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[Tagesordnungspunkte]

Gemeinsamer Ministerrat, 10. 7. 1871

Nr. 49 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 10. 7. 1871    335

Nr. 49 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 10. Juli 1871

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der Reichskanzler Graf Beust (o. D.), der Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn
(o. D.), der Reichsfinanzminister v. Lönyay (16. 7.), Vizeadmiral v. Pöck (15. 7.).
    Protokollführer: Sektionsrat Freiherr v. Konradsheim.
    Gegenstand: Kriegsbudget pro 1872.

   KZ. 2314-RMRZ. 115
   Protokoll des zu Wien am 10. Juli 1871 abgehaltenen Ministerrates für ge¬
meinsame Angelegenheiten unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

   Seine Majestät der Kaiser geruhte die Sitzung zu eröffnen,
indem Allerhöchstderselbe vor dem Eingehen auf den die Tagesordnung bilden¬
den Gegenstand die in der ungarischen Delegation eingebrachte Interpellation
über die Benennung der Korvette ,,Niclas Zrinyi" zur Sprache brachte.1 Seine
Majestät geruhte die Frage zu stellen, ob in bezug auf die Benennung irgendeine
Resolution aus früherer Zeit vorliege, dann, ob die Interpellation bloß der Initia¬
tive der Interpellanten entsprungen oder auf allgemeinen Wunsch gestellt worden
sei, endlich, ob es überhaupt geboten erscheine, darauf zu antworten und beja¬
henden Falles, in welchem Sinne die Antwort zu halten sei? Die Sache sei an und
für sich unbedeutend, habe aber doch eine prinzipielle Tragweite.

   Reichskanzler Graf Beust deutete an, daß es sich bei der Beant¬
wortung darum handle, ob das ungarische Idiom in der Dienstsprache der ge¬
meinsamen Armee Eingang finden könne?

   Vizeadmiral v. Pöck gab die Aufklärung, es sei noch im Jahre
1868 der Wunsch ausgesprochen worden, daß die neugebauten Schiffe der Kriegs¬
marine auch mit ungarischen Namen benannt werden sollen, und diesem Wun¬
sche sei noch durch den verstorbenen Leiter der Marinesektion2 durch Beantra¬
gung des Namens Zrinyi für die in Rede stehende Korvette entsprochen worden.
- Es sei aber die Beisetzung des Taufnamens gar nicht nötig, wie dies ja auch bei
anderen Schiffen, z. B. beim ,,Schwarzenberg", nicht geschehen sei.

   Reichsfinanzminister v. Lönyay sprach sich auch dahin
aus, daß es, um der prinzipiellen Seite der Frage aus dem Wege zu gehen, am
besten wäre, die einfache Benennung Zrinyi anzunehmen. Er werde sich übri¬
gens, damit keine imzeitgemäße Diskussion hervorgerufen werde, mit einigen
ungarischen Delegierten besprechen und hoffe, daß dieselben die Beantwortung

        Interpellation von Päl Kirälyi am 7. Juli 1871. A közös Ogyek targyaläsära a magyar
       orszäggyüles ältal kiküldött s Öfelsege ältal 1871. mäjus 22-re Becsbe összEravorr bizottsäg

         JEGYZÖKÖNYVE 93.

2 Tegetthoff, siehe GMR. v. 19. 4. 1871, RMRZ. 108. Anm. 1.
<pb/>336 Nr. 49 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 10. 7. 1871

der Interpellation nicht forcieren, so daß es der Regierung möglich sein werde,
darüber stillschweigend hinwegzugehen.

   Seine Majestät der Kaiser geruhte hierauf den Ah. Beschluß
dahin zu fassen, daß die Beantwortung der Interpellation, wenn möglich, ganz zu
unterlassen, im entgegengesetzten Falle aber im Sinne der Bemerkung des Vize¬
admirals Pöck und des Reichsfinanzministers abzufassen sei.3

   Nach einigen auf Ah. Befragen gemachten Mitteilungen des Vizeadmirals v.
Pöck über das im ganzen befriedigende Ergebnis der Delegationsverhandlungen
über das Marinebudget geruhte Seine Majestät der Kaiser den¬
selben zu entlassen und es sohin als Aufgabe der Konferenz zu bezeichnen, nach
postenweiser Vergleichung der einerseits durch die ungarische Delegation, ander¬
seits durch den Ausschuß der Reichsratsdelegation vorgenommenen Abstriche
am Armeebudget die Summe festzusetzen, bis auf welche die Regierung in ihren
Anforderungen herabgehen könnte und auf deren Durchbringung sodann, sei es
durch Korrigierung der Ausschußanträge im Plenum der Reichsratsdelegation,
sei es im Wege des Nuntienwechsels zwischen beiden Delegationen bei den der
Regierung ergebenen Delegationsmitgliedem hinzuwirken wäre.4

    Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn nahm hierauf
das Wort zu einem längeren Expose in der von Seiner Majestät angedeuteten
Richtung.

    Was zunächst das Ordinarium der Landarmee betreffe, so stehe im Titel 2 hö¬
here Kommanden und Stäbe der Bewilligung der ungarischen Delegation mit
1 770 000 ein Bewilligungsantrag von Seite des Ausschusses der Reichsratsdele¬
gation im Betrage von 1 550 000 fl. gegenüber und müsse aus Gründen admini¬
strativer Natur an dem ungarischen Bewilligungsausmaße festgehalten werden.
In Titel 3 ,,Truppenauslagen&quot; hätte die ungarische Delegation 23 100 000 fl., da¬
gegen der Ausschuß der Reichsratsdelegation, welcher übrigens die Titel 3, 18,
19 und 20 kumulativ behandelte und dem Kriegsminister, der sich jedoch dage¬
gen aussprach, das Virement zwischen diesen Titeln einräumen wollte, nur
21 800 000 fl. bewilligt. Es sei auch hier der ungarische Ansatz festzuhalten.
Ebenso in Titel 4 ,,Militärfuhrwesen&quot;, wo ungarischerseits 314 490 fl. gegen
250 000 fl. votiert wurden.

    Dagegen könne im Titel 8 ,,Monturverwaltungsanstalten&quot; der Ausschußantrag
von 128 064 fl. gegenüber der ungarischen Bewilligung mit 133 064 fl. angenom¬
men werden, wie nicht minder in Titel 9 ,,Technische Artillerie&quot;, wo der Aus¬
schuß gegenüber der ungarischen Bewilligung von 2 729 911 fl. nur 2 708 600 fl.
beantragte, dann ebenfalls die niedereren Ausschußanträge in Titel 10 ,,Fuhrwe¬
senmaterialdepot&quot; mit 109 000 fl. gegen 113 868 fl., ferner in Titel 12 ,,Genie-
und Militärbaudirektionen&quot; mit 2 300 000 fl. gegen 2 400 000 fl. und in Titel 14
,,Militärsanitätswesen&quot; mit 3 077 000 fl. gegen 3 137 106 fl. Es sei aber unbedingt

         In der Delegation verlautete keine Antwort aufPal Kirälyis Interpellation.
         Über das gemeinsame Budgetfür das Jahr 1872: GMR. v. 22. 4. 1871, RMRZ. 109.
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nötig, daß in den Titeln 18 ,,NaturalVerpflegung&quot; und 19 ,,Mannschaftskost&quot;, wo
die Differenz zwischen beiden Votierungen 2 500 000 fl. betrage, der höhere An¬
satz der ungarischen Delegation durchgebracht werde.

   Seine Majestät der K a i s e r hatte die Gnade, zu diesen Titeln zu
bemerken, daß auch schon die ungarische Delegation hiebei Abstriche an der
Regierungsziffer gemacht habe, und wünschte zu wissen, ob bei dieser Reduktion
der dermalige Präsenzstand beibehalten werden könne.

   Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn bejahte dieses
und bemerkte fortfahrend, daß in Titel 20 ,,Montur- und Bettenwesen&quot; gegenüber
der ungarischen Votierung von 6 700 000 der Antrag des Ausschusses von sieben
Millionen bei der Plenarberatung der Reichsratsdelegation festzuhalten und so¬
dann im Nuntienwege zur Annahme zu bringen wäre. Zu Titel 21 ,,Remontie¬
rung&quot; entschied sich Vortragender für den mit 1 300 000 fl. gegen 1 200 000 fl.
gemachten höheren Ansatz der ungarischen Delegation und ebenso bei dem An¬
satz für den Schalttag für Festhaltung dieser ungarischerseits mit 102 400 fl. vo¬
tierten, vom Ausschuß der Reichsratsdelegation aber ganz gestrichenen Positi¬
on.

   Reichsfinanzminister v. Lönyay machte hierauf aufmerk¬
sam, daß der Ausschuß der Reichsratsdelegation die Bedeckung aus eigenen Ein¬
nahmen der Militärverwaltung mit 4 739 109 fl. in das Budget eingestellt habe,
während die ungarische Delegation die Regierungsziffer mit 4 230 657 beibehal¬
ten habe, was zur Erwägung anrege, ob man auf das Eingehen des höheren Betra¬
ges auch wirklich rechnen könne. Widrigenfalls sei zu befürchten, daß bei der
nunmehr zu erfolgenden Teilung der gemeinsamen Aktiven in Ermangelung sub¬
sidiarischer Fonds faktischer Geldmangel eintrete.

   Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn erklärte, gegen
den Ansatz des Ausschusses in dieser Beziehung keine Einwendung machen zu
wollen, und ging hierauf zur Besprechung des Extraordinariums über.

   In dem einmaligen Erfordernis habe die ungarische Delegation für die ,,Rege-
lung der Deponierung des gesamten Feldausrüstungsmaterials als in Überein¬
stimmung mit der künftigen Friedensdislokation&quot; 404 100 fl. bewilligt, der Aus¬
schuß der Reichsratsdelegation aber nur 200 000 fl. beantragt. Vortragender
müsse auf der höheren Ziffer bestehen. In dem Erfordernisse für Waffenwesen
habe die ungarische Delegation zur Festungsmaterialergänzung 1 300 000 fl., der
Ausschuß dagegen nur 500 000 fl. eingestellt. Vortragender erklärte sich mit dem
bezüglichen Vermittelungsantrag des Dr. Herbst5 auf mehrjährige Verteilung die¬
ser Auslage und vorläufiger Einstellung von 750 000 einverstanden.

   Dagegen sprach er sich bei dem Erfordernis für Wemdlgewehre für den unga¬
rischen Ansatz von 2 050 000 fl. gegen den Ausschußantrag von 1 025 000 fl. aus,
während er sich für Revolver mit dem Ausschußantrag pr. 45 000 fl. gegen die
ungarischerseits bewilligten 67 200 fl. begnügen zu können erklärte. Für die An-

5 Über Herbst siehe GMR. v. 15. 1. 1871, RMRZ. 99. Arm. 4.
<pb/>338 Nr. 49 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 10. 7. 1871

Schaffung von Handwaffen für die neuen Batteriekolonnen habe die ungarische
Delegation 50 000 fl., der Ausschuß der Reichsratsdelegation nichts bewilligt. Es
wäre in dieser Beziehung aufdie Annahme der ungarischen Votierung zu dringen,
ebenso wie bei den ungarischerseits mit 20 500 fl. bewilligten, vom Ausschuß
aber abgelehnten Transportskosten des Artilleriematerials aus Lissa.

   An Kosten für Montur und Rüstung habe die ungarische Delegation 2 288 000
fl., der Ausschuß dagegen nur zwei Millionen eingestellt. Vortragender habe ge¬
gen die Annahme der niedereren Ziffer in der Voraussetzung nichts einzuwenden,
daß die Komplettierung im nächsten Budget fortgesetzt werde. In den drei Posten
,,Augmentation für den erhöhten Kriegstand, Remontenanschaffling und Bau ei¬
nes Stallgebäudes in Komom&quot; habe die ungarische Delegation 972 000 fl. bzw.
90 000 fl. und 30 000 fl., der Ausschuß aber gar nichts bewilligt. Es wäre nach
Ansicht des Vortragenden der ungarischen Vötierung zum Durchbruch zu verhel¬
fen.

   Bei den Ansätzen für den Bau von Reitschulen in Weidling und Debreczin
könne der Minderansatz des Ausschusses von je 30 000 fl. gegenüber der Bewil¬
ligung der ungarischen Delegation von je 40 000 fl. angenommen werden, woge¬
gen der ungarischerseits mit 165 000 fl. votierte, vom Ausschuß der Reichs¬
ratsdelegation hingegen abgelehnte Bau von Magazinen für ein neues
Artillerieregiment in Temesvär nicht entbehrt werden könne. Beim ,,transitori¬
schen außerordentlichen Erfordernis&quot; habe der Ausschuß die von ungarischer
Seite mit 400 000 fl. eingestellten Baukosten für die Festungswerke in Krakau
abgelehnt, doch wäre auf dieser Votierung bei der strategischen Wichtigkeit des
Punktes zu bestehen.

    Reichsfinanzminister v. Lönyay schaltete ein, es sei höchst
wichtig, dieser Position im Plenum der Reichsratsdelegation die Majorität zu si¬
chern, weil nach seinen Wahrnehmungen hier am ehesten ein Schwankendwer¬
den der ungarischen Delegation zu befürchten sei, wenn es zu weiteren Bespre¬
chungen kommen sollte.

    Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn bemerkte noch
ferner, der Ausschuß der Reichsratsdelegation habe bei den Positionen für Fort-
setzungsbauten am Fort Igmand bei Komom, für die Befestigung am Heiligen¬
berge bei Olmütz, für den Bau der Infanteriekaseme in Krakau und jener in Pola
überall nur die Hälfte der von der ungarischen Delegation eingestellten Beträge
beantragt, und wünsche, daß die letzteren in ihrer vollen Höhe festgehalten wer¬
den mögen, ebenso wie bei der Position für die Supemumerären der ungarische
Ansatz von 850 000 fl. gegen den Ausschußantrag von 800 000 fl.

    Anläßlich der vom Ausschüsse der Reichsratsdelegation gestrichenen Position
ä 530 000 fl. für die Militärgrenze entspann sich noch eine Diskussion, wobei
Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn von den polni¬
schen Delegationsmitgliedem vielleicht noch eine Abänderung des Ausschußan¬
trages zugunsten des Regierungsansatzes erwartete, während R e i c h s f i -
nanzminister v. Lönyay die Aussicht auf Annahme des
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Regierungsansatzes in der Reichsratsdelegation als hoffnungslos hinstellte, mit
dem Bemerken, daß wohl nichts erübrigen werde, als das ungarische Ministerium
wegen der Geldbeschaffung zu begrüßen [sic!].

   Seine Majestät der Kaiser hatte sonach die Gnade, die im heu¬
tigen Vortrage entwickelten Anträge des Kriegsministers zu genehmigen und an¬
zubefehlen, daß die Taktik der gemeinsamen Regierung demgemäß eingerichtet
werde, indem Allerhöchstderselbe besonders auf die Durchbringung der höheren
Ansätze der ungarischen Delegation in den Titeln 3, 18, 19 und 20, welche den
Bestand der Armee in sich fassen, Gewicht legte. Seine Majestät der Kaiser ge¬
ruhte noch ferner in bezug auf die von den Delegationen gefaßten Resolutionen
und deren Tragweite zu bemerken, daß es sich empfehle, gegen Resolutionen,
denen die gemeinsame Regierung nicht entsprechen zu können glaubt, rechtzeitig
zu remonstrieren, weil die Delegationen, wiewohl ohne einen im Gesetz vorfin¬
digen Anhalt der Meinung zu sein scheinen, daß solche Resolutionen sofort noch
ausgeführt werden müssen.

   Reichsfinanzminister v. Lönyay gab die Äußerung ab, daß
die diesjährigen Resolutionen keine neuen Momente, sondern nur Wiederholun¬
gen früherer Wünsche enthalten, daß übrigens die Regierung sich nur durch ge¬
meinsame Resolutionen beider Delegationen bestimmen lasse. Nachdem noch
Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn den Giskraschen
Antrag6 auf Einsetzung einer Enquete wegen Feststellung eines Normalbudgets
mit Hinweis auf die dermaligen, ein Normalbudget involvierenden Regierungs¬
ansätze abfällig besprochen hatte, geruhte Seine Majestät der Kaiser die Sitzung
aufzuheben.

                                                                                                  Beust

[Ah. E.] Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Wien, 16. Juli 1871. Franz Joseph.

          Nr. 50 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 15. Juli 1871

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der k. k. Ministerpräsident Graf Hohenwart (o. D.), der Reichskriegsminister
Freiherr v. Kuhn (o. D.), der Reichsfinanzminister v. Lönyay (19. 7.), der kgl. ung. Minister am Ah.
Hoflager Freiherr v. Wenkheim (o. D.), Hofrat Freiherr v. Hammer.
    Protokollführer: Sektionsrat Freiherr v. Konradsheim.
    Gegenstand: Wappen zum Gebrauch in gemeinsamen Angelegenheiten.

6 Betreffend die Einsetzung einer Enquetekommission zur Feststellung eines Normalbudgets
        siehe GMR. v. 11. 12. 1870, RMRZ. 95. Gegenstand: I; über Antrag von Giskra wurde die
        Regierung am 14. 1. 1871 von der Delegation aufgefordert, ein Normalbudgetfestzustellen.
        Siehe weiter GMR. v. 15. 1. 1871, RMRZ. 99. Gegenstand: III.
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