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Gemeinsamer Ministerrat, 29. 1. 1897

I. Die im Interesse einer rascheren Vervollständigung der Schlagfertigkeit der Armee von der Kriegsverwaltung gestellten außerordentlichen Mehrforderungen

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_V/pdf/oe_hu_mrp_V_z8.pdf.

Nr. 8 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29.1.1897  57

   Der kgl. ung. Ministerpräsident Baron Bänffy gibt dem
Wunsche Ausdruck, daB von diesem letzteren Ministerrate der betreffende Gegenstand
in einer unter Vorsitz des gemeinsamen Ministers des Äußern stattfindenden Konfe¬
renz diskutiert werde.

   Hierauf wird die Sitzung geschlossen.

                                                                                           Gohichowski

   Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen.
   Wien, 30. Jänner 1897. Franz Joseph.

                 Nr. 8 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29. Jänner 1897

    RS. (undRK)
    Gegenwärtige: der kgl. ung. Ministeipräsident Baron Bänffy, der k. k. Ministerpräsident Graf Badeni,
der k. u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay, der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister GdK. Edier v.
Krieghammer, der kgl. ung. Finanzministerv. Lukäcs, der k. k. Finanzmimster Ritterv. Bilinski (10.2.), der
k. u.k. Chef des Generalstabes FZM. Freiherr v. Beck (7.2.).
    Protokollführer Sektionsrat v. Märey.
    Gegenstand: Die im Interesse einer rascheren Vervollständigung der Schlagfertigkeit der Armee von
der Knegsverwaltung gestellten außerordentlichen Mehrforderungen.

   KZ. 12-GMCZ.397
   Protokoll des zu Wien am 29. Jänner 1897 abgehalteneh Ministerrates für gemein¬
same Angelegenheiten unter dem Vorsitze des k. u. k. gemeinsamen Ministers des
Äußern Grafen Gohichowski.

   Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung und knüpft an den von der letzten
gemeinsamen Ministerkonferenz gefaßten Beschluß an, womach vor der endgütigen
Entscheidung über den von der Kriegsverwaltung im Interesse einer rascheren Vervoll¬
ständigung der Schlagfertigkeit der Armee angesprochenen außerordentlichen Spezial¬
kredit der gemeinsame Kriegsminister einzuladen wäre, diesen Kredit nach mehreren
Richtungen hin näher zu detaillieren und zu erläutern. Die betreffende Ausarbeitung
des gemeinsamen Kriegsministeriums sei inzwischen eingelangt und den beiden Regie¬
rungen mitgeteüt worden, büde somit das Substrat der heutigen Beratung.1

   Der kgl. ung. Ministerpräsident Baron Bänffy erklärt, daß
sowohl er als auch der österreichische Ministerpräsident es für nötig befunden haben,
die Sache mit den Finanzministem zu besprechen. Diese Besprechung habe ergeben,
daß gewisse schon in der letzten gemeinsamen Ministerkonferenz geltend gemachte
Schwierigkeiten und Bedenken auch heute noch beständen und die Lösung der ganzen
Frage keineswegs als Idar erscheinen ließen. Redner sei jedoch vollkommen bereit, in
die Diskussion der Angelegenheit einzutreten, wobei die beiderseitigen Finanzminister

1 GMRProt. v. 14.1.1987, GMCZ. 396, Anm. 7.
<pb/>58 Nr. 8 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29.1.1897

die Gelegenheit wahmehmen würden, gewisse Fragen zu stellen und Aufklärungen über
verschiedene Punkte zu verlangen.

   Redner möchte für seine Person vor allem eine Frage aufwerfen, nämlich, wieso es
komme, daß trotz unserer Allianz mit Italien auch Auslagen für Befestigungen an der
südlichen Grenze der Monarchie angefordert und somit als dringlich bezeichnet
werden.

   Der k.u.k. gemeinsame Kriegsminister GdK. Edler v. Krieg¬
hammer erwidert, daß zwar die Antwort auf diese Frage vornehmlich in das Ressort
des Ministers des Äußern gehöre, daß aber auch spezifisch militärische Konsideratio-
nen bei der Einstellung der betreffenden Posten maßgebend waren. Es sei dies z. B. die
Möglichkeit eventueller Landungen an unserer Küste. Für diesen Fall müsse nicht nur
durch die Befestigung von Cattaro und Pola, sondern auch durch die Anlage der
Kärntner Sperren und die Sicherung der Isonzolinie vorgesorgt werden. Außerdem
dürfte übersehen werden, daß die militärischen Kräfte Italiens gegenwärtig die Mög¬
lichkeit eines französischen Einbruches auf italienisches Gebiet nicht unbedingt aus¬
schließen. Für alle diese Eventualitäten bedürfen unsere verhältnismäßig geringen
Streitkräfte im Süden der Monarchie einer befestigten Verteidigungslinie als Basis für
ihre Operationen.

   Der Versitzende bemerkt vom Standpunkte seines Ressorts, er habe zwar
keinen Grund, an der Festigkeit unseres Bundesverhältnisses mit Italien zu zweifeln, es
sie indessen eine gewisse Gefahr in dem Umstande gelegen, daß die italienische
Regierung keinen starken Rückhalt im Lande besitze und die regierungsfeindlichen
Elemente an Terrain gewinnen. Bei dem von dem Vorredner berührten Falle eines
französischen Einbruches nach Italien wäre es immerhin möglich, daß die erfolgreich
vordringenden Franzosen die unzufriedenen italienischen Elemente an sich zögen, und
diese Eventualität veranschauliche zur Genüge, welcher Gefahr wir ausgesetzt wären,
wenn wir unsere südliche Grenze nicht entsprechend sicherten.

   Der k.u.k. Chef des Generalstabes FZM. Freiherr v. Beck
erörtert gleichfalls die Notwendigkeit, im Falle eines Krieges, wo das Gros der Armee
im Norden und Nordosten der Monarchie engagiert wäre, die Südgrenze vor Überfällen
zu schützen. Damit in einem solchen Falle der Süden der Monarchie mit den dort
befindlichen Landsturmformationen und Ergänzungstruppen gehalten werden könne,
sei die Vervollständigung der dortigen Befestigungen unerläßlich.

   Der k.k. Ministerpräsident Graf Badeni setzt zunächst voraus, daß
der gesamte Spezialkredit von den diesjährigen Delegationen wird angesprochen
werden. Es habe nun etwas Mißliches an sich, wenn man den Delegationen, um die
schon vor deren Zusammentritt gemachten Bestellungen und Auslagen zu motivieren,
die heutige Situation als entsprechend kritisch und dringlich werde schUdem müssen.
Redner stelle daher zur Erwägung, ob man nicht die Delegationen abwarten und von
denselben den gesamten Spezialkredit als außerordentliches Extraordinarium pro 1898
verlangen sollte.

   Der k.u.k. gemeinsame Kriegsminister GdK Edler v. Krieg¬
hammer erwidert, daß gerade bei den Bauten ein Aufschub am wenigsten möglich
sei. Hiedurch würden sich auch die betreffenden Auslagen wesentlich erhöben. Übri-
<pb/>Nr. 8 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29.1.1897  59

gens seien die für Befestigungsbauten eingestellten 5 Millionen nur ein kleiner Teü des
Gesamtkredites und könnten eventuell auch, ohne bezüglich ihrer Bestimmung in ein¬
zelne Posten zerlegt zu werden, als allgemeiner Befestigungskredit angefordert werden.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident Baron Bänffyist der Ansicht,
daß das Vertrauen in unser Bündnis mit Italien erschüttert werden könnte, wenn man
im Herbste bei den Delegationen eingestehen müßte, daß auch die Auslagen für die
südlichen Befestigungen so dringend erschienen, daß man nicht den Zusammentritt der
Delegationen abwarten zu können glaubte.

   Der Vorsitzende erklärt, den Bemerkungen der beiden Ministerpräsidenten
voll Rechnung zu tragen und auch keineswegs zu verkennen, daß es nicht leicht sein
werde, den Kredit in den Delegationen zu vertreten. Es handle sich aber um die
Möglichkeit des Eintrittes äußerer Komplikationen in den nächsten Jahren, und ange¬
sichts dieser Eventualität müßten alle jene Maßnahmen, welche die Kriegsverwaltung
als unumgänglich notwendig bezeichnet, getroffen und jene Bedenken unterdrückt
werden, welche die in den Delegationen und Parlamenten zu erwartenden Schwierig¬
keiten betreffen.

   Der k.u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay gibt die Mög¬
lichkeit, daß die Anforderungen für die Befestigungen an der Südgrenze der Monarchie
in der Öffentlichkeit eine gewisse Überraschung verursachen könnten, zu. Ein Mittel,
diesem Effekte vorzubeugen, wäre aber darin gegeben, daß die betreffenden Posten,
nachdem nunmehr die Regierungen dieselben kennen, als solche aus dem Voranschläge
verschwänden.

   Anknüpfend an die Ausführungen des Vorsitzenden möchte Redner ferner darauf
aufmerksam machen, daß, wenn auch bezüglich der Bundestreüe der jetzigen italieni¬
schen Regierung kein Zweifel bestehe, die Parteiverhältnisse in Italien doch eine
Fortdauer des heutigen Zustandes durchaus nicht garantieren.2 Außerdem hege Italien
seit langem bezüglich der Westküste der Balkanhalbinsel gewisse Aspirationen, deren
auch nur teflweise Realisierung - z. B. die Besetzung gewisser Häfen seitens Italiens -
die Adria zu einem mare clausum umgestalten und somit für uns eine Situation schaffen
würde, welche unbedingt vermieden werden müsse. Zur Abwehr einer solchen Even¬
tualität sei es aber gleichfalls nötig, daß wir an der Südgrenze so stark wie möglich

auftreten können.
    Der kgl. ung. Finanzminister v. Lukäcs sieht sich genötigt, auf

gewisse Schwierigkeiten prinzipieller und materieller Natur hinzuweisen. In ersterer
Hinsicht sei zu bedenken, daß grundsätzlich die Regierung zu jeder Ausgabe der
Zustimmung der Legislative bedürfe. Eine Ausnahme hievon könne nur im Falle einer
imminpntpn Gefahr eintreten, wobei übrigens zu bemerken wäre, daß für diesen
letzteren Fall die hier in Beratung stehenden Summen nicht hinreichen würden. In
finanzieller Rpyinhnng sei es ohne außerordentliche Maßnahmen dermalen kaum

2 Die Regierung Antonio Rudini, 10.3.1896 -18 6 1898 Rudini nahm 1896 die Möglichkeit zurAufkündi¬

gung des Dreibundes nicht wahr, so bestand er noch weitere sechs Jahre, doch von diesem Zeitpunkt an sah
Italien den Dreibund nicht mehr als ausschließliche Basis seiner Außenpolitik an. Vgl. Fellner, Der

Dreibund 42-47.  ,
<pb/>60 Nr. 8 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29.1.1897

möglich, diese Summen ohne Gefährdung des Gleichgewichtes im Staatshaushalte
aufzubringen. Es sei ferner äußerst schwierig, die von dem Gesamtkredite auf das Jahr
1898 entfallende Summe heute zu diskutieren, wo man die Ziffern des nächstjährigen
Ordinariums und regelmäßigen Extraordinariums noch nicht kenne.

   Der k.u.k. gemeinsame Kriegsminister GdK Edler v. Krieg¬
hammer entgegnet, daß, wenn auch eine imminente Gefahr im Sinne des Vorredners
nicht bestehe, die Situation doch eine derartige sei, daß mit der tunlichsten Beschleu¬
nigung die der Armee zu ihrer vollen Schlagfertigkeit noch fehlenden Maßnahmen
getroffen werden müssen. Überdies erfordere der größte Teü der fraglichen Vorkeh¬
rungen einen längeren Zeitraum zu seiner Durchführung, die somit sogleich in Angriff
genommen werden müsse, um im Laufe des Jahres 1898 beendet zu sein. Die ganze
Aktion sei also nur in dem Falle möglich und wirksam, wenn auf den gesamten Kredit
schon jetzt gerechnet werden könne, wobei allerdings die faktischen Zahlungen zum
größten Teüe erst später eintreten würden. Der Zusammenhang dieses Spezialkredites
mit dem Budget pro 1898 sei nicht gegeben, mit Ausnahme einer Summe von circa
3 Millionen, um welche das regelmäßige Extraordinarium entlastet werden würde.

   Der k.k. Finanzminister Ritter v. Bilinski konstatiert vor allem,
daß den beiderseitigen Regierungen der klare Einblick in die technische Seite der Frage
nicht offen stehe, und dieselben sich zum Beispiele kein Urteü über den Zusammenhang
büden können, welcher zwischen dem in Beratung stehenden Mehrerfordemisse und
den künftigen großen Anforderungen für den organisatorischen Ausbau der Wehr¬
macht besteht. Nach den von dem gemeinsamen Kriegsminister gegebenen Auskünften
würden diese künftigen Anforderungen beiläufig um den ganzen Betrag des 45-Millio-
nen-Kredites herabgemindert. Andererseits zeige aber die Detaillierung des letzteren,
daß es sich dabei um keine organisatorischen Maßnahmen handle. Die beiderseitigen
Regierungen können sich infolgedessen nur auf das finanzieUe Gebiet beschränken.
Von diesem Standpunkte sei die jetzige Lage nicht nur wegen der Höhe der angespro¬
chenen Summe, sondern auch deshalb mißlich, weü diese Anforderung pro 1897 in
einem Zeitpunkte erscheint, wo der Staatsvoranschlag nahezu fertiggestellt ist. Was den
auf das Jahr 1898 entfallenden Teü der Gesamtsumme betrifft, so könne eigentlich,
nachdem die Delegationen dazwischen liegen und somit die fonneüe Möglichkeit
gegeben sei, von denselben den betreffenden Betrag zu verlangen; darüber heute noch
nicht beschlossen werden. Es besteht also pro 1897 eine materieUe, pro 1898 eine
fonneüe Schwierigkeit. Um mm doch nach Möglichkeit den Wünschen der Kriegsver¬
waltung entgegenzukommen, möchte Redner auch im Namen seines ungarischen Kol¬
legen anfragen, ob es nicht möglich wäre, sich vorläufig auf die in diesem Jahre nötigen
Auslagen zu beschränken, in der Voraussicht, daß die Delegationen auch die weiter
erforderlichen Summen bewilligen werden, und [um] außerdem die auf das laufende
Jahr entfallende Summe etwas zu vermindern. Während es ferner den beiden Regie¬
rungen möglich sein dürfte, sich bezüglich der von den Delegationen zu bewüligenden
Summen pro 1898 rechtzeitig vorzusehen, müßte hinsichtlich des für heuer erforderli¬
chen Betrages auf die gemeinsamen Zentralaktiven gegriffen werden.3

3 Zum BegriffZentralaktiven vgl. GMRProtv. 13. 4.1896, GMCZ. 390, Anm. 12.
<pb/>Nr. 8 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29.1.1897  61

     Der k.u.k. gemeinsame Kriegsminister GdK Edler v. Krieg¬
 hammer hält eine Zweiteilung des Kredites in diesem Sinne für kaum durchführbar.
 Bezüglich der Zahlungsmodalitäten wäre eine Limitierung der auf das heurige Jahr
 entfallenden Summe allerdings möglich, aber der Kredit müsse als ein Ganzes von den
&quot; Delegationen verlangt werden, da auch der Charakter der Anforderungen ein einheit¬
 licher sei. Nachdem nun voraussichtlich bis zum Zusammentritte der Delegationen nur
  ein sehr geringer Betrag wirklich zur Auszahlung gelangen dürfte, erschiene es un¬
  zweckmäßig, für diesen Betrag einen Nachtragskredit einzubringen und separat, aber
 gleichzeitig den übrigen Betrag als ein außerordentliches Extraordinarium pro 1898 zu

 verlangen.
     Der Vorsitzende möchte den beiderseitigen Finanzministem vor Augen

  stellen, daß die sofortige Einberufung der Delegationen eigentlich das einfachste und
  richtigste Mittel zur Bewüligung der 45 Millionen wäre und hievon nur mit Rücksicht
  auf die beunruhigende Wirkung einer solchen Maßregel auf die Öffentlichkeit und
  spezieU auf das Ausland abgesehen werde. Die Angelegenheit müsse also so beurteüt
  werden, als ob ein Beschluß der jetzt einberufenen Delegationen vorliege. Auch die
  Zuhilfenahme der gemeinsamen Zentralaktiven schiene Redner keine Lösung zu sein,
  da die Verantwortung der beiden Regierungen dadurch keine geringere würde und es
  äußerst unvorteilhaft wäre, jenen Fonds aufzubrauchen, der schon mehrmals bei wich¬
  tigen und dringenden Anlässen gute Dienste geleistet habe.

     Der Ick. Finanzminister Ritter v. Bilidski erwidert, daß, was die
  Verantwortung anlange, die Situation der beiden Regierungen im Falle eines bereits
  gefaßten Delegationsbeschlusses günstiger wäre. Der Vorschlag bezügüch der gemein¬
  samen Zentralaktiven finde darin seine Begründung, daß die jetzige Anforderung
  unvorhergesehen und in einem Momente auftrete, wo ohne Störung des finanziellen
  Gleichgewichtes die nötigen Mittel nicht zur Verfügung ständen. Es sei somit entspre¬
  chender, jene Mittel in Ansprach zu nehmen, welche tatsächlich vorhanden sind und

  über welche legal verfügt werden kann.
     Der lcu.k. gemeinsame Finanzminister v. Kä 11 ay konstatiert,daß

  das verwertbare Kapital der gemeinsamen Zentralaktiven circa 20 Mülionen (laut
  Ausweis vom 6. Dezember 1896: 1186 000 fl. Bargeld, 18 823 000 fl. an Wertpapieren
  und Wertobjekten) betrage. Außerdem seien bekanntlich die Interessen gebunden, und
  müßte daher im Falle der Entnahme des Kapitales für den Betrag der Interessen
  anderweitig vorgesorgt werden. Da schließlich für die Inanspruchnahme der gemein¬
  samen Zentralaktiven auch eine gesetzüche Verfügung und somit auch eine entspre¬
  chende Motivierung der Maßregel nötig sei, vermöge Redner den Vorzug dieser
  Modalität nicht zu erkennen, durch welche man sich überdies eines bewährten Mittels
  begäbe, die mitunter auftretenden kleinen dringenden Anforderungen ungesäumt zu

  bestreiten.
     Der kgl. ung. Ministerpräsident Baron Bänffy bemerkt, die Art

  der Bo/Wining sei überhaupt eine spätere Frage. Vor allem müßte der Modus proce-
  dendi bestimmt werden, tun angesichts der bestehenden staatsrechtlichen Schwierig¬

  keiten den Kredit bewilligen zu können.
<pb/>62 Nr. 8 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29.1.1897

   Der Vorsitzende meint, es sei in dieser Hinsicht den Delegationen im
Herbste darzulegen, daß die Gefahr von Komplikationen für die nächsten Jahre
gegeben sei und mit Rücksicht hierauf die Schlagfertigkeit der Armee möglichst
rasch fertiggestellt werden müßte. Um diesen Zweck zu erreichen, sei es nötig
gewesen, sofort der Kriegsverwaltung die Bewilligung zu erteüen, die betreffenden
Bestellungen und Vorkehrungen unter Anhoffnung der nachträglichen Genehmi¬
gung seitens der Delegationen einzuleiten. Den beiden Regierungen möchte aber
Redner nochmals zu erwägen geben, daß die Bestellungen auf einmal gemacht
werden müssen, eine TeUung des Kredites auf zwei Jahre daher nicht möglich sei,
es sich aber bei dem Umstande, als im Jahre 1897 voraussichtlich nur eine kleine
Quote zur wirklichen Auszahlung gelangen dürfte, zunächst nur um die Übernah¬
me einer moralischen Verpflichtung handle.

   Der k.k. Ministerpräsident Graf Badeni konstatiert, daß den
beiden Regierungen eine doppelte Verpflichtung zugemutet werde, nämlich 1. die
Übernahme der moralischen Verantwortung für die Gesamtmehranforderung, bevor
dieselbe noch von den Delegationen votiert sei, und 2. die Notwendigkeit, nach Fertig¬
stellung des diesjährigen Budgets einen Teil jenes Kredites noch pro 1897 flüssig zu
machen. Die Verantwortung sei Redner bereit zu übernehmen, jedoch unter der
Bedingung, daß die Gesamtsumme auf das unumgänglich notwendige Minimum her¬
abgesetzt werde. Eine solche Reduktion sei schon im Hinblicke auf die weiteren in
Aussicht stehenden bedeutenden Mehranforderungen geboten. Die Frage, ob die
Summe von 45 Millionen nicht herabgemindert werden könne, sei also eine sehr ernste
und wäre von der Kriegsverwaltung in genaueste und objektivste Erwägung zu ziehen.
Was die Beschaffung des pro 1897 nötigen Betrages betreffe, so wäre hiefür die Auf¬
nahme einer Anleihe schon deshalb ausgeschlossen, weü dadurch die ganzen Vorkeh¬
rungen der Öffentlichkeit bekannt würden. Andererseits sei es zwar möglich, aber
keineswegs sicher, daß sich am Ende des heurigen Jahres ein hinreichender Überschuß
im Staatshaushalte ergibt, um die Bedeckung der auf dieses Jahr entfallenden Quote
des Kredites - 22 Millionen - zu ermöglichen.

   Der k.u.k. gemeinsame Kriegsminister GdK Edler v. Krieg¬
hammer erklärt, mit voller Gewissenhaftigkeit daran festhalten zu müssen, daß die
Posten, aus welchen sich der 45-Millionen-Kredit zusammensetzt, mit ganz unwesent¬
lichen Ausnahmen absolut unabweislich und dringend seien. Im äußersten Falle könnte
er die Streichung der Anforderungen für transportable Feldbahnen (800 000fl.), Eisen¬
bahn-Verköstigungsstationen (80000 fl.), Sanitäts-Feldausrüstung (900000 fl.) und
Trainmaterial (1000 000 fl.), zugeben, wodurch aber keine wesentliche Herabminde¬
rung der Gesamtziffer erzielt würde.

   Der kgL ung. Finanzminister v. Lukäcs möchte noch bemerken, daß
die den beiden Regierungen zukommende Verantwortung umso größer sei, als sich
ziffernmäßig nachweisen lasse, daß in dem im Jahre 1893 ausgestellten Programme
Posten aufgenommen waren,4 welche seither noch nicht realisiert wurden, andererseits

4 Zum Plan über den Ausbau der Wehrmacht im Jahre 1893 vgl. GMRProt. v. 13. 4.1896, GMCZ 390,

    Anm.ll.
<pb/>Nr. 8 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29.1.1897  63

in den letzten vier Jahren über 13 Millionen für nicht programmgemäße Punkte ver¬
wendet wurden, und in der vorliegenden Zusammenstellung wieder über 7 Millionen
für Gegenstände beansprucht werden, welche schon aufgrund des Programmes hätten

ausgeführt werden sollen.
   Der k.u.k. Chef des Generalstabes FZM. Freiherr v. Beck

erwidert hierauf, daß sich die dermalige Anforderung nicht auf den systematischen
Ausbau der Wehrmacht, sondern nur auf die beschleunigte Vervollständigung der
Schlagfertigkeit der Armee beziehe. Redner hielte es übrigens für möglich, daß nach
prinzipieller Annahme des ganzen Kredites und unter dem Vorbehalte, denselben
ungeteilt von den nächsten Delegationen zu verlangen, hinsichtlich des faktischen
Gelderfordemisses pro 1897 ein Betrag etwa in der Höhe von 18 Mülionen fixiert

werde.
    Der k.k. Ministerpräsident Graf Badeni ist geneigt, die Verantwor¬

tung für den gesamten Kredit zu übernehmen, doch sei es aus staatsrechtlichen
Gründen nötig, daß bis zum Zusammentritte der Delegationen nur ein Kredit in der für
das Jahr 1897 faktisch erforderlichen Höhe von 12-15 Millionen der Kriegsverwaltung

zur Verfügung gestellt werde.
    Der k.u.k. gemeinsame Kriegsminister GdK. Edler v. Krieg-

h a m me r erklärtes demgemäß als seineAbsicht, von denDelegationen den gesamten

Kredit anzusprechen und hiebei auseinanderzusetzen, daß er von demselben einen
gewissen Betrag bereits verausgabt habe, da ihm mit Rücksicht auf die politische
Situation und die Notwendigkeit der sofortigen Inangriffnahme der Bestellungen die
Bewilligung erteflt worden sei, in diesem Jahre den Betrag von 15 Mülionen zu verwen¬

den.
    Der kgl. ung. Ministerpräsident Baron Bänffy konstatiert,

daß somit die definitive Entscheidung der ganzen Frage den Delegationen über¬
lassen bleiben müsse und die gegenwärtige Bewüligung sich lediglich darauf er¬
 strecke, daß die Kriegsverwaltung im Jahre 1897 den Betrag von 15 Mülionen ver¬

 ausgaben dürfe.
    Der k.u.k. gemeinsame Finanzminister v. Källay setzt voraus,

 daß die beiden Regierungen nicht nur die Verausgabung des Betrages von ISMillionen
 pro 1897 genehmigen, sondern auch im Prinzipe dem gesamten 45-Mfllionen-Kredite

 zustimmen.
    Der kgl. ung. Ministerpräsid ent B ar on B änffy beantragt, daß die

 Absicht des gemeinsamen Kriegsministers, den 45-Millionen-Kredit in den Delegatio¬
 nen, welche darüber zu entscheiden haben werden, einzubringen, zur Kenntnis genom¬
 men und ferner dem zugestimmt werde, daß zum Zwecke der Ermöglichung des
 sofortigen Beginnes der Bestellungen die Kriegsverwaltung heuer Ausgaben bis zum

 Betrage von 15 Millionen mache.
    Der k.u.k. gemeinsame Finanzminister v. Källay weist darauf

 hin, daß die Delegationen nur das Erfordernis votieren, die Bedeckung derselben aber
 seitens der Parlamente beschlossen werde. Daraus resultiere die Notwendigkeit, daß
 die beiden Ministerpräsidenten sich anheischig machen, seinerzeit den gesamten Kredit

 in den Parlamenten zu vertreten.
<pb/>64 Nr. 9 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30.1.1897 - Protokoll I

    Der k.k. Ministerpräsident Graf Badeni bemerkt, die beiden Re¬
gierungen könnten nur dafür die Verantwortung übernehmen, die Bedeckung für die
von den Delegationen votierten Summen zu beschaffen.

    Der k.k. Finanzminister Ritter v. Bilinski steUt folgenden Antrag:
Die beiderseitigen Regierungen nehmen zur Kenntnis, daß der gemeinsame Kriegsmi¬
nister von den diesjährigen Delegationen den zur Diskussion stehenden außerordent¬
lichen Spezialkreditvon 45 Millionen beanspruchen, jedoch schon jetzt aufgrund dieses
Kredites die nötigen Bestellungen einleiten wird. Ferner übernehmen die beiderseitigen
Regierungen die Verpflichtung, einerseits bis zum Ende dieses Jahres Beträge bis zur
Höhe von 15 Millionen für den in Rede stehenden Zweck flüssig zu machen und
andererseits im Jahre 1898 für jene weiteren Summen aufzukommen, welche die dies-
jährigen Delegationen über jene 15 Millionen hinaus votieren werden. Redner wünscht
jedoch gleichzeitig, in seinem eigenen Namen sowie in jenem seines ungarischen
Kollegen schon jetzt die Absicht anzukündigen, zur Beschaffung der erwähnten 15 Mü¬
lionen auf die gemeinsamen Zentralaktiven zu greifen.

   Der V ersitzende konstatiert, daß der obige Antrag angenommen wird. Be¬
züglich der Modalitäten der Geldbeschaffung sei dermalen eine Schlußfassung nicht
nötig, und können diese seinerzeit den Gegenstand einer gemeinsamen Ministerkonfe¬
renz büden.s

   Hierauf wird die Sitzung geschlossen.

                                                                                           Goluchowski

   Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen.
   Wien, 13. Februar 1897. Franz Joseph.

         Nr. 9 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30. Jänner 1897 - Protokoll I

    RS. (undRK.)
    Gegenwärtige: der kgl. ung. Ministerpräsident Baron Bänffy, der k. k. Ministerpräsident Graf Badeni,
der k. u. k. gemeinsame Finanzminster v. Källay, der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister GdK. Edler v.
Krieghammer, der kgl. ung. Finanzminister v. Lukäcs, der k. k. Finanzminister Ritter v. Bilinski (18.2.), der
kgl. ung. Handelsminister Baron Däniel, derk. k. Eisenbahnminister Ritter v. Guttenberg, derk. u. k. Chef
des Generalstabes FZM. Freiherr v. Beck (17.2.).
    Protokollführen Sektionsrat v. Mdrey.
    Gegenstand: Die von der Heeresleitung aus strategischen Rücksichten als notwendig bezeichneten
Eisenbahnbauten.

   KZ. 14 - GMCZ. 398

   Protokoll des zu Wien am 30. Jänner 1897 abgehaltenen Ministerrates für gemein¬
same Angelegenheiten unter dem Vorsitze des k. u. k. gemeinsamen Ministers des
Äußern Grafen Gohichowski.

s GMR. V. 31.1.1897, GMCZ. 400.
<pb/>