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Gemeinsamer Ministerrat, 19. 4. 1887

I. Inanspruchnahme eines Teiles des mit dem Ah. sanktionierten Delegationsbeschlusse vom 7. März l.J. bewilligten Eventualkredites

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_IV/pdf/oe_hu_mrp_IV_z24.pdf.

344 Nr. 24 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 19. 4. 1887

Schluß heute in keinem Falle gefaßt werden könnte, da jedenfalls noch nach dem
Wortlaute des Gesetzes die beiderseitigen Ministerräte einzuvernehmen wären.

    Derk. k. Reichskriegsminister FZM. Graf Bylandt erklärt,
daß er bei aller Berücksichtigung der Bedenken, die geäußert wurden, auf der
' ungeschmälerten Bewilligung der von ihm angesprochenen Positionen im Inter¬
esse der Schlagfertigkeit des Heeres im Ernstfälle beharren müsse. Die Positio¬
nen seien auf das knappste berechnet, und es komme nur eine Post von 70 000
fl. in Abrechnung, nachdem Se. Majestät gestern die Bewilligung gegeben habe,
daß'die für die erste Periode zur Waffenübung einberufenen Reservisten statt
für 28 Tage nur 13 Tage zu behalten seien.

   Der Vorsitzende bemerkt, daß die einander entgegenstehende gegen¬
sätzliche Auffassung eine Einigung in der heutigen Beratung wohl kaum erwar¬
ten lasse und daß daher vorerst nur über das weitere Vorgehen in der Sache
schlüssig zu werden sei.

   Die Konferenz einigt sich darüber, daß sich eine Fühlungnahme mit den
beiderseitigen Ministerräten und sodann eine Beratung des Gegenstandes unter
Ah- Vorsitz Se. Majestät als notwendig erweisen dürfte. Der Sitzung unter Ah.
Vorsitz hätte noch eine Konferenz im Ministerium des Äußern voranzugehen,
für welche eine noch näher zu bestimmende Stunde am Dienstag des 19. April
in Aussicht genommen wird.

   Die Sitzung wird hierauf geschlossen-
                                                                                       Kälnoky

Ah. E- Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Wien, 19. April 1887. Franz Joseph.

    Nr. 24 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 19. April 1887

     RS. (und RK.)
     Gegenwärtige: der kgl. ung. Ministerpräsident v. Tisza (20. 4.), der k. k. Ministerpräsident Graf
Taaffe (20. 4.), der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister FZM. Graf Bylandt-Rheidt (3. 6.), der
k. u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay (22. 4.), der k. k. Finanzminister Ritter v. Dunajewski
(ö. D.), der k. u. k. Vizeadmiral Freiherr v. Stemeck (o. D.).
     Protokollführer: Hof- und Ministerialrat Ritter v. Khu.
     Gegenstand: Inanspruchnahme eines Teiles des mit dem Ah. sanktionierten Delegationsbe-
schlusse vom 7. März 1. J. bewilligten.Eventualkredites.

   RMRZ. 340
   Protokoll des zu Wien am 19. April 1887 abgehaltenen Ministerrates für
gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des k. u. k. gemeinsamen
Ministers des Äußern Grafen Kälnoky.

   Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung, indem er unter Hinweis darauf,
daß man in der letzten Konferenz noch die vorgängige Fühlungnahme der
<pb/>Nr. 24 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 19. 4. 1887  345

 Mitglieder der beiderseitigen Regierungen mit ihren Kollegen für notwendig
 erachtet habe, zunächst die beiderseitigen Herren Ministerpräsidenten auffor¬
 dert, die Ergebnisse dieser Beratungen darzulegen.

    Derkgl. ung. Ministerpräsident v. Tisza bemerkt, daß es ihm
 bei der Kürze seiner Anwesenheit in Budapest nicht möglich gewesen sei,
 formelle Verhandlungen oder Beschlüsse des kgl. ung. Ministerrates zu provo¬
 zieren, und daß er nur in der Lage war, sich im allgemeinen über die Anschauun¬
 gen zu orientieren.1

    Derk. k. Ministerpräsident Graf Taaffe beantwortet die An¬
 frage des Vorsitzenden dahin, daß allerdings in dem k. k. Ministerrate über die
 Sache verhandelt worden sei und werde über die Ergebnisse der k. k. Finanzmi¬
 nister berichten.

    Der k. k. Finanzminister Ritter v. Dunajewski führt nun
 aus, daß der k. k. Ministerrat der Ansicht zugestimmt habe, daß nach dem
 Wortlaute des Ah. sanktionierten Delegationsbeschlusses vom 7. März2 sowohl,
wie nach den im Ausschüsse der Delegationen gegebenen Erklärungen, die
dermalige Inanspruchnahme des Eventualkredites von 28 Millionen, die aus¬
drücklich an den Eintritt ganz bestimmter Voraussetzungen gebunden wurde,
nachdem dieser Eintritt nicht erfolgt sei, dem Gesetze widerspreche. Unzweifel¬
haft repräsentieren aber die jetzt gestellten Anforderungen der Kriegsverwal¬
tung Ergänzungen von Maßregeln, welche bereits im 23-Millionen-Kredite
vorgesehen waren, und dieselben wären daher allerdings in noch sehr zu reduzie¬
render Höhe von der gemeinsamen Regierung als Überschreitungen dieses
Kredites zu bestreiten und als solche in analoger Weise, wie dies alljährlich bei
Budgetüberschreitungen der Fall ist, vor den Delegationen zu rechtfertigen.

   Der Vorsitzende glaubt die eben gehörten Ausführungen dahin resü¬
mieren zu können, daß nach Anschauung der k. k. Regierung die gemeinsame
Regierung die beantragten Mehrauslagen als eine Überschreitung des Spezial¬
kredites anzusehen und vor der Delegation zu rechtfertigen hätte, zu welchem
Vorgänge die beiderseitigen Regierungen ihre Zustimmung erteilen würden.

   Derk. k. Finanzminister Ritter v. Dunajewski erwidert, daß
zu einer Zustimmungserteilung seitens der beiderseitigen Regierungen kein
Anlaß vorliege. Eine solche Zustimmung wäre im Gesetze nur für die Inan¬
spruchnahme des Kredites von 28 Millionen, welche aber eben mangels der
Voraussetzungen, von denen sie abhängig sei, ausgeschlossen werden solle,
angesprochen worden. Zur Überschreitung des 23-Millionen-Kredites sei eine
vorgängige Zustimmungserklärung der beiderseitigen Regierungen ebenso we¬
nig erforderlich, als eine solche bei den alljährlich wiederkehrenden oft sehr
bedeutenden Überschreitungen des normalen Budgets seitens der gemeinsamen
Regierungen angesprochen zu werden pflege.

   Der k. u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay be-

12/MT. Ung.MR. v. 17. 4.1887. 1. Uber Inanspruchnahme eines Teiles des Kredites, weicher
für außerordentlichen Kriegsbedarf votiert wurde, OL., K. 27, Karton 42.
Kolmer, Parlament und Verfassung in Österreich Bd. 4, 52-54.
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merkt, daß er seinerseits die Übernahme einer Verantwortung vor den Vertre¬
tungskörpern durchaus nicht abzulehnen beabsichtige, daß er aber doch beto¬
nen müsse, daß nach seiner Ansicht im vorliegenden Falle die Sache anders liege
als bei den Überschreitungen des normalen Budgets. Bei Votierung des 23-Mil-
lionen-Kredites sei eben schon gleichzeitig auch die eventuelle Notwendigkeit
weiterer Auslagen ins Auge gefaßt und an zwei Bedingungen geknüpft worden,
erstens an den Eintritt gewisser Voraussetzungen, zweitens an das Einverneh¬
men mit den beiderseitigen Regierungen. Was die erste Bedingung anbetreffe,
so könne er, Wenn er auch für seine Person den Fall für dieselbe als eingetreten
ansehe, doch immerhin zugeben, daß das eine Frage der Auffassung sei, über
die zweite könne aber kein Zweifel herrschen; es wäre dem gemeinsamen Mini¬
sterium äußerst schwierig, sich einseitig über dieselbe hinauszusetzen, und wenn
auch schon nicht eine formelle Zustimmung der beiderseitigen Regierungen, so
wäre doch eine Erklärung derselben, daß sie nichts gegen diese Überschreitun¬
gen einzuwenden haben, zur Deckung vor den Delegationen erforderlich.

   Der k. k. Finanzminister Ritter v. Dunajewski bemerkt, daß
diese Anregung immerhin in Erwägung gezogen werden könnte, allerdings aber
dann auch prinzipiell anerkannt werden müßte, daß bei allen bedeutenderen
Überschreitungen des gemeinsamen Budgets das Einvernehmen mit den beider¬
seitigen Regierungen zu pflegen wäre.

   Der Minister des Äußern Graf Kälnoky spricht sich dahin aus,
daß die so scharf begrenzte Trennung der beiden Kredite nach ihrer Bestim¬
mung und Voraussetzung, wie sie jetzt betont werde, nicht dem Geiste und der
Stimmung entspricht, im dem sie seinerzeit angesprochen und bewilligt worden
sind.

   Wenn auch die Inanspruchnahme des Eventualkredites in seiner Totalität
von dem Eintritte einer Verschlechterung der Situation abhängig gedacht wor¬
den sei, so wäre man sich doch allseits dessen vollkommen bewußt gewesen, daß
auch in dem Falle, als die Situation sich nicht vollständig zum Bessern umän¬
dern werde, noch gewisse Beträge zur Fortsetzung und Fertigstellung der einge¬
leiteten Maßnahmen, die man nicht jäh abbrechen könne, werden flüssig ge¬
macht werden müssen.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Tisza erklärt, daß er an
dem Prinzip festhalte, daß der Eventualkredit nur bei Eintritt der Voraussetzun¬
gen, an die er gebunden sei, in Anspruch genommen werde; den Antrag der k. k.
Regierung gemäß, die notwendigen Mehrauslagen über den 23-Millionen-
Kredit generell als Überschreitungen zu charakterisieren, für welche der gemein¬
samen Regierung die Rechtfertigung von der Delegation überlassen bleiben
würde, glaube er aber wegen der Konsequenzen einer solchen Vorgängsweise
auch nicht akzeptieren zu können. Er möchte diesfalls einen Mittelweg propo-
nieren, müsse aber vor allem erklären, daß es sich nur um eine persönliche
Anschauung handle, die er damit vertrete und für die er erst die Zustimmung
des kgl. ung. Ministerrates einholen müßte.3 Eine Bewilligung sämtlicher Po-

        13/MT. Ung.MR. v. 23. 4. 1887, OL., K. 27, Karton 42.
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sten, die von der Kriegsverwaltung angesprochen würden, sei ganz untunlich,
eine bedeutende Anzahl derselben müsse vollständig ausgeschieden werden.
Von den übrigen könnten bei einigen wohl die Entnahme der notwendigen
Deckung aus dem 23-Millionen-Kredit bewilligt, bei anderen die Rechtfertigung
derselben als Überschreitungen zugestanden werden. Redner geht nun nach der
vom Reichskriegsministerium mitgeteilten Liste die einzelnen Posten durch und
bemerkt, daß er bezüglich Post 1 ,,fortifikatorische Maßnahmen&quot; bereits in der
 letzten Sitzung erklärt habe, daß sie aus dem 28-Millionen-Kredite bestritten
werden könnte. Aus der Post 2 ,,Beschaffung von Bekleidungs- und Ausrü¬
stungssorten&quot; eigne sich nichts zur Bestreitung aus dem Kredite. Die vom
 Kriegsminister angeführte Anschaffung der neuartigen Patrontaschen wäre
einfach eine Vorausnahme eines gewöhnlichen budgetären Postens; das Schuh¬
werk eine ganz neue Einführung. Auf Post 3 und 4 könne gleichfalls nicht
eingegangen werden.

    Von den unter Post 5 ,,Verpflegsvorsorgen&quot; in Aussicht genommenen Ma߬
nahmen könnten bezüglich jener, welche sich ausschließlich auf die anderweitige
Verwertung der in Galizien befindlichen Vorräte beziehen und zunächst in den
Transportkosten zum Ausdrucke kommen, die Bestreitung aus dem 28-Millio-
nen-Kredite zugestanden werden. Die unter derselben Post in Aussicht genom¬
mene Auswechslung der dreijährigen Konserven sei dagegen eine Maßregel, die
im Budget hätte vorgesehen sein sollen und sich daher nur als Überschreitung
rechtfertigen lasse.

   Aus Post 6 könnte jene Summe, die notwendig ist, um den stärkeren Pferde¬
stand aufrechtzuerhalten, bewilligt werden. Alle für die Marine angesprochenen
Posten lassen sich als Überschreitungen vor den Delegationen rechtfertigen,
indem man denselben darlegt, daß nur das zur Vollendung der mit den 1,5
Millionen angefangenen Arbeiten fehlende bestritten worden sei, daß diese
Beträge ohnehin in dem Extraordinarium der Marine hätten eingestellt werden
müssen, welches so um diese Summe entlastet sei.

   Auf die Bemerkung des k. k. Marinekommandanten Vizeadmi¬
rals Freiherr v. Sterneck, daß die beanspruchten Posten erst aus
dem Budget pro 1889 ganz entfallen würden, da mit den jetzt beanspruchten
Summen nur die Versetzung in kriegsfahigen Zustand erreicht, für den vollen
Ausbau der Schiffe noch eine weitere Rate begehrt werden müsse, erwidert der
kgl. ung. Ministerpräsident v. Tisza, daß hiedurch nichts an dem
Charakter der Auslagen, welche keine neuen Posten, sondern nur Verschiebun¬
gen von Raten repräsentieren und die daher doch in der proponierten Weise
gerechtfertigt werden können, geändert werde. Ein anderes sei es mit der Post
für den Ankauf eines neuen Torpedobootes; mit der Bezahlung des hiefür
entfallenden Betrages müsse bis nach der Bewilligung der Delegationen gewartet
werden; es werde sich gewiß der Lloyd ganz leicht zu einer solchen Stundung
verstehen.

   Derk. k. Reichskriegsminister FZM. Graf By 1 andt erklärt,
daß er dem von den beiderseitigen Regierungen vertretenen Standpunkte, daß
der Fall, an den die Inanspruchnahme des Eventualkredites gebunden werde.
<pb/>348 Nr. 24 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 19. 4. 1887

nicht eingetreten sei, nicht beipflichten könne. Nur wenn es feststehen würde,
daß überall die außerordentlichen Vorbereitungen eingestellt und nicht, wie es
tatsächlich der Fall ist, in den Nachbarstaaten mit Ausrüstungsarbeiten in
großem Stile vorgegangen würde, so wäre man berechtigt, auch unsererseits die
Zeit gekommen zu erachten, um mit den seit mehreren Monaten eingeleiteten
Maßnahmen nicht weiter fortzufahren. Nun dauere aber die Unsicherheit in
gleicher Weise wie bisher fort und die Detente der politischen Situation, von der
der Minister des Äußern gesprochen, zeige sich zunächst nur auf dem Gebiete
unserer diplomatischen Beziehungen zu Rußland.

   Diese Sachlage berechtige in keiner Weise, auf den Frieden mit Sicherheit zu
rechnen. Solange man aber nicht sagen könne, daß der Kriegsfall nicht eintreten
könne, ist für den Kriegsminister die Pflicht gegeben, alles vorzusorgen, um auf
alle Eventualitäten gerüstet zu sein. Der Sprecher kann versichern, daß er den
Rücksichten auf die Finanzlage auf das sorgfältigste Rechnung getragen und
weit hinter den Anforderungen zurückgeblieben sei, die seitens der maßgeben¬
den Organe gestellt wurden, die eventuell berufen seien, die Armee zu führen.
Der Kriegsminister geht nun die einzelnen Posten der Anforderungen durch, um
nachzuweisen, daß solange die Möglichkeit einer kriegerischen Wendung der
Situation nicht ausgeschlossen ist, deren Durchführung eine unabweisbare Not¬
wendigkeit sei. Die Zulässigkeit der Entnahme der für fortifikatorische Ma߬
nahmen nötigen Beträge aus dem Eventualkredite sei schon von dem kgl. ung.
Ministerpräsidenten zugestanden worden, und tatsächlich würde eine Unterbre¬
chung derselben eine Ermutigung des Auslandes zu feindseligem Verhalten
gegen die Monarchie zur Folge haben können. Die sub 2 angesprochenen
Summen für Bekleidungssorten etc. erklären sich einfach dadurch, daß von den
großen Vorräten, für welche die Kriegsverwaltung insbesondere nach Einfüh¬
rung des Landsturmes zu sorgen habe, nur diejenigen in den 23-Millionen-
Kredit Aufnahme gefunden haben, welche in den abgelaufenen Monaten wirk¬
lich hergestellt werden könnten; diese repräsentieren aber durchaus noch nicht
das nötige Erfordernis, und würde jetzt eine Nichtfortsetzung der bezüglichen
Anschaffungen die Unmöglichkeit zur Folge haben, beim Ausbruche eines
Krieges einen großen Teil des Landsturmes mit den bezüglichen Bekleidungs¬
sorten zu versehen, und zwar dies um so mehr, als sich derartige Gegenstände
nicht in der letzten Zeit, wo schon die Gefahr imminent ist, beschaffen lassen.
Was die neuartigen Patrontaschen anbelangt, ohne welche auch die Repetierge¬
wehre ohne Nutzen sind, so könnte allerdings die Anschaffung derselben in
normalen Zeiten vielleicht bis zur Votierung des Budgets verschoben werden,
dermalen, wo die Kriegsgefahr immerhin fortbestehe, sei dies unmöglich und
müsse sichergestellt werden, daß den mit den neuen Repetiergewehren auszurü¬
stenden Korps auch die nötigen Patrontaschen ausgefolgt werden können. Was
die sub 3 und 4 angesprochenen Summen zur Ergänzung des Artilleriematerials
und Trainwesens anbelangt, so seien dieselben größtenteils eine Folge der durch
Einreihung der Landwehr in die aktive Armee mit den relativ geringsten Kosten
erreichten Vermehrung der Armee um ein Korps. Während für die bisherigen
Korps alles Hiehergehörige auf das minutiöseste vorbereitet und aufgestapelt
<pb/>Nr. 24 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 19. 4. 1887  349

war, muß nun auch für dieses neue Korps das nötige Trainmaterial in ausrei¬
chender Weise vorgesorgt werden, wenn dasselbe nicht zur Inaktivität verurteilt
sein solle.

    FZM. Graf Bylandt geht nun in eingehender Weise auf die Post ,,Verpflegs-
wesen&quot; ein, indem er ausführt, daß dieselbe eine Konsequenz der auf vieljährige
Erfahrungen und Studien begründeten Vorschriften und Regeln ist, ohne deren
Befolgung die Vorräte bald unbrauchbar werden würden; übrigens mache sich
auch hier die durch die Veränderung der Stellung der Landwehr erfolgte Ver¬
mehrung der Armee geltend, indem die Aufstellung des Verpflegsmateriales für
ein ganzes Armeekorps vorgesorgt werden müsse. Bei der Post 6 ,,Sonstige
militärische Vorkehrungen, namentlich bezüglich erweiterter Übungen und
Überkomplettführung im Pferdestande einiger Kavallerie- und Artillerieabtei¬
lungen&quot; hebt der Kriegsminister hervor, daß in dieser Post die Summen enthal¬
ten sind, welche sich dadurch ergaben, daß dafür vorgesorgt wurde, daß wenig¬
stens die in erster Linie an der Grenze stehenden Artillerieabteilungen die
nötigen Bespannungen haben, um im Falle eines Alarmes in entsprechender
Stärke auftreten zu können, auch hier könne wohl an eine Auflösung dieser
Maßnahmen nicht gedacht werden.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Tisza und der k. k. Fi¬
nanzminister Ritter v. Dunajewski erklären auch angesichts der
Aufklärungen des Kriegsministers, auf dem von ihnen entwickelten durch das
Gesetz einmal bedingten Standpunkte beharren zu müssen.

   Der Minister des Äußern Graf Kälnoky ergreift das Wort, um
erneuert darauf hinzuweisen, daß nach seiner Ansicht die schroffe Interpreta¬
tion, welche dermalen dem Wortlaute des Delegationsbeschlusses gegeben wer¬
de, nicht im Einklänge stehe mit der Auffassung, die bei Feststellung der
bezüglichen Vorlage, sowohl wie der Beschlüsse, geherrscht habe und der zufol¬
ge man immer vorausgesetzt habe, daß bezüglich gewisser Ausgaben, die mit
den im Drange der Verhältnisse aus dem Kredite von 23 Millionen zu bestreiten¬
den Auslagen im Zusammenhänge stehen, auf den Eventualkredit werde gegrif¬
fen werden müssen. Wenn die gemeinsamen Minister den von der k. k. Regie¬
rung proponierten Modus nicht akzeptieren, so geschehe es nicht darum, weil
sie nicht die Verantwortung übernehmen wollen, sondern weil sie eben die
angesprochenen Summen als in den Eventualkredit hineingehörig betrachten.

   Was die Situation betrifft, so habe er in der letzten Sitzung ausgeführt, daß
eine Detente in derselben eingetreten sei, dieselbe sei übrigens nicht zum wenig¬
sten vielleicht auf Rechnung der Entschlossenheit zuzuschreiben, die man hier
gezeigt habe, alles vorzusorgen, um einer sich aufdrängenden Kriegsgefahr
eventuell entgegentreten zu können. Nachdem aber die Quellen der Unruhen
noch immer fortbestehen, so könne man trotz der Zunahme der allgemeinen
Stimmung für den Frieden nicht sagen, ob sich nicht durch einen Inzidenzfall
die Situation plötzlich ändern werde.

   Nachdem noch in der Diskussion von verschiedenen Seiten weitere Argumen¬
te zur Vertretung der differierenden Standpunkte vorgebracht werden, bean¬

tragt der k. k. Ministerpräsident Graf Taaffe, daß vorläufig der
<pb/>350 Nr. 25 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 20. 4. 1887

Vermittlungsantrag des kgl. ung. Ministerpräsidenten formuliert und der Ver¬

such gemacht werde, in der Sitzung unter Ah. Vorsitze auf Basis desselben zu

einer Verständigung zu gelangen.

Der k. k. Finanzminister Ritter v. Dunajewski erklärt, daß

er durch den Vermittlungsantrag seine staatsrechtlichen Bedenken nicht geho¬

ben erachte, daß er aber, falls derselbe die Zustimmung des k. k. Ministerrates,

die ja jedenfalls noch eingeholt werden müßte, finden würde, nicht auf seinem

Widerstande beharren wolle, jedoch unter der Voraussetzung, daß mit den jetzt

eventuell zu bewilligenden Summen die Anforderungen der Kriegsverwaltung

an die Finanzen der beiden Reichshälften für dieses Jahr zum Abschlüsse

gelangen.

Der Vorsitzende glaubt auch, daß möglicherweise in dem Vermitt-

lungsantrage die Basis zur weiteren Diskussion gefunden werden könne, und

ersucht den kgl. ung. Ministerpräsidenten um eine Formulierung derselben.

Der kgl. ung. Ministerpräsident faßt seine Anschauungen dahin

zusammen, daß die Auslagen für die Vollendung der fortifikatorischen Ma߬

nahmen sowie diejenigen Ausgaben, welche sich als lediglich dazu bestimmt

charakterisieren lassen, um das aus dem 23-Millionen-Kredite Angeschaffte in

statu quo zu erhalten, aus dem Eventualkredit bestritten werden sollen. Nach

seiner Schätzung würden sich diese Summen beiläufig um 3 Millionen herum

belaufen. Jene Beträge, die sich als einfache Überschreitungen des fixen Kredites

oder aber als im voraus erfolgte Verausgabungen für ohnehin zu bestreitende

Erfordernisse darstellen, und unter letztere rechne er auch die gesamten Voraus¬

erhebungen von Raten für die Marine, wären als Überschreitungen bei Vorlage

des ordentlichen Budgets an die Delegationen zu rechtfertigen. Diese Auslagen

nehme er mit beiläufig 2 Millionen an. Die Bestreitung der nicht in diese

Kategorie gehörigen Anforderungen hätte dermalen zu unterbleiben.

Der kgl. ung. Ministerpräsident betont, daß diese Anträge lediglich seiner

persönlichen Ansicht entstammen und für dieselben erst im Falle der Annahme

die Zustimmung des kgl. ung. Ministerrates eingeholt werden müßte, was übri¬

gens dann in kürzester Frist erfolgen könne.4

Die Sitzung wird hierauf geschlossen.                              Kälnoky

[Ah. E. fehlt]

   Nr. 25 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 20. April 1887

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der k. u. k. gemeinsame Minister des Äußern Graf Kälnoky (o. D.), der kgl. ung.
Ministerpräsident v. Tisza (10. 5.), der k. k. Ministerpräsident Graf Taaffe (28. 4.), der k. u. k.
gemeinsame Kriegsminister FZM. Graf Bylandt-Rheidt (5.6.), der k. u. k. gemeinsame Finanzmini-

4 Siche Anm. 4.
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