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Gemeinsamer Ministerrat, 22. 9. 1900

I. Die Frage des Anschlusses der bosnisch-türkischen Bahnen

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_V/pdf/oe_hu_mrp_V_z34.pdf.

Nr. 34 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 22. 9.1900  189

              Nr. 34 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 22. September 1900

    RS. (undRK.)
    Gegenwärtige: der kgl. ung. Ministerpräsident v. Szdll, der k.k. Ministerpräsident . Koerber, der k. u. k.
gemeinsame Finanzminister v. Källay (6.10.), der kgl. ung. Finanzminister v. Lukäcs, der kgl. ung. Handels-
minister v. Hegedüs, der k. k. Eisenbahnminister JÖtter v. Wittek, der k.k. Finanzminister Ritter Böhm
[v. Bawerk], der k. k. Handelsminister Freiherr v. Call, der k. u. k. Chef des Generalstabes FZM. Freiherr
v. Beck (16.10.), derSektionschefim k. u. k. gemeinsamen Kriegsministerium FML. Schönaich in Vertretung
des k. u. k. gemeinsamen Kriegsministers (8.10.).
    Protokollführer Sektionsrat Freiherr v. Gagem.
    Gegenstand: Die Frage des Anschlusses der bosnisch-türkischen Bahnen.

   KZ. 65 - GMCZ. 423
   Protokoll des zu Wien am 22. September 1900 abgehaltenen Ministerrates für
gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des k. u. k. gemeinsamen Ministers
des Äußern Grafen Gohichowski.

   Der Vorsitzende erteilt nach Eröffnung der Sitzung demk.k. Eisen¬
bahnminister Ritter v. Wittek das Wort, welcher sich gegen den von dem
kgl. ung. Handelsminister gemachten Vorschlag, den Ausbau der Bahnlinie nach der
Sandschakgrenze einer Privatgesellschaft zu übergeben, aussprechen zu müssen
erklärt. Es habe eine Zeit gegeben, wo sowohl in Österreich als auch in Ungarn die
Privatgesellschaften im Eisenbahnbetriebe alleinherrschend waren, doch habe man sich
in Folge der schlechten Erfahrungen, welche man in beiden Staatsgebieten der Monar¬
chie mit diesen Gesellschaften gemacht habe, bestimmt gefunden, in jenen Fällen, wo
es sich um öffentliche Interessen handelte, den Staat an die Stelle der Privatgesellschaf¬
ten treten zu lassen. Redner will hier nur an die traurigen Erfahrungen erinnern, welche
seinerzeit mit der Kaschau-Oderberger, der Rudolfsbahn, sowie mit der ungarischen
Ostbahn gemacht worden seien.1 Was speziell die in Rede stehende Bahn betrifft, so
müsse er bereits bezüglich des eventuellen Werdeprozesses derselben im Wege der
KonzessionserteUung an eine möglicherweise sogar ausländische Privatgesellschaft
ernste Bedenken äußern, insofern dadurch die Notwendigkeit sich ergeben könnte,
ausländische Ingenieure in die bisher als eine Art noli me tangere sorgfältig behüteten
okkupierten Provinzen einzulassen. Auch was den Betrieb der betreffenden Bahnlinie
durch eine Privatgesellschaft anlange, könne man nie wissen, welche Einflüsse sich
späterhin innerhalb dieser letzteren geltend machen würden, da ja immer die Möglich¬
keit vorhanden sei, daß die Aktien von irgendeiner Interessentengruppe zu einem
bestimmten Zwecke aufgekauft werden. Redner möchte in dieser Beziehung den
Suezkanal als Beispiel anführen, welcher bekanntlich ursprünglich gegen England
gebaut worden sei, was indessen nicht verhindert habe, daß in einem gegebenen
Momente die gesamten Suezkanalaktien in englischen Besitz übergegangen seien. Die
großen politischen und militärischen Interessen, welche bei der betreffenden Linie in
Betracht Wninmpn, müßten es, seiner Ansicht nach, ausgeschlossen erscheinen lassen,

1 Einen guten Oberblick über die erwähnten Eisenbahnprojekte bietet Bachinger, Das Verkehrswesen
    278-303.Ausführliche bibliographische Daten über den Bau der einzelnen Bahnlinien siehe ebd.
<pb/>190  Nr. 34 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 22. 9.1900

daß der Ausbau und Betrieb derselben einer Privatgesellschaft übergeben werde.
Wichtige politische und strategische Interessen dürften nun einmal nicht dem fremden
Kapital, und zwar selbst nicht dem deutschen, anvertraut werden.

   Der kgl. ung. Handelsminister v. Hegedüs möchte demgegenüber
bemerken, daß bei dem Vorschläge, den Ausbau der Linie nach der Sandschakgrenze
einer Privatgesellschaft zu übergeben, für ihn die Erwägung ausschlaggebend gewesen
sei, daß diese Linie eben nur unter dieser Bedingung als eine normalspurige zustande
kommen könne. Er betrachte die Heranziehung einer Privatgesellschaft zu diesem
Zwecke lediglich als ein ,,Pis aller&quot;. Redner gibt zu, daß die mit Eisenbahngesellschaften
gemachten schlechten Erfahrungen sowohl in Österreich als auch in Ungarn den
Übergang vom Gesellschaftsbau und -betrieb zum staatlichen Bau und Betrieb verur¬
sacht haben. Bei einer internationalen Linie, wie der in Rede stehenden, verhalte sich
die Sache jedoch anders, da die Regierungen hier eben nicht in der Lage seien, dieses
Projekt durchzuführen. An der Tarifhoheit des Staates würde Redner der betreffenden
Gesellschaft gegenüber als an einer conditio sine qua non festhalten. Ohne ein solches
Zugeständnis würde eine Gesellschaft die Konzession eben nicht erhalten. Was die
Bemerkung des Vorredners, betreffend den Übergang der Suezkanalaktien in engli¬
schen Besitz, anlangt, so müsse er konstatieren, daß dieses Ereignis keinen Einfluß auf
die Kanaltaxen ausgeübt habe.

   Der k.k. Eisenbahnminister Ritter v. Wittek wül die Richtigkeit
der Ausführungen des Vorredners rücksichtlich der Sicherstellung der Tarifhoheit des
Staates keineswegs in Zweifel ziehen, möchte aber doch darauf hinweisen, daß die
Tarifhoheit für den Staat nicht selten mit materiellen Opfern verbunden ist. Redner
glaubt ferner, die Schwierigkeiten nicht unerwähnt lassen zu sollen, welche sich für die
beiderseitigen Regierungen aus der Notwendigkeit ergeben werden, sich über die auf
die betreffende Gesellschaft auszuübende Ingerenz zu einigen, und spricht die Befürch¬
tung aus, daß diese Frage leicht zu einer Quelle der Uneinigkeit zwischen den beiden
Regierungen werden könnte. Würde dagegen das Projekt der Eisenbahnlinie nach der
Sandschakgrenze durch die bosnische Verwaltung ausgeführt werden, so hätte man in
dieser letzteren ein einheitliches Organ, welches die Interessen beider Reichshälften
gleichmäßig wahren würde.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Szell bezeichnet den Standpunkt
des Vorredners als einen negativen und richtet an denselben die Frage, welche Konklu¬
sionen er aus seinen Ausführungen ziehe, welche Linien seiner Ansicht nach zu bauen
wären und ob er den Ausbau durch den Staat für möglich halte.

   Daraufhin ergreift der k.k. Ministerpräsident v. Koerber das Wort,
um den Standpunkt der österreichischen Regierung dahin zu präzisieren, daß dieselbe
nicht damit einverstanden sein könne, daß nur die Linie nach der Sandschakgrenze
ausgebaut werde, während die Inangriffnahme anderer, auch als dringend bezeichneter
Linien in weite Feme hinausgeschoben werde. Die österreichische Regierung werde
dem Ausbau der Linie bis zur Sandschakgrenze gerne zustimmen, jedoch nur unter der
Voraussetzung, daß ahch der Bau der Linie Bugojno-Ar2ano sowie jener von Banjaluka
nach Jajce beschlossen werde. Für den Fall, daß das Projekt des Baues der Linie nach
der Sandschakgrenze von den erwähnten kleineren Bauprojekten losgelöst werden
<pb/>Nr. 34 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 22.9.1900  191

sollte, müsse Redner es als ausgeschlossen bezeichnen, daß eine einschlägige Vorlage
im österreichischen Parlamente durchzubringen sein werde.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Szell bemerkt diesenAusführun¬
gen gegenüber, daß in Ungarn, was die voraussichtliche Stellungnahme der Volksver¬
tretung zu dieser Frage anlange, die Sachlage eine gerade umgekehrte sei. In Ungarn
würde nämlich, wie er übrigens bereits in der vorangegangenen Konferenz auseinan¬
derzusetzen in der Lage gewesen sei,2 eine auf den Ausbau der Eisenbahnlinie nach der
Sandschakgrenze bezügliche Vorlage nur dann Aussicht haben, vom Reichstage ange¬
nommen zu werden, wenn &quot;durch3 dieselbe bdie politisch und strategisch wichtige, die
Interessen der Gesamtmonarchie in eminenter Weise befriedigende und den politi¬
schen und strategischen Rücksichten und Interessen entsprechende Hauptlinie Saraje-
vo-Sandschakgrenze vorerst gesichert werde, denmach soU selbe*5 losgelöst von den
anderen bosnischen Bahnbauprojekten eingebracht werden. Durch die Verquickung
des erwähnten großen Bauprojektes mit anderen kleinen sei übrigens, seiner Ansicht
nach, der ursprüngliche Standpunkt in dieser Frage verrückt worden.

   Der k.k. Ministerpräsident v. Koerber releviert die vom Vorredner
zum Ausdrucke gebrachte Anschauung, wonach eine Verrückung des ursprünglichen
Standpunktes in dieser Frage dadurch stattgefunden habe, daß das große Bahnprojekt
mit dem Bau der erwähnten kleineren Linien in Zusammenhang gebracht worden sei,
und möchte demgegenüber darauf hinweisen, daß sowohl in der einschlägigen Korre¬
spondenz als auch in den vorausgegangenen vertraulichen Besprechungen dieser Zu¬

sammenhang stets betont worden sei.
   Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Szell möchte den von ihm ge¬

brauchten Ausdruck, betreffend die Verrückung des ursprünglichen Standpunktes,
dahin verstanden wissen, daß die ganze Frage seinerzeit durch die Notwendigkeit des
Baues einer Bahnlinie nach der Türkei in Fluß gebracht worden sei, und daß die
anderen kleineren Projekte erst später hinzugekommen seien.

   Der k.k. Ministerpräsident v. Koerber konstatiert, daß in der
Hauptsache zwischen den beiden Regierungen keine Meinungsdifferenz bestehe,
indem beide gleichmäßig von der Notwendigkeit des Baues der großen Linie nach
der Sandschakgrenze überzeugt seien, nur sei die österreichische Regierung nicht
in der Lage, von dem Bau der kleineren, für die österreichische Reichshälfte
wichtigen Anschlußlinien abzusehen. Sei einmal eine Einigung über die Hauptsa¬
che erzielt, so werde man sich über die Modalitäten der Durchführung später

leichter einigen können.
   Der k.u.k. gemeinsame Finanzminister v. Kall ay ergreift hierauf

das Wort um auszuführen, daß er vom Standpunkte der rein bosnischen Interessen den
größten Wert auf das Zustandekommen der Linie Bugojno-Aräano in der Richtung
gegen Spalato legen würde, da diese Linie die Landeshauptstadt sowie das ganze

** Einfiigung Sziüs.
b_b Einfiigung Szills.

2 GMR. v. 21.9.1900, GMCZ. 422
<pb/>192  Nr. 34 Gemeinsamer Ministenat, Wien, 22. 9.1900

mittlere Bosnien auf dem kürzesten Wege mit dem Meere verbinde. Da er sich jedoch
der Erwägung nicht verschließen könne, daß die lokalen Interessen der okkupierten
Länder hinter den allgemeinen Interessen der Monarchie zurückstehen müssen, wolle
er, wenn auch sehr schweren Herzens, auf den Ausbau der Linie Bugojno-ArZano
vorläufig verzichten und, nachdem keiner der von ihm bisher gemachten bezüglichen
Vorschläge die Büligung der beiderseitigen Regierungen gefunden habe, einen neuen
Vorschlag machen. Dieser gehe dahin, daß die bosnische Verwaltung unter Verzicht¬
leistung auf den Bau der Linie Bugojno-Ariano die Eisenbahn nach der Sandschak-
grenze mit Hilfe einer zu diesem Zwecke aufzunehmenden Anleihe als Schmalspurbahn
baue. Redner erbitte sich zu diesem Zwecke lediglich die moralische Unterstützung der
beiden Regierungen bei der Aufnahme des erforderlichen Anlehens sowie die Befrei¬
ung von der Verpflichtung, die Baukosten der Strecke Brod-Zenica rückzuzahlen und
die Betriebsüberschüsse dieser Linie zur Tügung der früheren Eisenbahndarlehen zu
verwenden.3 Ferner lege er den größten Wert darauf, daß, im Falle als sein Vorschlag
angenommen werden sollte, in dem seinerzeitigen, die Anleihe betreffenden Gesetze
der ganze anzusprechende Betrag von ungefähr 85 Millionen Kronen als Kapital
bezeichnet werde, obgleich je ein gewisser Teü desselben dazu bestimmt sei, zur
Verzinsung und Amortisierung des eigentlichen Baukapitals zu dienen. Redner glaubt,
daß die Bahn in drei Jahren werde fertiggestellt werden können, und weist in einer
längeren Ausführung nochmals auf die großen Vorteile des in Bosnien in Verwendung
stehenden Schmalspursystems hin, dessen gegenwärtiger Leistungsfähigkeit die Ent¬
wicklung des Verkehrs in jenen Ländern vielleicht erst in 50 Jahren entsprechen werde.
Redner wisse wohl, daß gegen die Annahme des Schmalspursystems bei einer interna¬
tionalen Linie wegen der durch die Notwendigkeit des Umschlages verursachten
Kosten Bedenken erhoben werden würden. Ursprünglich seien diese Kosten allerdings
verhältnismäßig hoch gewesen, dieselben seien jedoch seither bereits bedeutend ver¬
mindert worden und könnten in der Folge auf ein Minimum herabgedrückt werden.
Auch dürfe nicht übersehen werden, daß aus der Monarchie nach den okkupierten
Ländern und der Türkei keine Rohstoffe oder Massenprodukte, sondern Industrieer¬
zeugnisse ausgeführt werden, bei welchen eine kleine Verteuerung infolge des Trans-
bordements kaum irgendwie ins Gewicht falle.

   Der k.lc Finanzminister Ritter v. Böhm bemerkt, daß er von einem
Teüe der Ausführungen des Vorredners äußerst sympathisch berührt worden sei, und
zwar durch jenen Teü derselben, welcher die Durchführung des Baues nach der
Sandschakgrenze als Schmalspurbahn betrifft. Das fragliche Projekt müsse unter jenen

3 Die 186km lange Schmalspurbahn Brod -Zenica zur Sicherung des militärischen Nachschubs wurde in den

    Jahren 1878/79gebaut, im Juli 1879fertiggestellt; die Baukosten wurden aus dem Okkupationskredit, mithin
    aus dem gemeinsamen Budget, gedeckt. Nach dem Gesetz v. 15. 7.1895, RGBl. Nr. 106/1895 bzw. GA.
    XL/1895, kommt diese Bahnlinie an die bosnisch-herzegowinische Landesverwaltung durch die Übernahme
    einer Schuld in Höhe von 16176 747Kr., welche Schuld von der bosnischen Landesverwaltung nicht zu
    verzinsen und erst nach Deckung aller übrigen Eisenbahndarlehen an die Monarchie zurückzuerstatten
    ist. Vgl. Schmid, Bosnien und Herzegovina unter der Verwaltung Österreich-Ungams 582; Sogar,
    Industrialization of Bosnia-Herzegovina 1878-1918 44-45,74; JuzbaSiC, Izgradnja zeljeznica u Bosni i
    Hercegovini u svjetlu austrougarske politike od okupacije do kraja Källayeve ere 49-51.
<pb/>Nr. 34 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 22 9.1900  193

Voraussetzungen in Angriff genommen werden, die dessen Zustandekommen am
ehesten sicherstellen, und dies sei in dem vorliegenden Falle die Annahme des Schmal¬
spursystems.

   Nicht denselben sympathischen Widerhall habe in ihm ein anderer Teil der Darle¬
gungen des gemeinsamen Finanzministers hervorgerufen. Er meine damit jenen Teil
des neuesten Vorschlages desselben, welcher sich auf das Fallenlassen des Ausbaues
der Linie Bugojno-ArSano bezieht. Der Vorredner habe diesen Vorschlag mit der
Bemerkung einbegleitet, daß keiner seiner früheren Vorschläge die Billigung der
beiderseitigen Regierungen gefunden habe. Demgegenüber müsse Redner konstatie¬
ren, daß die Mitglieder der österreichischen Regierung sich für die Annahme des ihnen
infolge der Budapester Besprechungen als sogenannte zweite Alternative unterbreite¬
ten Vorschlages ausgesprochen haben, vorausgesetzt natürlich, daß derselbe parlamen¬
tarisch vertretbar sei.4 Die Mitglieder der österreichischen Regierung hätten sich nur
gegen das von der ungarischen Regierung in die Verhandlung gebrachte Novum
betreffend die Übertragung des Ausbaues der Linie nach der Sandschakgrenze an eine
Privatgesellschaft sowie dagegen ausgesprochen, daß gewisse für die österreichische
Reichshälfte vorteilhafte Anschlußlinien grundsätzlich von der Verhandlung ausge¬
schlossen werden. Der Herr ungarische Ministerpräsident habe auf die Schwierigkeiten
hingewiesen, welchen das in Rede stehende große Bahnbauprojekt eventuell im unga¬
rischen Reichstage begegnen könnte. Auch die österreichische Regierung sei genötigt,
auf die Volksvertretung Rücksicht zu nehmen, welche sich nicht mit einer vagen
Zukunftshoffnung auf den dermal einstigen Ausbau der für die wirtschaftlichen Inter¬
essen Österreichs wichtigen Anschlußlinien zufrieden geben werde. Die österreichische
Reichsvertretung werde nur dann dem Projekte zustimmen, wenn nicht bloß die für
Ungarn nützlichen, sondern auch jene Linien zum Ausbau gelangen, welche die für den
Export nach dem näheren Oriente ungünstige geographische Lage der österreichischen
Reichshälfte auszugleichen bestimmt sind. Ohne den Ausbau der Linie Bugojno-
Ariano sei die bereits gesetzlich beschlossene Linie Spalato-Ar2ano wertlos und könne
nicht gebaut werden.

   Der k.u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay glaubt, mit
Rücksicht auf diese Bedenken des Vorredners der Ansicht Ausdruck geben zu sollen,
daß es bezüglich seines Vorschlages keiner parlamentarischen Vorlage bedürfen
werde, und die Sache in Österreich mit dem § 14 werde gemacht werden können, da es
sich um keine finanzielle Belastung der österreichischen Reichshälfte handle.5 Übrigens
möchte er, so paradox es auch klingen möge, die Behauptung aufstellen, daß die Linie
Bugojno-Arfano mehr den ungarischen als den österreichischen Interessen dient, da
Spalato näher zu Fiume als zu Triest gelegen sei. Von der Frage abgesehen, welches
der beiden Staatsgebiete der Monarchie ein größeres Interesse an dem Ausbau der
letzteren Linie habe, glaube er, daß die Linie Bugojno-ArXaho leichter zustande

4 Siehe GMRProt. v. 21.9.1900, GMCZ. 422, Anm. 3.
5 Es ist hier § 14 des Gesetzes v. 21. 12.1867, RGBl. Nr. 141/1867, gemeint Zum Inhalt des angeßhrten

    Paragraphen siehe GMRProt v. 29. 6.1898, GMCZ 415, Anm. 2.
<pb/>194                                   Nr. 34 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 22. 9.1900

kommen werde, als jene nach der Sandschakgrenze, weil sie an und für sich eine
wirtschaftlich gute sei.

   Der k. u. k. Chef des Generalstabes FZM. Freiherr v. Beck
hält den Vorschlag des k. u. k. gemeinsamen Finanzministers als den allein möglichen,
da alle anderen Propositionen sich als undurchführbar gezeigt hätten. Redner ist der
Ansicht, daß die Linie Ar2ano-Travnik militärisch keinen großen Wert besitze, und
weist auf die Anomalie hin, daß Dalmatien mit der Monarchie nur durch den Seeweg
verbunden sei, welchem Übelstande durch den Bau der Linie Oätarije-Otoöac-Knin
durch die Licca unbedingt abgeholfen werden müsse.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Szell beantragt, daß der von dem
k. u. k. gemeinsamen Finanzminister im Verlaufe der Sitzung gemachte Vorschlag,
Cwelchen Redner als Grundlage weiterer Verhandlungen geeignet betrachtet,0 von den
beiderseitigen Regierungen genau geprüft werde, und daß die Konferenzteünehmer
sodann in allernächster Zeit wieder zum Zwecke der Durchberatung desselben zusam¬
mentreten sollten.

   Der Vorsitzende weist aufdas lebhafte Interesse hin,welches Se. k.u..k. apost.
Majestät an dein Verhandlungsgegenstande zu nehmen geruhen, und betont die Not¬
wendigkeit, diese für die Monarchie so wichtige Frage endlich einer entsprechenden
Lösung zuzuführen, weshalb er an die Konferenzteilnehmer die Aufforderung richtet,
sich nach eingehender Prüfung des Vorschlages des gemeinsamen Finanzministers
ehestens zum Zwecke der Fortsetzung der einschlägigen Beratungen wieder zu ver¬
sammeln. Nachdem infolgedessen die nächste gemeinsame Ministerkonferenz für den
2. Oktober um 10 Uhr vormittags festgesetzt worden ist, schließt der Vorsitzende die
Sitzung.6

                                                                                           Goluchowski

   Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen.
   Gödöllö, 19. Oktober 1900. Franz Joseph.

c-c Einfügung SziUs.
« Siehe GMR. v. 210.1900, GMCZ. 424.
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