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Nr. 602 Ministerrat, Wien, 9. Oktober 1871 - (PDF)

RS. und bA.; P. Weber; VS. Hohenwart; BdE. und anw. (Hohenwart 9. 10.), Holzgethan 15. 10., Scholl 16. 10., Jireček 16. 10., Schäffle 17. 10., Habietinek 17. 10., Grocholski 18. 10.

KZ. 2813 – MRZ. 109

|| || Protokoll des zu Wien am 9. Oktober 1871 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Se. Exzellenz des Herrn Präsidenten des Ministerrates und Ministers des Innern Grafen Hohenwart.

I. Vertrauensadressen - (PDF)

I. ℹ️ Der Präsident des Ministerrates macht der Konferenz Mitteilung von folgenden ihm zugekommenen Vertrauenserklärungen: 1. einem Telegramm des Bürgermeisters von Jičín, wornach die Gemeindevertretung dieser Stadt am Gedenktage der || || Ah. Namensfeier beschlossen hat, die au. Manifestation ihrer treuesten Ergebenheit an den Ah. Thron zu richten, für Ag. königliche Botschaft an den böhmischen Landtag vom 12. September den au. Dank zu sagen und gleichzeitig der Regierung, welche berufen ist, ein dauerhaftes Werk des Friedens unter allen Völkern Österreichs durchzuführen, das feste Vertrauen kundzugeben; 2. einer Adresse der 29 böhmische, 29 deutsche und eine gemischte Gemeinde repräsentierenden Bezirksvertretung Manetin, worin der Regierung das volle Vertrauen und die Zustimmung zu ihrem Verhalten in dem gegenwärtigen allgemeinen Friedenswerke ausgesprochen wird; 3. einem Berichte des Statthalters in Böhmen, mit welchem von sämtlichen Vorstehern der Landgemeinden des deutschen Gerichtsbezirkes Neuern [] von den deutschen Ge|| || meinden des gemischten Bezirkes Neugedein abgegebene Erklärungen eingesendet worden, worin diese Gemeinden ihr volles Vertrauen in die von Sr. Majestät angeordneten Ausgleichsverhandlungen und den Wunsch nach Fortsetzung derselben ausdrücken und die Gemeinden des Bezirkes Neu[ern] insbesondere ihre Nichtübereinstimmung mit dem Austritt der deutschen Abgeordneten aus dem böhmischen Landtage zu erkennen geben; 4. einer Adresse des katholischen konservativen Volksvereines in Marburg, worin der dankbaren Befriedigung des Vereines über das Ah. Reskript an den Landtag Böhmens Ausdruck gegeben wird.

Die Konferenz nimmt diese Mitteilung zur Kenntnis1.

II. Nichtsanktionierung der mit au. Vortrag vom 9. Mai 1871 vorgelegten Gesetzesentwürfe, betreffend die Änderung von Landtagswahlbezirken und Reichsratswahlgebieten in Böhmen und Mähren - (PDF)

II. ℹ️ Der Präsident des Ministerrates als Minister des Innern hat nach eingeholter Zustimmung || || der Konferenz mit au. Vortrag vom 9. Mai 1871 die Ah. Genehmigung von vier Gesetzentwürfen betreffend die Änderung von Landtagswahlbezirken und Reichsratswahlbezirken in Böhmen und Mähren au. in Antrag gebracht.

Die Ah. Genehmigung erfolgte unterm 11. Mai 18712. Zwischenzeitig sind in Böhmen und Mähren Neuwahlen ausgeschrieben und beiden Landtagen Entwürfe neuer Wahlordnungen vorgelegt worden, in welchen die in den obenerwähnten vier Landesgesetzentwürfen niedergelegten Wünsche Berücksichtigung gefunden haben3. Bei diesen Umständen hielt es der Präsident des Ministerrates nicht mehr an der Zeit, die mehrgedachten vier Gesetze noch zur Verlautbarung zu bringen, weshalb er sich von Sr. apost. Majestät vorläufig die Bewilligung erbat, selbe einstweilen ruhen lassen zu dürfen4. Nunmehr beabsichtigt der || || Präsident des Ministerrates Sr. apost. Majestät den au. Antrag zu stellen, dass den vom böhmischen und mährischen Landtage beschlossenen Gesetzen wegen Änderung einiger Wahlbezirke mit Rücksicht auf die seither diesen Landtagen vorgelegte allgemeine Regelung der Wahlbezirke die Ah. Sanktion nicht zu erteilen wäre5. Der Präsident des Ministerrates ersucht die Konferenz um die Ermächtigung zur Erstattung des bezüglichen au. Vortrages.

Minister Ritter v. Grocholski gibt zu erwägen, ob es sich nicht empfehlen würde, diesen Antrag an Se. Majestät gleichzeitig mit der Vorlage der zu beschließenden neuen Wahlordnungen zu stellen.

Der Präsident des Ministerrates kann diesem Modus nicht den Vorzug geben, indem er es für passender hält, dass Se. Majestät die Sanktion mit Rück|| || sicht darauf verweigere, dass bei den Landtagen seither vollständige neue Wahlordnungen eingebracht wurden, als dass die Ablehnung erst dann erfolge, wenn auch schon der Beschluss über die Wahlordnungen vorliegt.

Die Konferenz genehmigt den Antrag des Präsidenten6.

III. Einberufung des Reichsrates - (PDF)

III. ℹ️ Der Präsident des Ministerrates erachtet für die Einberufung des Reichsrates, nachdem alle Landtage mit 15. l. M. geschlossen werden und eine Ausnahme hievon nur bezüglich des böhmischen Landtages eintritt, dessen Session mit Rücksicht auf die von ihm noch zu bewältigenden Aufgaben nur einige wenige Tage, keinesfalls aber über den 19. oder 20. d. M. hinaus verlängert werden dürfte, den 30. d. M. in Vorschlag bringen zu sollen7. Der Präsident des Ministerrates bemerkt hiezu, dass er ursprünglich wohl den [] l. M. als Einberufungstag || || in Aussicht genommen hatte, sich aber schließlich für den 30. entschieden habe, teils weil der [] auf einen Samstag fällt, teils weil es ihm doch wünschenswert erschien, zwischen dem Schluss der Landtage und der Eröffnung des Reichsrates einige Tage Zeit zu gewinnen.

Der Finanzminister bezeichnet den Zusammentritt des Reichsrates in finanzieller Hinsicht als höchst dringlich und befürwortet einen möglichst frühen Einberufungstermin. Er fügt bei, dass für das Jahr 1872 ein beträchtliches Defizit, begründet durch namhafte Mehranforderungen sämtlicher Ministerien, in Aussicht steht.

Minister Ritter v. Grocholski sieht es sogar für erwünscht an, wenn zwischen den Zusammentritt und die eigentliche Eröffnung des Reichsrates ein Sonntag fällt. Jedenfalls würde, bevor das Abgeordnetenhaus in Aktion tritt, eine Verständigung unter den Mitglie|| || dern, insbesondere über die Präsidentenwahl, unerlässlich sein. Er glaubt daher, den 28. Oktober als Einberufungstag empfehlen zu sollen.

Die Konferenz einigt sich unter Beitritt des Präsidenten, Sr. Majestät den 28. Oktober als Einberufungstermin für den Reichsrat au. in Vorschlag zu bringen8.

IV. Entwurf der kaiserlichen Antwort auf die Adresse des böhmischen Landtages - (PDF)

IV. ℹ️ Der Präsident des Ministerrates bringt als einen weiteren Gegenstand der heutigen Konferenz die Beantwortung der Adresse des böhmischen Landtages zu Beratung.

Die Adresse sei zwar noch nicht im Plenum des Landtages beschlossen, liege aber in ihrem vollen Wortlaute vor, an dessen Annahme, wie die Sachen gegenwärtig stehen, nicht zu zweifeln ist9. Da es ihm der raschern Abwicklung und des Zeitgewinnes wegen wünschenswert schien, die Antwort jetzt schon bereit zu halten, habe er einen Entwurf || || derselben angefertigt und erlaube sich, denselben der Konferenz mitzuteilen. Der Präsident verliest den beiliegenden Entwurfa .

Der Finanzminister erklärt, er sehe sich in der unangenehmen Lage, bitten zu müssen, dass er in dieser Angelegenheit außer Betracht gelassen werde. Er sei mit dem ersten Schritt der Inauguration der Ausgleichsverhandlungen nicht einverstanden gewesen und habe sich erlaubt, die Gründe seiner Anschauungen darzulegen. Der seitherige Fortgang der Dinge scheine leider seine Befürchtungen nicht widerlegt zu haben. Es handle sich nun um die weitere Entwicklung des Dramas, und an dieser könnte er sich nicht beteiligen. Er bitte daher, ihn bei allen Korollarien aus der von ihm ursprünglich perhorreszierten Ausgleichsaktion seines Votums gütigst entheben zu wollen.

Der Justizminister besorgt, dass bei den Worten der 3. Alinea „in || || Genehmigung der uns vorgelegten Anträge“ insoferne Anstoß genommen und Anlass zu Rekriminationen gefunden werden könnte, als man darin eine Antizipierung der Ah. Sanktion Sr. Majestät zu erblicken geneigt sein wird. Er selbst lege allerdings dem Passus nicht diesen Sinn bei, aber einer übelwollenden Interpretation liege die Möglichkeit nahe zu sagen, Se. Majestät habe hiermit die Ah. Sanktion erteilt, bevor die Zustimmung beider Häuser des Reichsrates erfolgt ist. Er regt daher an, ob nicht eine mildere, einer solchen Auslegung nicht Raum gebende Stilisierung etwa in der Art gewählt werden könnte, dass die Worte „in Genehmigung“ wegbleiben, da auch mit den übrigen Worten alles Nötige gesagt erscheine.

Der Präsident des Ministerrates hebt die Schwierigkeiten hervor, die darin lagen, die Böhmen zum Eintreten in den Reichsrat zu bestimmen, nachdem sie im Laufe der vorangegange|| || nen Jahre mit solcher Entschiedenheit erklärt hatten, den Reichsrat nie beschicken zu wollen10. Es sei unumgänglich notwendig gewesen, ihnen eine Brücke zu bauen. Er glaube befürchten zu müssen, dass die Böhmen in der angeregten Änderung Anlass finden könnten, in Betreff der Reichsratsbeschickung neuerliche Anstände zu erheben. Er würde daher ersuchen, an den Worten „in Genehmigung“ keinen Anstoß zu nehmen.

Minister Ritter v. Grocholski ist mit dem Entwurfe einverstanden. Wenn das Ministerium ganz freie Hand hätte, könnte allerdings eine andere Stilisierung gewählt werden; jedenfalls sei aber auch der vorliegende Wortlaut so beschaffen, dass die Genehmigung der Anträge des böhmischen Landtages nicht jetzt schon als erteilt anzusehen ist, sondern zugesichert wird, wenn der Reichsrat darauf eingeht.

Nachdem der Justizminister konformiert, erteilt die || || Konferenz ihre Zustimmung zu dem vom Präsidenten mitgeteilten Entwurfe.

Der Präsident stellt bei diesem Anlasse für die nächsten Tage eine Konferenz zum Behufe der Feststellung der Ah. Thronrede und zur Verständigung über die neu zu ernennenden Herrenhausmitglieder und über die Sr. Majestät zum Präsidenten des Herrenhauses vorzulegende Persönlichkeit in Aussicht11.

V. Zurückziehung des im Vorarlberger Landtage eingebrachten Landsturmgesetzes - (PDF)

V. ℹ️ Der Landesverteidigungsminister macht die Mitteilung, dass der Statthalter von Tirol, nachdem der Regierungskommissär des Vorarlberger Landtages aus der Rücksprache mit Vertrauensmännern die Überzeugung gewonnen hatte, dass für das dort eingebrachte Landsturmgesetz keine Aussicht auf Annahme vorhanden ist, die Bitte gestellt habe, diese Vorlage zurückzuziehen und ihn hievon telegrafisch || || zu verständigen12. Der Landesverteidigungsminister habe mit Vorwissen des Präsidenten des Ministerrates von Sr. Majestät die Ah. Bewilligung zur Zurückziehung der gedachten Vorlage erbeten und erhalten13. Infolgedessen sei das Landsturmgesetz für Vorarlberg auch bereits zurückgezogen worden14. Der Landesverteidigungsminister bemerkt, dass ein großer Schade hieraus nicht erwachse, weil in Vorarlberg ein Landsturm bereits besteht und im Falle eines Krieges die alte Landsturmordnung in Anwendung gebracht werden kann. Unbegreiflich sei es aber, warum der Vorarlberger Landtag auf die Vorlage nicht eingehe, da sie dem Lande mehr Vorteile biete als die alte Landsturmordnung.

Der Präsident des Ministerrates bemerkt, dass instruktionsmäßig die Zurückziehung eine Vorlage nicht ohne vorläufige Zustimmung des Ministerrates erfolgen soll. Er habe aber in Anbetracht der großen Dring|| || lichkeit der Sache geglaubt, mit dem Landesverteidigungsminister die Verantwortung gegenüber dem Ministerrate dafür übernehmen zu können, dass die Ah. Bewilligung eingeholt und der Konferenz nachträglich hievon Kenntnis gegeben werde. Der Gesetzentwurf stand nämlich bereits auf der Tagesordnung des Vorarlberger Landtages und wäre, wenn er nicht rechtzeitig hätte zurückgezogen werden können, unbedingt verworfen worden15. Die Möglichkeit aber, den Ministerrat sofort zusammenzuberufen, lag nicht vor. Sachlich waltete kein Bedenken ob, da in Vorarlberg eine Landesverteidigungsverordnung besteht und im § 2 derselben Bestimmungen über den Landsturm enthalten sind16. Er ersuche daher, seinem und des Landesverteidigungsministers Vorgang die Indemnität erteilten zu wollen.

Minister Ritter v. Grocholski kann nicht unerwähnt lassen, dass ihm das Vorgehen des Vorarlberger Landtages gegen die Regierung, welche demselben mit || || größter Freundlichkeit gegenübersteht, sehr ungerechtfertigt scheint.

Der Präsident bemerkt, die Haltung des Vorarlberger Landtages sei in der Tat eine ganz merkwürdige. Das Sonderbare dabei sei, dass der Landtag in seiner Majorität selbst mit seinem Vorgang nicht einverstanden ist. Nach von dort einlangenden Nachrichten sei es Florencourt, der Redakteur des Vorarlberger Volksblattes, der diese Konfusion in den Landtag gebracht hat. Er führe den Landtag, ohne selbst dessen Mitglied zu sein; die Majorität unterwerfe sich ihm gegen ihren eigenen Willen.

Die Konferenz nimmt die Mitteilung über die erfolgte Zurückziehung des Landsturmgesetzes zustimmend zur Kenntnis17.

VI. Ausübung des Gottesdienstes seitens der Altkatholiken - (PDF)

VI. ℹ️ Der Kultus- und Unterrichtsminister sieht sich veranlasst, folgende die Altkatholiken Wiens betreffende Frage als eine prinzipielle der Beratung der Konferenz zu || || unterziehen18. Die Altkatholiken Wiens haben sich an die evangelische Gemeinde Augsburgscher Konfession wegen Überlassung der Gumpendorfer evangelischen Kirche zum Gottesdienste gewendet. Die evangelische Gemeinde erklärte ihre Zustimmung unter dem Vorbehalt, wenn vorher der Nachweis geliefert würde, dass von Seite der politischen Behörde kein Anstand dagegen erhoben wird. Der Statthalter bittet um Weisung für sein Verhalten19.

Der Kultus- und Unterrichtsminister erblickt in dieser Angelegenheit eine Frage, aus welcher, wenn die Regierung nicht im vorhinein eine feste Stellung nimmt, große Schwierigkeiten erwachsen könnten. Er teilt mit, dass er bereits früher ein Ansuchen des P[riesters] Anton um die Bewilligung, in der Stephanskirche den Gottesdienst der Altkatholiken abhalten zu dürfen, mit Rücksicht auf den Art. XV des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867 über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger als zur behördlichen Amtshandlung nicht geeignet abgewiesen habe und glaubt, dass derselbe Standpunkt || || gegenüber dem vorliegenden erneuerten Ansuchen einzunehmen wäre20. Die Regierung müsse alle Katholiken so lange als solche anerkennen, als sie nicht in gesetzmäßiger Weise ihren Austritt aus der katholischen Kirche angemeldet haben. In die Untersuchung der Frage, ob jemand alle oder nur einige Dogmen glaubt, könne sich die Regierung schon in Anbetracht der in Art. XIV gewährleisteten Glaubens- und Gewissensfreiheit nicht einlassen. Hieraus und aus Art. XV, wornach jede anerkannte Religionsgenossenschaft ihre inneren Angelegenheiten selbständig ordnet, folgt, dass die Regelung des Gottesdienstes als eine eminent innere Angelegenheit der Kirche die Regierung nichts angehe. Ein anderes wäre es, wenn die Altkatholiken aus der Kirche austreten und eine neue Kirchengemeinde bilden würden; dies sei aber nicht der Fall.

Er glaube daher, es sei am entsprechendsten, dem Statthalter zu erwidern, dass mit Rücksicht auf diesen Sachverhalt für die Regierung || || kein Anlass vorliegt, ihre Zustimmung oder Ablehnung auszusprechen beziehungsweise sich überhaupt mit dieser Frage zu befassen, da die Altkatholiken der Regierung gegenüber als Katholiken gelten, die Regierung auf innere Angelegenheiten der Kirche, wie es die Ausübung des Gottesdienstes ist, einen Einfluss zu nehmen nicht berufen und gesonnen ist, daher jede Ingerenz der Staatsverwaltung auf die vorliegende Frage mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen werden muss. Der Kultusminister fügt bei, dass, wenn sich die Regierung in dieses Getriebe einließe, die Folgen eines solchen Schrittes nicht zu berechnen wären. Die baierische Regierung habe die Unklugheit begangen, eine intervenierende Stellung einzunehmen, sich aber bald veranlasst gesehen, selbe fallen zu lassen und sich auf einen neutralen Standpunkt zu stellen21. Die ganze Bewegung sei eine rein gemachte und werde von den Leitern benützt, || || um Kapital für sich selbst daraus zu schlagen.

Der Landesverteidigungsminister bemerkt, es gebe nur eine katholische Kirche, nach katholischen Begriffen müsse alles das, was die Kirchenväter als Lehren aufstellen, anerkannt werden; dies allein sei katholisch. Er fürchte übrigens die Bewegung nicht, sie sei keine neue Erscheinung, vor Jahren habe auch die Sekte der Deutschkatholiken viel von sich reden gemacht, dieselbe sei aber im Sande verronnen, man spreche nicht mehr davon, und ebenso glaube er, dass die gegenwärtige Bewegung im Sande verrinnen wird22. Er stimme dem Antrage des Kultusministers bei.

Der Handelsminister ist der Meinung, dass die Altkatholiken Mitglieder der katholischen Kirche sind, solange sie nicht freiwillig austreten oder durch die kirchliche Gewalt ausgeschieden werden. Er als Protestant würde es [] nicht als eine Bereicherung || || der protestantischen Kirche ansehen, wenn die Altkatholiken in dieselbe eintreten wollten. Wenn er in einem protestantischen Kirchenrate säße, würde er sich gegen die Überlassung der Kirche zum Gottesdienst der Altkatholiken aussprechen. Es sei dies aber eine rein innerkirchliche Frage, welche die Protestanten ganz nach ihrem Ermessen entscheiden mögen. Die politische Behörde habe sich nicht einzumengen.

Minister Ritter v. Grocholski ist folgender Ansicht: Für ihn sind die Altkatholiken keine Katholiken mehr. Wer nur eine Satzung der Kirche, sei es welche immer, nicht anerkennt, hat aufgehört, Katholik zu sein. Die Altkatholiken haben aber noch keine neue Gemeinschaft gegründet. Solange dies nicht der Fall ist, können sie nach dem Gesetze nicht als solche, sondern nur als einzelne Individuen angesehen werden. Der Standpunkt der Regierung sei somit der, dass sie die Altkatholiken, solange sie sich nicht als abgesonderte Genoss|| || enschaft konstituieren, einfach ignoriert. Ob der Gottesdienst, welchen jemand, der sich als Priester der Gesellschaft geriert, irgendwo abhalten will, dort abgehalten werden kann oder nicht, sei eine Frage jener Kirchenbehörde, welche die betreffende Kirche zu verwalten hat. Er sei daher wohl einverstanden, dass sich die Regierung in die Angelegenheit nicht einzumengen habe, nicht aber mit der Begründung, dass man die Altkatholiken noch als Katholiken ansehe.

Der Präsident des Ministerrates stimmt mit der Ansicht des Ministers Ritter v. Grocholski überein. Die Regierung könnte das Ansuchen erst dann in Erwägung ziehen, wenn es von einer Religionsgenossenschaft ausginge; nachdem aber in der Eingabe selbst erklärt wird, dass die Gesuchsteller nicht beabsichtigen, aus der katholischen Kirche auszutreten und eine neue Genossenschaft zu gründen, so entfalle für die Regierung die Notwendigkeit, sich auszusprechen.

|| || Der Justizminister unterscheidet zwischen dem konfessionellen und staatlichen Standpunkt. In ersterer Beziehung sei zu bemerken, dass derjenige, welcher ein Dogma nicht glaubt, nicht mehr Katholik ist; die Altkatholiken seien daher vom konfessionellen Standpunkt keine Katholiken. Der staatliche Standpunkt gipfle darin, dass eine Genossenschaft korporative Rechte erlangt, auf Grund derselben Eigentum erwerben, Kirchen errichten, Matriken führen kann. Die Altkatholiken haben in dieser Richtung keine Schritte gemacht; für die Regierung existieren daher keine Altkatholiken, sie habe keine Veranlassung, sich mit der Frage zu befassen, ob ihnen eine Kirchengemeinde ihr Gebäude zur Verrichtung des Gottesdienstes überlassen soll oder nicht; es sei eine rein innere Gewissensangelegenheit der Kirchenverwalter zu entscheiden, ob sie Dissidenten ihr Gotteshaus einräumen wollen. Was den häuslichen Gottesdienst || || anbelangt, so sei es gewiss, dass es jedermann frei steht, in seiner Wohnung Genossen zur Ausübung eines Kultus einzuladen. Solange letzterer nicht sittenverletzend ist, läge kein Anlass vor, sich einzumengen. Würden sich in gemieteten Lokalitäten über öffentliche Aufforderung größere Massen einfinden, dann träte an die Polizeibehörde die Frage heran, ob eine solche nicht angemeldete Versammlung aufzulösen sei.

Der Justizminister ist der Meinung zu erklären, nachdem die Altkatholiken keine gesetzlich anerkannte Kirche oder Religionsgenossenschaft bilden, nachdem ferner jede gesetzlich anerkannte Kirche wie die evangelische Kirche augsburgscher Konfession ihre inneren Angelegenheiten selbständig ordnet und leitet, die Überlassung einer Kirche zum Gottesdienste aber eine solche in das Gebiet der inneren Verwaltung gehörige Angelegenheit ist, so habe die Regierung keine Veranlassung, sich über das Gesuch auszu|| || sprechen. Er weist schließlich auf die Eventualität hin, dass der Wiener Gemeinderat in Betreff der Salvatorkapelle einen gleichen Beschluss wie die Verwaltung der evangelischen Kirche in Gumpendorf fassen, nämlich die Zulassung von der Zustimmung der politischen Behörde abhängig machen, die Regierung ihre Zustimmung geben und hinterher der Erzbischof den Altarstein und das Sanctissimum entfernen lassen würde. Einer solchen Kompromittierung könnte sich die Regierung nicht aussetzen.

Der Finanzminister würde es vorziehen, ohne alle polemische Begründung zu erklären, dass für die Regierung mit Rücksicht auf die Art. XIV, XV und XVI des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867 keine Veranlassung vorliegt, sich in eine Entscheidung einzulassen. Der Unterrichtsminister konformiert sich mit dieser Formulierung.

|| || Der Minister Ritter v. Grocholski möchte doch wünschen, dass gesagt werde, die Regierung kenne keine altkatholische Genossenschaft.

Der Präsident des Ministerrates bemerkt, dass der Wusch des Ministers Ritter v. Grocholski schon in der Berufung der Gesetzartikel berücksichtigt ist. In dem ausdrücklichen Ausspruch, dass die Altkatholiken nicht als Genossenschaft anerkannt werden, liege sogar eine Aufforderung an die Altkatholiken, sich als Genossenschaft zu konstituieren.

Die Konferenz beschließt nach dem Votum des Finanzministers23.

VII. Verleihung des Franz-Joseph-Ordens an den Fabrikanten Braun in Schönberg - (PDF)

VII. ℹ️ Der Handelsminister beabsichtigt, für Martin Braun, Chef der k. k. priv. Gussstahlseilenfabrik (Firma Isidor Braun Söhne) in Schönberg in Oberösterreich in Anerkennung seiner vorzüglichen industriellen Leistungen [] patriotischen Verdienste bei || || Sr. Majestät die Verleihung des Ritterkreuzes vom Franz-Joseph-Orden au. zu beantragen. Er bemerkt, dass er umso weniger Anstand nehme, diesen Antrag zu stellen, nachdem der Präsident des Ministerrates seinerzeit als Statthalter in Oberösterreich, wie sich aus den Akten ergibt, die Verleihung einer Auszeichnung an Martin Braun wiederholt befürwortet hat. Dass die Angelegenheit so spät zur Erledigung gelange, sei dadurch begründet, weil so viele Auszeichnungswünsche vorliegen, dass zu deren Erfüllung nur sehr allmählich geschritten werden kann.

Der Präsident des Ministerrates sieht sich durch die Berufung auf den von ihm als vormaligen Statthalter gestellten Antrag veranlaßt, die Gründe nähe darzulegen, die ihn zu demselben bestimmten. Er kenne persönlich das in Schönberg bei Vöcklabruck gelegene umfangreiche Etablissement, welches sein Entstehen nur der || || Tüchtigkeit der beiden Brüder Braun, die anfänglich einfache Arbeiter waren, verdankt. Das Haupterzeugnis seien Gussstahlfabrikate, welche in der Tat in ausgezeichneter Qualität geliefert werden und auf verschiedenen Ausstellungen Preise errungen haben. Die Firma Braun habe nicht nur für Frankreich mehrfache Lieferungen besorgt, sondern auch für die österreichische Armee und Marine verschiedene Artikel, als Visierblenden für die Artillerie, Panzerplatten für die Schiffe etc. geliefert. Ihre Leistungen seien von den Militärbehörden stets als vorzügliche anerkannt worden. Dazu seien die Brüder Braun sehr achtenswerte und loyale Personen, die sich, allen politischen Umtrieben fern bleibend, bloß mit ihrem industriellen Beruf befassen und einen sehr guten Ruf genießen. Er könne daher den Antrag nur wärmstens unterstützen.

Die Konferenz erteilt ihre Zustimmung24.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 26. Oktober 1871. Franz Joseph.