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Gemeinsamer Ministerrat, 2. 7. 1887

I. Die Errichtung einer Gewehrfabrik auf ungarischem Gebiete und die Frage der Aufhebung des allgemeinen Pferdeausfuhrverbotes

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360 Nr. 26 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 7. 1887

Nr. 26 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. Juli 1887

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der k. u. k. gemeinsame Minister des Äußern Graf Kalnoky (o. D.), der kgl. ung.
Ministerpräsident v. Tisza (19. 7.), der k. k. Ministerpräsident Graf Taalfe (4. 7), der k. u. k.
gemeinsame Kriegsminister FZM. Graf Bylandt-Rheidt (16. 7.), der k. k. Finanzminister Ritter v.
Dunajewski (6. 7), der k. k. Ackerbauminister Graf Falkenhayn (o. D.), der kgl. ung. Handelsmini¬
ster Graf Szechenyi (o. D.), der k. k. Landesverteidigungsminister FML. Graf Welsersheimb
(o. D.), der kgl. ung. Landesverteidigungsminister FML. Freiherr v. Fejerväry (o. D.).
    Protokollführer: Hof- und Ministerialrat Freiherr v. Glanz.
    Gegenstand: Die Errichtung einer Gewehrfabrik auf ungarischem Gebiete und die Frage der
Aufhebung des allgemeinen Pferdeausfuhrverbotes.

   KZ. 51 - RMRZ. 342
   Protokoll des zu Wien am 2. Juli 1887 abgehaltenen Ministerrates für gemein¬
same Angelegenheiten unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

Se. k. u. k. apost. Majestät geruhten die Frage der Errichtung einer
Gewehrfabrik auf ungarischem Gebiete als ersten Gegenstand der Beratung zu
bezeichnen und den königlich ungarischen Landesverteidigungsminister aufzu-
fordem, über den Stand der Sache zu berichten.1

   Nach den Mitteilungen des kgl. ung. Landesverteidigungsmini¬
sters FML. Freiherrn v. Fejerväry liegen, abgesehen von dem
Anbote der Werndlschen Fabrik in Steyr, welches sich bloß auf die Lieferung
der Gewehre erstreckt, der kgl. ung. Regierung noch zwei Offerte vor, welche
auf den Bau einer eigenen Gewehrfabrik abzielen, nämlich von Löwe aus Berlin
und von Greenwood aus London.2 Von letzteren zwei Offerten sei bei näherer
Prüfung jenes von Löwe als das solidere erkannt worden. Die Lieferungsbeding¬
nisse desselben seien alternativ, je nach der Zahl der bestellten Gewehre gestellt
und gewähren die Möglichkeit, den Preis der Gewehre ratenweise in der Frist
von zehn Jahren abzuzahlen.

   Es ständen sich demnach gegenwärtig die beiden Offerte, Werndl und Löwe,
gegenüber. Der Preis der Gewehre stellte sich bei Löwe allerdings etwas höher
als bei Werndl. Doch sei das hieraus den ungarischen Finanzen erwachsende
Opfer kein sehr erhebliches. Weit mehr falle ins Gewicht, daß bei Annahme des
Offertes Löwe mit Rücksicht auf die für Errichtung und Installierung der neuen
Fabrik erforderliche Zeit die Gewehre für die ungarische Landwehr zirka zwei
Jahre später zur Ablieferung gelangen würden, als es bei Werndl der Fall wäre.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Tisza sieht den Schwer¬
punkt der Frage darin, ob man das sichere Vertrauen hegen könne, daß die
Wemdlsche Fabrik wirklich bis Ende 1889 mit der Lieferung der Gewehre fertig

       Expose über die Frage, ob die Idee der Erbauung einer Waffenfabrik in Budapest zu realisie¬
       ren sei oder nicht, verfaßt als Basis einer Besprechung im ungarischen Ministerrate, KA.,
       MKSM., Separatfaszikeln, Fase. 69.
       7/MT. Ung.MR. v. 5. 3. 1887. 1. In Angelegenheit der in Budapest zu errichten geplanten
       Waffenfabrik, OL., K. 27, Karton 42.
<pb/>Nr. 26 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 7. 1887  361

werde, und ob sie mit zehnjährigen Ratenzahlungen sich begnügen könne.
Treffen diese beiden Voraussetzungen zu, so glaube er, so sehr ihm auch die
Errichtung einer Gewehrfabrik auf ungarischem Gebiete vorteilhaft erscheine,
daß doch niemand die Verantwortung dafür werde übernehmen können, daß
die ungarische Landwehr mit den neuen Schießwaffen nicht versehen wäre im
Falle, als während der zwei Jahre, um welche Werndl früher liefern könnte als
die neu zu errichtende Fabrik, ein Krieg ausbrechen sollte.

   Dieser Auffassung vermag sich der Reichskriegsminister FZM.
Graf Bylandt nur vollkommen anzuschließen. Die Frage der Neubewaff¬
nung der Honveds berühre zwar nicht direkt sein Ressort, sei aber für die
Gesamtwehrkraft der Monarchie von großer Bedeutung, und unter diesem
Gesichtspunkte erblicke er, wie die Verhältnisse gegenwärtig liegen, in der sonst
so wünschenswerten Errichtung einer zweiten Gewehrfabrik im Inneren der
Monarchie den Nachteil, daß infolgedessen die vollständige Einführung des
neuen Gewehres bei der Fußtruppe sich um beiläufig zwei Jahre verzögern
würde. Was die Frage anlange, ob die Wemdlsche Fabrik die Lieferungstermine
würde einhalten können, so ergebe sich aus den Erfahrungen, welche die Kriegs¬
verwaltung bei der Fabrikation der Werndlgewehre seinerzeit gemacht habe,
daß die Leistungsfähigkeit der Unternehmung nach und nach auf 7000 Stück
Gewehre per Woche und später sogar bis auf 8000 Stück gestiegen sei. Bei einer
Durchschnittsleistung von rund 7000 Gewehren wöchentlich, also zirka 380 000
Stück jährlich, würde nicht nur der Gesamtbedarf für Infanterie und Jägertrup¬
pe per 730 000 Gewehre bis Ende 1889 geliefert, sondern bis dahin auch noch
ein beträchtlicher Teil der für die Landwehr benötigten Gewehre fertiggestellt
werden können. Hinsichtlich der Frage der Ratenzahlungen für die zur Liefe¬
rung gelangenden Gewehre sei nicht aus dem Auge zu verlieren, daß neben den
eigentlichen Kosten der Schießwaffe auch noch andere Auslagen für Munition,
Frachtspesen etc. im Betrage von zirka 11 fl. 10 kr. per Stück erwachsen, welche
mit der Gewehrerzeugung nicht Zusammenhängen, sondern sich auf andere
Unternehmungen verteilen. Bei einer Leistungsfähigkeit von 380 000 Gewehren
im Jahre würde sich das Erfordernis aus dem Titel der Neubewaffnung für die
gemeinsame Armee auf zirka 17,6 Millionen Gulden im Jahre 1888 stellen. Es
wäre seinerzeit zu erwägen, wie bei eventuellen Ratenzahlungen der entfallende
Betrag entsprechend budgetiert werden soll.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Tisza hält an dem Stand¬
punkte fest, daß die so rasche Beschaffung der neuen Gewehre, welche militä¬
risch als unerläßlich erachtet werde, vom Standpunkte der ungarischen Finan¬
zen nur bei Verteilung der Auslagen auf die Frist von zehn Jahren möglich
erscheine.

   Der k. k. Finanzminister Ritter v. Dunajewski anerkennt
die finanzielle Erleichterung, welche in der Verteilung der Kosten auf zehnjähri¬
ge Raten liegen würde, hegt aber Bedenken hinsichtlich der budgetmäßigen
Durchführung. Bei voller Bereitwilligkeit, den Anforderungen der Kriegsver¬
waltung innerhalb der durch die finanzielle Leistungsfähigkeit des Staates gezo¬
genen Grenzen nachzukommen, glaube er sein Votum bis zu dem Zeitpunkte
<pb/>362 Nr. 26 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 7. 1887

Vorbehalten zu müssen, wo der nächstjährige Voranschlag für das Reichskriegs¬
ministerium zur Beratung gelangen würde.

   Auf eine Zwischenfrage des ung. Ministerpräsidenten v. Tisza
erwidert der k. k. Reichskriegsminister Graf Bylandt, daß die
Gewehre für die österreichische Landwehr in der von ihm weiter oben angegebe¬
nen Zahl nicht inbegriffen seien, wohl aber enthalte dieselbe die Reservegewehre
für die gemeinsame Armee. - Die Frage der Neubewaffnung der Kavallerie und
der Extrakorps mit Schußwaffen sei überhaupt noch nicht für definitive Be¬
schlüsse spruchreif.

   Auf die Frage zurückkommend, ob Werndl auf Ratenzahlungen eingehen
würde, weist der kg 1. ung. Landesverteidigungsminister Baron
Fejerväry auf eine schriftliche Erklärung dieser Unternehmung hin, wel¬
che er in Händen habe und worin dieselbe sich anheischig mache, nicht nur für
die Gewehre für die Honveds, sondern auch bezüglich der auf den ungarischen
Staatsschatz entfallenden Auslagenquote für die Gewehre der gemeinsamen
Armee ratenweise Bezahlung in zehn Jahren, gegen 5% Verzugszinsen, anzuneh¬
men. Ein solches Angebot würde zweifelsohne auch von der österreichischen
Regierung zu erlangen sein.

   Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen bei dieser Gelegenheit zu
bemerken, daß es nicht angehen würde, die eine Reichshälfte ungünstiger zu
behandeln als die andere.

   Nach Ansicht des kgl. ung. Ministerpräsidenten v. Tisza
sollte ein Antrag seitens der Wemdlschen Unternehmung für das ganze Ge¬
wehrquantum gestellt werden in der Weise, daß es jeder der beiden Regierungen
freistünde, für ihren Teil auf die Modalität der Ratenzahlungen einzugehen oder
sofort bar zu zahlen. Ungarischerseits würde, wie er schon bemerkt habe, an
Ratenzahlungen festgehalten werden müssen.

   Der Reichskriegsminister FZM. Graf Bylandt erwähnt, daß
die Werndlsche Fabrik nicht die notwendigen finanziellen Mittel besitzen dürfte,
um ohne Unterstützung seitens einer kapitalskräftigen Bankunternehmung sich
in Ratenzahlungen einzulassen. Es sei daher im Interesse der ungestörten Ab¬
wicklung der Gewehrlieferung notwendig, sich auch darüber Klarheit zu ver¬
schaffen, daß eine vertrauenswürdige Bank hinter Werndl stehe. Ferner macht
Graf Bylandt darauf aufmerksam, daß es sich empfehle, bei der Verhandlung
mit Werndl auf den Gewehrbedarf für die beiden Landwehren gleich Bedacht
zu nehmen, u. zw. nicht bloß aus der finanziellen Rücksicht, damit dieselben an
den mit der Fabrik zu vereinbarenden Vorteilen partizipieren können, sondern
vornehmlich auch aus dem technischen Grunde, weil die Fabrik mit Rücksicht
auf die Beschaffung von Rohmaterial einige Zeit vorher schon über die an sie
gestellten Anforderungen unterrichtet sein müsse, wenn Verzögerungen in der
Lieferung vermieden bleiben sollen.

   Diese Bemerkung gibt dem kgl. ung. Ministerpräsidenten v.
Tisza Anlaß zu erwähnen, daß durch die Lieferung der Gewehre für die
österreichische Landwehr die Frist für die Fertigstellung der neuen Schußwaffen
sich verlängere, worauf der k. k. Landesverteidigungsminister
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Graf Welsersheimb entgegnet, daß die Gewehrliefenmg für die öster¬
reichische Landwehr zirka ein halbes Jahr beanspruchen werde.

   Da der Grund, warum man ungarischerseits die Errichtung einer eigenen
Gewehrfabrik fallenlasse, in dem Wunsche liege, keine Verzögerung in der
vollständigen Einführung der neuen Schußwaffe eintreten zu lassen, so würde
derkgl. ung. Ministerpräsident v. Tisza es für gerechtfertigt hal¬
ten, daß die Lieferung der Gewehre für beide Landwehren zwar gleichmäßig,
aber unmittelbar nach Lieferung des effektiven Bedarfes für die gemeinsame
Armee, also vor Fertigstellung der Reservegewehre, erfolge. Nachdem sich auch
der k. k. Reichskriegsminister Graf Bylandt damit einverstan¬
den erklärt, geruhen Se. k. u. k. apost. Majestät Sich dahin auszu¬
sprechen, daß Allerhöchstdieselben diesen Vorgang für richtig erachten.

   Wie der kgl. ung. Ministerpräsident v. Tisza darlegt, hätten
sich die Fragen, welche im Sinne der stattgehabten Diskussion durch das
Reichskriegsministerium an die Wemdlsche Fabrik zu richten wären, darauf zu
beziehen, in wieviel Zeit dieselbe die Gewehre für die Armee und die beiden
Landwehren liefern, auf welche Zahlungsmodalitäten sie eingehen könne und
welche Bank ihr bei den Ratenzahlungen finanziell unter die Armee greifen
werde. Die Antwort wäre den beiden Regierungen mitzuteilen. Bei den Beratun¬
gen über das nächstjährige Budget des Reichskriegsministeriums könnte dann
bestimmt werden, wie vorzugehen sei und wie der betreffende Geldbetrag in den
Voranschlag eingestellt werden soll. Die Kontrakte für die beiden Landwehren
würden natürlich von den betreffenden Regierungen abzuschließen sein.

   Se. k. u. k. apost. Majestät haben die Gnade, diesem Anträge
die Allergnädigste Genehmigung zu erteilen.

   Hierauf geruhen Se. k. u. k. apost. Majestät die Frage des Pferdeausfuhrver¬
botes zu Sprache zu bringen. Die Regierungen beider Reichshälften wünschen
dringend die Aufhebung desselben, gegen welche sich aber vom militärischen
Standpunkte gewichtige Bedenken geltend machen. Es lasse sich nicht verken¬
nen, daß wenn wir das Verbot aufheben, ohne daß Deutschland und Rußland
gleichmäßig mit uns vergehen, die Gefahr eines massenhaften Exportes nach
dem Auslande (Frankreich, Italien und die Balkanländer) naheliege, wodurch
wir alsbald wieder genötigt sein könnten, das Verbot wiedereinzuführen. Es
liege ein Antrag der deutschen Regierung vor auf Gewährung von Erleichterun¬
gen bei Aufrechthaltung des Verbotes.

   Der k. u. k. Minister des Äußern Graf Kälnoky bemerkt,
daß auf diesen Antrag bisher nicht eingehend reagiert worden sei, da namentlich
von ungarischer Seite die völlige Aufhebung des Verbotes angestrebt werde.3 Er
habe in letzterer Hinsicht die deutsche Regierung sondiert, sei jedoch bei ihr auf
Bedenken gestoßen, indem man dort wohl für weitgehende Verkehrserleichte¬
rungen, aber nicht für die Beseitigung des Verbotes, mit Rücksicht namentlich
auf die von Frankreich in Angriff genommene Vermehrung der Kavallerie, sei.

16!MT. Ung.MR. v. 24. 5.1887. 2. In Angelegenheit der Milderung des Pferdeausfuhrverbo¬
tes, OL., K. 27, Karton 42.
<pb/>364 Nr. 26 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 7. 1887

Man habe in Berlin sogar ein gewisses Erstaunen gezeigt, daß wir an die völlige
Freigebung der Pferdeausfuhr denken. Auf seiten der russischen Regierung sei
man ziemlich geneigt, das Verbot, selbst ohne Rücksicht auf unser Vorgehen,
aufzuheben. Als Erleichterungen in der Handhabung des Verbotes von deut¬
scher Seite beantragt wurden, sei von der kgl. ung. Regierung angeregt worden,
die Ausfuhr der Pferde nur bei gewissen Grenzpunkten unter Kontrolle zu
gestatten, so daß man immer konstatieren könne, in welchem Maße der Stock
des Pferdestandes angegriffen sei. Vielleicht läge hierin ein Mittel zur Lösung
der Frage; - auch er möchte es unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht für
unbedenklich erachten, das Verbot einfach fallenzulassen.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Tisza hebt die schädliche
Rückwirkung des Verbotes auf die Pferdezucht hervor. Wenn letztere nicht
empfindlichst geschädigt und dadurch nicht auch die Remontierungsverhältnis¬
se für die Armee in der Folge beeinträchtigt werden sollen, sei es unerläßlich,
den Züchtern die Möglichkeit zu bieten, sich des Überschusses an Pferdemateri¬
al zu entledigen. Zu diesem Zwecke werde die Aufhebung des Verbotes immer
dringender und könne, seiner Überzeugung nach, jetzt nicht länger mehr ver¬
schoben werden. Würde die Ausfuhr von Pferden infolge der Öffnung der
Grenze außergewöhnliche Dimensionen annehmen, so könnte das Verbot jeder¬
zeit sofort reaktiviert werden.

   Anknüpfend an diese Ausführungen befürwortet der kgl. ung. Han¬
delsminister Graf Szechenyi ebenfalls die Aufhebung des Verbotes,
welche ihm auch unter dem Gesichtspunkte gerechtfertigt erscheint, daß seit
dem Bestände der Maßregel ein neuer Jahrgang (die fünfjährigen Pferde) dem
vorhandenen Stocke an kriegsdiensttauglichen Pferden zugewachsen sei. Würde
das Verbot nicht ganz beseitigt werden können, so sollten doch wenigstens
solche Pferde, welche unter oder über dem Militärmaß sind, zur Ausfuhr
zugelassen werden, wobei die Kontrolle einvemehmlich von den Militär- und
Zivilbehörden geübt werden könnte.

   Die Bedenken, welche gegen die Aufrechterhaltung des Verbotes der Pfer¬
deausfuhr vom Standpunkt der Erhaltung und Förderung der Pferdezucht
sprechen, werden auch vom k. k. Ackerbauminister Graf Falken¬
hayn im vollen Maße geteilt. Wenn der Züchter das überschüssige Material
nicht verkaufen könne, so werde er genötigt sein, die Zucht entweder ganz
einzustellen oder doch entsprechend einzuschränken, was künftighin auch auf
die Beschaffung der für Militärzwecke benötigten Pferde schädlich rückwirken
würde. Wenigstens sollten solche Pferde, die für die Armeezwecke nicht ver¬
wendbar sind oder noch nicht das diensttaugliche Alter erreicht haben, von dem
Verbote ausgenommen werden.

   Der k. k. Reichskriegsminister FZM. Graf Bylandt spricht
sich von seinem Standpunkt aus entschieden gegen die Beseitigung des Verbotes
aus. Eine solche Maßregel erscheine ihm um so bedenklicher, als die Zahl der
militärtauglichen Pferde nicht gleichmäßig über die ganze Monarchie verteilt sei
und die ohnedies schon dadurch gegebenen Schwierigkeiten für eine eventuelle
Mobilisierung noch vermehrt werden könnten, wenn inzwischen etwa gerade
<pb/>Nr. 26 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 7. 1887  365

 aus solchen Gegenden, welche einen geringeren Pferdestock haben, größere
 Quantitäten zur Ausfuhr gelangen. Er würde für seinen Teil selbst auf weitge¬
 hende Erleichterungen zugunsten der Pferdeausfuhr einraten, wenn wir nicht
 uns vor der Tatsache befänden, daß eine bedeutende Vermehrung der Kavallerie
 in Frankreich, Italien und in den Balkanländern in Angriff genommen sei, und
 daß sich hieraus ein außergewöhnlicher Bedarf an Pferden in diesen Staaten
 einstelle, für welchen man ausschließlich in Österreich-Ungarn Deckung suchen
 werde, wenn wir allein das Verbot aufheben. Gleichwohl sei er auch unter den
 gegenwärtigen Verhältnissen der Ansicht, daß gewisse Erleichterungen und
 Vereinfachungen eingeführt werden könnten, zu welchem Zwecke er die Einbe¬
 rufung einer fachmännischen Kommission vorgeschlagen habe. Würde sich die
 Situation später günstiger gestalten und die Gefahr einer massenhaften Ausfuhr
der Pferde verringern, so wäre dann, seinem Dafürhalten nach, der Augenblick
gekommen, an die Beseitigung des Verbotes zu schreiten.

    Derk. k. Finanzminister Ritter v. Dunajewski legt dar, wie
die Pferdezüchter durch das Ausfuhrverbot äußerst schwer getroffen werden.
Eine derartige Schädigung eines einzelnen Produktionszweiges aus Rücksichten
der allgemeinen Interessen könne nur im Falle einer imminenten Gefahr ge¬
rechtfertigt erscheinen. Sei letztere nicht mehr im gleichen Maße wie bisher
vorhanden, so dürfe man nicht aus dem Auge verlieren, daß die Monarchie ein
Pferde exportierendes Land sei, und daß wegen der Möglichkeit, daß eine solche
Gefahr später einmal wieder näherrücke, ein wichtiger Zweig unserer heimi¬
schen Produktion nicht auf die Dauer lahmgelegt werden sollte. Er sei daher für
die Aufhebung des Verbotes der Pferdeausfuhr mit dem Vorbehalte, dasselbe
wieder einzuführen, sobald die auswärtige Situation einen bedrohlichen Cha¬
rakter annehmen oder die Ausfuhr der Pferde sich im außergewöhnlichen Maße
steigern sollte. Was die eventuelle Gewährung einzelner Erleichterungen anlan¬
ge, so könne er nicht umhin, darauf aufmerksam zu machen, daß solche Begün¬
stigungen erfahrungsgemäß leicht zu Willkürlichkeiten Anlaß geben.

   Derkgl. ung. Ministerpräsident v. Tisza vermag von der An¬
sicht nicht abzugehen, daß die Aufhebung des Verbotes der Pferdeausfuhr nicht
länger verschoben werden sollte. Wenn auch die Züchter von Luxus- und
Vollblutpferden die Fortdauer der Sperre auszuhalten vermögen, so sei dies
gerade bei den Züchtern der für Militärzwecke benötigen Pferde nicht der Fall.
Er glaube nicht, daß die Beseitigung des Verbotes die Schwierigkeiten, welche
sich aus der ungleichmäßigen Verteilung des Pferdestandes in den einzelnen
Gegenden der Monarchie ergeben, erhöhen würde, da angenommen werden
könne, daß die Ausfuhr von Pferden wohl hauptsächlich aus solchen Gebietstei¬
len erfolgen werde, wo eben ein großer Pferdeüberschuß vorhanden sei. Die
Unsicherheit der politischen Lage werde voraussichtlich noch längere Zeit
andauern, und wenn man die volle Klärung derselben abwarten wolle, um das
Verbot zu beseitigen, so sei die Besorgnis gerechtfertigt, daß inzwischen einer
der wenigen noch rentablen landwirtschaftlichen Produktionszweige zugrunde
gehen würde, zum Schaden der Volkswirtschaft wie nicht minder auch der
Armee selbst. Sollte aber seine Ansicht, daß das Verbot aufzuheben sei, nicht
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durchdringen, so müßte er doch wenigstens auf weitgehende Erleichterungen
bestehen, wie sie Deutschland beantragt habe, welches alle Pferde unter 4 Jahren
ohne Ausnahme zur Ausfuhr zulasse.

   Derk. k. Ministerpräsident Graf Taaffe schließt sich der An¬
sicht des Ministerpräsidenten von Tisza an. Er würde keinen Anstand nehmen,
das Verbot alsbald zu reaktivieren, wenn es sich heraussteilen sollte, daß die
Freigebung der Ausfuhr die Versorgung der Armee mit dem im Mobilisierungs¬
falle notwendigen Pferdematerial gefährde. In der Zwischenzeit würden aber die
Züchter doch Gelegenheit gehabt haben, sich ihres Überschusses an Pferden zu
entledigen. Wie die Dinge derzeit aufpolitischem Gebiete liegen, wäre sonst kein
Absehen vorhanden, wann man zur Aufhebung des Verbotes schreiten könnte.
Würde die Entscheidung nicht für die vollständige Beseitigung des Verbotes
ausfallen, so würde auch er möglichst weitgehende Erleichterungen unterstüt¬
zen, es aber eher vorziehen, die Ausfuhr auf bestimmte Punkte einzuschränken,
als nur gewisse Kategorien von Pferden zu begünstigen.

   Der k. k. Reichskriegsminister Graf Bylandt erklärt, seinen
Standpunkt festhalten zu müssen. Er präzisiert denselben nochmals dahin, daß
er im Interesse der Kriegsverwaltung die Aufhebung des Verbotes der Pfer¬
deausfuhr derzeit noch für gefährlich erachte und nur die Einführung gewisser
Erleichterungen empfehlen könnte, durch welche der Zweck jener Maßregel
nicht beeinträchtigt zu werden vermöchte.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Tisza würde für die even¬
tuelle Aufhebung des Verbotes die schon in den vorhergegangenen Verhandlun¬
gen angeregte Modalität vorschlagen, daß die Ausfuhr der Pferde nur über
gewisse Stationen gestattet werde, bei welchen durch eine entsprechende Kon¬
trolle die Zahl der zur Ausfuhr gelangenden militärtauglichen Pferde stets in
Evidenz gehalten würde.

   Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen Sich dahin auszusprechen,
daß das Verbot der Pferdeausfuhr aufgehoben werden könne, unter dem Vorbe¬
halte, dasselbe wiedereinzuführen, wenn die Ausfuhr die normalen Verhältnisse
überschreiten sollte. Die Stationen, über welche die Ausfuhr stattfinden könne,
sowie die Modalitäten der einzuführenden Kontrolle wären durch eine fach¬
männische Kommission festzusetzen.

   Se. k. u. k. apost. Majestät haben hierauf noch die Gnade, die
Frage der Einberufung der Vertretungskörper zu berühren. In dieser Beziehung
sei bereits bestimmt, daß der ungarische Reichstag am 26. September zusam¬
mentreten soll.

   Nach den Bemerkungen, welche die beiden Ministerpräsidenten v.
Tisza und Graf Taaffe machen, wird in Aussicht genommen, daß der
österreichische Reichsrat Ende September und die Delegationen Ende Oktober
oder Anfang November einberufen werden können. Der Monat Dezember
würde für die Session der österreichischen Landtage reserviert werden, so daß
der Reichsrat Mitte Jänner seine Arbeiten wiederaufnehmen könnte.
<pb/>Nr. 27 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 26. 9. 1887                 367

   Se. k. u. k. apost. Majestät geruhten hierauf die Sitzung zu
schließen.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen.
Ischl, 20. August 1887. Franz Joseph.

    Nr. 27 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 26. September 1887

      RS. (und RK.)

     Gegenwärtige: der kgl. ung. Ministerpräsident v. Tisza (14.10.), der k. k. Ministerpräsident Graf
 Taaffe (18. 10.), der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister FZM. Graf Bylandt-Rheidt (14. 10.), der
 k. u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay (20. 10.), der kgl. ung. Kommunikationsminister
 Baross (15. 10.), der k.u. k. Vizeadmiral Freiherr v. Stemeck (21. 10.), der erste Sektionschef
 Szogyeny (29.10.), der Sektionschef und Chefder k. u. k. Militärintendantur Lambert (19.10.) der
 k. u. k. Marinegeneralkommissär Kleemann (21. 10.).

     Protokollführer: Staatssekretär Tarkovich.
     Gegenstand: Feststellung des gemeinsamen Budgets für 1888.

    KZ. 64 - RMRZ. 343
    Protokoll der am 26. September 1887 in Budapest abgehaltenen gemeinsamen
Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des k. u. k. gemeinsamen Ministers des
Äußern Grafen Kälnoky.

   Den Gegenstand der Beratung der Konferenz bildet die Feststellung des
Voranschlages der Kosten der gemeinsamen Angelegenheiten für 1888.

   Zur Verhandlung gelangt zunächst das Budget des Ministeriums des Äußern,
bei welchem das unbedeckte Erfordernis für das Jahr 1888 gegenüber 1887 sich
um 362 170 fl. niedriger stellt.

   Dieses Ergebnis findet hauptsächlich darin seine Erklärung, daß die Subven¬
tion an den öster.-ung. Lloyd nur für ein halbes Jahr eingestellt wurde mit der
Summe von 650 000 fl., weil der mit der gedachten Dampfschiffunternehmung
bestehende Schiffahrtsvertrag mit Ende Juni 1888 abläuft und die Verhandlun¬
gen wegen der Erneuerung des Vertrages bisher noch nicht zum Abschlüsse
gelangt sind. Außerdem wird weniger angesprochen bei den außerordentlichen
Auslagen der Zentralleitung, indem die Kostgeldaufzahlung für acht Zöglinge
der orientalischen Akademie in der Summe von 1600 fl. entfallt.

   Dagegen kommen Mehranforderungen vor bei den ordentlichen Ausgaben
der Zentralleitung um 3350 fl., bei den diplomatischen Auslagen um 5000 fl.,
bei den Konsulatsauslagen um 15 100 fl., dann an außerordentlichen Auslagen
bei den diplomatischen Auslagen um 50 100 fl., hauptsächlich infolge der Ein¬
stellung der ersten Rate für die Herstellung des Sommerpalastes in Jeniköi mit
50 000 fl.

   Bei der Bedeckung zeigt sich ein Ausfall von 215 880 fl., nachdem beim
öster.-ung. Lloyd die Vorschußtilgungsquote mit 134 000 fl. und die 4% Zinsen
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