu bleiben.

Minister Ritter v. Grocholski hätte unter dieser Voraussetzung nichts dagegen, dann wäre aber im au. Vortrage ausdrücklich die Bitte zu stellen, von der Ah. Ermächtigung nach Ermessen der Konferenz Gebrauch machen zu dürfen.

Der Landesverteidigungsminister und der Handelsminister erklären, sich diesem Antrage anzuschließen.

Der Justizminister bemerkt, er habe schon vor längerer Zeit einmal Gelegenheit gehabt, auf das Gesetz vom 5. Mai 1869 || || hinzuweisen. Damals schienen ihm die Voraussetzungen, die es rechtfertigen würden, davon Gebrauch zu machen, nicht vorhanden. Zu seinem Bedauern müsse er sagen, dass die Dinge seither weit vorgeschritten sind, die Haltung der Presse eine viel feindlicherer und exzessivere geworden ist. Er sei daher einverstanden, dass der vom Präsidenten beantragte Schritt vorbereitet und die Ah. Ermächtigung eingeholt werde, von einer solchen Maßregel Gebrauch zu machen, sobald irgendein Umstand hervorkommt, von welchem man sagen kann, dass die persönliche Sicherheit gefährdet sei oder hochverräterische Umtriebe sich offenbaren. Nach seinem Erachten hätte die Regierung dann einen ganz offenen Weg einzuschlagen, daher in dem Moment der Einführung der Maßregel auch der au. Vortrag zu veröffentlichen. Er sei überzeugt, dass diese Veröffentlichung einerseits auf die öffentliche Meinung kräftigend wirken, andererseits auch kon|| || stitutionelle Bedenken beruhigen würde, da daraus zu ersehen ist, dass es sich um keine Reaktion, um keinen Schritt gegen die Verfassung handle. Für den Fall der Veröffentlichung des au. Vortrages würde der Justizminister aber eine Abänderung desselben in zwei Punkten beantragen. Er glaube nämlich, dass der Passus, wornach selbst Mitglieder des Abgeordnetenhauses sich über den Terrorismus der Presse anlässlich der Budgetdebatte missbilligend ausgesprochen, zu einer Art Proskription missliebig gewordener Abgeordneter Veranlassung geben könnte, daher wegzulassen wäre. Weiter wäre die Haltung der Wiener Presse als tonangebend nicht für die gesamte Kronlandspresse, sondern nur für einen großen Teil derselben zu bezeichnen.

Der Präsident des Ministerrates erklärt, er werde sich nach dem Gehörten die Modifikation erlauben, dass die ganze Vorlage an Se. Majestät || || vorbereitet, aber noch nicht unterbreitet wird. Vorläufig würde er sich die Ah. Genehmigung mündlich erbitten; dies genüge, um im gegebenen Moment binnen der kürzesten Zeit die Vorlage zu machen und die schriftliche Ah. Resolution zu erlangen. Was die Veröffentlichung des au. Vortrages anbelangt, so ersuche er die Minister, sich noch hierüber auszusprechen. Falls die Publikation beschlossen werden sollte, würde er bitten, zwei Minister zur Überprüfung des Vortrages hinsichtlich der Redaktion desselben zu bestimmen.

Der Handelsminister unterstützt den Antrag auf Veröffentlichung des au. Vortrages. Er denke dabei namentlich an die Wirkung nach außen, wo es nicht bekannt ist, dass in Österreich solche Maßregeln nach dem Gesetze getroffen werden können.

Der Unterrichtsminister ist gleichfalls für die Veröffentlichung || || und bemerkt nur, dass selbstverständlich auch hierzu die Ah. Genehmigung notwendig ist.

Der Landesverteidigungsminister und Minister Ritter v. Grocholski sprechen sich gleichfalls für die seinerzeitige Veröffentlichung des au. Vortrages aus, letzterer mit dem Beifügen, dass die Redaktion desselben am zweckmäßigsten vom Präsidenten des Ministerrates selbst in die Hand zu nehmen wäre.

Der Präsident des Ministerrates erklärt hiernach, den au. Vortrag einer nochmaligen Redaktion unterziehen und sodann wieder vor die Konferenz bringen zu wollen30.

VIII. Besprechung über die Einberufung des Reichsrates - (PDF)

VIII. ℹ️ Minister Ritter v. Grocholski stellt an den Präsidenten die Frage, ob die für den 28. d. M. beantragte Eröffnung des Reichsrates bereits die || || Ah. Genehmigung erhalten hat31.

Der Präsident des Ministerrates erwidert, die Angelegenheit sei vorderhand sistiert. Er habe angesichts der bestehenden Aufregung einige Tage abwarten zu sollen geglaubt.

Minister Ritter v. Grocholski ist im Gegenteil der Ansicht, dass die Gefahr wächst, je länger die Sache hinausgeschoben wird; es wäre denn, dass es sich um eine sehr weite Hinausschiebung handeln würde, was aber nicht möglich ist.

Der Handelsminister bemerkt, dass, wenn die Ausnahmsmaßregeln gleich getroffen würden, vielleicht bei einer Hinausschiebung der Reichsratseinberufung um eine Woche schon ein ruhigerer Zustand eingetreten wäre; wie die Dinge aber jetzt stehen, stimme er dem Minister Ritter v. Grocholski bei, dass eine baldige Einberufung nicht mehr Bedenken gegen || || sich hat als eine spätere.

Minister Ritter v. Grocholski macht aufmerksam, dass, wenn man die Journale verstummen macht, die Regierung nicht mehr wissen wird, was unter der Scholle vorgeht, während durch die Zeitungen ziemlich alles zum Vorschein kommt. Möglich, dass man die Aufregung für gelegt halten wird, aber in Folge unterirdischer Wühlereien plötzlich Unerwartetes hervorkommt.

Der Landesverteidigungsminister ist der Meinung, dass Wühlereien nicht zu verhindern sind; was aber anzustreben ist, sei die Kalmierung jenes Teiles der Bevölkerung, der an den Wühlereien nicht teilnimmt.

Der Präsident des Ministerrates findet die Frage zu wichtig, als dass bei der Verschiedenheit der Ansichten darüber jetzt schon Beschluss gefasst werden sollte. Die Konferenz || || wolle diese Diskussion einstweilen als eine bloße akademische Besprechung ansehen und in einigen Tagen die Aktion noch einmal der Beratung unterziehen32.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 26. Oktober 1871. Franz Joseph.