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Nr. 245 Ministerrat, Wien, 29. Juli 1869 - (PDF)

RS. und bA.; P. Artus; VS. Taaffe; BdE. und anw. (Taaffe 29. 7.), Plener 3. 8., Potocki 3. 8., Giskra; abw. Hasner, Herbst, Brestel, Berger.

KZ. 2574 – MRZ. 85

|| || Protokoll des zu Wien am 29. Juli 1869 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn k. k. Ministerpräsidenten Grafen Taaffe.

I. Konzessionserteilung für die Vorarlberger Eisenbahn an Ganahl und Konsorten - (PDF)

I. ℹ️ Der Handelsminister referiert in der Angelegenheit der Konzessionserteilung für den Bau der Vorarlbergerbahn1.

In dem Gesetze vom 20. Mai 1869 über die dieser Bahnunternehmung eventuell zu gewährenden || || Begünstigungen wurde für diese etwas über zehn Meilen lange Eisenbahn eine Maximalgarantie []m Reinerträgnisse von 1,200.000 fr. per Meile bewilligt2. Andererseits ist der Regierung gewahrt, im Falle sie für weniger konvenierend halten würde, mit der Erteilung einer Baukonzession vorzugehen, die Bahn im Wege des Eigenbaues herzustellen3. In Hinsicht auf diese Alternative hat der Handelsminister sich mit dem Finanzminister in das Einvernehmen gesetzt. Letzterer hätte ursprünglich zunächst den Eigenbau gewünscht. Diesem aber seien nicht unerhebliche Bedenken im Wege gestanden. Da seit langer Zeit der Staat in eigener Regie Eisenbahnen nicht mehr gebaut hat, so müsse alles daran gelegen sein, dass der erste solche Bau nach jeder Richtung hin vollkommen entspreche. Dies setze aber in erster Linie tüchtige Kräfte voraus, welche augenblicklich in einer für den Bahnbau genügenden Anzahl [] nicht verfügbar seien, unge[] der Handelsminister be[] zahlreiche Aufnahmen von [] Ingenieuren veranlasste und fortan veranlasse. Die beschränkte Anzahl der || || Kräfte würde die bei dem Eigenbau erforderliche intensive Kontrolle in dem erwünschten Maße unmöglich machen. Auch seien die Detailprojekte augenblicklich nicht so weit gediehen, dass zu einer Vergebung der betreffenden Arbeiten so bald geschritten werden könnte. Unter diesen Verhältnissen, deren Erwägung sich auch der Finanzminister nicht verschlossen, habe er (Handelsminister) mit dem Finanzminister vereinbart, dass eine Konzessionserteilung Platz greifen solle, für welche die möglichste Konkurrenz zu eröffnen wäre. Der Handelsminister habe sich auch hieran gehalten. Es sei zwar eine öffentliche Konkurrenz nicht eröffnet worden, welche sich nicht beanzeigt habe, weil wegen des Mangels von vorliegenden Detailprojekten Fremde überhaupt nicht in der Lage gewesen wären, für diese Bahn irgendein Offert zu machen. Dagegen sei allen denjenigen, von welchen eine entsprechende Kenntnis für diesen Eisenbahnbau maßgebenden Verhältnisse vorauszusetzen war, Gelegenheit geboten worden, in Konkurrenz zu treten. || || Infolgedessen liegen auch Offerte von mehreren Seiten vor.

Vier Wochen nach Erscheinen des Gesetzes habe der Handelskammerpräsident Ganahl (im Vereine mit Klein, Brassey, Credit-Anstalt) ein Offert gemacht mit 1,200.000 fr. per Meile. Bald nach Ganahl trat Hirsch (im Vereine mit der Francobank) mit einem Offerte von 1,180.000 fr. per Meile hervor. Diesem folgte der kgl. ung. Rat und gewesene Eisenbahnbaudirektor Tomen, welcher infolge seiner früheren Verwendung bei dem Baue der Tiroler Linie der Südbahn mit den einschlägigen Verhältnissen vertraut ist, mit dem Offerte von 1,140.000 fr. per Meile. Neuestens endlich brachten Ganahl und Genossen ein weiteres Offert mit 1,100.000 fr. per Meile ein, wenn 18-pfündige Schienen gelegt werden dürfen, und mit 1,114.000 fr. per Meile, wenn 20-pfündige Schienen in Anwendung kommen sollen4. In dem letzteren Falle würde gegen die bewilligte Maximalziffer der Staatsgarantie eine Million, im ersteren Falle 860.000 fr. []. Dass jedoch nach der Äußerung der einvernommenen vertrauenswürdigen Techniker die Legung || || von 20-pfündigen Schienen sich jedenfalls mehr empfehle, weil über den Arl unter allen Umständen 20-pfündige Schienen in Anwendung kommen werden, in welchem Falle die leichteren Schienen auf der Strecke von Bludenz ab ausgewechselt werden müssten, was ohne technische Schwierigkeiten und ohne Mehrinanspruchnahme der Staatsgarantie für eine solche aus der Betriebsberechnung nicht zu eliminierende Post nicht abgehen würde, glaubt der Handelsminister, dass in erster Linie auf das Offert mit 1,114.000 fr. zu reflektieren wäre. Er hielte dasselbe für den Interessen des Ärars unter den gegebenen Umständen ganz entsprechend, zumal die ursprüngliche Kostenberechnung auf den Betrag von 1,563.000 fr. gelautet habe. Es könnte allenfalls noch der Versuch gemacht werden, etwa noch eine weitere Ermäßigung zu erzielen, was bei der Rivalität der mit Ganahl verbundenen Institute mit der hinter den anderen Offerenten stehenden Francobank keineswegs ganz unwahrscheinlich schiene.

Er erbitte sich daher die Zustimmung der Konferenz, mit Ganahl in der Richtung der Ermäßigung des Anspruches von 1,114.000 fr. auf etwa 1,110.000 fr. weiter zu unterhandeln und im Falle, als die Ermäßigung durchaus nicht zu erzielen wäre, || || auch auf der Basis von 1,114.000 fr. abzuschließen. Die Sache sei deswegen sehr dringend, weil Ganahl und Genossen wegen etwaiger Änderungen in den augenblicklichen Konjunkturen des Geldmarktes nur bis Ende dieser Woche im Worte stehen zu wollen erklärten.

Nachdem der Minister des Innern bemerkt hatte, dass wegen der Herabminderung des Anspruches auf 1,110.000 fr. per Meile jedenfalls noch weiter zu verhandeln wäre, erklärten er und die übrigen Stimmführer sich mit dem Antrage des Handelsministers vollkommen einverstanden5.

II. Antrag wegen Verleihung des Großkreuzes des St. Stephanordens an Statthalter Baron Mecséry aus Anlass seiner Pensionierung - (PDF)

II. ℹ️ Der Minister des Innern teilte der Konferenz mit, dass infolge der jüngst stattgefundenen vorläufigen Besprechung der Ministerpräsident von Sr. k. u. k. apost. Majestät auf kurzem Wege die Ah. Genehmigung erbeten habe, dass für den Statthalter von Steiermark Freiherrn v. Mecséry aus Anlass seiner über sein Ansuchen erfolgenden Versetzung in den bleibenden Ruhestand in Anerkennung seiner in langjährigem Dienste erworbenen hervorragenden Verdienste auf || || die Verleihung des Großkreuzes des St. Stephans-Ordens angetragen werden dürfe, in welchem Sinne er sonach den au. Vortrag zu erstatten gedenke.

Der Ministerrat nimmt hievon Kenntnis6.

III. Verleihung des Ritterkreuzes des Franz-Josephs-Ordens an den Ehrendomherrn in Graz Franz Legwarth - (PDF)

III. ℹ️ Der Minister des Innern erbittet sich und erhält die Zustimmung der Konferenz, in Vertretung des Ministers für Kultus und Unterricht für den von dem Statthalter in Steiermark als sehr verdienstlich geschilderten Ehrendomherrn in Graz Franz Legwarth auf die Verleihung des Ritterkreuzes des Franz-Joseph-Ordens anzutragen7.

IV. Wiedereinbringung der Regierungsvorlage betreffend die Aufhebung der Verpflichtung zur Erlernung einer zweiten Landessprache an den Volks- und Mittelschulen bei dem galizischen Landtage - (PDF)

IV. ℹ️ Der Minister des Innern teilt der Konferenz mit, dass er in Vertretung des Unterrichtsministers beabsichtige, sich zur neuerlichen unveränderten Einbringung der Regierungsvorlage betreffend die Aufhebung der durch ein Landesgesetz ausgesprochenen Verpflichtung || || zur Erlernung einer zweiten Landessprache an den Volks- und Mittelschulen bei dem galizischen Landtage die Ah. Ermächtigung zu erbitten8.

Der Entwurf wurde im vorigen Jahre in Böhmen und in Galizien eingebracht, in Böhmen angenommen, gelangte in Galizien jedoch nicht zur Verhandlung9. Der Statthaltereileiter spreche sich motiviert für die Wiedervorlage in der nächsten Session aus. Die Konferenz erklärt sich mit dem Vorhaben des Ministers des Innern einhellig einverstanden10.

V. Einbringung einer Regierungsvorlage bei dem oberösterreichischen Landtage wegen Abänderung des § 18 Realschulgesetzes für Oberösterreich (Feststellung der Prüfungsvorschrift für Lehramtskandidaten im Verordnungswege) - (PDF)

V. ℹ️ Der Minister des Innern bringt für den Unterrichtsminister zur Sprache, dass es sich darum handeln werde, in der nächsten Session des oberösterreichischen Landtages eine Regierungsvorlage einzubringen wegen Abänderung des § 18 des Realschulgesetzes11.

Nach der vom oberösterreichischen Landtage angenommenen, mit dem von der Regierung vorgelegten Entwurfe nicht übereinstimmenden Bestimmung dieses Paragrafes für die Feststellung der näheren Bestimmungen über die Befähigungsprüfung für [] und insbesondere das || || Maß der Anforderungen in den einzelnen Gegenständen der Gesetzgebung vorbehalten, während nach der Regierungsvorlage die Feststellung dieser Bestimmungen beziehungsweise die Erlassung der Prüfungsvorschrift dem Verordnungswege zu überlassen gewesen wäre12. Wenn wegen dieser von dem oberösterreichischen Landtage beliebten Abweichung von der ursprünglichen Regierungsvorlage die Ablehnung der Ah. Sanktion nicht erfolgt sei, so sei dem wesentlich auch die Erwägung zu Grunde gelegen, daß es in einem späteren Zeitpunkte gelingen dürfte, die einschlägige, von der Regierung ursprünglich proponierte Bestimmung mit Zustimmung des oberösterreichischen Landtages im Wege der Modifikation seines diesfälligen früheren Beschlusses nachträglich dennoch zur Geltung zu bringen. Bei der Wichtigkeit einer für alle Länder gleichen Vorschrift für die Lehrerprüfungen, was die Erlassung derselben im Verordnungswege zur notwendigen Voraussetzung habe, erscheine es angezeigt, es schon in der nächsten Landtagssession mit einer Regierungsvorlage in dieser Richtung zu versuchen, zumal jene Realschulgesetze, welchen bisher die Ah. Sanktion zuteil wurde, || || die Erlassung der fraglichen Prüfungsvorschrift dem Verordnungswege überwiesen haben. Der Minister des Innern gedenkt daher, sich zur Einbringung eines solchen, auf die Abänderung der erwähnten Bestimmung des § 18 des oberösterreichischen Realschulgesetzes abzielenden Gesetzentwurfes bei dem oberösterreichischen Landtage die Ah. Ermächtigung zu erbitten.

Der Ministerrat stimmt diesem Vorhaben einhellig bei13.

VI. Einbringung einer Regierungsvorlage bei dem Krainer Landtage betreffend die Errichtung und Erhaltung gewerblicher Fortbildungsschulen - (PDF)

VI. ℹ️ Der Minister des Innern bespricht für den Unterrichtsminister den dem krainerischen Landtage vorzulegenden Entwurf eines Landesgesetzes betreffend die Errichtung und Erhaltung der gewerblichen Fortbildungsschulen.

Der diesfällige Entwurf, welcher Sr. k. u. k. apost. Majestät mit der Bitte um die Ah. Ermächtigung zur Einbringung desselben als Regierungsvorlage unterbreitet werden soll, entspricht im Wesentlichen den Bestimmungen des gleichartigen Landesgesetzes für Niederösterreich, welches unterm 28. November die Ah. Sanktion || || erhalten hatte und welches der Unterrichtsminister den Länderchefs mit der Aufforderung zur Äußerung mitteilte, ob eine ähnliche Vorlage auch in den übrigen Ländern dem Wunsche der gewerblichen Bevölkerung entsprechen würde14. In den Entwurf, dessen Basis eine von dem Landespräsidenten in Laibach nach vorausgegangenen kommissionellen Beratungen mit den hiebei beteiligten Faktoren bildet, wurden einerseits einige Bestimmungen der ursprünglichen Regierungsvorlage für Niederösterreich wieder aufgenommen, welche bei der landtäglichen Diskussion nicht zur Geltung gelangt sind, andererseits erscheinen in dem Entwurfe einige von dem Landespräsidenten grundhältig motivierte, minder bedeutende Abweichungen von dem Landesgesetze für Niederösterreich berücksichtigt. Mit dem Entwurfe würden nach der Äußerung des Landespräsidenten dem in Hinsicht auf die Entwicklung des gewerblichen Unterrichtes in Krain vorhandenen Bedürfnisse in befriedigender Weise entsprochen werden.

Der Handelsminister erklärt || || sich von seinem Standpunkte mit der Einbringung dieses Gesetzentwurfes einverstanden. In gleichem Sinne sprechen sich auch der Ministerpräsident und der Ackerbauminister aus15.

VII. Antrag wegen Ablehnung der Ah. Sanktion der Gesetzentwürfe des galizischen Landtages betreffend die obligatorische Brandschadenversicherung der Kirchen- und Pfarr-, dann der Schulgebäude - (PDF)

VII. ℹ️ Der Minister des Innern bringt die im Ministerium für Kultus und Unterricht noch pendente Frage der Erwirkung der Ah. Sanktion für zwei aus dem Jahre 1866 herrührende, aus der Initiative des galizischen Landtages hervorgegangene Gesetzentwürfe zur Sprache, womit 1. die Brandschadenversicherung der Kirchen- und Pfarrgebäude und 2. jene der Schulgebäude imperativ ausgesprochen wurde16.

Nach Lage der weitwendigen Vorverhandlungen wurde gegen die von dem damaligen Statthalter FML. Baron Baumgarten befürwortete Ah. Sanktionierung der fraglichen Gesetzentwürfe gewichtige Bedenken geltend gemacht. Namentlich hat sich das Finanzministerium im Interesse des [] und der öffentlichen || || Fonds entschieden gegen die zwangsweise Assekuranz der Kirchen- und Pfarrgebäude ausgesprochen, indem es auf die große Zahl der unter öffentlichem Patronate stehenden Kirchen- und Pfründengebäude in Galizien und deren meist unzureichende Dotation und die sich hieraus für den Patron mutmaßlich ergebende große Last hinwies. Der frühere Statthalter in Galizien Graf Gołuchowski glaubte zwar, den Bedenken des Finanzministeriums, soweit sie die zwangsweise Versicherung der Kirch- und Pfarrgebäude betrafen, nicht durchgehends ein bezüglich der Sanktionierungsfrage entscheidendes Gewicht beilegen zu sollen. Er verhehlte jedoch nicht, dass sich beachtenswerte Stimmen im Lande gegen die zwangsweise Versicherung der Volksschulgebäude erhoben haben, welcher entgegenzutreten das Finanzministerium im Bestande des neuen, das bisherige im Gesetze begründete Schulpatronat beseitigenden Schulkonkurrenzgesetzes keine Veranlassung zu haben erklärte. Diese, von Grafen Gołuchowski || || angedeuteten Bedenken gingen im Wesentlichen dahin, dass die Volksschulgebäude vielfältig bereits in das Eigentum der Gemeinden übergangen seien, und dass durch den bezüglichen Gesetzentwurf für einen Teil des Gemeindevermögens eine exzeptionelle Behandlung eingeführt würde, für welche Beschränkung der gesetzlichen Autonomie kein maßgebender spezieller Grund vorhanden sei. Unter allen Umständen sprach sich Graf Gołuchowski dagegen aus, dass einer der beiden Gesetzentwürfe für sich allein die Sanktion erhielte, weil bei einer verschiedenen Behandlung dieser auf gleichen Grundlagen beruhenden beiden Gesetzentwürfe die einseitige Bedachtnahme auf die Interessen der einen der dabei beteiligten Parteien allzu auffallend in den Vordergrund treten würde. Der Minister des Innern glaubt in Übereinstimmung mit dem Fachreferenten des Ministeriums für Kultus und Unterricht sowohl die Bedenken des Finanzministeriums hinsichtlich einer imperativen Assekuranz || || der Kirchen- und Pfarrgebäude für vollkommen gegründet, als er andererseits die Bedeutung der Einwendungen nicht verkennen kann, welche vom Standpunkte der Autonomie der Gemeinden gegen den Versicherungszwang der Volksschulgebäude geltend gemacht worden seien. Unter diesen Umständen gedenke er auf die Ablehnung der Ah. Sanktionierung beider Gesetzentwürfe den au. Antrag zu stellen.

Alle Votanten vereinigen sich mit der Ansicht des Ministers des Innern, wobei von allen Seiten noch auf die aus vielfachen Erfahrungen hervorgehende Unzweckmäßigkeit solcher kumulativer Assekuranzen für die Beteiligten hingewiesen wird17.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Vortrages [sic!] zur Kenntnis genommen. Wien, 12. August 1869. Franz Joseph.