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Gemeinsamer Ministerrat, 5. 4. 1900

I. Der Voranschlag über die gemeinsamen Ausgaben und Einnahmen der österreichisch-ungarischen Monarchie pro 1901

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_V/pdf/oe_hu_mrp_V_z30.pdf.

Nr. 30 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 5.4.1900  165

                  Nr. 30 Gemeinsamer Ministerrat, Wien 5. April 1900

    RS. (undRK.)
    Gegenwärtige: der kgl. ung. Ministeipräsident v. Szdll, der k. k. Ministerpräsident v. Koerber, der
k. u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay, der k. u. k.- gemeinsame Kriegsminister GdK. Freiherr v.
Krieghammer, der kgl. ung. Finanzminister v. Lukäcs, der k. k. Finanzminister Ritter Böhm [v. Bawerk],
der k. u. k. Marinekommandant Admiral Freiherr v. Spann.
    Protokollführer Legationsrat v. Mdrey.
    Gegenstand: Der Voranschlag über die gemeinsamen Ausgaben und Einnahmen der österreichisch-un-
garichen Monarchie pro 1901.

   KZ. 33 - GMCZ. 419

   Protokoll des zu Wien am 5. April 1900 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame
Angelegenheiten unter dem Vorsitz» des k. u. k. gemeinsamen Ministers des Äußern
Grafen Gohichowski.

    Der V ersitzende bezeichnet als Gegenstand der Beratung den Voranschlag
über die gemeinsamen Ausgaben und Einnahmen der österreichisch-ungarischen Mon¬
archie pro 1901 und proponiert, daß mit der Diskussion über die minder umfangreichen
Budgets, zunächst also mit jener über das Budget des Ministeriums des Äußern,
begonnen werde. Hierauf erörtert und motiviert der Vorsitzende die einzelnen, in dem'
letzterwähnten Budget enthaltenen neuen Anforderungen und macht gleichzeitig
darauf aufmerksam, daß sich in den nächsten Jahren die Notwendigkeit ergeben werde,
die Zulagen der diplomatischen und Konsularbeamten, welche infolge der Modalitäten
der Durchführung der Gehaltsregulierung nicht nur wesentlich reduziert wurden,
sondern sich auch dermalen teüweise als nicht abgerundete Beträge darstellen, abzu-
runden respektive zu erhöhen. Ferner kündigt der Vorsitzende an, daß er im laufenden
Jahre die Entsendung eines k. u. k. Kriegsschiffes nach Südamerika mit Zustimmung
der k. u. k. Marinesektion dazu benützen werde, um durch einen an Bord desselben
einzuschiffenden diplomatischen Funktionär die Verhältnisse an der Westküste von
Südamerika, wo bisher trotz der Anwesenheit einer Anzahl österreichischer und unga¬
rischer Staatsangehörigen kein k. u. k. Konsularamt existiert, nach der Richtung studie¬
ren zu lassen, an welchem Punkte sich die Errichtung eines solchen am meisten
empfehle.

   Der Ick. Finanzminister Ritter v. Böhm hat im ganzen gegen den
Voranschlag des Ministeriums des Äußern keine Einwendung, möchte aber angesichts
der Höhe der gesamten gemeinsamen Auslagen die Anfrage stellen, ob es nicht möglich
wäre, bei der Neusystemisierung der Konsularämter entweder eine weniger reichliche
Dotierung zu präliminieren, oder für die neuen Ämter nur eine halbjährige Tangente,
vom 1. Juli 1901 an, einzustellen.

   Der V ersitzende erwidert, daß ihm dies nichtgutmöglich erscheine, nachdem
bei der betreffenden Präliminierung ohnedies mit großer Sparsamkeit vorgegangen
worden sei, und die ins Auge gefaßten Neusystemisierungen durchwegs dringenden,
zum Teile auch gerade von den beiden Finanzverwaltungen geltend gemachten Bedürf¬
nissen zu entsprechen bestimmt seien.
<pb/>166  Nr. 30 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 5. 4.1900

   Der kgl. ung. Finanzminister v. Lukäcs stellt die Frage, welches
Hindernis dem Inslebentreten des neuen, vom ungarischen Parlamente bereits geneh¬
migten Konsulargebührentarifes entgegenstehe.1

   Der Vorsitzende erteilt die Auskunft, daß die betreffende Vorlage im öster¬
reichischen Reichsrate, in welchem sie im Laufe der letzten Jahre bereits zweimal
eingebracht war, noch nicht zur Behandlung gelangen konnte. Der Voranschlag des
gemeinsamen Ministeriums des Äußern wird hierauf unverändert im Ordinarium mit
10 211 689 Kr., im Extraordinarium mit 208 295 Kr., zusammen mit 10 419 984 Kr. an¬
genommen.

   Desgleichen wird nach den einschlägigen Darlegungen des k. u. k. gemeinsa¬
men Finanzministers v. Källay der Voranschlag des gemeinsamen Fi¬
nanzministeriums im Ordinarium mit 4 171 882 Kr., im Extraordinarium mit 11 400 Kr.,
zusammen mit 4 183 282 Kr., ferner jener des gemeinsamen Obersten Rechnungshofes
mit 312 920 Kr. unverändert akzeptiert und dem Budget der Verwaltung Bosniens und
derHercegovina, welches gegen dasVorjahreineSteigerung um 1 065 083 Kr. aufweist
und mit einem Überschüsse von 198 430 Kronen abschließt, zugestimmt.

   Bezüglich des Voranschlages für das gemeinsame Zollgefälle kann, da die einschlä¬
gige Mitteflung des k.k. Finanzministeriums momentan noch aussteht, noch kein
Beschluß über die genaue Ziffer dieser Einnahmspost gefaßt werden.

   Der k.k. Finanzminister Ritter v. Böhm und der kgl. ung. F i -
nanzminister v. Lukäcs erklären jedoch übereinstimmend, daß die Ziffer des
Vorjahres nahezu unverändert beibehalten werden wird.

   Der Vorsitzende wirft hierauf die Frage des Termines der Einberufung der
Delegationen auf.

   Der Ick. Ministerpräsident v. Koerber bezeichnet es von seinem
Standpunkte als wünschenswert, daß die Delegationen nicht vor dem 12. Mai zusam¬
mentreten.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Szell schließt sich diesem
Anträge an.

   Der Vorsitzende konstatiert, daß sonach der 12 Mai Sr. Majestät als Ter¬
min der Einberufung der Delegationen werde vorgeschlagen werden.

   Es wird sodann an die Diskussion des Heeresbudgets geschritten.
   Der Icu.k. gemeinsame Kriegsminister GdK. Freiherr v.
Krieghammer führt aus, daß sein Voranschlag eine Erhöhung von 4 273 000 Kr.
im Ordinarium und eine solche von 21 900 000 Kr. im Extraordinarium gegen das
Vorjahr aufweise. Die Steigerung dies Ordinariums resultiere zum größten Teile aus
dem Wegfalle der anläßlich der Gageregulierung zu entrichten gewesenen Diensttaxen,
welcher sich mit 3 280 000 Kr. beziffere. Der Rest der Steigerung des Ordinariums
ergebe sich zumeist aus den infolge des systematischen Ausbaues der Wehrmacht
nötigen Kreierungen neuer Posten sowie aus der dadurch bedingten Vorsorge für die
bewilligten höheren Stände. Ferner seien auf Wunsch der Delegationen einige kleinere
Posten, die bisher im Extraordinarium figurierten, in das Ordinarium übernommen

1 Vgl. das Gesetz v. P. P. 1901, GA XXVI/1901, über die Regelung der Konsulargebühren.
<pb/>Nr. 30 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 5.4.1900  167

worden. Die Erhöhung des Extraordinariums setze sich aus zwei Teilen zusammen,
einerseits aus einem Betrage von 9 900 000Kr, welcher größtenteilsFortsetzungsposten
repräsentiere, die im Vorjahre wegen der Gageregulierung zurückgestellt werden
mußten, und andererseits aus 12 Millionen Kronen a conto des noch verbleibenden
Restes per 21 Millionen Kronen des sogenannten Rüstungskredites, der sich insgesamt
auf 48 Millionen Gulden belief.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Szell bemerkt zunächst zum
Ordinarium, daß das Mehrerfordemis eigentlich ein höheres als die ausgewiesene
Summe von 4 273 000 Kr. sei Es werde nämlich bei Titel XXII ,,Naturalienverpfle¬
gung&quot; und bei Titel XXIII .Mannschaftskost&quot; ein Mindererfordemis von zusam¬
men 882 000 Kr. eingestellt, welches bei einem eventuellen Steigen der einschlägigen
Preise in Wirklichkeit nicht eintreten würde. Die Steigerung des Ordinariums betrage
also eigentlich über 5 Millionen Kronen.

   Der k.u.k. gemeinsame Kriegsminister GdK. Freiherr v.
Krieghammer erwidert, daß dieses Mindererfordemis sich aufgrund jener
Durchschnittsberechnung der Preise ergebe, welche ihm von den Delegationen vorge¬
zeichnet worden sei.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Szell will nicht die formeUe
Richtigkeit dieser Budgetierung bestreiten, sondern nur den möglichen Fall ins Auge
fassen, daß die Preise in Wirklichkeit sich doch höher stellen, wo dann die präliminierte
Verminderung der Ziffer dieser beiden Titel nicht einträte und der betreffende Betrag
eine weitere Steigerung des Ordinariums büden würde. Es erscheine sonach wün¬
schenswert, daß mindestens dieser Betrag von rund 900 000 Kr. durch Abstriche bei
anderen Titeln des Ordinariums hereingebracht werde. Redner würde proponieren,
daß sich das Ordinarium außer dem durch den Wegfall der Diensttaxen bedingten
Betrage von 3 280 000 Kr. noch weiters um 1 Million Kronen erhöhen könne, daß
jedoch das präliminierte Mindererfordemis bei Titel XXII und XXIII als solches
behandelt werde. Dieser Vorschlag bedeute im gesamten Ordinarium einen Abstrich

von rund 900 000 Kronen.
    Der k.u.k. gemeinsame Kriegsminister GdK. Freiherr v.

Krieghammer erklärt sich außerstande, einen solchen Abstrich vorzunehmen.
    Auf das Extraordinarium übergehend, bemerkt der Vorsitzende, daß der 21

Millionen Kronen betragende Rest des Rüstungskredites von 48 Millionen Gulden, von
welchem Reste in das vorliegende Extraordinarium der Betragvon 12 Millionen Kronen
aufgenommen sei, im Prinzipe bereits bewilligt sei, und daß es sich also nur um die Form

der Präliminierung handle.
    Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Szell äußert sich dahin, daß

angesichts des kurzen Intervalles zwischen der letzten und der nächsten Delega¬
tionssession die Inanspruchnahme eines Nachtragskredites pro 1900 für diesen
Zweck nicht tunlich erscheine. Wohl aber sei es notwendig, im Extraordinarium
eine ersichtliche Unterscheidung zwischen den eigentlichen Posten desselben und
jenen Auslagen zu machen, welche a conto des Rüstungskredites erfolgen, damit
nicht die letzteren von den Delegationen fälschlich als ein inhalierender Bestand-
teü des Extraordinariums betrachtet werden.
<pb/> 168 Nr. 30 GemeinsamerMinisterrat, Wien, 5. 4.1900

    Der Ick. Ministerpräsident v. Koerber führt aus, daß jene Sunnnen,
 welche als sogenannter Rüstungskredit seinerzeit schon im Prinzipe bewüligt worden
 seien, nicht mehr angefochten werden können. Andererseits müsse aber eine Modalität
 gefunden werden zu vermeiden, daß das Extraordinarium in seiner gegenwärtig präli-
 minierten Höhe eingestellt werde, da in diesem Falle die beiden Regierungen mit
Budgets vor die Parlamente zu treten gezwungen wären, welche ein Defizit aufweisen.
Es ergebe sich also die Frage, ob es nicht möglich wäre, wenigstens einen Teil der
fraglichen Summe doch im Wege eines Nachtragskredites pro 1900 anzusprechen, im
übrigen aber teils durch Abstriche, teils durch vorläufige Hinausschiebung einzelner
Posten das Budget im ganzen zu entlasten.

    Derk. u. k. gemeinsame Finanzminister v. K ällay macht darauf
aufmerksam, daß schon bei einem früheren Anlasse, als ein Teü des Rüstungskredites
im Wege eines Nachtragskredites angesprochen wurde, es, obwohl ein längerer Zeit¬
raum seit der vorhergegangenen Delegationssession verflossen war als diesmal, nicht
leicht gefallen ist, die Sache den Delegationen mundgerecht zu machen. In dem vorlie¬
genden Falle werde dies also noch schwieriger sein, und man werde zur Motivierung
dieses Nachtragskredites nicht vermeiden können, einen oder den anderen schwarzen
Punkt in der internationalen Lage heranzuziehen, wodurch eine gewisse Beunruhigung
des Publikums nicht ausgeschlossen wäre.

    Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Szell spricht sich gleichfalls
gegen die Modalität eines Nachtragskredites pro 1900 aus diesem Anlasse aus. Dagegen
wäre ausdrücklich hervorzuheben, daß ein Teü der Mehranforderung im Extraordina¬
rium in einem Reste des Rüstungskredites seine Begründung findet. Damit wäre ein
Teü der Steigerung Idargesteüt und gerechtfertigt. Aber trotzdem müsse eine Vermin¬
derung der ganzen Steigerung vorgenommen werden, etwa durch Abstriche an einzel¬
nen Posten und durch Hinausschiebung anderer.

    Der Vorsitzende möchte noch daran erinnern, daß, als in den Delega¬
tionen der 30 Mülionen Gulden betragende Teü des Rüstungskredites diskutiert
wurde, auf die Frage, ob der letztere hiemit definitiv erledigt sei, seitens der Re¬
gierung geantwortet wurde, daß noch ein Rest zur Anforderung gelangen werde.
An diese Erklärung könnte somit in den nächsten Delegationen angeknüpft
werden.

   Der k.u. k. gemeinsame Kriegsminister GdK. Freiherr v.
Krieghammer legt dar, er habe sein auffaüend niederes Extraordinarium in den
letzten Delegationen damit begründet, daß sich die beiden Regierungen kategorisch
gegen größere Anforderungen ausgesprochen hätten, und angekündigt, daß kein Nach¬
tragskredit in Anspruch genommen, wohl aber in dem Budget pro 1901 die im Vorjahre
nicht eingestellten Fortsetzungsposten des Extraordinariums werden nachgeholt
werden. Es erscheine daher schon deshalb die Inanspruchnahme eines Nachtragskre¬
dites pro 1900 nicht gut tunlich.

   Der kgl. ung. Finanzminister v. Lukäcs weist daraufhin, daß er die
gemeinsamen Voranschläge in ihrer Totalität im Auge haben müsse. Hiebei ergebe sich
nun diesmal eine Steigerung der gemeinsamen Auslagen, wie sie bisher noch nie
vorgekommen sei. Seit einer Reihe von Jahren sei das Maximum der Steigerung der
<pb/>Nr. 30 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 5. 4.1900  169

beiden militärischen Budgets zusammen 10 Millionen Kronen gewesen; diesmal betrage

sie rund 40 Millionen Kronen, somit das Vierfache.
   Der Vorsitzende wendet dagegen ein, daß das vorliegende Budget Bestand¬

teile eines größeren einmaligen Kredites enthalte, durch welchen eine teüweise Sanie¬

rung des Heeresbudgets angestrebt wurde.
   Der kgl. ung. Finanzminister v. Lukäcs anerkennt, daß der Ursprung

der hohen Summen kein völlig normaler sei. Das ändere aber nichts an der Schwierig¬
keit, für dieselben die Bedeckung zu finden. Außerdem seien beide Finanzminister bei
Durchsicht des Heeresbudgets der Meinung gewesen, daß die Steigerung des Extraor-
ib&#39;nnrinms um 21900 000 Kr. den gesamten Rest des Rüstungskredites in sich schließe,
während sich jetzt herausstelle, daß davon nur 12 Millionen Kronen auf den Rüstungs¬
kredit entfallen, 9 900 000 Kr. aber neue Mehranforderungen sind. Redner beantragt,
daß im Ordinarium die als Mindererfordemis eingestellten Summen von zusammen
rund 911000 Kr. als wirkliche Ersparung behandelt, somit Abstriche in dieser Höhe
von den anderen Posten vorgenommen, ferner im Extraordinarium nur die 12 Millionen
Kronen, die im laufenden Jahre auch zum faktischen Verbrauche kommen, eingestellt
werden, so daß Ordinarium und Extraordinarium zusammen um nicht mehr als rund
15360000 Kr. steigen würden. Die andere Hälfte des Restes des Rüstungskredites,
welche sich mit 9 900 000 beziffere, könnte im Extraordinarium des Jahres 1902 Auf¬
nahme finden. Das hindere selbstverständlich nicht, daß - wie bisher - die faktische
Flüssigmachung der einzelnen Raten dieses Kredites seitens der beiden Regierungen

auch schon früher erfolge.
    Der Ick. Finanzminister Ritter v. Böhm möchte vor allem ausdrück¬

lich hervorheben, daß er von der Verpflichtung, den Rest des schon bewilligten Rü¬
stungskredites zu effektuieren, sowie von der Notwendigkeit, für die unabweislichen
Bedürfnisse des Heeres und der Kriegsmarine vorzusorgen, überzeugt sei. Es sei aber
absolut nötig, die Einteüung dieser Erfordernisse so vorzunehmen, daß nicht die beiden
Finanzminister mit einem Defizitvor dieParlamente tretenmüssen,welcheEventualität
nicht nur in materieller Hinsicht, sondern auch vom Standpunkte des Prestiges der
Monarchie von schwerwiegenden Nachteüen begleitet wäre. Demgegenüber erschiene
eine kurze Hinausschiebung einzelner Anforderungen als der kleinere effektive
Schaden. Redner könne also nur den Antrag seines transleithanischen KoUegen unter¬
 stützen. Die Folge sei keine Unterdrückung notwendiger Auslagen der Kriegsverwal¬
 tung, sondern nur die Verschiebung einzelner Posten um eine kurze Spanne Zeit.

    Der Icu.k. gemeinsame Finanzminister v. Källay wirft zu dem
 Anträge des kgl. ung. Finanzministers die Frage auf, ob nicht, da die Kriegsverwaltung
 gerade auf eine Reihe von Posten, welche nicht aus dem Rüstungskredite, sondern aus
 der Steigerung des Extraordinariums um 9 900 000 Kr. bestritten werden sollen, beson¬
 deres Gewicht legt, eine andere Aufteüung möglich wäre, nämlich die Belassungder

 9 900 000 Kr. sowie eines Teües des Rüstungskreditrestes im vorliegenden Budget und
 die Übertragung des übrigen Teües des Rüstungskreditrestes auf das Jahr 1902 gegen
 die Zusicherung, daß derselbe vorschußweise schon früher flüssig gemacht würde.
 Dann könnte derselbe entweder in das Budget pro 1902 aufgenommen oder, falls etwa
 die übernächsten Delegationen erst im Herbste 1901 stattfänden, als Nachtragskredit
<pb/>170         Nr. 30 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 5.4.1900

pro 1901 verlangt werden, wofür sich bei dem längeren Intervalle zwischen den beiden

Delegationen eher eine Motivierung finden ließe.

Der kgl. ung. Finanzminister v. Lukäcs legt dar, daß diese Modalität

die Übernahme einer neuen Last von 9 900 000 Kr. in das Extraordinarium bedeuten

würde. Die Notwendigkeit hiezu sei nicht erwiesen, da Extraordinarium und Rüstungs¬

kredit im engen Zusammenhänge stehen, und in den letzten Jahren das Extraordinari¬

um eben durch den Rüstungskredit entlastet worden sei.

Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Szell spricht sich gleichfalls

gegen diese Modalität aus. Es sei nicht zulässig, eine Forderung in dem Voranschläge

für das Jahr 1901 zu streichen, sie aber schon jetzt als Nachtragskredit pro 1901 in

Aussicht zu nehmen. Es könne eine Steigerung des Extraordinariums um 12 Millionen

Kronen zugestanden werden, dieselbe müsse aber dann ausschließlich Posten des

Rüstungskredites enthalten, und für dasJahr 1902könne jetzt kein Obligo übernommen

werden.

Der k.k. Finanzminister Ritter v. Böhm weist darauf hin, daß im

letzten Dezennium die regelmäßige jährliche Steigerung der beiden müitärischen

Budgets zusammen 8 Millionen Kronen betragen habe. Nach dem diesmaligen Voran¬

schläge würde aber die Steigerung beim Heere allein und abzüglich der 12 Millio¬

nen Kronen, die auf den Rüstungskredit entfallen, 4 273 000 Kr. im Ordinarium und

9 900 000 Kr. im Extraordinarium, somit zusammen über 14 Millionen Kronen, also fast

das Doppelte der erwähnten 8 Millionen Kronen, betragen. Nach der Proposition des

k. u. k. gemeinsamen Finanzministers sollte die Flüssigmachung sowohl des Rüstungs¬

krediteswie der eigentlichen Steigerung des Extraordinariums gleichzeitig erfolgen und

nur die Präliminierung auf die Voranschläge zweier Jahre verteüt werden. Es stehe aber

nicht bloß die budgetmäßige Unterbringung der beiden Beträge in Frage, sondern auch

die reelle Bedeckung derselben. Zudem sei bekanntlich die gegenwärtige Epoche hin¬

sichtlich der Geldbeschaffung eine besonders ungünstige. Unter diesen Umständen

sollte dem Budget pro 1901 die Aufgabe zufallen, 12 Millionen Kronen des Rüstungs¬

kredites aufzuzehren, während bezüglich der übrigen Auslagen des Extraordinariums

mit der vorjährigen Ziffer von 14 Millionen Kronen das Auslangen gefunden werden

sollte. Vielleicht könnten hiebei aus den 12 Millionen des Rüstungskredites einzelne

Posten des wirklichen Extraordinariums bestritten werden.

Der Icu.k. gemeinsame Finanzminister v. Källay bemerkt,

daß dieser Antrag dje Streichung der 9 900 000 Kr. im Extraordinarium bedeuten

würde, sowie, daß die von dem k.k. Finanzminister erwähnte frühere programm¬

gemäße jährliche Steigerung der militärischen Budgets um 8 MUlionen Kronen nur

eine scheinbare war, da noch vor Ablauf des Programmes der Rüstungskredit

eintrat  1

Der k.u.k. gemeinsame Kriegsminister GdK. Freiherr v.

Krieghammer erklärt er müsse im Falle der Reduktion der Steigerung des

Extraordinariums auf 12 Millionen Kronen verlangen, daß ihm gestattet werde, aus

dieser Summe auch die eigentlichen extraordinarialen Posten zu bestreiten.

Der k.k. Ministerpräsident v.Koerber stelltdie Frage zur Erwägung,

ob nicht innerhalb der 12 Millionen Kronen auch etwas für die eigentlichen Auslagen
<pb/>Nr. 31 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 6.4.1900       171

des Extraordinariums verwendet werden könnte, in welchem Falle der gemeinsame
Kriegsminister eingeladen werden könnte, jene Posten zu bezeichnen, welche er in
dieser Hinsicht als die dringlichsten betrachte.

   Der k.u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay regt an, daß der
Betrag von 12 Millionen Kronen bezüglich seiner Verwendung in der Weise aufgeteüt
werden könnte, daß beispielsweise 6 Millionen Kronen von dem Rüstungskredit getügt
und 6 Millionen Kronen für Auslagen des Extraordinariums verwendet würden.

   Der k.k. Finanzminister Ritter v. Böhm hielte einen solchen Vor¬
schlag für diskutabel, nur müßte ein geringerer Teil der 12 Millionen Kronen auf
extraordinarialeAusgaben entfallen. Ferner müßte jener Teü des Rüstungskreditrestes,
der aufgrund dieses Vorschlages hinausgeschoben würde, um Posten des Extraordina¬
riums Platz zu machen, auch bezüglich der Flüssigmachung im Laufe des heurigen
Jahres als verschoben betrachtet werden. Es ginge nämlich nicht an, daß die beiden
Finanzminister im Laufe des Jahres 1900 Vorschüssegewähren aufeinen Betrag, dessen
formelle Bewilligung nicht einmal für 1901 in Aussicht genommen wird.

   Der Ick. Ministerpräsident v. Koerber erklärt, er würde sich prinzi¬
piell nicht dagegen ablehnend verhalten, daß ein Teü der mit 12 Millionen zu fixieren¬
den Steigerung des Extraordinariums auch für eigentliche Neuauslagen des letzteren
verwendet werde. Es würde sich nur um die Feststeüung jener Summe handeln, welche
der gemeinsame Kriegsminister zu diesem Zwecke als unabweisbar notwendig erachtet.

   Der Vorsitzende unterbrichthieraufdie Konferenz und ladet die anwesenden
Herren ein, die Beratung am folgenden Tage fortzusetzen.2

                     r Goiuchowski
   Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen.
   Wien, 29. April 1900. Franz Joseph.

Nr. 31 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 6. April 1900

    RS. (undRK.)
    Gegenwärtige: der kgl. ung. Ministerpräsident v. Szdll, der k. k. Ministerpräsident v. Koerber, der k. u. k.
gemeinsame Finanzminister v. Källay, der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister GdK. Freiherr v. Kriegham¬
mer, der kgl. ung. Finanzminister v. Lukäcs, der k. k. Finanzminister Ritter Böhm [v. Bawerk], der k. u. k.
Marinekommandant Admiral Freiherr v. Spaun.
    Protokollführer Legationsrat v. Märey.
    Gegenstand: Der Voranschlag über die gemeinsame^ Ausgaben und Einnahmen der österreichisch-un¬

garischen Monarchie pro 1901.

KZ. 34 - GMCZ. 420              ,

Protokoll des zu Wien am 6. April 1900 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame

Angp.lp.gp.nhpifp.n unter dem Vorsitze des k. u. k. gememsamen Ministers des Äußern

Grafen Gohichowski.

2 GMR. v. 6.4.1900, GMCZ. 420.
<pb/>