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Nr. 598 Ministerrat, Wien, 18. September 1871 - (PDF)

RS. und bA.; P. Weber; VS. Hohenwart; BdE. und anw. (Hohenwart 18. 9.) Holzgethan 26. 9., Scholl, Jireček 28. 9., Habietinek 10. 10.; abw. Schäffle, Grocholski.

KZ. 2809 – MRZ. 105

|| || Protokoll des zu Wien am 18. September 1871 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Präsidenten des Ministerrates und Minister des Innern Grafen Hohenwart.

I. Vorschlag für den Posten eines Landtagspräsidenten-Stellvertreters für Dalmatien - (PDF)

I. ℹ️ Der Präsident des Ministerrates als Minister des Innern [] für den noch unbesetzten Posten eines Landtagspräsidentenstellvertreters in Dalmatien den Vorschlag || || zu erstatten.

In Dalmatien haben aus Anlass des im vorigen Jahre stattgefundenen Austritts mehrerer Landtagsdeputierten Ergänzungswahlen stattgefunden, deren Resultat behufs der Vorschlagerstattung für den erwähnten Posten abgewartet wurde1. Der Statthalter, dessen Antrag nunmehr telegrafisch eingetroffen ist, hält es für opportun, dass der Stellvertreter des Landtagspräsidenten auch diesmal der Minorität des Landtages entnommen werde, und bringt den Appellationsrat Matthäus Gligo in Vorschlag, welcher zu den gemäßigten Autonomisten zählt, auch bei der Majorität in Achtung steht, die Landessprachen kennt, die für dieses Amt nötige Routine besitzt und es auch anzunehmen bereit ist2. Der Präsident des Ministerrates nimmt keinen Anstand, dem Antrage des Statthalters beizutreten, und || || Sr. apost. Majestät den Appellationsrat Matthäus Gligo als Landtagspräsidentenstellvertreter für Dalmatien au. vorzuschlagen.

Die Konferenz gibt ihre Zustimmung3.

II. Vorschlag für den Posten eines Landeshauptmann-Stellvertreters für Tirol - (PDF)

II. ℹ️ Der Präsident des Ministerrates als Minister des Innern bringt weiter die Besetzung des Landeshauptmannstellvertreterpostens für Tirol zum Vortrage.

Die Wahl der Deputierten aus der Gruppe der Großgrundbesitzer, welche der Statthalter abwarten zu sollen geglaubt hat, um einerseits eine größere Auswahl zu haben, andererseits die Großgrundbesitzer hiebei, wenn möglich, berücksichtigen zu können, ist nunmehr vor sich gegangen4. Nachdem gegenwärtig Deputierte aus Welschtirol [] Sitze im Innsbrucker Landtage eingenommen haben, || || hat es der Statthalter für wünschenswert gehalten, auch auf die Welschtiroler bei der Wahl des Landeshauptmannstellvertreters Rücksicht zu nehmen. Gerne hätte er diese Rücksicht mit jener auf die Großgrundbesitzer vereinigt, wenn einer der vier Welschtiroler Deputierten aus der Gruppe der Großgrundbesitzer für diesen Posten geeignet wäre. Da dies nicht der Fall ist, beantragt der Statthalter den quieszierten Appellationsrat Baron Achilles Menghin, welcher dem italienischen Landesteil angehört, beider Landessprachen mächtig ist, durch seine sozialen Verhältnisse und seine Geschäftsbildung eine hervorragende Stellung einnimmt und sich der allgemeinen Achtung erfreut5. Der Präsident des Ministerrates kann aus persönlicher Kenntnis bestätigen, dass von den vier Welschtiroler Großgrundbesitzern keiner die nötige Eignung besitzt. Graf Melchio[] höchstens hätte die ent|| || sprechenden Fähigkeiten, sei aber von seiner früheren Stellung als Staatsanwalt in Innsbruck her bei der Majorität keine persona grata. Baron Menghin habe im lombardisch-venezianischen Königreiche bis zur Abtretung Venetiens gedient, worauf er in den Ruhestand trat und in Rovereto []. Er besitze keine großen Mittel, aber ein anständiges Auskommen und habe sich bisher an der politischen Bewegung nicht beteiligt.

Der Präsident des Ministerrates schließt sich dem Antrage des Statthalters an, welchem auch die Konferenz beitritt6.

III. Antrag auf Verleihung des Leopoldordens an den Ministerialrat Gustav Kubin - (PDF)

III. ℹ️ Der Präsident des Ministerrates als Minister des Innern beabsichtigt, für den Ministerialrat im Ministerium des Innern Gustav Kubin von Sr. Majestät eine Ah. Auszeichnung au. zu erbitten.

|| || Ministerialrat Kubin, welchen die hohe Konferenz aus mehreren Sitzungen, in welchen er das Referat übernommen, selbst kennt7, sei seit mehreren Jahren mit den Verfassungsangelegenheiten und legislativen Arbeiten des Ministeriums des Innern beschäftig, denen er sich immer mit der größten Hingebung und dem anerkennungswertesten Erfolge unterzog. In der letzten Zeit wurde ihm die Aufgabe der Reform der Landtagswahlordnungen gestellt, welche die umfassendsten Vorarbeiten und die Verarbeitung und Gruppierung eines sehr reichhaltigen Materials erforderte. Der Entwurf von 17 Landtagswahlordnungen mit teilweiser Änderung der Wahlbezirke müsse als eine sehr schwierige Arbeit bezeichnet werden, deren glückliche Zustandebringung alle Anerkennung verdient. Als einen Beweis für die Sorgfalt, mit welcher die Landtags|| || wahlordnungen verfasst sind, glaube er anführen zu können, dass die Presse, welche bei allen Gelegenheiten ihre Gereiztheit und Feindseligkeit gegen das Ministerium an den Tag legt, diesen Vorlagen gegenüber sich zwar im Allgemeinen ablehnend verhält, aber sachlich nichts auszustellen weiß, was von Wesenheit wäre. Dazu kommt, dass diese Arbeiten in einer verhältnismäßig sehr kurzen Zeit zustande gebracht wurden und Ministerialrat Kubin sich denselben mit Aufopferung seiner ganzen freien Zeit und aller seiner Kräfte widmete. Er zeichne sich als Fachmann durch eine unbedingte, keiner Leidenschaftlichkeit zugängliche Objektivität aus und sei überhaupt einer der vorzüglichsten Beamten. Die Landtagswahlordnungen bieten übrigens wohl den nächsten, nicht aber den einzigen Anlass, der den Präsidenten des Ministerrates || || zu seinem Antrage bestimmt, vielmehr habe Kubin auch unter den früheren Ministerien zur vollsten Zufriedenheit und Anerkennung aller Amtsvorgänger im Ministerium des Innern seine bewährte Arbeitskraft gewidmet. Der Präsident des Ministerrates will sich erlauben, den Ministerialrat Kubin Sr. apost. Majestät zur Ag. Verleihung des Ritterkreuzes vom Leopold-Orden au. zu empfehlen.

Die Konferenz erteilt hiezu einhellig ihre Zustimmung8.

IV. Antrag auf eine Auszeichnung für den pensionierten Kreisarzt, kaiserlichen Rat Dr. Schreiter - (PDF)

IV. ℹ️ Dem Präsidenten des Ministerrates als Minister des Innern liegt ein Antrag des Statthaltereivizepräsidenten in Böhmen auf eine Ah. Auszeichnung für den aus Anlass der Reorganisierung der Medizinalverwaltung nach mehrjähriger sehr belobter || || Dienstleistung in den Ruhestand tretenden Leitmeritzer Kreisarzt kaiserlichen Rat Med. Dr. Franz Schreiter vor9.

Der Leitmeritzer Bezirkshauptmann beantragt für Dr. Schreiter als Anerkennung seiner bei Gelegenheit verschiedener Epidemien, bei Errichtung des Königgrätzer Zivilspitals und bei Durchführung der Institution der Kommunalärzte im Leitmeritzer Kreise erworbenen Verdienste, die Verleihung des Adels, eventuell, wenn dies nicht möglich sein sollte, des Ritterkreuzes vom Franz-Joseph-Orden. Der Statthaltereivizepräsident geht noch weiter, indem er die Verleihung des Eisernen Kronen-Ordens III. Klasse in Antrag bringt. Der Präsident des Ministerrates glaubt jedoch mit Rücksicht auf den Dienstrang des Dr. Schreiter und da denn doch hervorragende Verdienste nicht vorhanden sind, dass [keine] so auffällige Ausnahme von der Regel gerechtfertigt [], auf den Antrag des || || Statthaltereivizepräsidenten wie auch auf den eventuellen Vorschlag des Bezirkshauptmanns auf Verleihung des Adels nicht eingehen, dagegen in Anbetracht der langjährigen ersprießlichen Dienstleistung des Dr. Schreiter mit aller Wärme die Verleihung des Ritterkreuzes vom Franz-Joseph-Orden an denselben befürworten zu sollen.

Die Konferenz ermächtigt den Präsidenten, für den Kreisarzt Dr. Schreiter bei Sr. apost. Majestät die Verleihung des Ritterkreuzes vom Franz-Joseph-Orden au. in Antrag zu bringen10.

V. Majestätsgesuch um Zurückversetzung der Stadt Salzburg aus der ersten in die zweite Fleischsteuerklasse - (PDF)

V. ℹ️ Der Finanzminister setzt der Konferenz den Sachverhalt auseinander, welcher einem über ein Ah. signiertes Majestätsgesuch um Zurückversetzung der Stadt Salzburg aus der ersten in die zweite Fleischsteuerklasse von ihm erstatteten, von || || Sr. apost. Majestät zur Beratung im Ministerrat zurückgelangten au. Vortrag zu Grunde liegt11.

Durch das Gesetz vom 17. [August] 1862 sind neue Tarife für die Besteuerung des Wein-, Most- und Fleischverbrauches im legislativen Wege festgestellt worden. Hiernach gehören alle offenen Orte von [] bis 20.000 Seelen in die zweite, über 20.000 Seelen in die 1. Tarifklasse der Verzehrungssteuer vom Schlacht- und Stechvieh und Fleisch12. Die Stadt Salzburg, welche zu den offenen Orten gehört, war früher in die zweite Klasse eingereiht, weil sie weniger als 20.000 Einwohner zählte. Bei der letzten Volkszählung vom 31. Dezember 1869 stellte sich die effektive Bevölkerung jedoch mit 20.538 Seelen heraus. Die Finanzbehörde sah sich sonach in der Lage, Salzburg in die erste Klasse zu versetzen. Dies gab Veranlassung zu dem Majestätsgesuche, welches || || der Ah. Signatur gewürdigt und worüber au. Vortrag erstattet wurde. Die Salzburger Finanzlandesdirektion hat sich, einerseits eingedenk ihrer Stellung als Steuerbehörde, andererseits unter dem Drucke der öffentlichen Meinung schwankend gezeigt, und den Antrag gestellt, wenn es möglich wäre, im Gnadenwege von der Einreihung Salzburgs in die erste Tarifklasse abzugehen. Der Landespräsident befürwortet diesen Antrag auf das wärmste.

Vom Finanzministerium dagegen wurde im au. Vortrag die Ansicht vertreten, dass eine Ausnahme vom Gesetze im Gnadenwege nicht möglich ist, vielmehr eine bezügliche Änderung des Gesetzes nur im legislativen Wege erfolgen könnte. Vom Finanzministerium wurde aber auch dargelegt, dass keine besonderen Gründe hiefür vorhanden seien. || || Die Einwendung, dass unter 20.538 Seelen auch Fremde eingerechnet sein dürften, sei belanglos, da es sich bei einem Verzehrungssteuergesetz um die Zahl der Konsumenten und nicht um die Kriterien der Zuständigkeit oder des Wahlrecht usw. handelt. Ebenso wenig Bedeutung könne der Angabe beigemessen werden, dass Salzburg durch die Aufhebung der chirurgischen Lehranstalt schwere Verluste erlitten hat, denn der ganze Abgang reduziere sich, selbst wenn alle Frequentanten der Lehranstalt Salzburg verlassen haben sollten, auf 130 Individuen. Man wollte weiter geltend machen, dass die Erhebung der Bevölkerungszahl in einer ungünstigen Zeit, nämlich in einem Momente vorgenommen worden ist, in welchem ein bedeutender Zufluss von Arbeitern stattfand. Es sei jedoch nicht abzusehen, wienach gerade am [] Dezember der Zufluss von Arbeitern am stärksten sein || || soll, vielmehr dürfte das gerade Gegenteil der Fall sein. Schließlich wurde behauptet, dass die Fleischpreise durch die Versetzung der Stadt Salzburg in die 1. Klasse auf eine unerschwingliche Höhe emporgeschnellt und dadurch die Produktion und der aufstrebende Wohlstand der Stadt vernichtet würden. Nach gemachten Berechnungen betrage aber die Steuererhöhung nicht ganz ein Viertel Kreuzer per Pfund, wodurch bei Fleischpreisen von 30 bis 40 Kreuzer doch nicht der Wohlstand gefährdet werden könne. Die Agitation rühre allem Anscheine nach von den Fleischern selbst her, welche, weil sie die Fleischpreise um ein Viertel Kreuzer nicht aufschlagen können, genötigt sind, diese Steuererhöhung aus eigenem zu tragen.

Das Finanzministerium habe daher den au. Antrag gestellt, dem Majestätsgesuche keine Folge zu geben. Um aber das Möglichste zu tun, habe der Finanzminister || || [], dass er die Sache gerne zu vermitteln bereit sein werde, als jetzt eine [] Pauschalabfindung mit den Fleischhauern im Zuge ist, wobei er beabsichtige, die Erhöhung des Pauschals nur in geringem Maße eintreten zu lassen, um einerseits das Gesetz zu handhaben, andererseits den Übergang in die höhere Tarifklasse zu erleichtern. Diesen Antrag könne er heute nur wiederholen.

Der Landesverteidigungsminister gibt sein Votum dahin ab, dass nach dieser Darstellung des Sachverhalts auch ihm nichts anderes zu erübrigen scheine, als vom Finanzminister beantragt worden ist.

Der Unterrichtsminister ist derselben Ansicht und bemerkt bezüglich der Aufhebung der chirurgischen Lehranstalt, dass diese erst in drei Jahren in Vollzug gesetzt wird, indem heuer zum letzten Male Schüler in den ersten Jahrgang aufge|| || nommen werden. Dieser Umstand könne keinen Grund für eine Steuererleichterung abgeben. Das Petitum komme gewissermaßen darauf hinaus, als ob Salzburg von der mehr als 20.000 betragenden Einwohnerzahl dispensiert werden wollte, eine Dispens von Tatsachen könne aber nicht stattfinden.

Der Justizminister findet, dass das Finanzministerium das Äußerste getan hat, zumal der Wohlstand von Salzburg auf festeren Füßen steht als dass er durch einen Aufschlag von ein Viertel Kreuzer per Pfund Fleisch alteriert werden könnte.

Der Präsident des Ministerrates konstatiert, dass die Konferenz dem Antrage des Finanzministers einhellig beigetreten ist13.

VI. Antrag auf Verleihung des Komturkreuzes vom Franz-Joseph-Orden an den Abt in Göttweig, Engelbert Schwerdfeger - (PDF)

VI. ℹ️Der Kultus- und Unterrichtsminister bringt den Entwurf eines au. Vortrags zur Kenntnis, in welchem || || [], über Anregung des [] von St. Pölten und nach dem Antrage des niederösterreichischen Statthalters für den Abt von Göttweig Engelbert Schwerdfeger14 aus Anlass seines am 23. September 1871 eintretenden 25-jährigen Jubiläums als Abt in Anerkennung seines hingebungsvollen Eifers in Erfüllung seiner Berufspflichten, seiner Verdienste um die Förderung des Schulwesens und der Armenpflege, seiner opferwilligen Haltung im Jahre 1866 und seines im Allgemeinen bewährten Patriotismus die Verleihung des Komturkreuzes vom Franz-Joseph-Orden au. zu befürworten.

Die Konferenz erteilt ihre Zustimmung15.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 15. Oktober 1871. Franz Joseph.