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Nr. 7 Ministerrat, Wien, 1. März 1867 – Protokoll IIa

RS. fehlt; Abschrift, Ava., Ministerratsprotokolle, Karton 33 (Abschriften Prof. Redlich ); Datum der Ah. Entschließung: Hhsta., Kabinettskanzlei, Protokoll 1867 .

P. Hueber; VS. Beust; anw. Komers, Wüllerstorff, John, Becke; außerdem anw. Stählin.

Teildruck (aus I): Redlich, Staats- und Reichsproblem 2, 628 .

Ministerratsprotokoll II vom 1. März 1867 unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Ministerpräsidenten Freiherrn v. Beust.

I. Eventuelle Auflösung der Landtage von Mähren und Krain

I. Der Ministerpräsident fand es für notwendig, dass die Minister, bevor der Gegenstand in einem Ministerrate unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät zur Beratung und Beschlussfassung gelangt, ihre Anschauungen kundgeben, ob und in welcher Weise der bereits gefasste Beschluss, dass im Falle ein Landtag zwar sich zur Vornahme der Wahlen in den Reichsrat entschließen, jedoch diese Vornahme an Bedingungen, Deutungen oder Voraussetzungen knüpfen oder sogar mit einem Proteste verbinden würde, mit der Auflösung dieses Landtages vorgegangen werden soll1, in Bezug auf Mähren und Krain und eventuell auch auf Tirol in Ausführung gebracht werden soll2.

In Mähren seien zwar die Wahlen für den Reichsrat nach den Bestimmungen der Landesordnung erfolgt, in der vom Landtag beschlossenen Adresse seien jedoch Anschauungen und Wünsche niedergelegt, welche jenen analog seien, die der böhmische Landtag in seiner Adresse aufgenommen habe3.

Der gleiche Vorgang bereite sich im krainischen Landtage vor, und wahrscheinlich dürfte auch in Tirol, wo die Landtagsverhandlung diesfalls noch nicht bis zum Schlusse gediehen sei, eine Adresse zustande kommen, in welcher Anschauungen und Rechtsverwahrungen werden niedergelegt werden, welche die Verfassungsmäßigkeit des Reichsrates anzweifeln.

Wenn man zur Auflösung dieser Landtage schreite, müsse man zu vermeiden trachten, dass es nicht den Anschein gewinne, als suche die Regierung sich auf alle Weise die Majorität im Reichsrate zu schaffen, es müsse aber auch eine Form gewählt werden, dass der Akt der Auflösung nicht etwa als ein Zornesausbruch Sr. Majestät des Kaisers aufgefasst werden könne. Die Regierung müsse den objektiven Standpunkt wahren, sie dürfe aber nicht den Vorwurf an sich herankommen lassen, dass sie durch Passivität Vorschub geleistet hat, wenn der Reichsrat unfruchtbar bleiben oder sich etwa selbst auflösen würde. Sie müsse daher vor allem dahin wirken, dass der Reichsrat nach der Ah. Entschließung vom 4. Februar l. J.4 wirklich zustande kommt, und wenn sie zu diesem Ende zur Auflösung von Landtagen aus obigen Gründen schreitet, müsse dies in milder Form geschehen, am zweckmäßigsten durch Generalisierung der Maßnahmen.

Auf die Adresse, welche in Mähren und Krain von der Majorität des Landtages bzw. der Landtagskommission beschlossen wurde, könne, weil darin die Verfassungsmäßigkeit des Reichsrates in Zweifel gezogen wird, nur mit der Landtagsauflösung vorgegangen werden. Die Regierung habe dazu ein umso größeres Recht, als die Wahlen in den Landtag unter ganz anderen Voraussetzungen, nämlich unter jener, dass aus den Landtagen die Wahlen für einen außerordentlichen Reichsrat vorzunehmen sein werden, vor sich gegangen sind5.

Bei dem Tiroler Landtage herrschen nicht die ganz gleichen Tendenzen vor, und es wäre sehr wünschenswert, wenn das Landtagsergebnis ein solches wäre, das die Maßregel der Landtagsauflösung dort unterbleiben könnte.

Der Justizminister äußerte, dass es für die jetzige Regierung ein Unglück sei, dass sie es in dem nächsten Reichsrate mit Abgeordneten zu tun haben werde, deren Wahl auf einer ganz anderen Basis erfolgt sei. Der frühere Staatsminister6 habe alle möglichen Hebel in Bewegung gesetzt, um die Wahlen in jener Weise zustande zu bringen, wie sie mit Rücksicht auf den außerordentlichen Reichsrat von ihm gewünscht werden mussten.

Die jetzige Regierung hätte das Recht gehabt, diese Landtage insgesamt wieder aufzulösen und neue Landtagswahlen vornehmen zu lassen, sie müsse sich also umso mehr für berechtigt und verpflichtet halten, jene Landtage, welche erklären, den Reichsrat nicht zu beschicken, oder welche Verwahrungen gegen seine Kompetenz oder Verfassungsmäßigkeit einlegen, aufzulösen.

Der Kriegsminister war ebenfalls der Meinung, dass die Regierung sich ihr vorgestecktes Ziel vor Augen halten müsse, dass sie bei Verfolgung desselben nicht schwanken und sich dabei durch keinerlei kleinliche Rücksicht beirren lassen dürfe. Nur dann, wenn die Regierung ihre volle Kraft zeigt, werde sie Ansehen und Sympathien finden.

Der Leiter des Finanzministeriums war der Ansicht, dass die Frage der Auflösung des einen oder anderen Landtages nicht einseitig, sondern im Hinblicke auf die Gestaltung der staatsrechtlichen Verhältnisse in Ungarn beurteilt werden müsse. Es könne nicht außer Augen gelassen werden, dass in acht Tagen in Ungarn ein kräftig gegliederter Organismus gebildet sei und die Verfassung vom Jahre 1848 zu Recht bestehen wird7, und dass die Haltung Ungarns gegenüber der cisleithanischen Regierung eine viel reserviertere sein und die Ausübung einer Pression gegen Ungarn viel erschwerter sein wird, wenn die Ungarn sehen werden, dass unter den Vertretern der diesseitigen Länder nur Hader und Zwist besteht, dass sie sich von Negierungen und Protesten nicht losmachen können und dass die Bildung der Delegationen für die gemeinsamen Angelegenheiten verzögert wird.

Wenn jeder Schritt der Regierung den festen Willen bekundet, auf dem eingeschlagenen Weg fortzuschreiten, werde der gute Eindruck in Ungarn nicht ausbleiben, und dürfe daher kein Mittel unversucht bleiben, um die gesetzlichen Vertreter in den Reichsrat zu bringen.

Der Handelsminister

teilte die Ansicht der Vorstimmen8.

II. Ernennung des Baron Kellersperg zum Statthalter in Böhmen

II. Der Ministerpräsident bemerkte, der Statthalter Graf Rothkirch 9 habe die Wahlen in Böhmen 10 wohl mit Energie geleitet und sich im Landtage loyal benommen, es sei auch seine Ansprache im Landtage im Regierungsinteresse gewesen11, er habe aber doch, insbesondere in der Richtung gefehlt, dass er gewisse Ausfälle gegen die Ah. Person Sr. Majestät und gegen ihn als jetzigen Ministerpräsidenten ungerügt gelassen habe.

Graf Rothkirch, der im Sinne der abgetretenen Regierung in einer Richtung gewirkt, die den Ansichten und Wünschen der jetzigen Regierung so sehr entgegengesetzt ist, komme auch jetzt in eine sehr unangenehme Lage, und es wäre auch von ihm nicht die erforderliche unbefangene Einwirkung auf die neuen Wahlen zu erwarten, deren sich die Regierung unter allen Umständen versichern müsse. Seine Stellung als Statthalter in Böhmen sei eine unhaltbare geworden, und es sei notwendig, ihn durch einen Mann zu ersetzen, auf dessen Pflichttreue und Diensteifer man rechnen könne und der auch mit der erforderliche Unbefangenheit in diesem wichtigen Augenblicke auftreten könne.

Als solchen wisse er nur den Statthalter in Triest, Baron Kellersperg, zu bezeichnen, der zwar seinen dermaligen Dienstposten nur ungern verlassen, dem Befehle Sr. Majestät aber in aller Ehrfurcht und Ergebenheit folgen wird12.

Er beabsichtige daher den Baron Kellersperg als Statthalter für Böhmen au. in Vorschlag zu bringen und den Grafen Rothkirch vorerst zu befragen, ob seine allfällige Ernennung zum Statthalter in Oberösterreich in seinen Wünschen gelegen wäre13.

Die Konferenz stimmte diesem Vorhaben bei14.

III. Darstellung des dermaligen Standes der Landtagsverhandlungen

III. Vom Ministerpräsidenten aufgefordert gab sohin Ministerialrat Ritter v. Stählin eine Darstellung des gegenwärtigen Standes der Landtagsverhandlungen, insoweit er sich, ohne die Akten zur Hand zu haben, auf sein Gedächtnis verlassen konnte. Geschlossen seien bereits die Landtage in Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Vorarlberg, Görz, Istrien, Triest, Steiermark, Schlesien und in der Bukowina.

Der böhmische Landtag sei aufgelöst worden15. In Mähren, Tirol, Krain und Galizien seien die Verhandlungen noch nicht geschlossen. Im galizischen Landtage habe die Majorität des Ausschusses eine Adresse eingebracht, welche in der heutigen oder morgigen Landtagssitzung zur Abstimmung werde gebracht werden16.

Baron Beust eröffnete der Konferenz, dass, da er lebhaft wünsche, wenn der Auflösungsprozess in Galizien und Tirol vermieden werden könnte, er sofort an Grafen Gołuchowski und Ritter v. Toggenburg telegrafieren werde, es sei Ah. beschlossen worden, dass die Landtage, welche Adressen beschließen, worin die Verfassungsmäßigkeit des Reichsrates angezweifelt und die Kompetenz desselben beengt wird, unter Anordnung von Neuwahlen aufgelöst werden; es werde gewünscht, diese Maßregel in Galizien bzw. in Tirol vermeiden zu können; sie wollten daher dahin wirken, dass der Landtag keinen Anlass zur Auflösung gebe.

Die Konferenz nahm diese Mitteilung zustimmend zur Kenntnis17.

KZ. 329 – MRZ. 134 [Datum der Ah. Entschließung] 11. März 1867.