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Gemeinsamer Ministerrat, 11. 11. 1883

I. Die gemeinsame Besprechung einiger Eisenbahnfragen in Galizien und in Mähren-Schlesien

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_IV/pdf/oe_hu_mrp_IV_z1.pdf.

II. Die Mitteilung einiger, die Mobilisierung berührenden Bestimmungen an den Statthalter in Galizien

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_IV/pdf/oe_hu_mrp_IV_z1.pdf#page=12.

Dokumente
<pb/>1
<pb/>                     PROTOKOLLE UND BEILAGEN

 Nr. 1 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 11. November 1883

      RS.
     Gegenwärtige: der k. u. k. gemeinsame Minister des Äußern Graf Kälnoky (15. 11 ) der k u k
 gemeinsame Kriegsminister FZM. Graf Bylandt-Rheidt (15. 11.), der k. u. k. gemeinsame Finanz¬
 minister Källay (17. 11.), der k. k. Ministerpräsident Graf Taaffe (18. 11.), der k. k Minister für
 Landesverteidigung FML. Graf Welsersheimb (19. 11.), der k. k. Finanzminister Ritter v. Duna-
jewski, der k. k. Handelsminister Freiherr v. Pino, der Chef des k. u. k. Generalstabes FML.
 Freiherr v. Beck (15. 11.), der Stellvertreter des Vorstandes der k. u. k. Militärkanzlei Obst, des
 Generalstabskorps Ritter v. Pohl (25. 11.) und der Chef des Eisenbahnbureaus Obst, des k. u k
 Generalstabskorps Ritter Pitreich.
     Protokollführer: Hptm. Koller der k. u. k. Militärkanzlei.
     Gegenstand: I. Die gemeinsame Besprechung einiger Eisenbahnfragen in Galizien und in Mäh¬
 ren-Schlesien. II. Die Mitteilung einiger, die Mobilisierung berührenden Bestimmungen an den
 Statthalter in Galizien.

    [RMR. 316]
    Protokoll1 über die unter Ah. Vorsitze Sr. k. u. k. apost. Majestät am 11.
November stattgehabte Konferenz.

    [I.]Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen in Eröffnung der Sitzung
anzuführen, daß in der heutigen Konferenz nur jene Fragen militärisch-gemein¬
samer Natur zu Besprechung gelangen werden, welche die gemeinsamen sowie
die österreichischen Minister berühren. In einer späteren Sitzung werden die
übrigen Fragen unter Zuziehung der ungarischen Minister zur Diskussion
kommen.

   Die heutige Besprechung knüpft an die im Monate Februar d. J. abgehalte¬
nen Beratungen an,2 wo die meisten Fragen bereits erörtert wurden. Es handelt
sich soweit heute mehr um eine Rekapitulation, wobei gleichzeitig zum Aus¬
drucke zu bringen sein wird, welche Fortschritte seither gemacht wurden und
in welchen Stadien sich die verschiedenen Angelegenheiten befinden. In erster
Linie ist die Frage bezüglich der Baufortschritte auf der galizischen Transversal¬
bahn und auf deren Nebenlinien zu beantworten.

        KA., MKSM. 20-1/13-2 de 1883. - Vgl. Vermerkzettel im HHStA., PA. XL, Karton 293-
        Z. 316/RMR. Sub. N. 2929 1883 in der MKSM.
        Protokoll des am 4. Februar 1883 unter Ah. Vorsitze Sr. k. u. k. apost. Majestät in der
        Hofburg zu Wien abgehaltenen gemeinsamen Ministerrates über mehrere Fragen militäri¬
        schen Inhaltes. KA., MKSM. 20-1/6-4 von 1883. - Protokoll der unter Ah. Vorsitze am 6.
        Februar 1883 stattgehabten Konferenz. KA., MKSM. 20-1/6-5 von 1883.
<pb/>202 Nr. 1 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 11. 11. 1883

   Se. Majestät fordern den Handelsminister Baron Pino auf, bekanntzugeben,
in welchem Stadium sich die Bauarbeiten befinden und ob Hoffnung vorhanden
ist, daß die wiederholt als dringend bezeichnete Fertigstellung der Bahn sich
nicht hinausschieben werde.

   Minister Pino. Was die Linien Saybusch-Neusandez und Gryböw-
Zagörz betrifft, so lassen die vom 25. Oktober datierten Berichte über die
Baufortschritte auf den genannten Linien mit Zuversicht erwarten, daß die
Bauvollendungstermine eingehalten werden, d. i. für die Linie Grybow-Zagorz:
Anfang Juni,3 für Saybusch-Neusandez: 31. Oktober 1883.4

   Die Baufortschritte sind allerdings nicht solche, wie ich sie selbst gewünscht
habe; aber mit Rücksicht auf die Schwierigkeiten der Expropriation, welche
durch die bezüglichen gesetzlichen Bestimmungen noch gesteigert wird, sind die
Fortschritte nicht ungünstige. Das österreichische Expropriationsgesetz be¬
stimmt, daß vor der wirklich durchgeführten Enteignung eines Grundbesitzes
derselbe von der Eisenbahn zum Bau nicht in Anspruch genommen werden darf.
Anders lautet das Gesetz in Ungarn. Daher dort die Möglichkeit, eine Linie wie
die Waagtalbahn in so kurzer Zeit fertigzustellen. In Österreich hätte man
mindestens 2 Jahre gebraucht, um die Expropriation durchzuführen.

   Wenn die bisherigen Fortschritte auf der Linie Saybusch-Neusandez ins
Auge gefaßt werden und erwogen wird, daß bis zum Vollendungstermin noch
12 Monate, darunter 7 wirkliche Baumonate zur Verfügung stehen, so kann mit
Sicherheit auf die Vollendung bis 31. Oktober 1884 gehofft werden. Auf der
Linie Grybow-Zagörz sind die Arbeiten noch weiter fortgeschritten und wird
der Vollendungstermin (Juni 1884) zweifellos eingehalten werden. Ich habe
beide angeführten Strecken mit einem nicht im Staatsdienste stehenden Techni¬
ker bereist und über das Resultat Euer Majestät berichtet. Der erwähnte Techni¬
ker hat der Überzeugung Ausdruck gegeben, daß die Bauten auf beiden Linien
sehr solid und zufriedenstellend ausgeführt wurden.

   Die Linie Stanislau-Husiatyn wird mit 31. Oktober 1884 fertiggestellt wer¬
den.5 Die ersten 70 Kilometer sind im Bau sehr weit vorgeschritten, die übrigen
Kilometer wohl weniger, doch ist auch hier der Rückstand nicht von Einfluß
auf den Vollendungstermin.

    Die Linie Oswi^cim-Podgorze ist allerdings im Bau zurückgeblieben, indem
bei Vergebung des Baues bestimmt wurde, daß diese Linie mit 1. Dezember 1883
für Materialzüge benützbar sein müsse. Dieser Wunsch ist leider nicht in Erfül¬
lung gegangen. Diesbezüglich erlaube ich mir Euer Majestät einen Vortrag zu
 erstatten. Ursache der Verzögerung des Baues waren die Schwierigkeiten der
 Grundeinlösung sowie wiederholt eingetretene Hochwasser. Ende Jänner 1884

         Die Linie wurde am 20. August 1884 dem Verkehr übergeben. Geyer, Der Ausbau des nordöst¬
         lichen Eisenbahnnetzes 88.
         Der Verkehr wurde am 16. Dezember 1884 aufgenommen. Geyer, Der Ausbau des nordöstli¬
         chen Eisenbahnnetzes 88.
         Die Linie wurde am 31. November 1884 bzw. 31. Dezember 1884 in Betrieb genommen. Geyer,
         Der Ausbau des nordöstlichen Eisenbahnnetzes 88.
<pb/>Nr. 1 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 11. 11. 1883  203

 wird die Linie jedenfalls mit Materialzügen befahren werden können, und Ende
 Mai wird die Betriebseröffnung erfolgen.6

    Der Bau der Linien Sucha-Skawina und Saybusch-Ungarische Grenze bei
 Zwardön ist wohl im Rückstände; ich habe jedoch an die Bauleitung die
 Aufforderung ergehen lassen, den Bau zu beschleunigen, und würde, wenn es
 nötig ist, selbst die Unternehmung entfernen. Die Erfahrungen, welche beim
 Bau der Nebenlinien der galizischen Transversalbahn gemacht wurden, bewei¬
 sen, daß es nicht immer am vorteilhaftesten ist, den Bau an den wohlfeilsten
Unternehmer zu vergeben. Die Regierung wurde hiezu gezwungen. Es wäre
jedenfalls besser gewesen, eine große, leistungsfähige Unternehmung oder Ge¬
neralunternehmer mit dem Bau zu betrauen. Trotz der Rückstände im Bau kann
mit Sicherheit darauf gerechnet werden, daß auch diese beiden Linien mit
31. Oktober 1884 fertiggestellt sein werden.7

    Was die Leistungsfähigkeit der Linien der galizischen Transversalbahn be¬
trifft, so werden sämtliche Linien, mit Ausnahme von Stanislau-Husiatyn, mit
starken Schienen (31,7 kg per Meter schwer) ausgerüstet, so daß die schwersten
Maschinen verkehren können.

   Reichskriegsminister FZM. Graf Bylandt-Rheidt bemerkt,
daß insoweit es sich um die Vollendungstermine handelt, er das von Sr. Exzel¬
lenz dem Handelsminister Gesagte akzeptiere. Trotzdem kann Redner die Be¬
fürchtung nicht unterdrücken, es werde die Linie Saybusch-Neusandez nicht
rechtzeitig vollendet werden. Was die Leistungsfähigkeit der Linien betrifft, so
haben außer des Schienenprofils noch andere Faktoren großen Einfluß. Die
galizische Transversalbahn soll, statt der ursprünglich beanspruchten 1100,
täglich 2200 Achsen befördern.

   Nachdem die Transversalbahn die Strecken Neusandez-Gryböw und Za-
görz-Chyröw mit der Tarnöw-Leluchöwer bzw. Ersten ung.-galizischen Eisen¬
bahn gemeinsam hat, diese Strecken also doppelt benützt werden, so resultiert,
daß dieselben doppelt leistungsfähig sein müssen. Speziell für die Strecke Neu¬
sandez-Gryböw erscheint die Anlage eines zweiten Gleises unerläßlich. Die
Kriegsverwaltung hat bereits diesbezüglich Verhandlungen mit dem Handelsmi¬
nisterium gepflogen, ohne daß es bisher zu einer Klärung gekommen ist. Wenn
die vom Kriegsministerium gestellten Forderungen nicht erfüllt werden, so
werden bei einem Aufmarsch in Galizien sich beim Eisenbahnverkehr auf den
bezeichneten Linien die allergrößten Schwierigkeiten geltend machen.

   Der Chef des Generalstabes FML. Baron Beck erlaubt sich
beizufügen, daß die Vollendung der Linie Oswi^cim-Podgorze zu Beginn des
Frühjahres besonders wünschenswert sei, nachdem die Linien Saybusch-Neu¬
sandez und Gryböw-Zagörz für einen im Frühjahr eventuell zu bewirkenden

Die Linie wurde am 1. September 1884 in Betrieb genommen. Geyer, Der Ausbau des nordöstli¬
chen Eisenbahnnetzes 88.

Die Linie Saybusch-Zwardön wurde am 30. Oktober 1884, die Linie Sucha-Skawina am 22.
Dezember 1884 dem Verkehr übergeben. Geyer, Der Ausbau des nordöstlichen Eisenbahnnet¬
zes 88.
<pb/>204 Nr. 1 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 11. 11. 1883

Aufmarsch ohnehin nicht mehr in Betracht kommen können. Nur wenn die
Kriegsgefahr früher eintreten würde, müßte doch alles aufgeboten werden, um
auch die Linie Saybusch-Neusandez für den Militärverkehr benützbar zu ma¬
chen. Es ist sehr zu bedauern, daß die Transversalbahn statt von West gegen
Ost, von Ost gegen West vorrückend gebaut wurde. Hiedurch geschieht es, daß
die wichtigsten Linien zuletzt zur Vollendung gelangen. Bezüglich der Linie
Stanislau-Husiatyn muß bemerkt werden, daß für selbe ein schwächeres Schie¬
nenprofil bestimmt wurde, das Handelsministerium jedoch die Zusicherung gab,
es werde durch technische Verstärkungen des Oberbaues den Verkehr schwere¬
rer Maschinen auch auf dieser Strecke ermöglichen.

   Redner kommt nun auf die schon von Sr. Exzellenz dem Herrn Reichskriegs¬
minister hervorgehobene Wichtigkeit des Zwischengliedes Neusandez-Gryböw
zu sprechen. Das erwähnte Zwischenglied hat deshalb eine so große Bedeutung,
weil es sowohl dem Verkehr auf der Tarnow-Leluchöwer wie auch jenem auf
der Transversalbahn dienen muß. Die Steigerung der Leistungsfähigkeit dieser
Strecke ist daher dringend geboten.

   Das Handelsministerium hat wohl für die Anlage von fünf Ausweichen und
andere Erweiterungsbauten ins Budget für das Jahr 1884 den Betrag von
300 000 Gulden eingestellt, die Bauten wurden aber noch nicht in Angriff
genommen.

   Auf der bedachten Strecke müssen täglich in der Richtung West-Ost und
umgekehrt zusammen 2200 Achsen verkehren können; dazu kommt aber noch
der Verkehr auf der Tarnöw-Leluchöwer Bahn in der Richtung Süd-Nord und
umgekehrt. Die Leistungsfähigkeit der Transversalbahn wurde deshalb so be¬
deutend angenommen, weil man sich von der Karl-Ludwig-Bahn unabhängig
machen will. Wer kann garantieren, daß genannte Bahn nicht während des
Aufmarsches an einem oder dem anderen Punkte von den Russen zerstört
werde, wonach dann die Transversalbahn unsere einzige Aufmarschlinie bleibt.
Eine ähnliche Leistungsfähigkeit wie die Strecke Neusandez-Gryböw muß auch
das Zwischenglied Zagörz-Chyröw besitzen. Die Leistungsfähigkeit bezieht sich
nicht allein auf die Stations- und Gleisanlagen der Bahn, sondern auch auf die
Einrichtungen für die Wasserversorgung, die Manipulation und auf andere
technische Einrichtungen.

   Handelsminister Pino erwidert auf die von Sr. Exzellenz dem
Reichskriegsminister ausgedrückte Befürchtung, die Linie Saybusch-Neusan¬
dez werde nicht rechtzeitig fertig werden, daß er glaube, die Bahn werde sicher
mit 31. Oktober 1884 eröffnet und einen Monat vorher mit Materialzügen
befahren werden können. Eine frühere Fertigstellung der Linie dürfte nicht
möglich sein, namentlich ist an eine Benützbarkeit der Bahn schon im Frühjahre
nicht zu denken, weil ja in Galizien die Wintermonate für den Bau verlorenge¬
hen. Würde indessen eine Kriegsgefahr eintreten, dann ließe sich immerhin bei
gesteigerter Arbeitskraft und erhöhtem Geldaufwand der Bau beschleunigen.

   Als günstig muß der Umstand bezeichnet werden, daß auf den meisten
Linien, namentlich aber auf der Strecke Gryböw-Zagörz, die Brückenbauten
weit vorgeschritten sind und bei der Mehrzahl der Objekte mit der Montierung
<pb/>Nr. 1 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 11. 11. 1883  205

 schon begonnen wurde. Das Material ist überall an Ort und Stelle und können
 die Montierungsarbeiten auch im Winter fortgesetzt werden. Auch auf der Linie
 Oswi§cim-Podgorze sind die Brückenbauten weit gediehen. Die Benützung der
 Bahn durch Materialzüge mit Ende Jänner 1884 ist daher mit Sicherheit zu
 erwarten. Redner führt weiter aus, daß auf die militärische Benützbarkeit einer
 Eisenbahn die Fertigstellung der Wächterhäuser und anderer Hochbauten kei¬
 nen Einfluß hat, da man ja im Notfälle Provisorien hersteilen könne.

    Was die Wünsche betreffs Erhöhung der Leistungsfähigkeit aufjenen Strek-
 ken der Tarnow-Leluchöwer und I. ung.-galizischen Bahn betrifft, welche als
 Komplettierungsstücke der Transversalbahn dienen, so ist Se. Exzellenz von der
 Überzeugung durchdrungen, daß etwas geschehen müsse. Schon zur Zeit, als
 der Ausbau der Transversalbahn durch ein Privatkonsortium erfolgen sollte,8
 wurde diesem die Bedingung gestellt, auf den Zwischengliedern Neusandez-
 Gryböw und Zagörz-Chyröw eine gewisse Anzahl Ausweichen, entsprechend
 der Forderung der Kriegsverwaltung, einzuschalten. Damals waren die Kosten
 dieser Ausweichen auf 200 000 fl. berechnet. Als dann das Konsortium zurück¬
trat und der Staat den Bau der Transversalbahn in die Hand nahm,9 konnte im
Gesetze von den erwähnten Ausweichen nicht mehr die Rede sein, weil die
Kosten für selbe das Budget der Tarnöw-Leluchöwer Bahn belasten. Für das
Jahr 1884 sind jedoch entsprechende Beträge ins Budget eingestellt, nämlich für
Neusandez-Gryböw: 300 000, für Zagörz-Chyröw: 100 000 fl. Die Pläne für
diese Ausweichen sind in der Ausarbeitung begriffen, das Geld wird hoffentlich
vom Reichsrat bewilligt werden, bereits wurden mit den Bauunternehmern der
Transversalbahn an Ort und Stelle Vorverhandlungen bezüglich Übernahme
der Ergänzungsbauten gepflogen und so steht zu erwarten, daß diese Bauten im
Frühjahre in Angriff genommen und gleichzeitig mit der Eröffnung der Trans¬
versalbahn fertiggestellt werden.

   Der Forderung der Kriegsverwaltung - die erwähnten Strecken doppelgleisig
herzustellen -- kann leider nicht entsprochen werden. Die Kosten des zweiten
Gleises würden sich auf 5 Millionen Gulden belaufen, ein Betrag, welcher vom
Reichsrate umsoweniger verlangt werden kann, da die Finanzlage des Reiches
so bedeutende Ausgaben nicht gestattet, und weil für Bahnbauten in Galizien
in letzter Zeit bei 40 Millionen Gulden bewilligt wurden. Es bleibt somit nichts
anderes übrig als zu dem Auskunftsmittel der Ausweichen zu greifen, wobei
bemerkt werden muß, daß das ursprüngliche Projekt hierfür ohnehin eine
bedeutende Erweiterung erfuhr.

   Was den Militärverkehr auf der Strecke Neusandez-Gryböw betrifft, so kann
- mit Berücksichtigung des Satzes ,,Ultra posse nemo tenetur&quot;10 der Bahn keine
größere Leistungsfähigkeit gegeben werden, als es die tatsächlichen Verhältnisse

8 Erläuterungen zum Promemoria über den Ausbau der Strecke Husiatyn-Saybusch KA.
      MKSM., Separatfaszikeln, Fase. 69, Nr. 13.

9 Das Gesetz wurde am 22. Februar 1883 sanktioniert. Geyer, Der Ausbau des nordöstlichen
      Eisenbahnnetzes 87.

      Uber seine Möglichkeiten kann niemand verpflichtet werden.
<pb/>206 Nr. 1 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 11. 11. 1883

gestatten. Für den Verkehr West-Ost und retour werden 44 fünfzigachsige Züge
gefordert; dazu kommen 18 Züge für den Verkehr von Leluchow nach Tarnöw
und umgekehrt. Im ganzen haben daher täglich 62 Züge die Strecken zu passie¬
ren. Redner hofft diese Züge durchzubringen.

   Se. Majestät der Kaiser geruhen zu fragen, ob bezüglich des
Baues der Ausweichen das entsprechende Einvernehmen zwischen der Kriegs¬
verwaltung und dem Handelsministerium hergestellt sei. Würde ohne vorheri¬
gem Einvernehmen gebaut werden, dann könnte es geschehen, daß der General¬
stab auf größere Leistungen rechnet, als tatsächlich erfüllt werden können.

   Minister Pino erlaubt sich au. zu versichern, daß dieses Einvernehmen
bestehe und daß vor Inangriffnahme des Baues die Detailprojekte dem Reichs¬
kriegsministerium zur Einsicht übermittelt werden würden.

   Se. Majestät geruhen zu fragen, ob Ausweichen nur auf gewissen
Strecken notwendig seien.

   FML. Baron Beck erlaubt sich zu bejahen. Nur die beiden Auf¬
marschrichtungen gemeinsamen Bahnstrecken benötigen neue Ausweichen. Vor
allem ist die Anlage auf der Strecke Neusandez-Chyröw dringend, da infolge
die Leistungsfähigkeit der Strecke Tarnöw-Jaroslau der Karl-Ludwig-Bahn
nicht gesteigert wird, die Transversalbahn einen Teil des eigentlich der Karl-
Ludwig-Bahn zufallenden Verkehrs bewältigen muß.

   Minister FZM. Graf Bylandt bemerkt, daß man sich allenfalls
auf der Strecke Neusandez-Gryböw mit nur 36 Kilometer Länge, statt eines
zweiten Gleises, mit der Anlage von Ausweichen begnügen könne, etwas ande¬
res sei dies jedoch auf der Strecke Zagörz-Chyröw. Nach den Berechnungen des
Generalstabes haben auf dieser Linie - insolange die Strecke Tarnow-Przemysl
der Karl-Ludwig-Bahn nicht doppelgleisig ist, täglich 3300 Achsen zu verkeh¬
ren, eine Leistung, welche bei der dermaligen Anlage der Strecke nicht zu
bewältigen sein dürfte.

   Minister Baron Pino erwidert, daß er augenblicklich über die Lei¬
stungsfähigkeit der Strecke Zagörz-Chyröw keine genauen Daten liefern könne,
er sich jedoch informieren werde. Seinerzeit wurde ihm gesagt, die Ausweichen
auf der ung.-galizischen Bahn seien schon hergestellt worden, nun trete die
Kriegsverwaltung mit neuen Forderungen heran.

   Redner anerkennt die Berechtigung dieser Forderungen, bemerkt, daß der
Bau eines zweiten Gleises der großen Kosten wegen nicht möglich sei, und
wiederholt, daß er für die Anlage von Ausweichen den Betrag von 100 000 fl.
ins Budget für das Jahr 1884 eingestellt habe. Se. Exzellenz hofft, daß das Geld
bewilligt werden wird, und verspricht die berührte Frage noch eingehend zu
studieren.

   Se. Majestät der Kaiser geruhen nochmals zu betonen, wie wichtig
es sei, daß zwischen dem Reichskriegsministerium und dem Handelsministerium
in dieser Frage immer das entsprechende Einvernehmen gepflogen werde. Aller-
höchstdieselben geruhen hierauf den Minister Baron Pino zu fragen, ob für die
Anlage der Ausweichen 400 000 fl. ins Budget pro 1884 eingestellt wurden.

   Minister Baron Pino erlaubt sich diese Frage zu bejahen. Se. Exzel-
<pb/>Nr. 1 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 11. 11. 1883  207

 lenz bemerkt hiebei, daß die Terrainverhältnisse auf der Tarnöw-Leluchöwer
 Bahn zum Teil so schwierig sind, daß an zwei Punkten die Ausweichen nur in
 Form von Kopfgleisen angelegt werden können, ohne die Kosten ins Unendli¬
 che zu steigern.

    FML. Baron Beck macht auf die Gefahr solcher Anlagen für den
 Verkehr aufmerksam und bemerkt, daß nur bei außerordentlich geschultem
 Personale Unglücke vermieden werden könnten. Se. Exzellenz weist auch auf
die Notwendigkeit der Erweiterung der Station Zagörz, deren Wasserleitung
etc. hin.

    Se. Majestät geruhen Ag. zu bemerken, daß die erste Frage erledigt
sei, Allerhöchstdieselben jedoch bei dieser Gelegenheit informiert zu sein wün¬
schen, in welchem Stadium sich die Frage des Anschlusses der galizischen
Transversalbahn an die auf ungarischem Territorium zu bauende Linie in der
Richtung auf Csäcza befindet.

    Minister Pino. Die österreichisch-ungarische Staatseisenbahngesell¬
schaft hat der Regierung die Zusicherung erteilt, sie werde die 20 Kilometer
lange Strecke Csäcza-Grenze bei Zwardön 1 Monat vor Fertigstellung der Linie
Saybusch-Zwardön vollenden. Diese Zusage verdient umsomehr Glauben, als
in Ungarn die Grundablösung keine Schwierigkeiten bereitet und die Staats¬
bahn beim Bau der Waagtal-Linie Proben ihrer Energie gegeben hat. Die
ungarische Regierung hat indessen der öster.-ung. Staatseisenbahn-Gesellschaft
noch nicht die Konzession erteilt. Der Grund für die Verzögerung ist darin zu
suchen, daß sich die beiden Regierungen über die Flöhe des Karpatenübergan¬
ges nicht einigen konnten.11 Während die österreichische Regierung eine Maxi¬
malsteigung von 25 Promille (1:40) angewendet haben will, glaubt die ungari¬
sche Regierung, daß 22 Promille (1:45,4) als größte Steigung festgesetzt werden
sollte. Die ungarische Regierung geht von der Ansicht aus, daß bei Herabgehen
auf die Maximalsteigung von 22 Promille die Leistungsfähigkeit der Linie
erhöht werden würde. Dies ist aber nicht zutreffend, als für den Betrieb einer
Eisenbahn es gleich bleibt, ob die Maximalsteigung 22 oder 25 Promille beträgt.
Bei solchen Steigungen erhält die Bahn jedenfalls den Charakter einer Gebirgs¬
bahn. Redner hofft, daß die ungarische Regierung nachgeben werde.

   Was die Strecke Saybusch-Zwardön betrifft, so ist sie wohl schon im Bau;
solange aber die Differenz nicht behoben ist, kann in den Bau der eigentlichen
Anschlußstrecke nicht geschritten werden, da möglicherweise die Train noch
eine Änderung erfahren könnte.

   FML. Baron Beck erklärt, daß von der ungarischen Regierung be¬
reits die Anfrage an das Kriegsministerium erging, ob dasselbe auf das Festhal¬
ten einer Maximalsteigung von nur 22 statt 25 Promille einen Wert lege.

   Die Antwort lautete verneinend, da jede Bahn, welche Steigungen über 18
Promille aufweist, den Charakter einer Gebirgsbahn trägt, die Leistungsfahig-

ii 33/MT. Ung.MR. v. 20. 11. 1883. 6. Die Eisenbahn Csäcza-Saybusch, OL., K. 27, Karton
       37.
<pb/>208 Nr. 1 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 11. 11. 1883

keit durch das Herabgehen von 25 auf 22 Promille keine wesentliche Steigung
erfährt.

   Die Hauptsache bei dieser Linie bleibt, daß sie als Hauptbahn zweiter Klasse
gebaut werde und ein solches Schienenprofil Anwendung findet, daß starke
Maschinen verkehren können. In letzterer Beziehung hegt Se. Exzellenz einigen
Zweifel.

   Minister Pino erwidert hierauf, daß auf der Linie Saybusch-Zwardön
Schienen mit 31,7 Kilogramm per Meter zur Anwendung kommen und diesel¬
ben stark genug seien, selbst von schweren Maschinen befahren zu werden.
Selbst am Arlberg kommen nur 35-Kilo-Schienen zur Anwendung. Redner ist
überzeugt, daß auch die öster.-ung. Staatseisenbahngesellschaft Schienen mit
gleichem Profile wie jenes auf der Linie Saybusch-Zwardön anwenden werde.
Schon der Begriff ,,Hauptbahn zweiter Klasse&quot; bedinge ein solches Schienen¬
profil.

   Hierauf entspinnt sich eine kurze Diskussion über die Frage, ob im Kriegsfäl¬
le Rußland genügendes rollendes Material zur Verfügung stehen werde.

   FML. Baron Beck erwähnt speziell, daß heutzutage selbst die großen
Eisenbahngesellschaften nicht das einem gesteigerten Friedensverkehr entspre¬
chende Material besitzen und die Aushilfe der Waggonsleihgesellschaften in
Anspruch nehmen.

   Se. Majestät der Kaiser geruhen noch einmal zu fragen, ob der
Konzessionierung der Linie Csäcza-Zwardön durch die ungarische Regierung
weitere Schwierigkeiten im Wege stehen.

   FML. Baron Beck glaubt, daß mit der vom Kriegsministerium abge¬
gebenen Erklärung, selbes sei mit der Anwendung von Maximalsteigungen
Promille einverstanden, jede Schwierigkeit behoben sei.

   Se. Exzellenz bringt nun den Umstand zur Sprache, daß die Linie Preßburg-
Sillein-Csäcza-Saybusch drei verschiedenen Bahnverwaltungen: der öster.-ung.
Staatseisenbahn-Gesellschaft, der Kaschau-Oderberger Bahn und der k. k.
Direktion für Staatseisenbahnbetrieb gehöre. Hieraus werden bei einem Auf¬
märsche - durch die mehrmalige Übergabe, den Personal- und Maschinenwech¬
sel, Schwierigkeiten entstehen. Es wäre daher im Kriegsfälle die Vereinigung der
ganzen Linie in eine Hand anzustreben.

   Minister Pino erklärt, er habe vernommen, es sei eine Art Fusionie¬
rung oder gemeinsame Betriebsführung zwischen der öster.-ung. Staatseisen¬
bahn-Gesellschaft und der Kaschau-Oderberger Bahn im Zuge. Dann blieben
nur mehr zwei Bahnverwaltungen übrig. Ein Übergreifen einer ungarischen
Bahnbetriebsverwaltung auf österreichisches Gebiet und umgekehrt hat immer
etwas Mißliches, und wenn nicht die ganze Linie in einer Hand ist, ist damit
nichts geholfen. Se. Exzellenz sprechen sich daher gegen die angeregte Idee aus,
Saybusch oder Csäczä als Übergangsstationen anzunehmen. Von der Anlage
eines großen Grenzbahnhofes in Zwardön sei übrigens ganz abzusehen und
könne ganz gut Saybusch oder Csäcza als Maschinenwechselstation eingerichtet
werden; dies bedingt aber durchaus nicht, daß auch der Wirkungskreis der
verschiedenen Bahnverwaltungen auf das Nachbargebiet übergreife.
<pb/>Nr. 1 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 11. 11. 1883  209

    Se. Majestät der Kaiser geruhen hierauf zu bemerken, daß die
 letztberührte Frage auch auf der Linie Munkäcs-Stryj zu lösen sein werde.

    Allerhöchstdieselben gehen nun auf die zweite Frage: ,,Erhöhung der Lei¬
 stungsfähigkeit der Karl-Ludwig-Bahn in der Strecke Tarnöw-Jaroslau&quot; über
 und bemerken, daß diese Frage schon vom Chef des Generalstabes mit in die
Diskussion gezogen wurde. Die Anlage eines zweiten Gleises in der Strecke
Tarnöw-Jaroslau ist gewiß sehr wichtig, aber die Karl-Ludwig-Bahn kann zum
Bau nicht gezwungen werden. Se. Majestät geruhen Ag. zu betonen, daß die
Forderung der Erhöhung der Leistungsfähigkeit der erwähnten Strecke nicht
unbedingt die Anlage eines zweiten Gleises nötig mache. Die Hauptsache be¬
steht darin, in allen Stationen die Kreuzung lOOachsiger Züge zu ermöglichen.

    FML. Baron Beck erlaubt sich zu bemerken, daß Hofrat Sochor die
Erweiterung der verschiedenen Stationen als nicht zu schwierig bezeichnete. Es
handelt sich auch nicht um alle, sondern nur um einige Stationen, in welchen
dermalen eine Kreuzung lOOachsiger Züge nur bei Anwendung der allergrößten
Vorsicht, auf förmlich kunstvolle Weise möglich ist. Se. Exzellenz glaubt daher,
daß die Wünsche der Kriegsverwaltung sich nicht schwer realisieren ließen.

   Minister Pino erklärt, daß die Karl-Ludwig-Bahn wohl nicht gezwun¬
gen werden könne, die Leistungsfähigkeit der Strecke Tarnöw-Jaroslau zu
erhöhen, er aber nichtsdestoweniger alles aufbieten werde, um auf die Bahn zu
drücken. Se. Exzellenz erbittet sich nur eine diesbezügliche Mitteilung von Seite
der Kriegsverwaltung.

   Se. Majestät der Kaiser geruhen den Wunsch auszusprechen, diese
Angelegenheit möge weiter verfolgt werden.

   Zur dritten Frage, ,,der Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Tarnöw-Lelu-
chöwer Bahn&quot; übergehend, bemerken Allerhöchstdieselben, daß diese Frage
bereits besprochen wurde.

   Se. Majestät bringen Ag. nun die vierte Frage: Sicherstellung der Eisenbahn

Lemberg-Zolkiew-Rawaruska-Tomaszöw zur Diskussion und fordern den
Handelsminister auf, über das Stadium dieses Bahnprojektes zu berichten.

   Minister Baron Pino erlaubt sich anzuführen, daß in dieser Frage
leider kein Fortschritt verzeichnet werden kann. Die Regierung hat sich diesbe¬
züglich an die Lemberg-Czernowitzer Bahn gewendet, welche in erster Linie in
der Lage wäre, die Bahn zu bauen und welche an dem Zustandekommen der
Bahn ein gewisses Interesse hat. Die genannte Gesellschaft versprach die Sache
zu verfolgen, versuchte auch Beiträge zum Bau zu sammeln, ein greifbares
Resultat liegt aber nicht vor.

   Aus Staatsmitteln kann die Bahn nicht gebaut werden, da die Regierung in
Berücksichtigung der für Galiziens Eisenbahnen aufgewendeten Summen, un¬
möglich mit neuen Forderungen an den Reichsrat herantreten kann. Redner
verspricht die Frage im Auge zu behalten und erwartet sich umso eher einen
Erfolg, als die Bahn von der Bevölkerung und von der Stadt Lemberg ge¬
wünscht wird. Das Zustandekommen der Bahn erscheint auch dadurch erleich¬
tert, daß für die bereits einmal konzessioniert gewesene Linie Lemberg-Toma-
<pb/>210 Nr. 1 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 11. 11. 1883

szöw die Pläne fertig daliegen und sozusagen auf dem grünen Tische rektifiziert
werden könnten.

   FML. Baron Beck bemerkt, daß nach seinen Informationen die
Lemberg-Czernowitzer Bahn wohl die Absicht gehabt hat, die Linie Lemberg-
Tomaszöw auszubauen, aber nur unter der Bedingung, daß die Linie Jaros-
lau-Sokal nicht konzessioniert werde. Da nun die letztgenannte Linie gebaut
wird, will die Lemberg-Czernowitzer Bahn von dem Projekte absehen. Se.
Exzellenz bemerkt hiezu, daß er die beiden Linien, welche in verschiedener
Richtung laufen, nicht als Konkurrenzlinien auffassen könne.

   Minister Baron Pino. In gewissem Sinne sind es doch Konkurrenz¬
linien. Die Gegend um Sokal ist reich an Getreide. Die Lemberg-Czernowitzer
Bahn hoffte nun durch den Ausbau einer Bahn von Lemberg nach Norden, die
ganzen Getreidefrachten für diese Linie zu gewinnen und die Transporte nach
Lemberg zu leiten. Durch den Bau der Linie Jaroslau-Sokal geht nun der größte
Teil der Getreidetransporte auf diese Linie über, da ja das Getreide den Zug
nach Westen nimmt. Die Linie Jaroslau-Sokal wurde deshalb früher konzessio¬
niert, weil sie von beiden Linien die militärisch wichtigere ist.

   FML. Baron Beck bestätigt dies und bemerkt, daß von der Linie
Lemberg-Tomaszöw nur die Strecke Lemberg-Rawaruska militärisch wichtig
sei.

   Se. Majestät der Kaiser geruhen den Minister Baron Pino zu be¬
auftragen, den Bau der Linie Lemberg-Rawaruska zu begünstigen und berüh¬
ren hierauf die Frage des Baues von Sekundärbahnen im San-Weichsel-Dreieck.
Allerhöchstdieselben geruhen Ag. folgendes zu verlesen: ,,Der Chef des Gene¬
ralstabes erklärte in der Konferenz von 4. Feber 1883 den Bau einer Sekundär¬
bahn Rzeszöw-Nadbrzezie (vis ä vis von Sandomierz) im besonderen militäri¬
schen Interesse gelegen. Minister Baron Pino erklärte, daß die Karl-Ludwig-
Bahn für diese Linie bereits Vorkonzession erhalten habe und daß er das
Zustandekommen dieser Bahn fördern werde.&quot;12 Se. Majestät geruhen den
Minister Baron Pino zur Berichterstattung aufzufordern.

   Minister Baron Pino erlaubt sich anzuführen, daß laut Mitteilung
der Direktion der Karl-Ludwig-Bahn die Detailpläne der Linie Dembi9a-
Rozwadöw in acht Tagen zur Vorlage gelangen werden. Dadurch sei die Angele¬
genheit in das Stadium der Aktion getreten. Den Bau einer Bahn Rzeszöw-
Rozwadöw will die Karl-Ludwig-Bahn nicht durchführen.

   FML. Baron Beck erklärt, daß es vom militärischen Standpunkte
aus ziemlich gleichgiltig sei, ob die Bahn von Rzeszöw oder von Dembica aus
gebaut werde; wichtig sei nur, daß die Bahn außerhalb des Kanonenertrages des
linken Weichselufers gebaut werde, ferner daß dieselbe möglichst nahe am San
und über Rozwadöw nach Nadbrzezie führe. Letztgenannter Punkt ist beson¬
ders wichtig, da hier eigentlich erst die Weichselschiffahrt beginnt und weil von
hier aus der Nachschub zu Wasser eingeleitet werden müßte. Die obere Weichsel

12 Vgl. Anm. 2.
<pb/>Nr. 1 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 11. 11. 1883  211

ist für Nachschubszwecke viel zu unerläßlich. Rozwadow wäre auch der Punkt,
von wo aus eine Feldbahn nach Lublin gebaut werden könnte. Se. Exzellenz
sprachen weiters den Wunsch aus, es möge bei Rozwadöw schon im Frieden
eine Holzbrücke über den San gebaut werden.

   Minister Baron Pino glaubt, daß hiezu bei Ausbruch des Krieges
noch Zeit wäre.

   Se. Majestät der Kaiser nehmen die Erklärungen des Ministers
Baron Pino über das Projekt der Lokalbahn im San-Weichsel-Dreieck, sowie
die Meldung, daß die Eisenbahn Jaroslau-Sokal im Juni 1884 eröffnet werden
wird, mit Befriedigung zur Ah. Kenntnis, und geruhen hierauf zur Besprechung
der Frage: Bahnlinie Hullein--Wallachisch-Meseritsch--Saybusch überzugehen.

   Allerhöchstdieselben bringen Ag. folgendes zur Verlesung: ,,Der Reichs¬
kriegsminister spricht sich in einer Zuschrift an den Ministerpräsidenten dahin

aus, daß die Bahnlinie Hullein-Wallachisch-Meseritsch-Saybusch baldmög¬
lichst einheitlich und mit einer Leistungsfähigkeit von mindestens täglich 15
hundertachsigen Zügen zustande kommen, womit die fernere Forderung im

Zusammenhänge steht, die Transversalbahnstrecke Saybusch-Sucha auf eine
Leistungsfähigkeit von 22 hundertachsigen Zügen täglich zu erhöhen.&quot; Se.
Majestät fordern den Minister Baron Pino auf, sich über diese Frage zu äußern.

   Minister Baron Pino erlaubt sich anzuführen, daß er ohne unbe¬
scheiden zu sein, sich das Verdienst vindizieren könne, zuerst die Idee des
Ausbaues der Hullein-Kremsierer Bahn, einerseits durch Mähren und Unter¬
schlesien bis an die galizische Transversalbahn, andererseits von Zborowitz bis
an die mährische Transversalbahn, ins Auge gefaßt zu haben.

   Hiebei wurde an den einheitlichen Ausbau dieser Linie - gewissermaßen als
drittes Gleis der Nordbahn - gedacht und immer der Standpunkt festgehalten,
diese Linie müsse als Hauptbahn zweiter Klasse, mit einem Schienenprofil von
31,7 Kilogramm per Meter, hergestellt werden. Die bezeichnete Linie wurde
auch gewissermaßen als Fortsetzungslinie der galizischen Transversalbahn bis
Wien geplant, ein Grund mehr, von allem Anfänge an auf ihre Leistungsfähig¬
keit bedacht zu sein. Zur Zeit, als die Kremsierer Bahn entstand, konnte freilich
nicht geahnt werden, daß diese kleine Lokalbahn einst ein Glied einer längeren
Hauptbahn zweiter Klasse bilden werde. In letzter Zeit haben sich um die
Konzession der besprochenen Linie die Kremsierbahn, die österreichische Lo¬
kalbahngesellschaft und sogar die Nordbahn beworben. Die Entscheidung ist
noch nicht erfolgt, dürfte aber nicht mehr lange auf sich warten lassen.

   Die Regierung wird bei Erteilung der Konzession jedenfalls die Forderung
stellen, daß die ganze Linie einheitlich als Hauptbahn zweiter Klasse gebaut und
die bereits als Lokalbahn fertiggestellte Strecke Zborowitz-Kremsier-Hullein-
Bistritz am Hostein entsprechend umgewandelt werde. Die Regierung hat an
dem Zustandekommen dieser Bahn um so größeres Interesse, als dieselbe auch
in volkswirtschaftlicher und verkehrspolitischer Beziehung sehr wichtig sei. Die
Kriegsverwaltung erhält aber mit dieser Bahn eine neue, leistungsfähige Auf¬
marschlinie.

   FML. Baron Beck bemerkt, daß die Kriegsverwaltung ebenfalls im-
<pb/>212 Nr. 1 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 11. 11. 1883

mer den einheitlichen Ausbau der Linie im Auge hatte und diesen Standpunkt
gelegenheitlich der Konzessionierung der bereits als Lokalbahn fertiggestellten
Teile dieser Linie vertrat. Jedenfalls wird die Kriegsverwaltung Sr. Exzellenz
sehr dankbar sein, wenn es ihm gelingt, diese neue Aufmarschlinie zu Stande
zu bringen.

   [II.] Se. Majestät der Kaiser geruhen das Thema der Eisenbahnen
als genügend besprochen zu erklären und gehen auf folgende, bereits in der
Konferenz am 4. Feber 188313 gelegenheitlich der Besprechung des Kriegslei¬
stungsgesetzes berührte Frage über, welche in der nachstehenden Bemerkung
des Chefs des Generalstabes Ausdruck findet:

   ,,Ministerpräsident Graf Taaffe wurde am 25. September 1883 ersucht, den
Statthalter in Galizien und den Landespräsidenten in Czernowitz anzuweisen,
bezüglich der Unterstellung der Gendarmerie und Finanzwache im Grenzrau¬
me, dann anderer polizeilichen Maßregeln, schon im Frieden mit dem komman¬
dierenden General in Lemberg die erforderlichen Vereinbarungen zu treffen.
Die Publikation der Bestimmungen über die Fuhrenaufbringung im Kriegsfälle
,Rußland4 an die politischen Behörden bis zu einem gewissen Grade, ist notwen¬
dig. Das ungarische Ministerium ist auf dem Standpunkte der Negation. Das
österreichische Landesverteidigungsministerium hat noch nicht geantwortet.&quot;

   Se. Majestät geruhen hiezu Ag. zu bemerken, daß schon im vorigen Jahre
wiederholt betont wurde, wie notwendig in den berührten Fragen das Einver¬
nehmen zwischen den Zivil- und Militärbehörden in Galizien sei. Bisher habe
sich der Minister des Äußern gegen die Publikation gewisser, auf die Mobilisie¬
rung Bezug nehmenden Bestimmungen ausgesprochen. Allerhöchstdieselben
geruhen an den Minister Graf Welsersheimb die Frage zu richten, was bisher
bezüglich der Aufbringung der Fuhren im Kriegsfälle geschehen sei.

   Minister Graf Welsersheimb erlaubt sich zu erklären, daß von
seiner Seite kein Bedenken obwalte, dem Statthalter die Zahl der erforderlichen
Fuhren bekanntzugeben. Der diesbezüglich vom Statthalter eingelangte Bericht
läßt die Frage der Bezahlung der Fuhren ungelöst. Es besteht daher die Absicht,
das Reichskriegsministerium zu ersuchen, bezüglich des Bezahlungsmodus mit
der Regierung sich ins Einvernehmen zu setzen.

   FML. Baron Beck bedauert diese neuerliche Verzögerung und führt
an, der Statthalter in Galizien habe ihm bei der in letzter Zeit dahin unternom¬
menen Reise gesagt, er wäre der Kriegsverwaltung sehr dankbar, wenn ihm
dieselbe einige auf die Mobilisierungsvorbereitung Bezug nehmende Daten
mitteilen würde. Se. Exzellenz bemerkt hiezu, daß von Seite der Kriegsverwal¬
tung alles vorbereitet sei und er erneuert die Notwendigkeit betonen müsse, den
Statthalter wenigstens einigermaßen über die seinen Wirkungskreis betreffenden
Aufgaben zu orientieren. Im letzten Momente ist dies zu spät, weil dann die
Arbeit nicht zu bewältigen sein wird.

   In Galizien sind allein 60-80 000 Fuhren aufzubringen, und zwar binnen 14

13 Vgl. Anm. 2.
<pb/>Nr. 1 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 11. 11. 1883  213

Tagen. Diese Aufgabe allein ist eine so große, daß deren zweckentsprechende
Lösung ohne Vorbereitung im Frieden nicht möglich sein wird. Nun soll aber
auch der Statthalter mit der Gendarmerie und Finanzwache wegen Absperrung
der Grenzen disponieren, die Vorräte, die Kassen, die Anstellen, die Privatgestü¬
te zurückschaffen lassen. Wie kann er alle diese Aufgaben im letzten Momente
bewältigen? In Rußland ist alles vorbereitet, dort macht man aus den Vorsorgen
für eine etwaige Mobilisierung kein Hehl.

   Se. Exzellenz glaubt schließlich garantieren zu können, daß in Galizien mit
der Publikation gewisser Daten kein Mißbrauch geschehen werde.

   Minister Graf Kälnoky erklärt sich mit der Hinausgabe gewisser
Bestimmungen zur Vorbereitung einer Mobilisierung unter der Bedingung ein¬
verstanden, daß damit nicht alarmiert wird. Wenn der Statthalter von Galizien
selbst überzeugt ist, daß die Publizierung gewisser Daten keine Beunruhigung
im Lande hervorrufen wird, so ist meinerseits kein Anstand.

   Se. Exzellenz bemerkt, daß er sich nur für die Zeit, als die Delegationen und
der galizische Landtag tagten, gegen die Publikation aussprechen mußte, da
Interpellationen zu erwarten gewesen wären und die Angelegenheit vielleicht
weite Kreise geschlagen hätte. Se. Exzellenz drückt noch die Bitte aus, es mögen
ähnliche Publikationen auch in Mähren oder in anderen Provinzen stattfinden,
damit es nicht heißt, in Galizien werden Kriegsvorbereitungen getroffen.

   Se. Majestät der Kaiser geruhen zu erwähren, daß gerade Galizien
das Land sei, wo derlei Publikationen mit weniger Gefahr wie in allen anderen
Ländern stattfinden können. Allerhöchstdieselben erinnern Ag., daß die Kaval¬
leriegenerale und eine große Zahl von Generalstabsoffizieren das Land nach
allen Richtungen rekognoszierten, Daten sammelten etc. und doch nicht eine
einzige Mitteilung hierüber in die Zeitungen gelangte.

   Se. Majestät bemerken schließlich Ag., daß nach den vom Minister Graf
Kälnoky abgegebenen Erklärungen umsoweniger ein Bedenken gegen die be¬
rührte Publikation obwalten könne, als der Statthalter jedenfalls die Verhältnis¬
se im Lande am besten beurteilen kann und doch er selbst das Ansuchen um
Bekanntgabe der Mobilisierungsdaten stellte.

   Ministerpräsident Graf Taaffe erlaubt sich zu erklären, daß be¬
züglich der vom Reichskriegsministerium der Regierung mitgeteilten Wünsche
in Angelegenheit der Mobilisierungsvorbereitung alles zur Hinausgabe bereit
sei. Se. Exzellenz wird die Fragen im Ministerrate am 12. November zur Bespre¬
chung bringen, hierauf die an das Reichskriegsministerium abzusendende Ant¬
wort Sr. Exzellenz dem Minister des Äußern zur Einsicht übermitteln, und
obwaltet von dieser Seite kein Bedenken, so können die bezüglichen Mitteilun¬
gen sogleich an den Statthalter hinausgehen. Bezüglich der Fuhren hat Minister
Graf Welsersheimb alles vorbereitet.

   Minister Graf Welsersheimb erklärt noch einmal, daß von seiner
Seite bezüglich der Publikation der Bestimmungen über die Fuhrenaufbringung
keine Schwierigkeiten bestehen, wesentlich3 der Modus der Entlohnung noch

Korrektur Welsersheimbs aus nur.
<pb/>214 Nr. 2 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 25. 11. 1883

festzustellen sei - bwas aber das Übrige nicht aufzuhalten braucheb - und das
Weitere nur vom Reichskriegsministerium abhängen werde.

   Se. Majestät der Kaiser geruhen Ag. zu bemerken, daß die Frage
bezüglich Aufbringung der Fuhren auch in Ungarn zu lösen, dort aber nicht so
dringend sei.

   FML. Baron Beck erlaubt sich au. zu bemerken, daß in Ungarn nur
Differenzen über die Art und Weise der Stellung der Fuhren bestehen; man
fürchte dort, es könnte die Pferdeassentierung hievon ungünstig beeinflußt
werden, indem sich einzelne Besitzer unter dem Vorwände der Fuhrenbeistel-
lung der Assentierung ihrer Pferde entziehen.

   Se. Majestät der Kaiser geruhen hierauf die Frage der Publikation
der Daten für die Fuhrenaufbringung in Galizien der raschen Erledigung zu
empfehlen und schließen hiemit die Sitzung.

Wien, am 13. November 1883.

Nr. 2 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 25. November 1883

    RS.
    Gegenwärtige: der k. u. k. gemeinsame Minister des Äußern Graf Kälnoky (4. 12.), der kgl. ung.
Ministerpräsident Tisza (21. 1. 84), der k. k. Ministerpräsident Graf Taaffe (8. 12.), der k. u. k.
gemeinsame Kriegsminister FZM. Graf Bylandt-Rheidt (6. 12.), der k. u. k. gemeinsame Finanzmi¬
nister v. Källay (7. 12.), der kgl. ung. Finanzminister Graf Szapäry (23. 1. 84), der kgl. ung. Minister
für öffentliche Arbeiten und Kommunikationen Baron Kemeny (25. 1. 84), der k. k. Minister für
Landesverteidigung FML. Graf Welsersheimb (o. D.), der k. k. Finanzminister Ritter v. Dunajews-
ki (8. 1. 84), der k. k. Handelsminister Freiherr v. Pino (2. 1. 84), der kgl. ung. Minister für Acker¬
bau, Industrie und Handel Graf Szechenyi (o. D.), der Chef» des k. u. k. Generalstabes FML.
Freiherr v. Beck (4. 1. 84), der Staatssekretär im kgl. ung. LVM. FML. Freiherr v. Fejerväry (o. D.)
und der Oberst Ritter v. Pohl des k. u. k. Generalstabskorps in Vertretung des Vorstandes der
k. u. k. Militärkanzlei Sr. Majestät (27. 1. 84).
    Protokollführer: Hptm. v. Thuränszky des k. u. k. Generalstabskorps.
    Gegenstand: I. Der Ausbau des ung.-galizischen Eisenbahnnetzes. II. Die Vorbereitungen für
den Bau von einfachen Feldbahnen. III. Das neue Pferdestellungsgesetz. IV. Das Kriegsleitstungsge-
setz. V. Das Landsturmgesetz. VI. Das Offizierswitwen- und Waisenversorgungsgesetz. VII. Die
Anbahnung eines gesicherten Kundschaftswesens.

   Protokoll1 der unter Ah. Vorsitze Sr. k. u. k. apost. Majestät am 25. Novem¬
ber 1883 in Budapest stattgehabten gemeinsamen Beratung.

    [L] Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen in Eröffnung der Sitzung
die Ah. Willensmeinung bekannt zu geben, Sich über den Stand der im Monate

b&#39;b Einfügung Welsersheimbs.

 1 KA., MKSM. 20-1/14-2 de 1883. Vgl. Vermerkzettel im HHStA., PA. XL, Karton 293: Z.
        317/RMR. erliegt sub Nr. 3088/MKSM.
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