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Anhang Gemeinsamer Ministerrat, 6. 9. 1909

I. Beratung über die Abänderungsanträge, welche die k. k. und die kgl. ung. Regierung zu den Gesetzentwürfen beteffend die neu zu erlassende Landesverfassung für Bosnien und die Herzegowina gestellt haben

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_VI/pdf/oe_hu_mrp_VI_zusatz5.pdf.

670 Nr. V Konferenz der gemeinsamen Minister, Wien, 6. 9. 1909

    Hierauf werden noch in den §§ 7, 14 und 15 des Gesetzes betreffend die Lan¬
desangehörigkeit sowie in den §§ 8, 16 und 24 des Vereinsgesetzes einige stilisti¬
sche Richtigstellungen vorgenommen.

    Der Vorsitzende schließt die Konferenz mit der Erklärung, daß er den
heute festgesetzten Text der Gesetzesprojekte - bis auf die offen gelassene Ent¬
scheidung über den Landesrat - als einhelligen Beschluß des k. u. k. gemeinsa¬
men Ministeriums den beiden Regierungen mit der Bitte übersenden werde, zu
den Entwürfen auch ihrerseits schleunigst Stellung zu nehmen, damit eine ge¬
meinsame Ministerkonferenz ungesäumt zusammentrete und die Gesetzentwürfe
noch vor Ende Juni Sr. Majestät zur Sanktion vorgelegt werden mögen. Dies sei
erwünscht, damit die Vorbereitungen zu den Wahlen noch im Laufe des Sommers
getroffen werden können.2

   Die gemeinsame Regierung hätte auf diese Weise die im Herbste v. J. über¬
nommene Pflicht, Bosnien eine Konstitution zu geben, vollauf erfüllt und könne
ruhig vor die Delegationen treten, auch wenn Annexionsgesetz und Ententepro¬
tokoll von den Parlamenten noch nicht bewilligt sein sollten.

                                                                                           Aehrenthal

           Nr. V Konferenz der gemeinsamen Minister, Wien,

                                6. September 1909

    Anwesende: der k. u. k. gemeinsame Finanzminister Freiherr v. Buriän, der k. u. k. Reichs¬
kriegsminister Freiherr v. Schönaich, der k. u. k. Sektionschef im Ministerium des Äußern Ritter v.
Roessler, der k. u. k. Generalkonsul im Ministerium des Äußern Franz Peter.

    Protokollführer: Konsul de Pottere.
    Gegenstand: Beratung über die Abänderungsanträge, welche die k. k. und die kgl. ung. Regie¬
rung zu den Gesetzentwürfen betreffend die neu zu erlassende Landesverfassung für Bosnien und
die Herzegowina gestellt haben.

   HHStA., PA. I, Karton 638, CdM. VIII/c-12/1, Protokoll IV, fol. 275r-325r.

   Protokoll über die unter dem Vorsitze des k. u. k. Ministers des k. u. k. Hauses
und des Äußern Grafen Aehrenthal am 6. September 1909, vormittags und nach¬
mittags, zu Wien stattgehabte Konferenz der k. u. k. gemeinsamen Minister.

2 Schreiben (K.) Aehrenthals an beiden Ministerpräsidenten v. 16. 6. 1909 über die von den
        gemeinsamen Ministem an dem EntwurfBuridns vorgenommenen Änderungen in ebd., fol.
        377r-379v, 384r-385r. Am 6. 9. 1909 kam es zu einer weiteren Konferenz der gemeinsamen
        Minister, Ergänzendes Protokoll anderer Provenienz Vdieses Bandes.
<pb/>Nr. V Konferenz der gemeinsamen Minister, Wien, 6. 9. 1909  671

    Nach Eröffnung der Konferenz durch den Vorsitzenden teilt der gemein¬
 same Finanzminister Freiherr v. Buriän mit, daß er die
 von ihm seinerzeit ausgearbeiteten Entwürfe in einem Punkte selbst zu modifizie¬
 ren gedenke.1 Er hätte anfänglich gemeint, daß die konfessionellen Interessen
 durch die den Virilisten gesicherten Stimmen hinlänglich gewahrt wären, und
 habe daher den Ausschluß der Geistlichkeit vom passiven Wahlrechte beantragt.
 Hiedurch habe er auch den unliebsamen Erfahrungen Rechnung tragen wollen,
 die die Regierung mit den orthodoxen Geistlichen als leicht großen Einfluß erlan¬
 genden Agitatoren gemacht habe.

    Anläßlich seiner letzten Reise in Bosnien habe sich aber der Minister überzeu¬
 gen können, daß die geplante Vörenthaltung sowohl bei der orthodoxen als bei
der katholischen Geistlichkeit einen wahren Sturm der Entrüstung entfesselt
habe, der sich in demonstrativen Versammlungen der Geistlichen beider Konfes¬
sionen und in der ernstlich erwogenen Absicht kundgab, an Se. Majestät Deputa¬
tionen zu entsenden.

    Der Minister sei daher zur Überzeugung gelangt, daß es unklug wäre, der
Geistlichkeit das passive Wahlrecht vorzuenthalten. Er schlage vor, aus dem § 4
der Wahlordnung den Passus ,,mit Ausnahme der Geistlichkeit aller Konfessio¬
nen&quot; zu streichen.

    Bestimmend für diesen Vorschlag sei ihm die Erwägung, daß der Einfluß der
Geistlichkeit auf die Massen, mit dem nun einmal gerechnet werden müsse, auch
durch den Ausschluß der Wählbarkeit nicht gebrochen werden könne, und durch
eine Nichtbeffiedigung der einschlägigen Wünsche der Geistlichkeit diese nur
die oppositionellen Elemente verstärken würde. Auch sei es mißlich, den Geistli¬
chen in Bosnien und der Herzegowina das passive Wahlrecht zu entziehen, wäh¬
rend es ihnen in Österreich doch gewährt sei, in Ungarn aber zweifellos dem¬
nächst gewährt werden dürfte. Weiters sei auch die praktische Schwierigkeit zu
berücksichtigen, die drin bestehe, genau festzustellen, wer bei den Mohammeda¬
nern (Muftis, Hadhifs etc.) eigentlich als Geistlicher zu bezeichnen wäre. Schlie߬
lich sei auch eine politische Erwägung nicht zu unterschätzen: die Haltung der
Laien unter den Serben dieser Frage gegenüber. Die Laien erblicken in der ihren
spezifischen Interessen gegenüber ziemlich selbständigen Geistlichkeit nicht ge¬
rade jenes Element, das ihnen in der Politik als das Wünschenswerteste erschei¬
ne, und sehen daher deren aktive Teilnahme an den Arbeiten des Landtages nicht
gerne. Andererseits seien die serbischen Geistlichen, die auch sonst in manchen
Fragen (Dotationen, Congrua etc.) sich dem Einflüße der Regierung nicht entzie¬
hen können, nicht gerade die schlimmsten unter den Agitatoren.

   All diese Erwägungen sprächen nach Ansicht des gemeinsamen Finanzmini¬
sters für seinen Vorschlag.

Fortsetzung der Konferenz der gemeinsamen Minister v. 7. 6. 1909, Ergänzendes Protokoll
anderer Provenienz IV dieses Bandes.
<pb/>672 Nr. V Konferenz der gemeinsamen Minister, Wien, 6. 9. 1909

   Der Vorsitzende schließt sich diesem Anträge durchaus an, da mit
demselben eine bedeutende Schwierigkeit beseitigt und ein verhältnismäßig im¬
merhin verläßliches Element der Bevölkerung gewonnen werden könne.

   Der Abänderungsvorschlag des gemeinsamen Finanzministers wird sohin mit
dem Bemerken angenommen, daß die Frage der Aufhebung des den Franziska¬
nern seitens der Kurie auferlegten Wählbarkeitsverbotes letzterer überlassen blei¬
be.

   Ebenso wird der Antrag des Reichskriegsministers angenom¬
men, den k. u. k. Militärbeamten das passive Wahlrecht zu gewähren. Maßgebend
war hiebei die Erwägung, daß die Militärbeamten in Österreich dieses Recht be¬
reits besitzen und es ihnen in Ungarn demnächst gewährt werden dürfte.

   Gemeinsamer F i n a n z m i n i s t e r Freiherr v. Buriän
nimmt hierauf das Wort zu den einzelnen Bemerkungen der beiden Regierungen
und findet, daß die Entwürfe im großen und ganzen die Zustimmung der beteilig¬
ten Faktoren erlangt haben. Der Minister geht zunächst in die Besprechung der
acht wichtigsten Anträge der kgl. ung. Regierung ein, die vornehmlich staats¬
rechtlicher Natur seien.2

    1. Titel Sr. Majestät. Zu dem Wunsche der ungarischen Regierung, daß an
Stelle des Ausdruckes ,,Se. Majestät der Kaiser und König&quot; überall ,,Se. k. u. k.
apost. Majestät&quot; gesetzt werde, glaubt der gemeinsame Finanzminister nichts be¬
merken zu sollen.

   Der Vorsitzende hebt hervor, daß nach dem Ah. Handschreiben vom
14. November 1868 beide Titel angewendet werden können, und gegen eine al¬
ternative Anwendung derselben daher kein Bedenken bestehe. Hiebei könnte bei
normativen Bestimmungen die juristische Bezeichnung ,,Der Kaiser und König&quot;,
bei den anderen Stellen aber der von der kgl. ung. Regierung vorgeschlagenen
Titel gebraucht werden.

   Der Antrag wird angenommen.
   2. Gegenzeichnung der Gesetze (§ 37). Die kgl. ung. Regierung wünscht, daß
die Gegenzeichnung bloß durch den gemeinsamen Finanzminister zu erfolgen
habe, während die k. k. Regierung die Gegenzeichnung ,,wenigstens eines ge¬
meinsamen Ministers&quot; beantragt.
   Freiherr v. Buriän fragt, ob im Hinblicke darauf, daß einem ande¬
ren Wunsche der kgl. ung. Regierung, wonach an Stelle des ,,k. u. k. Ministeri¬
ums&quot; überall ,,der k. u. k. gemeinsame Finanzminister&quot; zu setzen wäre, keine
Folge gegeben werden dürfte, hier dem ungarischerseits gestellten Anträge entge¬
gengekommen werden könnte? Etwa durch die Aufnahme der Bestimmung, daß
alle Gesetzesvorlagen bloß von dem mit der bosnisch-herzegowinischen Verwal¬
tung betrauten Ministefkontrasigniert würden. Hierin würde eine nicht imbedeu¬
tende manipulative Erleichterung der Behandlung der Gesetzesvorlagen liegen.

         Schreiben (deutsche Übersetzung) Wekerles an Buriän v. 12. 7. 1909, HHStA., PA. I, CdM.
         VIII c 12/1, Karton 638, fol. 439r-444r.
<pb/>Nr. V Konferenz der gemeinsamen Minister, Wien, 6. 9. 1909  673

    Auch bleibe es immer eine mißliche Sache, die Grenzen zwischen prinzipiel¬
 len, also von mehreren gemeinsamen Ministem zu kontrasignierenden Gesetzen
 und solchen zu machen, für welche die Gegenzeichnung des mit der Verwaltung
 betrauten Ministers genügen würde. Die Abstellung der kollegialen Signierung
 von Landesgesetzen wäre schließlich umso unbedenklicher, als ja leicht eine Be¬
 stimmung getroffen werden könnte, wonach die Zustimmung der anderen ge¬
 meinsamen Minister zu jeder Vorlage vorher eingeholt werden müsse.

    Der Vorsitzende macht darauf aufmerksam, daß der österreichische
 Vorschlag dem ungarischen Wunsche insofeme bereits Rechnung trägt, als er die
 Unterfertigung nur durch den gemeinsamen Finanzminister nicht ausschließt.
 Der kgl. ung. Regierung könnte die Anregung der k. k. Regierung vielleicht mit
 dem Hinweise darauf empfohlen werden, daß der ungarische Vorschlag eigent¬
 lich mit dem 1880er Gesetze im Widerspruche stehe, und gesetzlich die Möglich¬
keit nicht ausgeschlossen bleibe, wonach Se. Majestät etwa auch den k. u. k.
Reichskriegsminister mit der bosnisch-herzegowinischen Verwaltung betrauen
könnte.

    Gewisse Gesetze von ganz zweifelloser Bedeutung, wie etwa die Landesver¬
fassung, könnten immerhin von allen drei gemeinsamen Ministem kontrasigniert
werden.

    Der Antrag des Vorsitzenden geht folglich dahin, dem österreichischen Vor¬
schlag zuzustimmen und das Nähere einer protokollarischen Vereinbarung der
drei gemeinsamen Minister zu überlassen.

    3. Die Vertretung Bosniens und der Herzegowina in der Zoll- und Handelskon¬
ferenz (Alinea 5 und 6 des § 1). Der gemeinsame Finanzminister
hebt hervor, daß sich die kgl. ung. Regierung gegen die vom k. u. k. gemeinsamen
Ministerium auf Grund der am 7. Juni 1909 gepflogenen Beratungen vorgeschla¬
genen beiden letzten Alineas des § 1 des Statuts sehr kategorisch ausgesprochen
habe. Speziell was das letzte Alinea betreffe (Zuziehung von Vertretern der an¬
nektierten Länder zur Zoll- und Handelskonferenz) perhorresziert die ungarische
Regierung alles, was als Einführung Bosniens und der Herzegowina als einen
dritten Faktor der Monarchie gedeutet werden könnte.

   Man wird sich dem Standpunkte der kgl. ung. Regierung umso weniger ver¬
schließen können, als die Zuziehung von Vertretern der bosnisch-herzegowini¬
schen Landesverwaltung dem Art. XXII des Ausgleichsvertrages vom S-. Oktober
1907 (betreffend die Zusammensetzung der Zoll- und Handelskonferenz) wider¬
sprechen würde.

   Der Minister habe diesem Bedenken bereits bei der ursprünglichen Abfassung
dieses Alineas Rechnung getragen und daher vom Anbeginne an vorgeschlagen
gehabt, das Alinea hätte zu lauten: ,,Bei den Vertragsverhandlungen sind über die
besonderen Interessen dieser beiden Länder Vertreter der Landesverwaltung zu
hören.&quot; Nur durch die Bestimmung, die bosnisch-herzegowinischen Vertreter
(etwa zwei Fachreferenten der Regierung) zu hören, ohne ihnen Sitz und Stimme
in der Zollkonferenz zu geben, könne die bisherige Gesetzgebung intakt aufrecht
<pb/>674 Nr. V Konferenz der gemeinsamen Minister, Wien, 6. 9. 1909

erhalten bleiben, was ja beide Regierungen durchaus wünschen. Er möchte daher
auf die ursprüngliche Textierung dieses Alineas zurückgreifen.

   Sektionschef v. Roessler macht darauf aufmerksam, daß eine
solche beschränkte Einflußnahme auf die internationalen Verhandlungen bosni-
scherseits schon heute geübt werde. So wurde den Besprechungen über das die¬
sen Winter erlassene Ausfuhrverbot nach Serbien auch ein bosnischer Vertreter
zugezogen. Auch aweist der Sektionschef auf § 3 des Gesetzes vom Jahre 1879
betreffend die Wahrung der Interessen Bosniens und der Herzegowina hin&quot;.

   Der Vorsitzende meint, daß das k. u. k. Ministerium des Äußern auf
seinen diesbezüglichen Anträgen nicht beharre, und daß es vielleicht am klügsten
wäre, diesen Passus ganz hinwegzulassen, um in diesem Punkte nicht beide Re¬
gierungen gegen sich zu haben. Es bestehe kaum ein Bedenken dagegen, die
Frage derart zu lösen, daß der gemeinsame Finanzminister dem Landtage feier¬
lich erkläre, er werde die Interessen Bosniens und der Herzegowina bei den Ver¬
tragsverhandlungen voll wahren. Wie er dies zu tun gedenke, könne ihm überlas¬
sen bleiben.

    Der Minister des Äußern mache auf ein Analogon aufmerksam, welches sich
bezüglich Elsaß-Lothringens ergebe: Dieses besitze im Bundesrate laut der
Reichsverfassung keine Stimme, doch habe Preußen durch eine Kabinettsorder
des Königs den Reichslanden eine seiner Stimmen abgetreten.

    Der gemeinsame Finanzminister legt Gewicht darauf, doch
vorher zu versuchen, seinen ursprünglichen Standpunkt (die Belassung der alten
Fassung des Alinea 6 des § 1) bei den beiden Regierungen zu vertreten. Gelänge
ihm dies nicht, so könne immer noch auf die Eliminierung des Passus zurückge-
griffen werden. Die Konferenz entscheidet in diesem Sinne.

    4. Vorherige Zustimmung der beiden Regierungen zu allen Gesetzentwürfen
(§ 36). Der gemeinsame Finanzminister glaubt dem ungarischen Vorschläge, wo¬
nach alle in die Kompetenz des Landtages fallenden Gesetzentwürfe vor Einbrin¬
gung im Landtage und vor Einholung der Ah. Sanktion der Zustimmung der k. k.
und der kgl. ung. Regierung bedürfen, beipflichten zu können, weil auch die k. k.
Regierung diesbezüglich einen ähnlichen Standpunkt einzunehmen scheine.

    Generalkonsul Peter macht darauf aufmerksam, daß die öster¬
reichische Formulierung sich bloß auf die Wahrung des in den bestehenden Ge¬
 setzen begründeten Rechtes beschränke, auf die bosnischen Angelegenheiten
Einfluß zu nehmen.b

    Gemeinsamer F i n an z m i n i s t e r Freiherr v. Buriän
 findet, der österreichische Vorschlag habe das eine Bedenkliche, daß er zu allge¬
 mein gehalten sei, den Einzelfall nicht klar entscheide und daher zu Mißverständ¬
 nissen und Zweifeln Anlaß biete, wie dies erst unlängst bei der Frage der Kmeten-

         Korrektur aus schreibe § 3 des Gesetzes vom Jahre 1880 die Wahrung der Interessen Bosni¬
          ens und der Herzegowina durch die Zoll- und Handelskonferenz vor.
 b Gestrichen Die Gesetze aber kennen ebenso keine Zustimmung, sondern nur eine Einflu߬

          nahme der beiden Regierungen.
<pb/>Nr. V Konferenz der gemeinsamen Minister, Wien, 6. 9. 1909         675

ablösung der Fall war. Der Minister plädiere daher -- wenn seine ursprüngliche
Fassung des § 36 nicht Anklang finden sollte -- für den weitgehenderen ungari¬
schen Antrag.

    Reichskriegsminister Freiherr v. Schönaich wünscht
genügende Garantien dafür, daß für den Fall der Annahme des ungarischen Vor¬
schlages die einzelnen Gesetzentwürfe seitens der beiden Regierungen auch tat¬
sächlich rechtzeitig in Behandlung und Erledigung genommen werden. Schon
heute bleiben viele Fragen, die der einen oder andern Regierung unliebsam sind,
einfach unbeantwortet liegen. Es sei daher dringend erwünscht, für die rechtzei¬
tige Erledigung jeweils eine Frist zu bestimmen.

    Sektionschef Ritter v. Roessler schlägt vor, jede Gesetzes¬
vorlage in Kopie den beiden Regierungen mit dem Bemerken zu übermitteln, daß
die Vorsanktion an dem und dem Tage eingeholt werde.

   Der Vorsitzende regt an, die Frage derart zu regeln, daß die Gesetzent¬
würfe den beiden Regierungen seitens des gemeinsamen Finanzministers mit
dem Bemerken übersendet werden mögen, sich zu denselben raschestens zu äu¬
ßern, da die Vorsanktion eingeholt werden müsse. Um die rechtzeitige Beantwor¬
tung zu erwirken, hätte noch hinzugefügt zu werden, daß der gemeinsame Fi¬
nanzminister für jeden Fall des Ausbleibens einer Erledigung den Minister des
Äußern unter einem ersuche, eine gemeinsame Ministerkonferenz einzuberufen,
damit sich die beiden Regierungen eventuell dort entscheiden.

   Der Vorsitzende betont, daß es allerdings notwendig wäre, den beiden Regie-
rungen vorerst klar zu machen, welch schwere Hemmung des Geschäftsganges
die Annahme dieses Vorschlages bedeuten würde. Gäbe es doch unzählige Geset¬
ze, an denen keine der beiden Regierungen irgend ein Interesse habe, ganz abge¬
sehen davon, daß der ungarische Antrag geradezu als dem Zwecke der Verfassung
widersprechend bezeichnet werden kann, da er die von Sr. Majestät dem bos-
nisch-herzegowinischen Volke versprochene Autonomie gewissermaßen illusori¬
sche machen könnte0.

   Die Anregung des Ministers des Äußern wird angenommen.
   5. Befragung des Landesrates (§ 39).
   Gemeinsamer Finanzminister Freiherr v. Buriän
erwähnt, daß die ungarische Regierung vorschlage, es sollen die Regierungen der
beiden Staaten der Monarchie nur gemeinschaftliche Anfragen an den Landesrat
stellen dürfen, die Antworten aber auch an beide Regierungen zurückgelangen.
Da es wohl keinen Modus dafür gebe, wie solche Fragen ,,gemeinschaftlich&quot; ge¬
stellt werden könnten, müsse ein Kompromiß gefunden werden, etwa in der Art,
daß jede Anfrage dseitens der betreffenden Regierung ebenso wie die darauf er¬
folgende Antwort1 gleichzeitig der anderen Regierung mitgeteilt werde.

        Korrektur aus würde.
cM Korrektur aus oder Antwort seitens der betreffenden Regierung.
<pb/>676 Nr. V Konferenz der gemeinsamen Minister, Wien, 6. 9. 1909

   Der Vorsitzende findet, daß die Annahme des ungarischen Antrages die
Möglichkeit böte, jede Befragung des Landesrates zu obstruieren, was gewiß ver¬
mieden werden soll, um dessen Recht nicht illusorisch zu machen. Der Minister
schließt sich dem Anträge des gemeinsamen Finanzministers an und fugt hinzu,
daß die jeweilige Mitteilung der Frage und der Antwort an die andere Regierung
direkt durch das vermittelnde gemeinsame Finanzministerium erfolgen könnte.

   Angenommen.
   6. Ausscheidung gewisser Materien (Veterinärwesen, Bank- und Kreditwesen,
Post- und Telegrafen- sowie Eisenbahnwesen) aus der Kompetenz des Landtages

(§ 43).
   Bezüglich des Veterinärwesens würde der gemeinsame Finanz¬

minister gerne sehen, wenn dasselbe wenigstens insofeme im § 43 Aufnah¬
me fände, als es nicht das Verhältnis zu einem der beiden Staaten oder aber die
Bestimmungen der auswärtigen Verträge tangiere.

   Sektionschef Ritter v. Roessler furchtet, daß hiedurch die¬
ses Verwaltungsgebiet allzusehr kompliziert würde. Nachdem nur ein unbedeu¬
tend geringer Teil des Veterinärwesens ausschließlich Bosnien und die Herzego¬
wina betreffe, wäre die Regelung desselben auf administrativem Wege vielleicht
empfehlenswerter. Dies sei umso leichter6, als ja den bestehenden Gesetzen ge¬
mäß, durch den bosnisch-herzegowinischen Landtag weder auf die von den Bos¬
niern beklagte Ausfuhrverhinderung nach den beiden Staaten der Monarchie,
noch auf die Regelung des Verkehres mit Serbien, der Türkei oder Montenegro
ein entscheidender Einfluß genommen werden könnte.

   Der Vorsitzende ist der Ansicht, daß es eben infolge der bosnischer-
seits nicht zu verhindernden Schikanen gegen den Viehexport nach Österreich-
Ungarn im Landtage leicht zu bösen Konflikten kommen könnte, falls diesem in
Veterinärangelegenheiten eine auch noch so beschränkte Kompetenz zustande.
Die vollkommene Ausschaltung des Veterinärwesens aus dem § 43 wäre daher
umso mehr zu befürworten, als sich beide Regierungen für das Hinweglassen
ausgesprochen haben. Die Konferenz entscheidet in diesem Sinne.

    Gemeinsamer F i n a n z m i n i s t e r Freiherr v. Buriän
hebt bezüglich der von der ungarischen Regierung gewünschten Ausscheidung
des Bank- und Kreditwesens hervor, daß es ihm hier natürlich nicht um die Geld¬
zirkulation, sondern um den einheimischen Kreditverkehr zu tun sei.

    Für Sektionschef v. Roessler besteht kein Bedenken, dem
Wunsche der ungarischen Regierung nachzukommen, da die Frage der Geldwäh¬
rung sich der Einflußnahme seitens des bosnisch-herzegowinischen Landtages
entziehe, die hier wohl in erster Reihe kontemplierte Zulassung von Aktiengesell¬
schaften zum Bankgewerbe aber dem bosnisch-herzegowinischen Handelsgeset¬
ze vom Jahre 1883 unterstehe, sohin bereits sowieso Sache der bosnisch-herzego¬
winischen Landesregierung seif.

         Korrektur aus plausibler.
f Korrektur aus ist.
<pb/>Nr. V Konferenz der gemeinsamen Minister, Wien, 6. 9. 1909  677

    Der Vorsitzende resümiert die geäußerten Ansichten dahin, daß - im
 Hinblicke darauf, daß das Notenbankwesen als paktiert gemeinsame Angelegenheit
 ohnedies nicht in die Kompetenz des Landtages falle -- die Ministerkonferenz sich
 für das Ausscheiden des Bank- und Kreditwesens aus dem § 43 entschieden habe.

    Zum Post- und Telegrafenwesen bemerkt der gemeinsame Finanz-
minister, daß dasselbe ein vollkommen selbständiges Regale darstelle, wel¬
 ches von Österreich und Ungarn unabhängig und auch in den internationalen
Postverträgen bereits als ganz autonome Angelegenheit behandelt worden sei.
Die Streichung dieses Verwaltungszweiges aus dem § 43 erscheine dem Minister
umso weniger notwendig, als sich der Landtag mit demselben naturgemäß nur
insoweit beschäftigen würde, als es nicht durch internationale Verträge bereits
gebunden ist.

    Der Vorsitzende erinnert daran, daß sich nicht nur die beiden Regie¬
rungen, sondern auch der Reichskriegsminister sowie Se. k. u. k. Hoheit Erzher¬
zog Franz [Ferdinand] gegen die Überweisung des Post- und Telegrafenwesens
an den Landtag ausgesprochen haben. Weiters spricht auch § 10 des Gesetzes
vom Jahre 1879g dagegen. Die Konferenz beschließt in diesem Sinne.

    [6.] Was schließlich das Eisenbahnwesen betrifft, so findet der gemein¬
same Finanzminister, daß der Wunsch der kgl. ung. Regierung, die¬
sen Verwaltungszweig einschließlich der Gesetzgebung über Lokalbahnen, der
Kompetenz des Landtages vollkommen zu entziehen, wohl übers Ziel schieße.
Die Bevölkerung Bosniens und der Herzegowina wisse, daß es in ihrem Interesse
sei, bei größeren Bahnen, wo es sich um erhebliche Finanzzubußen handle, um
die Zustimmung der beiden Regierungen anzusuchen, nehmen doch diese hiebei
die Sorgen um die Finanzierung auf sich. Niemals werde es aber den Leuten ein¬
leuchten, weshalb das Land über kleine Bahnstrecken rein lokaler Natur (z. B. die
dringend gewünschte Verbindung von [Nova-]Gradiska nach Banjaluka), die von
ihm selbst gezahlt werden und durch die kein fremdes Interesse tangiert werde,
nicht selbständig entscheiden sollte.

   Der Vorsitzende findet, daß der Antrag der ungarischen Regierung zu
weitgehend sei, und daß die Ausschließung der Kompetenz in Lokalbahnangele¬
genheiten einer rechtlichen Begründung wohl entbehre. Er ennunziert als Wunsch
der Konferenz, das Eisenbahnwesen innerhalb der Grenzen der bereits bestehen¬
den gesetzlichen Beschränkungen der Kompetenz des Landtages zuzuweisen.

   7. Vermeidung der Bezeichnung ,,staatlich etc.&quot;
   Gemeinsamer F i n an z m i n i s t e r Freiherr v. Buriän
erklärt sich mit dem Vorschläge der ungarischen Regierung für einverstanden.
Die Ausdrücke ,,Staats-&quot;, ,,staatlich&quot; und ähnliche, soweit sie Bosnien und die
Herzegowina beziehungsweise deren Einrichtungen zum Gegenstände haben, zu
vermeiden, da der ungarische Antrag im Hinblicke auf die staatsrechtliche Stel¬
lung Bosniens und der Herzegowina durchaus gerechtfertigt erscheine. Der Mini-

Korrekturaus 1880.
<pb/>678 Nr. V Konferenz der gemeinsamen Minister, Wien, 6. 9. 1909

ster macht im übrigen darauf aufmerksam, daß bereits heute der Name ,,bosnisch-
herzegowinische Staatsbahnen&quot; gesetzlich besteht, und daß man es versuchen
müsse, auch diese unrichtige Bezeichnung womöglich ohne Sang und Klang aus
der Welt zu schaffen. Die Leute in Bosnien werden dies allerdings als eine Degra¬
dation empfinden, doch denkt der Minister etwa die Bezeichnung ,,bosnisch-her-
zegowinische Landesbahnen&quot; einzufuhren.

   Nachdem Sektionschef Ritter v. Roessler noch anregt,
eventuell nur kurz die Wendung ,,bosnisch-herzegowinische Bahnen&quot; zu gebrau¬
chen, da die ,,Landesbahn&quot; nach der in Österreich geltenden Terminologie im¬
merhin im Gegensätze zur ,,Staatsbahn&quot; stehe, wird den Ausführungen des ge¬
meinsamen Finanzministers zugestimmt.

    8. Gesetz über die Landesangehörigkeit.
   Gemeinsamer F i n a n z m i n i s t e r Freiherr v. Buriän
hebt hervor, daß der Standpunkt der kgl. ung. Regierung diesem Gesetzentwürfe
gegenüber ein durchaus ablehnender sei. Die ungarische Regierung finde, daß das
projektierte Gesetz seinem Inhalte nach eine dritte Staatsbürgerschaft im Rahmen
der Monarchie schaffen würde, und wünsche, daß von der Erlassung dieses Ge¬
setzes vorläufig abgesehen werde.
    Obgleich die k. k. Regierung dem Gesetzentwürfe mit kleinen Modifikationen
zugestimmt habe, möchte der Minister im Hinblicke auf die Schwierigkeiten, die
sich aus der staatsrechtlichen Motivierung des ungarischen Antrages ergeben mü߬
ten, durch eine weitere Diskussion dieser Frage das rechtzeitige Zustandekommen
des Landesstatuts nicht riskieren, und ziehe es daher vor, den Entwurf betreffend
die bosnisch-herzegowinische Landesangehörigkeith einstweilen zurückzuziehen.
    Freiherr v. Buriän fügt hinzu, er gedenke diese Materie auch weiterhin auf dem
Verordnungswege zu behandeln, und werde gleichzeitig untersuchen, inwiefeme
die hier entstehenden Fragen im Verordnungswege geregelt werden könnten.
    Der Vorsitzende erinnert daran, daß, obwohl bisher noch kein Gesetz
über die Landesangehörigkeit bestehe, zahlreiche Gesetze erlassen wurden, in
welchen der Begriff ,,Landesangehörigkeit&quot; verwendet werde. Mit diesem Be¬
griffe müsse schon deshalb gerechnet werden, weil nur Landesangehörige alle
allgemeinen bürgerlichen Rechte genießen, insbesondere auch das Recht, politi¬
 schen Vereinen anzugehören. Durch die Landesangehörigkeit werde gewiß noch
keine Staatsbürgerschaft geschaffen.
    Immerhin könne das gemeinsame Ministerium der Zurückziehung dieses Ge¬
 setzentwurfes zustimmen, wenn hiegegen auch die k. k. Regierung nichts einzu¬
wenden habe.

    In der Nachmittagssitzung wird sodann auf die sechs hauptsächlichsten Anträ¬
 ge der k. k. Regierung übergegangen.3

 h Korrektur aus Staatsangehörigkeit.

 3 Schreiben (gedruckte Abschrift) Bienerths an Buriän v. 21. 7. 1909, ebd., fol. 417r-434r.
<pb/>Nr. V Konferenz der gemeinsamen Minister, Wien, 6. 9. 1909  679

    Der Vorsitzende konstatiert zunächst, daß die Wendung in der Note
der k. k. Regierung, wonach sie ,,von der Annahme ihrer Vorschläge ihre Zustim¬
mung zum Zustandekommen der Verfassungsgesetze abhängig mache&quot;, den ge¬
setzlichen Bestimmungen über die Einflußnahme der k. k. Regierung auf die
bosnisch-herzegowinischen Angelegenheiten widerspreche. Im Einvernehmen
mit dem gemeinsame Finanzminister behalte sich der Vorsitzende vor, der k. k.
Regierung diesbezüglich eine Bemerkung zu machen.

    1. Streichung des § 1 des Landesstatuts: Erlassung eines Ah. Patentes.
    Gemeinsamer F i n a n z m i n i s t e r Freiherr v. Buriän
hegt Bedenken gegen den österreichischen Vorschlag, den ganzen § 1 des Lan¬
desstatuts in Wegfall bringen zu lassen. Die kgl. ung. Regierung wünsche - wie
bereits früher erörtert - bloß die Unterdrückung der Alinea 5 und 6; auch lege der
Minister Gewicht darauf, daß Alinea 2 beibelassen werde. So glücklich auch die
Idee der Erlassung eines Patentes anläßlich der Gewährung der Landesverfas¬
sung sei, so bleibe doch zu wünschen, daß im Landesstatut selbst gesagt werde,
daß Bosnien und die Herzegowina ein besonderes Verwaltungsgebiet bilden. Dies
sei schon deswegen notwendig, weil das Land durchaus wünsche, seine Unteil¬
barkeit festgelegt zu sehen, und dies auch im Interesse der Monarchie liege. Es
sei immerhin ein bedeutender Unterschied, ob sich so wichtige Bestimmungen
im Patent oder im Landesstatut befinden. Letzteres wäre als Gesetz verstümmelt
ohne rechtliche Definierung seines Geltungsgebietes.
    Sektionschef v. Roessler bemerkt, daß die Tendenz beider Re¬
gierungen auf die intakte Aufrechterhaltung der 1879er und 1880er Gesetze ge¬
richtet sei. Um diesem Wunsche ohne Schwierigkeiten entgegenzukommen, sei
es vielleicht empfehlenswerter, das Alinea 2 in das Patent aufhehmen zu lassen.
   Der Vorsitzende macht darauf aufmerksam, daß bei den Besprechun¬
gen über das staatsrechtliche Protokoll im Dezember 1907 alle Teilnehmer aus¬
nahmslos darüber übereinstimmten, daß Bosnien und die Herzegowina, wenn es
je zu deren Annexion käme, ein corpus separatum blieben, mit allen Konsequen¬
zen, die sich daraus ergäben. Schon hieraus resultiere, daß Bosnien und die Her¬
zegowina ein gesondertes Verwaltungsgebiet bilden. Ergäben sich bei der Dis¬
kussion dieser Frage noch Schwierigkeiten, so würde es immerhin ratsamer sein,
die bezügliche Bestimmung in das projektierte Patent aufzunehmen.
   Der gemeinsame Finanzminister erwähnt noch, daß nach
dem Vorschläge der k. k. Regierung die Alinea 3 und 4 des § 1 zu § 38 (Unterstel¬
lung der bosnisch-herzegowinischen Landesregierung unter das k. u. k. gemein¬
sames Ministerium) zu schlagen wären. Der Minister, welcher die Alinea 2, 3,
und 4 des § 1 beibehalten möchte, schlägt umgekehrt vor, den § 38 in den § 1
aufzunehmen, da diese Bestimmungen an die Spitze des Statuts gehören.
   Die Alinea 1, 5 und 6 des § 1 fielen sowieso weg.
   Reichskriegsminister Freiherr v. Schönaich schlägt
vor, auch die Stellung der bosnisch-herzegowinischen Truppen innerhalb der
k. u. k. Wehrmacht im § 1 des Statuts zu fixieren, etwa in folgender Weise: ,,die
<pb/>680 Nr. V Konferenz der gemeinsamen Minister, Wien, 6. 9. 1909

bosnisch-herzegowinischen Truppen sowie die sonstigen speziellen militärischen
Organisationen Bosniens und der Herzegowina bilden einen organischen Teil der
k. u. k. gemeinsamen Wehrmacht der Monarchie.&quot;

   Der Vorsitzende findet die Argumente der k. k. Regierung für stichhäl¬
tig. Eine Ah. Proklamation bei Erlassung der Verfassung sei kaum zu umgehen.
Er halte es daher für opportun, daß &#39;das gemeinsame Ministerium&#39; den österreichi¬
schen Vorschlag sofort auffange, um im Rahmen desselben sowohl den Wün¬
schen des gemeinsame Finanzministers als jenen des Reichskriegsministers
Rechnung zu tragen.

   Demnach hätte in das Landesstatut nur das zu kommen, was das innere Lan¬
desrecht Bosniens und der Herzegowina betreffe. In das Ah. Patent, welches an¬
läßlich der Einführung der Verfassung zu erlassen wäre, hätte all das zu kommen,
was nach Maßgabe der bestehenden Gesetze heute über das Verhältnis Bosniens
und der Herzegowina zu den beiden Staaten der Monarchie gelte. Dieses Verhält¬
nis soll durch die neue Verfassung nicht tangiert werden.

   Ein besonderes Protokollareinvemehmen würde die jFrage der Giltigkeit der
zwischen den beiden Staaten der Monarchie untereinander und mit dem Auslande
geschlossenen Verträge für Bosnien und die Herzegowina^ feststellen. Diese pro¬
tokollarische Feststellung würde sich gewissermaßen als eine Ergänzung an die
staatsrechtliche Vereinbarung vom 31. Jänner 1908 anschließen.4

   Schließlich hätten § 38 mit den Alinea 3 und 4 des § 1 verschmolzen zu wer¬
den. Diese Anträge werden angenommen.

   Bezüglich des Patentes selbst bemerkt noch Freiherr v. Buriän,
daß er einem solchen gerne zustimme und das von der k. k. Regierung hiezu ent¬
worfene Skelett auch für entsprechend halte. Nur an zwei Stellen rege er Abände¬
rungen an:

    1. Der Ausdruck ,,Bestreben&quot; in der Wendung ,,...haben Wir auch beschlossen,
diesen Unsem Ländern, um ihnen einen neuen Beweis Unseres ernsten Bestrebens
...&quot; hätte durch einen andern ersetzt zu werden, da es sich nunmehr nicht mehr
bloß um ein ,,Bestreben&quot;, sondern bereits um die Erfüllung einer Zusage handle.

    2. Drei Zeilen weiter komme in dem Patententwurfe die Phrase vor: ,,...verfas¬
sungsmäßige Einrichtungen zu gewähren&quot;. Der Mimster findet, daß es - wie die
k. k. Regierung an anderer Stelle selbst zugebe - nicht zweckmäßig sein dürfte,
das Landesstatut als ,,Verfassung&quot; zu bezeichnen. Die Hauptsache sein da übri¬
gens die aus dem Serbischen zu wählende Bezeichnung (ustav), und diese könne
als eine vollkommen passende bezeichnet werden. Den Vorschlägen wird zuge¬
stimmt.

i_i Korrektur aus die Minister.
« Korrektur aus Relationen Bosniens und der Herzegowina zu den beiden Staaten der Monar¬

         chie und zum Auslande.

         Zur staatsrechtlichen Vereinbarung v. 31. 1. 1908 siehe Einleitung 28.
<pb/>Nr. V Konferenz der gemeinsamen Minister, Wien, 6. 9. 1909  681

    2. Entscheidung über agrarrechtliche Verhältnisse.
    Gemeinsamer Finanzminister Freiherr v. Buriän anerkennt die Richtigkeit der
 österreichischen Einwendung, wonach der Ausdruck ,,agrarrechtliche Verhältnis¬
 se&quot;, insbesondere im Hinblicke auf die Abgrenzung von Angelegenheiten des
bürgerlichen Realrechtes und der öffentlichen Bücher, nicht genügend klar sei.
 Der Vorschlag des Ministers, statt dessen den präziseren Ausdruck ,,kmetenrecht-
 liche Verhältnisse&quot; zu wählen, findet allgemeine Zustimmung.
    Was die Einwendungen der k. k. Regierung gegen die zur Regelung dieser
Fragen geforderte qualifizierte Majorität betreffe, so müsse sich der Finanzmini¬
ster gegen dieselben aussprechen. Er stütze sich hiebei auf die Argumente der k.
k. Regierung selbst, denn sein Vorschlag der qualifizierten Majorität, den er trotz
des österreichischen Einspruches aufrecht erhalten möchte, entspreche beiläufig
dem Kräfteverhältnis zwischen den beiden an diesen Fragen interessierten Grup¬
pen. Die Nicht-Kmeten, die Mohammedaner (Grundsbesitzer und Teilbauem)
bilden etwa ein Drittel der Bevölkerung, während die christlichen Kmeten gerade
die Zweidrittel-Majorität repräsentieren.

    So wie die k. k. Regierung bei dem später zu besprechenden Punkt 3 (Be¬
schlußfähigkeit des Landtages) für Kultusangelegenheiten die Anwesenheit von
vier Fünftel aller Mitglieder und die Zustimmung von zwei Drittel der Anwesen¬
den fordere, um ein Hinweggehen über die Katholiken zu verhindern, so müsse
bei den ,,kmetenrechtlichen Fragen&quot; auf einer Zweidrittel-Majorität bestanden
werden, um die Mohammedaner nicht an die Wand zu drücken, deren Auswande¬
rung zum Nachteile des Landes gerade jetzt wieder stark zugenommen habe.

    Der Minister mache darauf aufmerksam, daß die agrarrechtlichen Verhältnisse
Bosniens und der Herzegowina, deren Bedeutung nur durch die Diskussionen im
österreichischen Reichsrate übertrieben worden sei, am Wege einer langsamen
gesunden Regelung seien, und er es schon deshalb für vorsichtiger halte, die qua¬
lifizierte Majorität beizubehalten.

   Der Vorsitzende findet, daß den Bedenken des gemeinsamen Finanz¬
ministers am besten dadurch Rechnung getragen werden könnte, wenn durch
Aufnahme einer bezüglichen Bestimmung in das Patent Se. Majestät als Landes¬
herr im Momente der Schaffung einer Landesverfassung gewissermaßen die Ga¬
rantie bieten würde, daß eine Vergewaltigung der Grundbesitzer nicht erfolgen
werde, und daß er selbst nur eine freiwillige Regelung und Ablösung zulasse. Da
ja die bosnisch-herzegowinische Landesverwaltung die obligatorische Kmeten-
ablösung für absehbare Zeit selbst nicht wünsche, wäre es umso leichter, die Fra¬
ge kauf diese Arft zu limitieren.

   Auch sei es für die Mohammedaner, statt der Zusicherung einer Zweidrittel-
Majorität, viel beruhigender, wenn sie aus dem Munde Sr. Majestät vernähmen,
daß bloß an die fakultative Rmetenablösung geschritten werde. Eine weitere Be¬
ruhigung biete der Vorschlag auch für die k. k. Regierung, da doch die Frage der

k-k Korrektur aus derart.
<pb/>682 Nr. V Konferenz der gemeinsamen Minister, Wien, 6. 9. 1909

Ablösung durch eine Privatbank der einfachen Majorität des Landtages reserviert
bliebe; und schließlich sei dabei auch den etwaigen Befürchtungen der ungari¬
sche Regierung Rechnung getragen, da die Zustimmung zu einer Änderung der
bestehenden Verhältnisse nur seitens beider Regierungen einverständlich erfol¬
gen könne.

   Die Festlegung der freiwilligen Ablösung im Patente würde das viel umstritte¬
ne Hereinbringen der Frage ins Statut parieren und bliebe dem Landtage nur die
Befügnis, den Modus der freiwilligen Ablösung zu regeln.

   Dieses Kompromiß allein könnte die großen Schwierigkeiten bewältigen, wel¬
che durch die diametral entgegengesetzten Anschauungen der beiden Regierun¬
gen entstanden sind.

   3. Beschlußfähigkeit des Landtages und qualifizierte Majorität.
   Der gemeinsame Finanzminister erachtet den Antrag der
k. k. Regierung, den Landtag expressis verbis nur dann für beschlußfähig zu er¬
klären, wenn mindestens ein Vertreter einerjeden Hauptkonfession anwesend ist,
für nicht notwendig, da dieser Wunsch durch die Anwesenheit der Virilisten ge¬
währleistet sei.
   Die k. k. Regierung schlage weiters vor: 1. daß der Landtag nur bei Anwesen¬
heit von mehr als der Hälfte aller Mitglieder beschlußfähig sei; 2. daß in Kultus¬
angelegenheiten vier Fünftel aller Mitglieder anwesend sein und zwei Drittel zu¬
stimmen müssen; 3. daß die Normen über die Beschlußfähigkeit des Landtages
und über die qualifizierte Majorität in das Statut und nicht in die Geschäftsord¬
nung aufgenommen werden.
   Der Minister habe gegen diese Anträge nichts einzuwenden.
   Dieselben werden angenommen.
   4. Unangreifbarkeit erworbener Rechte durch den Landtag (§ 40).
   Gemeinsamer Finanzminister Freiherr v. Buriän hebt hervor, daß österreichi-
scherseits § 40 des Statuts beanständet werde. Er bemerkt, daß bei Hinweglas¬
sung dieses Paragraphes der Landtag wohl eine Reihe von ordnungsmäßig abge¬
schlossenen Verträgen, die auf zehn und auch 20 Jahre lauten, sogleich abändem
dürfte. Die Bestimmung wird also wohl beibehalten werden müssen, doch könn¬
te an Stelle von ,,erworbene&quot; ,,vertragsmäßig erworbene Rechte&quot; gesetzt wer¬
den.
    Die k. k. Regierung wünsche, offenbar unter dem Drucke der beiden Resolu¬
tionen des Reichsrates, geradezu die Hereinziehung der leidigen Kmetenfrage in
den Gesetzestext des Statuts. Sie schlage folgenden Text für den § 40 vor: ,,Vom
Zeitpunkte des Inslebentretens dieses Landesstatuts darf auch die freiwillige Ab¬
lösung von Kmetengrundstücken nur mehr als öffentlich-rechtliche Angelegen¬
heit behandelt und mit Aufwendung von Landesmitteln ausschließlich durch Or¬
gane der Landesverwaltung durchgeführt werden, so daß in diesem Zeitpunkte
alle diesfalls Privatinstituten erteilten Rechte und Privilegien ohne Anspruch auf
Entschädigung erlöschen.&quot;
<pb/>Nr. V Konferenz der gemeinsamen Minister, Wien, 6. 9. 1909  683

    Dieser Vorschlag sei offenkundig in der Absicht gestellt, den bosnisch-herze-
gowinischen Landtag in die Lage zu versetzen, das Privileg der Privilegierten
Agrar- und Kommerzialbank abzuschaffen. Es gehe aber doch nicht an, in das
Grundgesetz transitorische Verfügungen über die Behandlung von laufenden An¬
gelegenheiten aufzunehmen, dürfe das Statut doch ausschließlich nur grundle¬
gende Bestimmungen enthalten. Die k. k. Regierung wünsche aber scheinbar zu
diktieren, daß die5 Agrarbankfrage in der von ihr angestrebten Weise zu regeln
sei, wodurch sie ja dem Landtage a priori entzogen würde.

    Speziell die Forderung der österreichischen Regierung, daß vom Zeitpunkte
des Inslebentretens des Landesstatuts auch die freiwillige Ablösung nur mehr als
öffentlich-rechtliche Angelegenheit behandelt werden müsse, sei eine juridische,
politische und praktische Unmöglichkeit. Der österreichische Vorschlag bedeute
die Verhinderung jedweder freiwilligen Ablösung, die ja ein ganz privater Akt ist
und bleiben soll, um nicht diesen einzigen gesunden Weg der Regelung der bos-
nisch-herzegowinischen Agrarfrage zu verstellen. Die Behörde hätte höchstens
an solchen Fällen der freiwilligen Kmetenablösung ein Interesse, bei welchen die
behördliche Intervention in Anspruch genommen wird, also bei garantierten An¬
lehen.

   Der Vorsitzende macht darauf aufmerksam, daß dem österreichischen
Ministerium wohl der Wunsch vorschwebe, jeder freiwilligen Ablösung die lan¬
desväterliche Fürsorge als besondem Schutz beizugeben. Angesichts der bei die¬
ser Frage widerstreitenden Ansichten wäre es dringend wünschenswert, die An¬
regung der k. k. Regierung nicht in den Gesetzestext selbst aufzunehmen. Um
aber dem österreichischen Wunsche doch irgendwie entgegenzukommen, könnte
die Materie etwa im Ah. Patente geregelt und derart limitiert werden, daß von der
freiwilligen Ablösung insofeme gesprochen werde, als dabei der Hypothekarkre¬
dit in Anspruch genommen würde. Oder es könnte ein Junktim mit einem gleich¬
zeitig einzubringenden separaten Gesetzentwürfe stipuliert werden.

   Der gemeinsame Finanzminister sieht es nicht gerne, wenn
die Frage auch nur im Patente berührt würde, wohin sie ebensowenig gehöre wie
ins Statut. Es könnte in der Ah. Proklamation höchstens eine Bemerkung Platz
finden, wonach gleichzeitig ein separates Gesetz eingebracht werden solle, um
die Frage selbständig zu regeln. Die Landesregierung würde in einem solchen
Falle die bindende Erklärung abgeben, daß die Gesetzesvorlage dem Landtage
sofort in dessen erster Session zugehen werde.

   Der Minister hält ein besonderes Landesgesetz schon deshalb für notwendig,
weil durch dasselbe doch finanzielle Lasten für das Land entstehen, die zu schaf¬
fen es weder dem österreichischen Parlamente noch dem von Sr. Majestät erlas¬
senen Landesstatut zustehe.

   Der Vorsitzende betont nochmals, daß es sehr wünschenswert wäre, in
dieser Angelegenheit eine Verständigung zwischen den beiden Ministerpräsiden-

5 Gestrichen leidige.
<pb/>684 Nr. V Konferenz der gemeinsamen Minister Wien, 6. 9. 1909

ten herbeizuführen. Der Vermittlungsvorschlag des gemeinsamen Finanzmini¬
sters wird angenommen.

   5. Erteilung von Privatunterricht (§ 11). Die k. k. Regierung schlägt die An¬
nahme des folgenden Absatzes vor: ,,Unterrichts- und Erziehungsanstalten zu
gründen und an solchen Unterricht zu erteilen, ist jeder Landesanghörige berech¬
tigt, der seine Befähigung hiezu in gesetzlicher Weise nachgewiesen hat.&quot;

   Die gemeinsamen Minister nehmen diesen Antrag an.
   6. Bezeichnung des gemeinsamen Ministeriums. Die k. k. Regierung wünscht,
daß statt der vom Ministerium des Äußern vorgeschlagenen Bezeichnung: ,,Das
mit der obersten Leitung der bosnisch-herzegowinischen Verwaltung betraute ge¬
meinsame Ministerium&quot; es in allen Verfassungsvorlagen zu heißen hätte: ,,das k.
u. k. gemeinsame Ministerium&quot;. Die kgl. ung. Regierung stellt den entgegenge¬
setzten Antrag und wünscht, daß es statt: ,,gemeinsames Ministerium&quot; überall
,,der gemeinsame Finanzminister&quot; heißen soll.
   Der Vorsitzende hebt hervor, daß man sich in dieser Frage wohl auf
die Gesetze vom Jahre 1880 stützen müsse und nur von einem gemeinsamen Mi¬
nisterium im Sinne der 1867er und 1880er Gesetzgebung die Rede sein könne.
Hiebei wäre folgendes zu beachten: Nach den bosnisch-herzegowinischen Ver¬
waltungsgesetzen vom Jahre 1880 habe das ,,k. u. k. gemeinsame Ministerium&quot;,
also die Gesamtheit der drei gemeinsamen Minister, die oberste Leitung der bos¬
nisch-herzegowinischen Verwaltung inne. Auf seinerzeitigen Antrag der drei ge¬
meinsamen Minister, ,,Se. Majestät möge geruhen, die Führung der Angelegen¬
heiten der Zivilverwaltung Bosniens und der Herzegowina einem der drei
gemeinsamen Minister zu übertragen, der diese Verwaltung im Namen des ge¬
meinsamen Ministeriums zu leiten hätte&quot;, sei mit Ah. Entschließung vom 26.
Feber 1879 die Betrauung des gemeinsamen Finanzministers mit dieser Leitung
erfolgt.
   Die erste dieser beiden Erwägungen - das Gesetz - spreche gegen den ungari¬
schen, die zweite - die Praxis - gegen den österreichischen Wunsch.
   Um dem heute de jure und de facto bestehenden Zustande in der Leitung der
bosnisch-herzegowinischen Verwaltung Rechnung zu tragen und den Status quo
möglichst imverrückt zu belassen, insbesondere aber aus rein praktischen Grün¬
den, müßte demnach, so setzt der Minister des Äußern fort, an allen in Betracht
kommenden Gesetzesstellen eine präzise Unterscheidung zwischen dem nach
dem Gesetze zur obersten Leitung der Landesverwaltung berufenen Kollegium
der drei gemeinsamen Ministerien und dem Bosnien und die Herzegowina heute
im Namen des Kollegiums tatsächlich verantwortlichen Einzelministerium (der¬
zeit das gemeinsame Finanzministerium) gemacht werden.
   Es ergäbe sich eben die Notwendigkeit, sinngemäß bald die eine Bezeichnung,
bald die andere anzuwenden, und bleibe als anzustrebender Mittelweg zwischen
den entgegengesetzten Standpunkten der beiden Regierungen nichts anderes üb¬
rige, als auf den Vorschlag zurückzugreifen, den die gemeinsamen Minister be¬
reits zu Beginn gemacht hatten.
<pb/>Nr. V Konferenz der gemeinsamen Minister Wien, 6. 9. 1909  685

    Der Vorsitzende schlägt daher vor, in den Gesetzentwürfen überall dort, wo es
sich lediglich um die Adresse der mit der Verwaltung heute tatsächlich betrauten
Zentralstelle handle, den Ausdruck: ,,Das mit der Führung der bosnisch-herzego-
winischen Verwaltung betraute gemeinsame Ministerium&quot; beziehungsweise ,,Der
mit der Führung der bosnisch-herzegowinischen Verwaltung betraute gemeinsa¬
me Finanzminister&quot; zu setzen, während an all jenen Stellen, wo es sich um die
oberste Leitung, also um Fragen prinzipieller Natur handelt, im Sinne des Geset¬
zes der Ausdruck ,,das k. u. k. gemeinsame Ministerium&quot; zur Anwendung zu
kommen hätte.

    Dieser Vermittlungsvorschlag wäre der Weg, um weder mit den bestehenden
Gesetzen, noch mit dem heute gegebenen de facto Zustand in Widerspruch zu
geraten. Auch würde durch ihn zukünftigen Kompetenzkonflikten oder Mißdeu¬
tungen der neu zu schaffenden Gesetze am wirksamsten vorgebeugt werden.

    Der Vorsitzende regt an, daß sich der gemeinsame Finanzminister wegen An¬
nahme dieses Kompromißvorschlages mit dem ungarischen Ministerpräsidenten
ins Einvernehmen setzen möge, während der Minister des Äußern in der gleichen
Frage mit dem k. k. Ministerratspräsidium Rücksprache pflegen werde.

   Die Anträge des Vorsitzenden werden angenommen.
   Nach erfolgter Durchberatung der obigen acht ungarischen und sechs öster¬
reichischen Abänderungsvorschläge wünscht der gemeinsame Fi¬
nanzminister noch auf einige Anregungen nebensächlicherer Natur der k.
k. Regierung einzugehen.

    1. Titel des Grundgesetzes. Freiherr v. Buriän findet die von der k. k. Regie¬
rung vorgeschlagene Bezeichnung ,,Landesstatut für Bosnien und die Herzego¬
wina über die allgemeinen bürgerlichen Rechte der Landesangehörigen und über
den Landtag&quot; zu langwierig und schwerfällig. Er plädiert für die Beibehaltung
der kürzeren Bezeichnung ,,Landesstatut für Bosnien und die Herzegowina&quot; und
für die Wiedergabe derselben im Serbischen mit ,,ustav&quot;. Dieser Ausdruck ent¬
spreche vollkommen, und es sei die Bezeichnung in der Landessprache wohl das
wichtigste.

   Die gemeinsamen Minister stimmen zu.
   2. Verwaltungsgerichtsbarkeit. Der gemeinsame Finanzminister erklärt, daß
die von der k. k. Regierung gewünschte sofortige Schaffung eines Verwaltungs¬
gerichtshofes für die annektierten Länder verfrüht wäre.
   Die Konferenz schließt sich dieser Auffassung an.
   3. Abänderung des Landesstatuts. Der gemeinsame Finanzminister erwähnt
ferner, daß die k. k. Regierung es als eine empfindliche Lücke bezeichnet, wenn
in den Verfassungsvorlagen nichts über die allfällige Abänderung des Landessta¬
tuts, der Wahlordnung, der Geschäftsordnung, des Gesetzes über die Landesan¬
gehörigkeit und des Gesetzes über die Bezirksverwaltungsräte stehen würde. Der
Minister habe im Statut diese Lücke absichtlich belassen, da mit dem Momente,
wo dem Landtage das in Frage stehende Abänderungsrecht eingeräumt würde,
<pb/>686 Nr. V Konferenz der gemeinsamen Minister, Wien, 6. 9. 1909

derselbe sich sofort mit nichts anderem als mit Abänderungen der Grundgesetze

befassen dürfte, was sehr unerwünscht wäre.

Die gemeinsamen Minister schließen sich der Meinung Freiherm v. Buriäns

an.

4. Berechnungsmodus der militärischen Auslagen (§ 46). Die k. k. Regierung

stellt es dem gemeinsamen Ministerium anheim, anstatt des im § 46 in Aussicht

genommenen Berechnungsmodus der Auslagen der bosnisch-herzegowinischen

Truppen, etwa die Festsetzung dieser Auslagen mit einem bestimmten Bruchteile

des bosnisch-herzegowinischen Landesbudgets in Erwägung zu ziehen.

     Hiezu bemerkt der gemeinsame Finanzminister, daß er - angesichts des Um¬

standes, als die Bosnier in militärischen Dingen eigentlich doch nichts mitzure¬

den haben - im § 46 ein Sicherheitsventil gegen den nackten Absolutismus ge¬

funden zu haben glaubte. Er verschließe sich aber nicht der Stichhaltigkeit der

österreichischen Anregung. Man könne in das Gesetz immerhin die Bestimmung

aufhehmen, daß die militärischen Auslagen für Bosnien und die Herzegowina

z. B. 10 % des bosnisch-herzegowinischen Budgets nicht überschreiten dürfen.

     Dem Reichskriegsminister erscheint einejede auch noch so vage

ziffernmäßige Festlegung der militärischen Auslagen als bedenklich. Er schlage

für den § 46 des Statuts folgenden Text vor: ,,Die ordentlichen und außerordentli¬

chen Auslagen für die bosnisch-herzegowinischen Truppen und Militäranstalten

werden in das Landesbudget mit einem Betrage eingestellt, welcher jährlich nach

denselben Grundsätzen zu berechnen ist, wie sie bei der Ermittlung der gleicharti¬

gen Auslagen für das k. u. k. Heer im allgemeinen Anwendung finden. Der auf

diese Weise eingestellte Voranschlag für die bosnisch-herzegowinischen Truppen

und Militäranstalten kann vom Landtage nicht in Verhandlung gezogen werden.&quot;

     Die Konferenz nimmt diesen Vorschlag an.

     5. Landtagsmandate für die Kolonisten. Gegenüber dem Wunsche der k. k.

Regierung, den Kolonisten in Bosnien und der Herzegowina zwei Landtagsman¬

date zu gewähren, verhält sich der gemeinsame Finanzminister

mit der Begründung ablehnend, daß das Element der Kolonisten ein schwer defi¬

nierbares sei, gehe dasselbe doch oft bereits in der zweiten Generation sprachlich

und national in der autochthonen Bevölkerung auf. Man solle diesen wünschens¬

werten Prozeß nicht künstlich verlangsamen.

     Die gemeinsamen Minister schließen sich dem Standpunkte des gemeinsamen

Finanzministers an.

     Der Vorsitzende schließt die Konferenz mit dem Bemerken, daß er die

in der heutigen Sitzung gefaßten Beschlüsse in dem am 14. September d. J. statt¬

findenden gemeinsamen Ministerrate als Anträge des k. u. k. gemeinsamen Mini¬

steriums zur Sprache bringen werde.6

                                               Aehrenthal.

6 Diese Angelegenheit wurde mit den Vertretern beider Regierungen beraten in GMR. v. 14. 9.
        1909, GMCPZ. 474.
<pb/>