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Nr. 19 Ministerrat, Wien, 16. April 1867

RS. fehlt; Abschrift, Ava., Ministerratsprotokolle, Karton 33 (Abschriften Prof. Redlich ); Wortlaut und Datum der Ah. Entschließung: Hhsta., Kabinettskanzlei, Protokoll 1867.

P. Hueber; VS. Beust; anw. Komers, Wüllerstorff, John, Becke, Taaffe; außerdem anw. Gagern, Wehli, Stählin.

Druck (I und III): Walter, Zentralverwaltung 3/4, Nr. 46.

KZ. 341 – MRZ. 146 –

Ministerratsprotokoll vom 16. April 1867 unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Ministerpräsidenten Freiherrn v. Beust.

I. Entwurf des Gesetzes, wodurch das Grundgesetz über die Reichsvertretung vom 26. Februar 1861 abgeändert wird

I. Den ersten Gegenstand der Beratung bildete der Entwurf des Gesetzes, wodurch das Grundgesetz über die Reichsvertretung vom 26. Februar 1861 abgeändert wirda , 1.

Der Minister Graf Taaffe bemerkte, dass durch den vorliegenden Gesetzentwurf nur jene Abänderungen des Grundgesetzes über die Reichsvertretung vom 26. Februar 1861 festgesetzt werden sollen, welche infolge der Vereinbarung mit den Ländern der ungarischen Krone in Betreff der Behandlung der gemeinsamen Angelegenheiten notwendig sind. Grundsätzlich sei bei diesem Entwurfe festgehalten worden, dass so wenig als nur möglich Änderungen und diese nur insoweit vorgenommen werden, als sie eben durch die oberwähnte Vereinbarung mit den Ländern der ungarischen Krone bedingt sind. Es seien daher auch Änderungen, die aus Opportunitätsrücksichten unzweifelhaft wünschenswert gewesen wären, unterlassen worden, weil dadurch auch den verschiedenen Parteien im Reichrate Anlass geboten würde, an der Verfassung zu rütteln.

Nach dieser allgemeinen Bemerkung las der ministerielle Referent Ritter v. Stählin die einzelnen Paragraphe des Gesetzentwurfes unter Beifügung der Motive ab, welche das Vorberatungskomitee für die einzelnen Änderungen als maßgebend erkannt hatte.

Zu § 1 ergab sich keine Erinnerung.

Zu § 2 lautend: „Mitglieder des Herrenhauses sind durch Geburt die großjährigen Prinzen des kaiserlichen Hauses.“ wurde, obgleich eine Änderung dieser Bestimmung in dem vorliegenden Gesetzentwurfe nicht beantragt ist, das Bedenken angeregt, dass die kaiserlichen Prinzen vielleicht Anstand nehmen werden, in dem Herrenhause, welches nicht mehr ein Vertretungskörper für das Gesamtreich ist, ihre Plätze einzunehmen, und dass andererseits auch der Grundsatz der Parität gefährdet wäre, wenn die kaiserlichen Prinzen bloß als Mitglieder in das hiesige Herrenhaus berufen wären, während ihnen nach der ungarischen Verfassung der Sitz in der Magnatentafel „durch Geburt“ nicht prärogiert ist.

Der Ministerpräsident meinte, dass § 2, laut des im vorliegenden Entwurfe an die Spitze gestellten Grundsatzes, dass nur solche Änderungen vorgenommen werden sollen, die durch die Vereinbarung mit den Ländern der ungarischen Krone notwendig sind, umso mehr unverändert belassen werden sollte, als es immer noch dem Belieben der kaiserlichen Prinzen anheimgestellt bleibt, sich ihres Rechtes, im Herrenhause zu sitzen, zu bedienen oder nicht, und weil, wenn es den LUngarn nicht genehm wäre, dass die kaiserlichen Prinzen wohl in das Herrenhaus, nicht aber auch in die Magnatentafel des ungarischen Reichstages berufen sind, es ihre Sache wäre, die ungarische Verfassung in diesem Sinne abzuändern.

Die Konferenz stimmte aus diesen Erwägungen für die unveränderte Belassung des § 2.

Bei den §§ 3, 4 und 5 wollte der Justizminister die dreimal vorkommende Wiederholung „in den durch den Reichsrat vertretenen Königreichen und Ländern“ vermieden wissen. Er stand jedoch von diesem Bedenken ab, als der Minister Graf Taaffe darauf hingewiesen hatte, dass, wenn diese Eliminierung eintreten sollte, auch eine Änderung der Paragraphenfolge stattfinden müsste, dass weiters diese Wiederholung, wenn auch nicht gerade wohlklingend, doch zum deutlichen Verständnisse des Grundgesetzes beitrage und dass man es dem Reichsrate überlassen könne, eine Textänderung hierin vorzunehmen, welcher die Regierung nicht entgegentreten werde.

Die §§ 3 und 4 wurden sohin von der Konferenz unverändert angenommen.

Zu § 5 erachtete der Kriegsminister es der Erwägung anheimstellen zu sollen, ob in Ungarn gebürtige Generale, die derzeit Mitglieder des Herrenhauses bereits sind, wie z. B. der General der Kavallerie Graf Haller, noch fortan im Herrenhause sitzen können und ob Se. Majestät auch in Hinkunft noch Generale aus Ungarn als Mitglieder in das Herrenhaus berufen solle. Es war dabei dem Kriegsminister nicht darum zu tun, den Generalen aus Ungarn diese Prärogative zu wehren, er hatte vielmehr nur im Sinne, es zu vermeiden, dass sich nicht der Dualismus auch in der Armee auspräge.

Der Ministerialrat Ritter v. Stählin meinte, dass über diesen Anstand hinweggegangen und der § 5 unverändert belassen werden könnte, weil der Besorgnis, dass Angehörige der Länder der ungarischen Krone an der Legislation für die diesseitigen Länder nicht teilnehmen sollten, durch § 11 des Grundgesetzes auch schon jetzt vorgebeugt war, wonach an den Beratungen über Gegenstände des engeren Reichsrates die Mitglieder des Herrenhauses aus den Ländern der ungarischen Krone nicht teilzunehmen hatten. Der Minister Freiherr v. Becke meinte, dass es sich hiebei nur um die als Mitglieder des Herrenhauses bereits ernannten ungarischen Generale handle. Der hiesigen Bevölkerung könne es allerdings nicht angenehm sein, wenn bei dem Bestande einer dualistischen Regierungsform im hiesigen Herrenhause noch Ungarn an unserer Legislative teilnehmen sollen. Da es jedoch nicht in der Willensabsicht Sr. Majestät gelegen sein dürfte, künftig noch ungarische Generale in das hiesige Herrenhaus zu berufen, dürfte über das angeregte Bedenken hinausgegangen und der § 5 unverändert beibehalten werden.

Die Konferenz nahm sohin die Fassung des § 5 nach dem Entwurfe an.

§ 6 wurde ohne Debatte angenommen, nachdem Graf Taaffe bemerkt hatte, dass er von seiner ursprünglichen Idee, die Anzahl der Abgeordneten in den einzelnen Ländern zu vermehren, in der Erwägung wieder abgegangen sei, dass man bei der Ungleichheit der Bevölkerungszahl in den einzelnen Ländern diese Vermehrung mit einem ungeheuren Schlüssel hätte errechnen müssen und weil dabei ohne dringende Not die Grundlage der Verfassung geändert und von dem an die Spitze des Gesetzes gestellten Grundsatze abgewichen worden wäre.

Zu § 10 bemerkte Graf Taaffe, dass im vorliegenden Entwurfe die Zitation des Artikels II des Diploms vom 20. Oktober 1860 weggelassen2 und die Beschränkung aufgenommen worden sei: „insoweit nicht durch die stattgefundene Vereinbarung über die Behandlung der mit den Ländern der ungarischen Krone gemeinsamen Angelegenheiten eine Änderung eingetreten ist.“ Es sei dabei auch vorausgesetzt, dass der Reichsrat den Ausgleich mit Ungarn annimmt, sonst könnte man mit dieser Vorlage gar nicht vor den Reichsrat kommen.

Der Minister Baron Becke fand die Stilisierung der ersten Alinea des § 10 sowie die darauf folgende Enumeration, die ein Abklatsch aus dem Februarpatente sei3, bedenklich, weil alle Kompetenzen, welche durch das Februarpatent 1861 der Gesamtvertretung eingeräumt waren, jetzt dem Reichsrate zugewiesen werden und dadurch die wünschenswerte Erweiterung der Kompetenz der Delegationen von vornherein abgeschnitten wird. Auch werde man mit diesen Bestimmungen mit dem ungarischen Landtage in Konflikt geraten.

Der Ministerialrat Ritter v. Wehli bemerkte, das Vorberatungskomitee habe auf die Beibehaltung dieser Enumeration aus dem Februarpatente aus der Rücksicht Wert legen zu sollen erachtet, weil die Kompetenz des Reichsrates nach dem Diplom vom 20. Oktober 1860 nicht so umfassend erscheine, wie nach dem Patente vom 26. Februar 1861. Graf Taaffe erwiderte, dass der § 10 unverändert wie im Februarpatente belassen und bloß durch den Ausgleich mit Ungarn beschränkt wurde. Wollte man die erwähnte Enumeration beseitigen, müsste man die Bestimmungen aus dem 67er Elaborate aufnehmen, was aber nicht angehe, da dieses Elaborat vom Reichsrate noch nicht angenommen ist.

Der Justizminister äußerte, man müsse, wenn man mehrere im Zusammenhang stehende Gesetze gleichzeitig dem Reichsrat vorlege, über gewisse homogene Grundsätze einig sein. Die politische Aktion werde darin bestehen, dass man zuerst den Ausgleich mit Ungarn dem Reichsrate vorlegt. In dem Augenblicke, als der Reichsrat den Ausgleich mit Ungarn annimmt, ändert sich die Verfassung für die diesseitigen Länder und es besteht kein Anstand mehr, die Februarverfassung im Sinne des Ausgleiches abzuändern. Übrigens könnte die Enumeration bei § 10 beibehalten werden, wenn dem Eingange dieses Paragraphes eine veränderte Fassung gegeben würde, als welche der Justizminister ungefähr salva redactione vorschlug, und zwar nach dem Worte „gemeinschaftlich“, „und nicht den infolge der Vereinbarung bezüglich der gemeinsamen Angelegenheiten mit den Ländern der ungarischen Krone bezeichneten Vertretungskörpern zugewiesen wird“.

Dieser Verbesserungsantrag des Justizministers wurde vorbehaltlich einer vielleicht noch präziseren nachträglichen Textierung von der Konferenz angenommen, wobei auch der Minister Freiherr v. Becke von seiner ursprünglichen Einwendung in der Erwägung abging, dass die taxative Aufzählung so wichtiger Angelegenheiten, nachdem sie in dem Februarpatente schon enthalten sei, auch in dem neuen Entwurfe nicht fallen gelassen werden sollte.

Ministerialrat Ritter v. Stählin glaubte auf die Beibehaltung der Aufzählung auch noch aus dem weiteren Grunde einraten zu sollen, weil es darunter einige Gegenstände gibt, von denen gezweifelt werden könnte, ob sie zur Legislation gehören, wie z. B. die Voranschläge des Staatshaushaltes.

Der Minister Freiherr v. Becke meinte übrigens, dass die letzte Alinea des § 10: „Die Staatsschuld ist unter die Kontrolle des Reichsrates gestellt“, im Hinblick auf Ungarn jedenfalls geändert werden müsse.

Sein diesfälliger Antrag, zu textieren: „Die Ausübung der Kontrolle der Staatsschuld durch die Vertretungskörper wird durch ein besonderes Gesetz bestimmt“, wurde von der Konferenz allseitig angenommen.

Ministerialrat Ritter v. Stählin hatte proponiert zu sagen: „Die Staatsschuld ist unter die Kontrolle des Reichsrates und der Vertreter der Länder der ungarischen Krone gestellt“, weil nach seiner Ansicht der Grundsatz, dass die Vertretungskörper die Kontrolle über die Staatsschuld ausüben, im Grundgesetze ausgesprochen bleiben sollte, während die Modalität, wie diese Kontrolle ausgeübt werden soll, als Sache der Durchführung betrachtet werden könne.

Bei dieser Gelegenheit erachtete der Ministrpräsident mit Rücksicht auf die Andeutungen des Justizministers über den Gang der politischen Aktion bemerken zu sollen, dass vor allem von Seite der Regierung dahin gewirkt werden müsse, dass sich der Reichsrat zur Verfassungsänderung in bestimmter Weise für kompetent erklärt. Diese Erklärung werde am geeignetsten in der Adresse über die Thronrede ihren Platz finden. Es werde dann der Ausgleich mit Ungarn dem Reichsrate vorgelegt werden und dahin zu wirken sein, dass vor allem der Ausgleich im Prinzipe angenommen werde.

Die Voraussetzung sei vor einiger Zeit eine begründete gewesen, dass in der freudigen Stimmung über die Wiederherstellung der Verfassung die Annahme des Ausgleichswerkes auf keine großen Schwierigkeiten stoßen werde. Durch die Verzögerung, welche infolge der Auflösung einiger Landtage in der Einberufung des Reichsrates eingetreten ist, sei eine größere Sammlung, eine Abneigung gegen den Ausgleich eingetreten, derselbe dürfte einer argen Kritik unterzogen werden, und es wird Aufgabe der Regierung sein, dafür zu sorgen, dass diese Kritik sich nicht zu einer gehässigen gestalte, weil die Ungarn sonst sagen würden, sie hätten bei dem Ausgleichswerke alle möglichen Rücksichten getragen und Opfer gebracht, und sie werden nicht eher die Deputation4 wählen, bevor nicht der Ausgleich im Prinzipe angenommen ist.

Zur Wahl der Deputation werde übrigens dem Reichsrate eine besondere Vorlage zu machen sein5.

§ 11 wurde, nachdem sich gegen den Antrag des Ministerialrates Ritter v. Wehli, nach dem Worte „Landesordnungen“ beizusetzen „oder im gesetzlichen Wege“, Ministerialrat Ritter v. Stählin in der Erwägung ausgesprochen hatte, weil sonst gefolgert werden könnte, dass dann auch die Landesordnungen vom Reichsrate geändert werden könnten, was einige Landtage bestreiten, von der Konferenz mit Rücksicht darauf, dass man ohne Not in die heikliche Frage wegen der Landesordnungen nicht eingehen solle, und mit Rücksicht auf den mehrerwähnten, an die Spitze des Gesetzes gestellten Grundsatz, unverändert angenommen.

Gegen die §§ 14 und 19 ergab sich keine Erinnerung6.

II. Gutachten der Spezialkommission zur Beratung der Münzfrage

[II. fehlt.]

III. Über den Zeitpunkt zur Einberufung des Reichsrates

III. Der Minister Graf Taaffe brachte die Frage über die Bestimmung des Zeitpunktes für die Einberufung des Reichsrates abermals zur Sprache7.

Der Ministrpräsident bemerkte, dass der ungarische Landtag am 1. oder 2. Mai wieder zusammentreten und an die Revision der 1848er Gesetze schreiten, mit dieser Arbeit aber, wie Graf Andrássy glaube, bis 15. Mai nicht zustande kommen werde.

Graf Taaffe meinte, dass nichts daran liege, ob man den Reichsrat erst auf den 20. oder 25. Mai einberufe, wenn das Patent über die Einberufung nur alsbald publiziert werden und das Publikum durch die offiziösen Zeitungen über den Grund der Hinausschiebung des Termines aufgeklärt werden könnte.

Baron Beust erachtete, dass die Stilisierung eines solchen Zeitungsartikels eine sehr überdachte sein müsse, und bemerkte, dass er hierüber morgen mit dem Grafen Andrássy Rücksprache halten werde8.

IV. Bezüglich der Abhaltung des deutschen Schützenfestes im Jahre 1868 in Wien

[IV. und V. fehlen.]

Ah. Kenntnisnahme. 4. Mai 1867.