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[Tagesordnungspunkte]

Gemeinsamer Ministerrat, 18. 9. 1891

Nr. 52 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 18. 9. 1891  511

Nr. 52 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 18. September 1891

     RS. (und RK.)

    Gegenwärtige: der k. k Ministerpräsident Graf Taaffe (24. 9.), der kgl. ung. Ministerpräsident
orat azapary (o. D.), der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister FZM. Freiherr v. Bauer (26 9 ) der
k. k. Ackerbaummister Graf Falkenhayn (26. 9.), der kgl. ung. Finanzminister Wekerle (o. U) der
TM Q1?1!?112?111"1 ite» |?temb,ach (26- 9-)'der kSL uns- Minister am Ah. Hoflager v. Szögyeny-Marich
 u rV. · der k' U' k' Murmekommandant Admiral Freiherr v. Sterneck (2. 10.), der k. u k Sektions¬
chef Ritter v. Röckenzaun.

    Protokollführer: Hof- und Ministerialrat Ritter v. Khu.
    Gegenstand: Delegationsvorlagen.

   KZ. 50 - RMRZ. 368
   Protokoll des zu Wien am 18. September 1891 abgehaltenen Ministerrates für
gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des k. u. k. gemeinsamen
Ministers des Äußern Grafen Kälnoky.

    Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung und bringt das Präliminare des
 Heeres für 1892 als den wichtigsten Gegenstand zur Beratung, indem er be¬
 merkt, daß es sich empfehlen werde, bei diesem Anlasse vorerst die allgemeinen
 Gesichtspunkte zu erörtern, welche ein Bild der Gesamtlage bieten, auf dessen
 Grundlage weiter verhandelt werden könne.

    Eingehend auf die Schilderung der internationalen Situation weist der k. u. k.
Minister des Äußern darauf hin, daß er schon im Juni 1. J. bei den damals
stattgehabten Besprechungen diesen Gegenstand behandelt und hiebei einerseits
die fortdauernde Unsicherheit der Lage gekennzeichnet, andererseits konstatiert
habe, daß zwar keine Imminenz der Kriegsgefahr vorliege, daß aber die letztere
sich dadurch in einem progressiven Zustande befinde, daß die Kriegsbereit¬
schaft in den großen Staaten fortwachse und daher, trotz aller Bemühungen,
den Frieden zu erhalten, eine neue Phase eintreten könne, die außer aller
Berechnung liege und plötzlich zu einer Konflagration führen könne. Die seither
eingetretenen Ereignisse hätten unleugbar eine Verschlechterung dieser Situa-
tion herbeigeführt. Die tatsächlichen Verhältnisse der europäischen Mächte
hätten sich allerdings nicht geändert, und weder die Verlängerung des Dreibun¬
des,1 die letzteren nur gekräftigt und mehr gesichert habe, noch die schärfere
Akzentuierung der franco-russischen Entente2 wären an sich dazu geeignet
gewesen, wenn sie nicht von "einem Zusammentreffen von" besonderen Umstän¬
den begleitet gewesen wären. Einer dieser Umstände war es, daß es unmöglich
erschien, wie man ursprünglich beabsichtigte, die Verlängerung des Dreibundes
geheimzuhalten, da angesichts der heftigen parlamentarischen Angriffe auf das
italienische Ministerium, letzterem die Zustimmung erteilt werden mußte, die
Tatsache der Verlängerung des Dreibundes zu publizieren; dadurch wurde in

        Einfügung Kälnokys.

2 Pribram, Die politischen Geheimverträge Österreich-Ungams 64-69.
       Notenwechsel Giers-Ribot v. 21-27.8.1891. Konferenzen und Verträge Teil II, 3. Bd., 379.
<pb/>512 Nr. 52 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 18. 9. 1891

Frankreich, wo man noch immer gehofft hatte, diese Verlängerung durch den
Einfluß der republikanischen und franzosenfreundlichen Partei in Italien zu
hintertreiben, das Gefühl einer großen Enttäuschung hervorgerufen. Ein zweiter
Umstand war die Reise des deutschen Kaisers nach England,3 welche an sich
auch unbedenklich gewesen wäre, wenn nicht hmmittelbar vorher dieb Diskus¬
sionen cim Parlament0 das englische Ministerium gezwungen hätten, daselbstd
Stellung zu nehmen und zu erklären, daß England auf der Seite des Dreibundes
stehe, soweit es sich um Aufrechthaltung des Status quo, insbesondere im
Mittelmeere handle. Der Flottenbesuch in Kronstadt4 war dann die Gelegen¬
heit, um akzentuierter die Gemeinsamkeit der politischen Auffassung Rußlands
und Frankreichs zu demonstrieren. Hiedurch wurde der Chauvinismus in Frank¬
reich in so hohem Grade erregt, daß seine Ausbrüche eine tatsächliche Gefähr¬
dung des Friedens bilden können. Russischerseits scheint allerdings der Chauvi¬
nismus seinen Kulminationspunkt überschritten zu haben, da dort die schweren
inneren Kalamitäten dämpfend wirkten, allein bei dem Chauvinismus in Frank¬
reich lasse sich nicht absehen, in welche Verwicklungen er dieses Land und
damit andere Mächte hineinreißen kann. Die internationale Situation sei daher
die, daß ohne daß eine tatsächliche Veränderung in den Verhältnissen der
Mächte eingetreten, die Lage doch gefährlicher und daher die Kriegsgefahr
näher gerückt sei als in diesem Sommer. Der Redner habe in letzter Zeit
Gelegenheit gehabt, alle diese Gesichtspunkte eingehend mit dem deutschen
Reichskanzler zu besprechen, und müsse konstatieren, daß General von Caprivi
die Sachlage mit großer Objektivität und Friedensliebe ansehe und durchaus
nicht die Absicht habe, etwas zu tun, was die Kriegsgefahr näher rücken könne,
aber er sei auch der Meinung, daß die Möglichkeit nicht außer acht gelassen
werden dürfe, daß man durch plötzliche unvorhergesehene Ereignisse in Konfla-
grationen hineingerissen werde.5 Es werde gewiß evon seiten der verbündeten
Regierungen0 alles geschehen, die jetzige zugespitzte Phase zu überwinden, und
der Redner hofft auch, daß die Verschärfung sich im Laufe des Winters wieder
kalmieren und man über das nächste und vielleicht auch über ein weiteres Jahr
hinüber kommen werde, doch könne er natürlich nicht dafür einstehen. Wie die
Deutschen an ihrer Grenze gegen Frankreich jeden Inzidenzfall vermeiden
wollen, der die Verschärfung der Situation herbeiführen müßte, so werden auch
wir im Orient alles unterlassen, was Rußland zum Krieg veranlassen könnte,
allein es läßt sich nicht Vorhersagen, ob letztere Macht nicht, sei es aus äußeren
Gründen, sei es gedrängt durch innere Verhältnisse, eine Aktion einleitet, welche
eine Konflagration unvermeidhch macht. Alle diese Erwägungen heßen es also

 b&#39;b Korrektur Kälnokys aus die an dieselbe geknüpften.
 c&#39;c Einfügung Kälnokys.
 d Korrektur Kälnokys aus im Parlamente.
 °&#39;0 Einfügung Kälnokys.

 3 Der Besuch hat zwischen 4. und 13. 7. 1891 stattgefunden
 4 Der Besuch hat am 21. 7. 1891 stattgefunden.
 5 Haselmayr, Diplomatische Geschichte des Zweiten Kaiserreiches 4. Buch, 47.
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als unumgänglich notwendig erscheinen, militärischerseits möglichst auf alle
Eventualitäten vorbereitet zu sein. Es muß aber dabei allerdings auch auf die
finanzielle Lage der Monarchie Rücksicht genommen und eine solche Störung
derselben vermieden werden, die unseren Kredit und damit unser Ansehen im
Auslande empfindlich zu schädigen geeignet wäre, da wir hiedurch gewisserma¬
ßen schon eine Schlappe noch vor Beginn des Krieges erleiden würden. Die
Aufgabe der gegenwärtigen Beratungen sei es, einen Mittelweg zu finden, der
aus dieser Schwierigkeit herausführt.

   Der k. u. k. Reichskriegsminister FZM. Freiherr v. Bauer
kann seine Anschauungen nur auf die ihm zu Gebote stehenden militärischen
Informationen und Daten stützen, aus denen er die persönliche Überzeugung
geschöpft habe, daß der Krieg mit Rußland zwar vielleicht noch hingezogen
werden könne, aber unvermeidlich sei, u. zw. nach seinen Impressionen läng¬
stens 1894 eintreten werde. Es handle sich seiner Ansicht nach darum, die Armee
für diesen Krieg vorzubereiten, da die traurigen Erfahrungen, die wir im Jahre
1859 und 1866 sowie Frankreich im Jahre 1870 gemacht haben, die Wichtigkeit
der Vorbereitungen für den Erfolg des Feldzuges hinreichend dargetan hätten.
Unzweifelhaft müsse man alles tun, um den Frieden zu erhalten, aber man
müsse die Armee so stellen, daß man den Krieg, wenn man dazu genötigt würde,
nicht zu scheuen habe. Auf Grund dieser Erwägungen seien die Ansätze der
Kriegsverwaltung verfaßt und könne dieselbe nur auf der ungeschmälerten
Anforderung derselben beharren. Wenn Posten vorkämen, die in erster Linie
vielleicht nur mit Geboten der Billigkeit oder Zweckmäßigkeit motiviert wer¬
den, so müßten dieselben allerdings, soferne die finanzielle Lage die Bestreitung
aller Anforderungen absolut unmöglich mache, hinter den unbedingt notwendi¬
gen zurückstehen, aber auch hier müsse der Redner für sich die Berechtigung
in Anspruch nehmen, konstatieren zu dürfen, daß er diese Anforderungen
gestellt und nur genötigt durch die finanziellen Bedenken davon zurückgetreten
sei. Er verkenne überhaupt die Wichtigkeit auf die finanzielle Leistungsfähigkeit
der Monarchie nicht, aber der vielfach ausgesprochenen Ansicht, daß die Lei¬
stungsfähigkeit an der Erhaltung des Gleichgewichtes im Budget die Grenze
habe, könne er doch nur den Wert eines theoretischen Prinzips beimessen,
welches den praktischen Exigenzen nicht stichhalten könne.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident Graf Szapäry präzisiert den
Standpunkt der kgl. ung. Regierung dahin, sie sei vollkommen von der Notwen¬
digkeit durchdrungen, jene Geldmittel zu bewilligen, die unmittelbar und unum¬
gänglich zur Erreichung der Schlagfertigkeit der Armee notwendig seien, doch
sehe sie in der Erhaltung des Gleichgewichtes im Staatshaushalt durchaus kein
bloß theoretisches Prinzip, sondern die Grundbedingung für die im Interesse der
Kriegsbereitschaft der Monarchie absolut notwendige Ordnung der Finanzen.
Man müsse alles vermeiden, was durch Schwächung des Kredites der Monar¬
chie die Aufbringung der Mittel zum Beginne eines Krieges und dann zur
Fortführung desselben erschwere oder unmöglich mache. Um das Gleichge¬
wicht im Staatshaushalt herzustellen, habe die kgl. ung. Regierung seit Jahren
alle nur möglichen Ersparungen in des Ausgaben für innere Zwecke zu erzielen
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und die Einnahmen tunlichst zu erhöhen gesucht. Darüber hinauszugehen wäre
unmöglich, und es werde der kgl. ung. Finanzminister in der Lage sein, zu
erklären, welche Summen die kgl. ung. Regierung der Kriegsverwaltung zur
Verfügung zu stellen in der Lage sei.

   Derk. k. Ministerpräsident Graf Taaffe erklärt, seinerseits im
allgemeinen den Ausführungen des Vorredners beizupflichten. Er habe die
Angelegenheit bereits im k. k. Ministerrat zur Sprache gebracht und hiebei auch
den Erwägungen des Ministers des Äußern und der Kriegsverwaltung Ausdruck
gegeben. Der k. k. Ministerrat sei sich nun bewußt gewesen, daß es die Pflicht
der k. k. Regierung sei, nicht nur momentan für die Beistellung der Mittel für
die eben angeforderten Kriegsvorbereitungen vorzusorgen, sondern auch die
Frage zu erwägen, ob und in welcher Weise für die weitere Erhaltung dieser
Kriegsrüstungen sowie eventuell für die Mittel zum Beginn und zur Fortführung
eines Krieges die nötigen Mittel aufzubringen möglich sein werde.

   Die k. k. Regierung mußte ferner berücksichtigen, welche Anforderungen
jetzt und in der Zukunft bei den Vertretungskörpern durchzusetzen sein würden,
indem sie nicht verkennen konnte, daß das Ansehen und der Kredit der Monar¬
chie empfindlichst geschädigt würde, wenn die Zustimmung der Vertretungskör¬
per nicht mehr zu erreichen wäre. Es war demnach die Pflicht des Ministerrates,
nicht nur zu prüfen, welche Mittel augenblicklich der Kriegsverwaltung zu
Gebote gestellt werden können, sondern auch, ob und wie die Regierung der
hiedurch übernommenen Verpflichtung für die weitere Erhaltung der Kriegs¬
vorbereitung nachzukommen in der Lage wäre. Es sei nun das Äußerste gesche¬
hen, um die Anforderungen für die Befriedigung der Erfordernisse der diesseiti¬
gen Reichshälfte herabzusetzen, und es werde keine leichte Aufgabe sein, den
Vertretungskörpem gegenüber die hiedurch bedingte Nichtberücksichtigung
wichtiger Interessen zu rechtfertigen. Die Regierung habe eben getrachtet, das
Äußerste zu reservieren, um es der Kriegsverwaltung zur Verfügung zu stellen.
Weiterzugehen, wäre ohne Wiedereinführung des Defizites in den Staatshaus¬
halt nicht möglich. Hiedurch würde aber der Kredit des Staates auf das emp¬
findlichste geschädigt, indem allseits der Zweifel an die Möglichkeit einer Ord¬
nung unserer Finanzen und unsere finanzielle Leistungsfähigkeit überhaupt
hervorgerufen würde.

   Dafür könnte die k. k. Regierung die Verantwortung vor Gott und dem
Kaiser nicht tragen.

   Derk. u. k. Minister des Äußern Graf Kälnoky bemerkter
könne die Auffassung des Reichskriegsministers, daß der Krieg mit Rußland
unvermeidlich sei, nicht so ohne weiteres akzeptieren; jedenfalls müsse man mit
der Möglichkeit rechnen, daß der jetzige unsichere Zustand, der die Forterhal¬
tung und Weiterbildung der Kriegsvorbereitungen notwendig mache, längere
Zeit andauere, und da sei es allerdings erforderlich, eine prinzipielle Situation
zu erhalten, welche das Ausdauern ermögliche. Es wäre höchst bedenklich, zu
Maßregeln zu greifen, welche unseren Kredit im Auslande schwächen und über
unsere Leistungsfähigkeit Zweifel erwecken würden. Er glaube, daß die Erklä¬
rungen der beiden Ministerpräsidenten wohl die Basis abgeben können, auf der
<pb/>Nr. 52 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 18. 9. 1891  515

man zu einem Mittelwege zwischen den Anforderungen für die Kriegsausrü¬
stung und der Erhaltung des Staatskredites gelangen könne.

   Der kgl. ung. Finanzminister Wekerle erklärt, daß er nur die
Ausführungen des kgl. ung.. Ministerpräsidenten wiederholen könne, daß die
kgl. Regierung bereit sei, bis an die äußerste Grenze dessen, was ohne Schädi¬
gung des Staatskredites möglich sei, zu gehen, um alle unmittelbar zur Errei¬
chung der Schlagfertigkeit der Armee nötigen Mittel der Kriegsverwaltung zur
Verfügung zu stellen. Eine detaillierte Beratung der Anforderungen der Kriegs¬
verwaltung werde aber vielleicht erweisen, daß nicht alle beantragten Maßregeln
unmittelbar die Schlagfertigkeit der Armee treffen und daß mit dem von der kgl.
ung. Regierung für die Anforderungen der Kriegsverwaltung reservierten Betra¬
ge den letzteren, wenn auch in einem beschränkteren Maße, Genüge geschehen
könne. Es wäre daher am zweckmäßigsten, in die Besprechungen der einzelnen
Posten einzugehen.

   Der k. k. Finanzminister Steinbach ergreift noch das Wort zu
einigen allgemeinen Bemerkungen. Er anerkenne vollkommen die Richtigkeit
der Ausführungen des Ministers des Äußern über die momentane Verschärfung
der Lage, glaube aber auch, daß es möglich sein werde, über diese Phase
hinwegzukommen; doch seien diese Erwägungen für die dermaligen Anforde¬
rungen der Kriegsverwaltung nicht relevant, indem es sich bei den letzteren um
erst in einiger Zeit zu realisierende Kriegsvorbereitungen handle. Würde die
jetzige Verschärfung der Lage nicht überwunden werden, sondern zu einer
Katastrophe führen, dann wären an sich alle diese auf die Zukunft berechneten
Anforderungen gegenstandslos. Der Reichskriegsminister unterschätze aber zu
sehr die Tragweite der Ordnung im Staatshaushalte. Ein Beispiel, wie die
Erschütterung des Staatskredites auf das politische Ansehen eines Staates wirke,
sei Italien, und doch habe Italien nur in einer Richtung die Folgen seiner
finanziellen Kalamitäten zu fühlen, in der Schwierigkeit, neue Anlehen zu
halbwegs erträglichen Bedingungen zu kontrahieren. Bei uns würde sich aber
die Wiedereinführung des Defizites nicht nur in der Schädigung des Staatskredi¬
tes, sondern auch in der Devalvierung der Valuta fühlbar machen. Die Frage
des Defizites sei überhaupt nach Ansicht des Redners nicht so sehr nach dem
Einflüsse im Innern, wo sie zunächst höchstens die Stellung des Kabinetts
beeinflussen könne, als in erster Linie darnach zu beurteilen, daß mit der
Wiedereinführung des Defizites das mühsam hergestellte Ansehen im Auslande
in kürzester Zeit zerstört würde und wir weder ein Anlehen erhalten noch unsere
Zettel 8auf einem annehmbaren Kurse erhalten8 könnten. Wie bei den Unge¬
heuern Dimensionen, die ein Krieg derzeit annehmen werde, die Auslagen der
Weiterführung desselben sich gestalten werden, das sei nicht zu berechnen, doch
könne man so viel sagen, daß man in ungeordneten finanziellen Verhältnissen
nicht einmal die Mittel zum Beginne desselben aufbringen werde, und daher
müsse das Gleichgewicht im Staatshaushalt wohl eben auch zu den notwendigen

r Einfügung Steinbachs.
8-8 Korrektur Steinbachs.
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Kriegsvorbereitungen gezählt werden. Die Vergleichung der Leistungen unserer

Monarchie mit denjenigen der anderen Mächte könne Redner nicht als berech¬

tigt ansehen. Vor allem müßte dabei Frankreich und Deutschland außer Spiel

bleiben, da einerseits das gespannte Verhältnis zwischen diesen beiden Mächten

die eigentliche Gefahr der Friedensstörung in sich schließe, andererseits es ganz

undenkbar sei, denselben mit Rücksicht auf ihre wirtschaftliche Überlegenheit

in den finanziellen Leistungen nachzukommen. Zwischen den Leistungen Ita¬

liens und unseren sei wohl kein großer Unterschied, was aber schließlich Ru߬

land betreffe, so hält der Redner es für sehr gefährlich, hier die Konkurrenz

weiter zu wecken. Rußland habe offenbar noch seine Armeeorganisation nicht

in der gleichen Weise wie die anderen Mächte mit seiner Bevölkerungsziffer in

Einklang gebracht; wenn es nun durch fortdauernde Konkurrenz endlich auf

diesen Weg gelange, dann werde seine Überlegenheit durch das Übergewicht

seiner Bevölkerungsmassen noch bedeutender und nicht mehr einholbar sein.

Das einzig Richtige erscheine demnach, daß wir innerhalb der Schranken, die

uns unsere finanziellen Verhältnisse auferlegen, das Möglichste zur Erreichung

der Schlagfertigkeit der Armee tun. Die k. k. Regierung sei auch bis an die

äußerste Grenze gegangen, um für die Anforderungen der Kriegsverwaltung

eine tunlichst hohe Summe zur Verfügung stellen zu können. Sehr wichtige

kulturelle Bedürfnisse seien unberücksichtigt gelassen worden, um die Stärkung

der Armee zu erreichen, aber zu diesem Ende auf eine Widereinführung des

Defizites in den Staatshaushalt sich einzulassen, sei bei den desolaten Zustän¬

den, zu denen dies führen würde, unmöglich.

Der k. k. Ackerbauminister Graf Falkenhayn bemerkt, daß

er auch seinerseits nur auf die Notwendigkeit hinweisen könne, zu vermeiden,

daß schon im Vorbereitungsstadium die finanziellen Kräfte erschöpft werden,

was durch die Inanspruchnahme des Kredites in Friedenszeiten geschehen

würde. Es müßte also daran festgehalten werden, daß das Gleichgewicht im

Staatshaushalt, das nur unter schweren Opfern der einzelnen Ressorts herge¬

stellt würde, nicht in Frage gestellt werden dürfe.

Der kgl. ung. Minister am Ah. Hoflager beantragt, da nach

seiner Ansicht eine prinzipielle Verschiedenheit in den Auffassungen nicht

obwalte, in die Beratungen der einzelnen Positionen einzugehen, da hiedurch

erst ein klares Bild erlangt werden könne.

Der Vorsitzende bringt nun das Ordinarium des Heeres zur Beratung,

und wird als Grundlage der letzteren die den Konferenzteilnehmern zur Verfü¬

gung gestellte Aufzeichnung der auf Etaterhöhungen und Verminderungen

abzielenden Anträge für das ordentliche Heereserfordernis pro 1892 zugrunde

gelegt.  r

Die Verhandlungen über die einzelnen Posten ergeben nachstehendes Resul¬

tat.

   I. Die Streichung der folgenden Anforderungen wird von der Konferenz
angenommen.
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      1. Post 1 Gleichstellung sämtlicher Korpskommandanten        25 307 fl.
und kommendierenden Generale hinsichtlich ihrer Gebühren           17 731 fl.

     2. Post 2 Der im Jahre 1892 für Standeserhöhung der             2 283 fl
 Militärintendantur entfallende Mehraufwand per
                                                                     5 454 fl.
     3. Post 3 Mehrerfordernis infolge Beförderung weiterer drei
als Eisenbahnlinienkommandanten fungierender Hauptleute            37 037 fl.
zu Majoren                                                        138 165 fl.
                                                                   82 688 fl.
     4. Post 4 Berittenmachung je eines Kompagniekomman¬
danten bei jedem Festungsartilleriebataillon, dann des dem          2 684 fl.
Generalinspektor zugeteilten Hauptmannes                          105 553 fl.

     5. Post 10 Erfordernis für die Überkomplettführung der         8 252 fl.
Rekruten und Ersatzreservisten der Verpflegsbranche während
ihrer achtwöchentlichen militärischen Ausbildung

     6. Post 14 Verminderung der Mannschaftsinterkalarien
     7. Post 15 Aufstellung einer fünften Militär-Unterreal-

schule
     8. Post 16 Standesvermehrung der Kriegsschule um zehn

Reitpferde und fünf Pferdewärter
     9. Post 19 Mehrerfordernis infolge der teilweisen Besetzung

der im militärärztlichen Offizierskorps bestehenden Abgänge
   10. Post 26 Mehrerfordernis an sachlichen Auslagen infolge

einer 13. Infanteriekadettenschule
   11. bei Post 27 Mehrerfordernis für die Instandhaltung der

Festungswerke und Militärgebäude, dann für große bauliche
Ameliorierungsarbeiten wird bei der angeforderten Summe von
200 000 fl. der Betrag von 100 000 fl. gestrichen.

   12. bei Post 28 Präliminierung des Erfordernisses für bauli¬
che Herstellungen infolge von Elementarschäden, dann für
Desinfektion der Militärgebäude und für sonstige unvorherge¬
sehene Auslagen der Geniedirektionen wird bei der angeforder¬
ten Summe von 140 000 fl. der Betrag von 40 000 fl. gestrichen.

   II. Die nachfolgenden Posten wurden zur gänzlichen Streichung beantragt,

aber da hierüber eine Einigung nicht erfolgte, die Beschlußfassung über diese
Posten in suspenso gelassen:

   1. Post 6 Erhöhung des Standes an Subalternoffizieren bei      264 960 fl.
der Infanterie- und Jägertruppe
                                                                  522 860 fl.
   2. Post 8 Das im Jahre 1892 erforderliche Mehrerfordemis       104 765 fl.
für Komplettierung der auf vermindertem Friedensstande be¬        350 000 fl.
findlichen 14 Batteriedivisionen auf den normalen Friedens¬
stand

   3. Post 13 Aufstellung zweier Remontendepots

   4. Post 24 Erhöhung des Erfordernisses für Waffenübungen
und Konzentrierungen
<pb/>518 Nr. 53 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 19. 9. 1891

   III. Bei nachstehenden Posten wurde eine Herabminderung angetragen, es
hat sich aber der k. u. k. Reichskriegsminister die Äußerung über das Ausmaß
der Herabminderung Vorbehalten, daher wurde die endgiltige Beschlußfassung

in suspenso belassen.

   1. Post 18 Mehrerfordernis aus Anlaß der Einführung des     509 586 fl.
                                                                 2 80011.
rauchlosen Pulvers                                               3 000 fl.
   2. Post 22 Erhöhung des Pauschales für die Erzeugung der
                                                               120 000 fl.
Sprengmunition und Zündmittel zum Zwecke der scharfen
Übungen der Genietruppen

   3. Post 23 Mehrerfordernis an sachlichen Auslagen für das
Eisenbahn- und Telegraphenregiment

   4. Post 25 Präliminierung des Erfordernisses zur Durchfüh¬
rung des feldmäßigen Schießens bei der Infanterie und der
Jägertruppe

   Die übrigen das ordentliche Heereserfordernis pro 1892 betreffenden Ansätze

werden angenommen.
   Die Sitzung wird nach Durchberatung der Posten des Ordinariums geschlos¬

sen und die Fortsetzung für morgen 1 Uhr anberaumt.
                                                                                       Kälnoky

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Wien, 6. Oktober 1891. Franz Joseph.

Nr. 53 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 19. September 1891

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der k. k. Ministerpräsident Graf Taaffe (24. 9.), der kgl. ung. Ministerpräsident
Graf Szapäry (o. D.), der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister FZM. Freiherr v. Bauer (26. 9.), der
k. k. Ackerbauminister Graf Falkenhayn (26. 9.), der kgl. ung. Finanzminister Wekerle (o. D.), der
k. k. Finanzminister Steinbach (26. 9.), der kgl. ung. Minister am Ah. Hoflager v. Szögyeny (30. 9.),
der k. u. k. Marinekommandant Admiral Freiherr v. Stemeck (2. 10.) der k. u. k. Sektionschef
Ritter v. Röckenzaun, der k. u. k. Marineoberkommissär Fehr.
    Protokollführer: Hof- und Ministerialrat Ritter v. Khu.
    Gegenstand: Delegationsvorlagen.

   KZ. 51 - RMRZ. 369
   Protokoll des zu Wien am 19. September 1891 abgehaltenen Ministerrates für
gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des k. u. k. gemeinsamen
Minister des Äußern Grafen Kälnoky.

   Nach Eröffnung der Sitzung ergreift der k. u. k. Reichskriegs¬
minister FZM. Freiherr v. Bauer das Wort, um nach Rekapitulie-
rung der in dem gestrigen Protokolle aufgeführten Posten, über deren Abstrei-
<pb/>