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Gemeinsamer Ministerrat, 28. 9. 1870

I. Geldbeschaffung für den außerordentlichen Bedarf des Kriegsministers bis Ende Oktober 1870

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I2/pdf/oe_hu_mrp_I2_z19.pdf.

II. Frage wegen Fortdauer des Pferdeausfuhrverbotes

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I2/pdf/oe_hu_mrp_I2_z19.pdf#page=6.

130 Nr. 19 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 9. 1870

nes Motivenberichts zu dem außerordentlichen Erfordernisse für das Jahr 1870

behufs Vorlage an die Delegationen, dann dem Ministerpräsidenten Grafen Po-

tocki bzw. dem diesseitigen Minister des Innern die Anfertigung eines Exposes

über die dalmatinischen Auslagen zur Begründung der Gemeinsamkeit der Aus¬

lage anzubefehlen.
   Ministerpräsident Graf Andrässy machte die Andeutung,

daß sich die Gemeinsamkeit der Auslage, ganz abgesehen von der Tragweite der

dalmatinischen Bewegung nach außen, die man im Expose jetzt lieber unberührt

lassen solle, schon aus der pragmatischen Sanktion, welche der gemeinsamen

Verteidigung gegen äußere und innere Feinde erwähnt, nachweisen lasse. Hierauf

nahm noch Finanzminister Freiherr v. Holzgethan das

Wort, um seinen persönlichen Standpunkt gegenüber den Anforderungen der

Kriegsverwaltung darzulegen. Er sei der Meinung, daß wenn die Verstärkung der

Wehrkraft durch die Lage geboten sei und die Kriegsverwaltung daher gewisse

Maßregeln für nötig erachte, auch das Geld beigeschafft werden müsse, ohne sich

in eine am Ende doch inkompetente Prüfung der einzelnen Posten einzulassen.

Diesen Standpunkt habe er auch im diesseitigen Ministerrate vertreten, sei aber

damit in der Minderheit geblieben.

Schließlich geruhte Seine Majestät der Kaiser anzuordnen,

daß auf die baldige Ausführung der ungarisch-galizischen Verbindungsbahn, ob¬

schon für den Augenblick die forcierte Bauherstellung nicht mehr so dringend

scheine wie vor einigen Wochen, doch beharrlich hingewirkt werde.

Womit die Sitzung geschlossen wurde.

                                                                     Beust

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Wien, 19. September 1870. Franz Joseph.

     Nr. 19 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. September 1870

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der k. k. Ministerpräsident Graf Potocki (3. 10.), der Reichskriegsminister Frei¬
herr v. Kuhn (3. 10.), der Reichsfinanzminister v. Lonyay (6. 10.), der k. k. Finanzminister Freiherr
v. Holzgethan (6. 10.), der kgl. ung. Finanzminister v. Kerkäpoly (o. D.), Sektionschef v. Früh.
    Protokollführer: Sektionsrat Freiherr v. Konradsheim.
    Gegenstand: I. Geldbeschaffung für den außerordentlichen Bedarf des Kriegsministers bis Ende
Oktober 1870. II. Frage wegen Fortdauer des Pferdeausfuhrverbotes.

   KZ. 3797-RMRZ. 85
   Protokoll des zu Wien am 28. September 1870 abgehaltenen Ministerrates für
gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Reichskanz¬
lers Grafen Beust.
<pb/>Nr. 19 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 9. 1870  131

   I. Reichskanzler Graf Beust leitete die Besprechung mit der
Hindeutung auf die durch die konstitutionellen Schwierigkeiten in der diesseiti¬
gen Reichshälfte verursachte Verzögerung in der Einberufung der Delegationen
und folglich auch in der Votierung des außerordentlichen Militärerfordemisses
für das laufende Jahr ein. Anfangs habe man bekanntlich den Delegationszusam¬
mentritt für den 15. September und später für den 6. Oktober in Aussicht genom¬
men. Nach der heutigen Lage könnten sich die Delegationen, wenn der böhmi¬
sche Landtag den Reichsrat beschicken sollte, was jedoch erst Anfang Oktober
erfolgen könne, nicht vor 15. Oktober und wenn sich infolge der negativen Hal¬
tung des böhmischen Landtages die Notwendigkeit direkter Wahlausschreibung
für den Reichsrat ergeben sollte, selbst dann noch nicht versammeln, zumal wenn
man bedenke, daß man den zwar schon gewählten, aber überall zerstreuten unga¬
rischen Delegierten doch wenigstens einen 14tägigen Termin von der Ausschrei¬
bung bis zum Zusammentritte der Delegationen lassen müsse.1

   Finanzminister v. Kerkäpoly: Die Rücksicht für die Dele¬
gierten des ungarischen Reichstages falle diesmal weg, nachdem der ungarische
Reichstag sich am 22. Oktober versammeln werde und daher die Delegierten
besonders, wenn es bei der Delegationseinberufung nach Pest verbleibe, jeden
Augenblick zu haben seien.

   Reichsfinanzminister v. Lönyay: Seine Lage gegenüber
dem außerordentlichen Kriegserfordemisse sei dadurch sehr schwierig gewor¬
den, daß die Delegationen nicht, wie ursprünglich gerechnet wurde, am 15. Sep¬
tember zusammentreten könnten. Alle bisherigen Kombinationen seien auf diese
Voraussetzung basiert gewesen; während bei der gegenwärtigen Lage die ge¬
meinsame Regierung wenigstens bis Ende Oktober auf eigene Verantwortung für
die Bedeckung des außergewöhnlichen Erfordernisses des Kriegsministers vor¬
zusorgen bemüßigt sei, eines Erfordernisses, welches, obschon mit Ausscheidung
aller bis zur Vötierung durch die Delegationen verschiebbaren Auslagen, doch auf
3 500 000 fl. berechnet wurde.

   Vortragender gab nun unter Rekapitulierung der früheren Ministerratsbe¬
schlüsse über die sub spe rati stattzufindende Verwendung der bewußten zwölf
Millionen aus der Verpfandung der in der Staatszentralkasse als gemeinsames
Aktivum erliegenden Obligationen, dann der auf drei Millionen veranschlagten
Kassenreste aus dem Jahre 1867 einen Überblick über den Stand dieser, zusam-

Beim GMR. v. 22. 7. 1870, RMRZ. 68 wurde der 12. Septemberßr den Beginn der Delegati¬
onsverhandlungen in Aussicht genommen. Die Mehrheit im böhmischen Landtag lehnteje¬
doch die Verfassung vom Dezember 1867 die dualistische Einrichtung ab und verlangte die
Anerkennung ,, der staatsrechtlichen Eigenständigkeit des Königreiches Böhmen ``.Am 5. Ok¬
tober lehnte der Landtag mit 142 gegen 73 Stimmen der Deutschen die Vornahme der Wahlen
in den Reichsrat ab. Amfolgenden Tage schrieb die Regierung im Königreich Böhmen direk¬
te Wahlen zum Reichsrat aus, die Anfang November stattfanden. Die Eröffnung der Delega¬
tionen wurde endlich auf den 24. November verschoben. Urban, Die tschechische Gesell¬
schaft 1848 bis 1918, Bd. 1 358-362.
<pb/>132 Nr. 19 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 9. 1870

men 15 Millionen betragenden Bedeckung. Die bisherigen Ausfassungen des
Kriegsministeriums beliefen sich auf 11 829 000 fl. Die Geldbeschaffungsausla¬
gen für das Vorschußgeschäft ä 12 Millionen auf267 000 fl., zusammen 12 096 000
fl. Werde nun hiezu der Bedarf des Kriegsministeriums Ende Oktober mit
3 500 000 fl. noch zugerechnet, so ergebe sich bis Ende Oktober ein Gesamtbe¬
darfvon 15 596 000 fl., welcher nachAbzug der obigen Bedeckung von 15 000 000
fl. strenggenommen nur einen Abgang von 596 000 fl. bedingen würde, allein
faktisch könne sich der Abgang auf 3 596 000 fl. belaufen, nachdem auf die sub¬
sidiarische Herbeischaffung jener drei Millionen Kassenreste, welche die spezi¬
elle Widmung für die aus der Zeit vor dem Jahre 1868 herrührenden Kreditreste
(derzeit noch circa fünf Millionen Gulden) haben, und neuester Zeit auch mit der
vorschußweisen Tragung des Nachtragskredites ä 400 000 fl. für die ostasiatische
Expedition belastet wurden, infolge der Hinausschiebung des Delegationszusam¬
mentrittes nicht mehr im vollen Betrage zu nehmen sei.

    Vortragender habe daher mit dem Konsortium, welches die obigen zwölf Mil¬
lionen vorstreckte, neuerliche Verhandlungen angeknüpft und dasselbe geneigt
gefunden, auf die in seinem Pfandbesitz befindlichen, hinlängliche Deckung bie¬
tenden Effekten der Staatszentralkasse einen weiteren Vorschuß bis zu dem Be¬
trage von 3 500 000 fl. zu leisten. Er erbittet sich daher die Ermächtigung, nach
Maßgabe des Bedarfes das Geld auf dem angedeuteten Wege beschaffen zu dür¬
fen.

    Im übrigen müsse er von seinem Standpunkte mit aller Entschiedenheit auf die
Beschleunigung der Delegationseinberufung dringen. Nicht nur wegen des nach¬
teiligen Einflusses, den die weitere Verschiebung auch auf den ungarischen Land¬
tag übe, welcher, solange die von dem Delegationsergebnisse abhängende Quote
nicht fixiert ist, das eigene Budget nicht verhandeln werden könne, während an¬
derseits dieses Budget bis 31. Dezember abgetan sein müsse, wenn in der Quo¬
tenabfuhr keine Stockung eintreten soll; nicht nur weil es dem Vertrauen in das
Institut der Delegationen nur abträglich sein könne, wenn der Zusammentritt
abermals in eine so späte Jahreszeit fallt, daß die Verhandlungen überstürzt wer¬
den müssen, sondern hauptsächlich, weil sich schon hinsichtlich der gemeinsa¬
men Geldgebarung des laufenden Jahres Schwierigkeiten ergeben hätten, denen
nur durch die Delegationen abgeholfen werden könne.

    Infolge der höher als präliminiert eingeflossenen gemeinsamen Zölle in den
 Jahren 1868 und 1869 hätte nämlich die diesseitige Reichshälfte im conto current
 des Reichsfinanzministeriums eine Guthabung von 15 032 505 fl. und Ungarn
 eine solche im Betrage von 6 068 317 fl., welche den beiden Reichshälften in die
 diesjährige Quote eingerechnet werden müßte und um welche die beiden Finanz¬
 minister faktisch weniger abführen werden. Nun sei aber dies Geld aus jenen
 vermehrten Zolleinnahmen in den Kassen nicht vorhanden. Wohin dasselbe ge¬
 kommen sei, werde sich aus den Rechnungsabschlüssen zeigen. Ein Teil sei vor¬
 schußweise für die Nachtragskredite des Kriegsministeriums in den Jahren 1868
 und 1869 verwendet worden und werde, wenn die Delegationen die Bedeckung
<pb/>Nr. 19 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 9. 1870                                  133

votieren, den Kassen wohl wieder Zuströmen. Wie immer, so laufe man Gefahr,
am Ende des Jahres mit der gemeinsamen Administration ins Stocken zu geraten,
wenn diese - vorschußweise vorausgabten - Beträge der Staatszentralkasse nicht
refundiert werden, was eben nur mit Hilfe der Delegationen möglich sei.

   Ministerpräsident Graf Potocki bemerkte über die vom
Reichsfinanzminister gewünschte Ermächtigung zur eventuellen weiteren Bela¬
stung der gemeinsamen Aktiven,2 daß sich dieselbe wohl nicht werde ablehnen
lassen, nachdem die gemeinsame Regierung durch die politischen Verhältnisse in
der diesseitigen Reichshälfte die Einberufung der Delegationen für den Augen¬
blick nicht ermögliche, daher der Regierung nichts erübrige, als noch weiterhin
unter Anhoffung der Indemnität vorzugehen.

   Finanzminister v. Kerkäpoly: Je mehr Vorschüsse auf die
gemeinsamen Aktiven erhoben werden, desto mehr steigern sich auch die akzes¬
sorische Zinsenlast und mit dieser die Verantwortung der Regierung. Nun liege
aber die Schuld daran, daß man sich mit solchen Zinsen erheischenden Vorschüs¬
sen behelfen müsse, anstatt budgetmäßig votierte Gelder zu verausgaben, nicht
an Ungarn, welches die Delegierten schon längst gewählt habe, sondern an der
diesseitige Reichshälfte, wo die Verfassungswirren die Wahl in die Delegationen
verzögern. Von dem zwölf Millionen-Darlehen sehe er ab. Als dieses sich als
nötig herausstellte, sei der Reichsrat nicht versammelt gewesen und konnte sich
auch nicht versammeln, um die Delegationswahl vorzunehmen; nun aber sei er
beisammen, und es stehe in seiner Macht, durch sofortige Wahl der Delegierten
dem gegenwärtigen Zustande ein Ende zu machen. Vortragender fürchte sehr, daß
dieses Argument bei dem bevorstehenden Wiederzusammentritt des ungarischen
Reichstages aufgegriffen und zu Angriffen gegen die Regierung genützt werden
könnte. Ganz gewiß werde man fragen, wie denn Ungarn dazu komme, an einer
Zinsenlast für Schulden zu partizipieren, zu welcher die Regierung lediglich
durch die Haltung des Reichsrates veranlaßt wurde?

   Um dieser Diskussion auszuweichen, müsse er Wert darauf legen, daß von ei¬
ner weiteren Belehnung der gemeinsamen Aktiven Umgang genommen und so-
feme die drei Millionen Kassenreste gar nicht oder nicht im vollen Betrage her¬
beigezogen werden können, lieber auf einen anderen Ausweg gedacht werde. Von
seiner Seite wolle er dazu in nachstehender Weise die Hand bieten. Ungarn sei für
das gewöhnliche Extraordinarium des Kriegsministeriums im laufenden Jahre
mit 1 700 000 fl. im Rückstände, welche deshalb nicht bar abgeführt wurden, weil
Ungarn laut seinem Budget aus den gemeinsamen Aktiven &quot;über3 drei Millionen
zu fordern habe. Vortragender sei mit Rücksicht auf die bedrängte Lage der ge¬
meinsamen Finanzen bereit, jenen Rückstand nunmehr abzuführen, wodurch dem
Reichsfinanzminister immerhin einiger Sukkurs geliefert werde.

        Einfigung.
2 Über den Begriffgemeinsame Aktiven siehe GMR. v. 23. 7. 1870, RMRZ. 69. Anm. 4.
<pb/>134 Nr. 19 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 9. 1870

   Reichsfinanzminister v. Lönyay erwiderte, daß er auf das
Eingehen dieses Rückstandes ohnehin schon gerechnet habe. Wenn alle aushaf¬
tenden Forderungen der Staatszentralkasse ersetzt würden, so würde er sich auch
bis zur Versammlung der Delegationen behelfen können, nachdem ersteres aber
nicht erwartet werden könne und den Anforderungen des Kriegsministeriums
aber pünktlich Genüge geleistet werden müsse, so müsse er sich für alle Fälle den
Bedarf sichern; deshalb habe er die erwähnte Ermächtigung auch nur bedingt
verlangt.

   Reichskanzler Graf Beust: Der Wunsch nach dem baldigen
Zusammentritt der Delegationen sei wohl allgemein, aber die Lage sei eben der¬
art, daß die Wahl der Delegierten im Augenblicke nicht möglich sei und die Ent¬
wicklung der böhmischen Frage abgewartet werden müsse. Sollten in Böhmen
immittelbare Reichsratswahlen ausgeschrieben werden, so sei es ja noch immer
möglich, daß die sog. Verfassungspartei des Reichsrates sich zur Wahl in die De¬
legationen vor dem faktischen Eintritt der böhmischen Abgeordneten in den
Reichsrat herbeiläßt, was die Delegationseinberufimg beschleunigen würde. Wie
immer, so sei es ein Gebot der Billigkeit, daß man in Ungarn den im Gefolge des
konstitutionellen Prinzips sich ergebenden konstitutionellen Schwierigkeiten in
der diesseitigen Reichshälfte Rechnung trage, zumal es umgekehrtja auch einmal
Vorkommen könne, daß Ungarn die gleiche Billigkeit für sich in Anspruch neh¬
men müsse.

    Reichsfinanzminister v. Lönyay: Ein weiteres nicht un¬
wichtiges Motiv für die Beschleunigung der Delegationseinberufung sei auch
dies, daß die Stimmung und Geneigtheit der Delegierten zur Votierung der Gelder
für die Anschaffungen des Kriegsministers in dem Maße abnehmen werde, als
der Ausgang des deutsch-französischen Krieges den unmittelbaren Ausbruch der
Kriegsgefahr für Österreich in den Hintergrund zu drängen scheinen wird.

    Finanzminister v. Kerkäpoly: Der voraussichtliche baldige
Geldbedarf Frankreichs werde auch den europäischen Geldmarkt verteuern.
Wenn nun die beabsichtigten Anschaffungen für unsere Kriegsverwaltung im
Wege einer wie immer gearteten Anleihe bedeckt werden sollen, so sei es schon
mit Rücksicht auf die wahrscheinlichen Konstellationen des Geldmarktes wün¬
schenswert, die Delegationen derart zu beschleunigen, daß unsere eventuellen
Anlehensoperationen noch in verhältnismäßig günstiger Zeit erfolgen können.
Übrigens glaube er sich nicht zu täuschen, wenn er die Meinung hege, daß der
Regierung auch noch im November die Vorfrage für die Geldbeschaffung oblie¬
gen würde, und man täte gut, auch diesen Moment in Erwägung zu ziehen.

    Ministerpräsident Graf Potocki: Es liege nicht in der Ab¬
sicht der Regierung, die gegenwärtige Lage zu verzetteln. Der böhmische Land¬
tag werde sich jetzt für oder gegen die Reichsratsbeschickung aussprechen müs¬
sen, und daraus werde die Regierung Anhaltspunkte für ihr weiteres rasches
Vorgehen gewixmen.
<pb/>Nr. 19 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 9. 1870  135

   Finanzminister Freiherr v. Holzgethan: Infolge der
Guthabungen von 15 Millionen reduziere sich die bare Beitragspflicht der dies¬
seitigen Reichshälfte zu den gemeinsamen Auslagen im laufenden Jahre von 55
auf 40 Millionen, und nach seinen Berechnungen werde er im Monate Oktober an
der Grenze dieser Beitragspflicht angelangt sein. Zu weiteren Abfuhren fehle ihm
die Ermächtigung.

    Gleichwohl habe er, den Verhältnissen Rechnung tragend, schon etwas über
jene Quote angewiesen und auch die zwei Millionen, welche die diesseitige
Reichshälfte heuer budgetmäßig aus der Teilung der gemeinsamen Aktiven erhal¬
ten sollte, nicht reklamiert; hiemit habe er aber alles Zulässige getan und könne
sich zu weiteren Leistungen an die gemeinsamen Finanzen nicht herbeilassen.
Die Hinausschiebung der Delegationen sei nun allerdings ein Verhängnis, aber
gegenüber der faktischen Lage seien Reflexionen nicht am Platz. Tatsache sei es,
daß der Kriegsminister Geld benötige, und dieses müsse beigeschafft werden.
Der Antrag des Reichsfinanzministers zeige den Weg zu dieser Beschaffung, und
er stimme dem Anträge aus denselben Gründen zu, aus welchen er sich früher mit
der Krediteröffnung von zwölf Millionen einverstanden erklärte.

    Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn äußerte sein
Befremden über die vom Reichsfinanzminister oben angedeutete Stockung der
Geldmittel infolge der Guthabungen der beiden Reichshälften, welche zusammen
21 Millionen betragen, und bemerkte, daß wenn auch sechs Millionen an Nach¬
tragskrediten aus den beiden letzteren Jahren in Abzug gebracht werden, doch
noch immer 15 Millionen vorhanden sein müßten.

    Reichsfinanzminister v. Lönyay: neun Millionen seien für
Kupons ausgezahlt worden. Bestimmtes könne man nur an der Hand der Rech¬
nungen erfahren.

    Finanzminister Freiherr v. Holzgethan: Es werde
nichts erübrigen, als das Defizit einstweilen durch einen bei den Delegationen zu
beanspruchenden Nachtragskredit zu decken.

    Finanzminister v. Kerkäpoly: Ungarn habe alles in allem für
heuer noch 9 200 000 fl. an die gemeinsame Kasse abzufuhren, was aber gegen¬
über dem mit 19 Millionen noch bevorstehenden gemeinsamen Erfordernis nicht
ausreiche.

    Reichsfinanzminister v. Lönyay führte schließlich die Dis¬
kussion auf ihren Ausgangspunkt zurück, indem er unter der Voraussetzung, daß
der Reichskriegsminister mit den eingangs erwähnten 15 1/2 Millionen bis in den
Monat November auskomme, die Bestreitung der Erfordernisse der Kriegsver¬
waltung aus den vorhandenen Geldmitteln versuchen zu wollen erklärte, nur
müsse ihm für alle Fälle die Ermächtigung zur weiteren Belehnung der verpfän¬
deten Effekten bis zu dem Betrage von 3 500 000 fl. zugestanden werden.

    Die Konferenz gab diese Zustimmung nur mit Stimmenmehrheit, nachdem
Finanzminister v. Kerkäpoly bei seiner Erklärung beharrte, daß
über das obige auch vom ungarischen Ministerrate nur in diesem Betrage akzep-
<pb/>136 Nr. 19 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 9. 1870

tierte zwölf Millionen-Anlehen keine weitere mit Lasten verbundene Finanzope¬
ration gemacht werden solle.

   II. Finanzminister Freiherr v. Holzgethan brachte
noch vor, wie das k. k. Finanzministerium täglich mit Gesuchen wegen aus¬
nahmsweiser Gestattung von Pferdeausfiihren teils im schriftlichen, teils im tele¬
grafischen Wege bestürmt werde. Ein solches Gesuch liege gerade jetzt aus Tirol
vor, wo die den Sommer über auf der Weide gewesenen bayerischen Pferde infol¬
ge des Ausfuhrverbotes nicht wieder nach Hause geschickt werden können. Ein
gleiches dringendes Ansuchen habe den Pinzgauem für die Ausfuhr der zu einem
Jahrmarkt nach Bayern getriebenen einjährigen Fohlen gewährt werden müssen,
weil dieser Handel einen Haupterwerbszweig der Bewohner des Pinzgaues bilde,
und das Verbot der Ausfuhr daselbst große Aufregung hervorgerufen habe. Nach¬
dem nun das Kriegsministerium durch den Verkauf eines Teiles der angekauften
Pferde selbst den Beweis liefere,3 daß der Bedarf an Pferden mehr als gedeckt sei,
so entfalle auch der Grund der Beibehaltung des Ausfuhrverbotes, welches aus
volkswirtschaftlichen Gründen aufzulassen wäre.

   Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn: Die Aufhe¬
bung des Ausfuhrverbotes scheine ihm noch nicht opportun, denn solange zwi¬
schen Frankreich und Deutschland nicht Frieden geschlossen werde, halte er den
Frieden auch für uns noch nicht gesichert.

    Reichskanzler Graf Beust sprach sich gleichfalls im Sinne des
Kriegsministers aus. Auf die Länge sei die in Rede stehende Maßregel allerdings
nicht haltbar, aber bis heute sei der volkswirtschaftliche Nachteil noch kein gro¬
ßer, während politische Gründe noch weiter für die Aufrechthaltung des Ausfuhr¬
verbotes, von welchem lieber von Fall zu Fall Ausnahmen zu machen wären,
spreche. Zum Beweis brachte Vortragender ein soeben erhaltenes Telegramm aus
Bukarest über angebliche Truppenkonzentrationen Rußlands an der moldauischen
Grenze zur Vorlesung. Sei nun auch diese Mitteilung noch nicht erwiesen, so sei
anderseits doch schon der Bestand solcher Gerüchte ein Beweis dafür, daß die
Friedensaussichten noch nicht als gesichert zu betrachten sind.

    Finanzminister v. Kerkäpoly: Auch er sei eine Weile noch
für die Aufrechthaltung des Verbotes wenigstens so lange, bis die Kriegsverwal¬
tung ihre überflüssigen Pferde verkauft habe. Durch die den ärarischen Pferden
im Falle des Verkaufes gestattete Ausfuhr sichere man der Kriegsverwaltung ein
Monopol, welches sie in die Lage setze, günstigere Verkaufspreise zu erlangen.

    Finanzminister Freiherr v. Holzgethan: Der vom
Kriegsminister eingeleitete Pferdeverkauf an ein ausländisches Konsortium unter
Gestattung der Ausfuhr für diese Pferde sei im diesseitigen Ministerrate zur Spra¬
che gekommen, aber auf Widerspruch gestoßen, indem man hier eine Generali-

 3 Siehe GMR. v. 6. 9. 1870, RMRZ. 81. Gegenstand: II; GMR. v. 10. 9. 1870, RMRZ. 83.
<pb/>Nr. 20 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29. 10. 1870                   137

sierung der Ausfuhrbewilligung wünsche.4 Er glaube, daß man diese aus volks¬
wirtschaftlichen Gründen wenigstens für die Fohlen erteilen solle.

   Die Konferenz beschloß sonach die Aufhebung des Verbotes für höchstens
einjährige Fohlen, wogegen ältere Fohlen und Pferde von der Ausfuhr nach wie
vor ausgeschlossen werden sollen. Was die angeblichen Truppenkonzentrierun¬
gen Rußlands betrifft, so erklärte sich der Kriegsminister über Anregung des Gra¬
fen Potocki bereit, einen Agenten nach Mohilew zur Ermittlung des Wahren an
der Sache zu entsenden, womit die Sitzung geschlossen wurde.

                                                                                                  Beust

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Wien, 9. Oktober 1870. Franz Joseph.

        Nr. 20 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29. Oktober 1870

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der Ministerpräsident Graf Potocki (o. D.), der Reichskriegsminister Freiherr v.
Kuhn (2. 11.), der Reichsfinanzminister v. Lönyay (2. 11.), der k. k. Minister des Innern GrafTaaf-
fe (2. 11.), der kgl. ung. Minister am Ah. Hoflager Graf Festetics (4. 11.), Vizeadmiral v. Tegetthoff
(o. D.), Sektionschef v. Früh.
    Protokollführer: Sektionsrat Freiherr v. Konradsheim.
    Gegenstand: I. Enquete in Angelegenheit der Systemisierung eines fixen Flottenstandes. II.
Denkschrift über das außergewöhnliche Extraordinarium der Kriegsverwaltung pro 1870. III. Dal¬
matinische Auslagen.

   KZ. 3810-RMRZ. 86
   Protokoll des zu Wien am 29. Oktober 1870 abgehaltenen Ministerrates für
gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Reichskanz¬
lers Grafen Beust.

   I. Reichskanzler Graf Beust leitete die Besprechung mit einer
Analyse des vom Vizeadmiral v. TegetthofF Seiner Majestät unterbreiteten, und
Ah. Orts dem gemeinsamen Ministerrate zur Vorberatung zugewiesenen au. Vor¬
trages wegen Fixierung eines Normalstatus für die Marine ein.1 Obschon stets

        Das Protokoll des cisleithanischen Ministerrates war nicht auffindbar Siehe aber au. Vor¬
        trag des k. k. Finanzministers über Aufhebung des Pferdeausfuhrverbots v. 16. 9. 1870.
        HHStA., Kab.Kanzlei KZ. 3624/1870. Im November empfiehlt bereits der Reichskriegsmini¬
        ster die Aufhebung des bestehenden Pferdeausfuhrverbotes: au. Vortrag des Kriegsministers
        v. 4. 11. 1870. KA. MKSM. 75-3/1/1870.

        Au. Vortrag des Chefs der Marinesektion v. 3. 9. 1870. Nr. 1225. KA. MKSM. 66-7/5. Vgl.
        GMR. v. 6. 9. 1870, RMRZ. 82. Anm. 14.
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