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Gemeinsamer Ministerrat, 25. 11. 1868

I. Kriegsbudgetverhandlungen in den Delegationen

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I1/pdf/oe_hu_mrp_I1_z27.pdf.

III. Ausbau der Kaschau-Galizischen Bahn

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I1/pdf/oe_hu_mrp_I1_z27.pdf#page=6.

142 Nr. 27 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 25. 11. 1868

Donaufürstentümem entsendet werde, um den wahren Sachverhalt aufzu¬
klären.

   Hiermit wurde die Sitzung geschlossen.
                                                                                         Beust

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Ofen, 16. Dezember 1868. Franz Joseph.

      Nr. 27 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 25. November 1868

    RS. (und RK.)
     Gegenwärtige: der Reichskanzler Freiherr v. Beust, der Reichsfinanzminister Freiherr v.
Becke (o. D.), der Reichskriegsminister [FML.] Freiherr v. Kuhn (o. D.), Vizeadmiral v.
Tegetthoff (o. D.), Generalkriegskommissär v. Früh (o. D.).1
     Protokollführer: Sektionschef v. Hofmann.
     Gegenstand: I. Kriegsbudgetverhandlungen in den Delegationen. II. Marinebudget. III.
Ausbau der Kaschau-Galizischen Bahn. IV. Donau-Kanonenboote. V. Waffendurchfuhr nach
der Moldau.

   KZ. 4036 - RMRZ. 27
   Protokoll des zu Ofen am 25. November 1868 abgehaltenen Minister¬
rates für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät
des Kaisers.

   [L] Seine Majestät der Kaiser geruhten den Stand der
Verhandlungen in den Delegationen - das Kriegsbudget betreffend - zur
Sprache zu bringen und zur Erörterung darüber aufzufordem, welche Wege
einzuschlagen und welche Mittel zu ergreifen seien, um ein möglichst gün¬
stiges Resultat zu gewinnen. Die Sitzungen des bezüglichen Ausschusses
der ungarischen Delegation seien ziemlich glücklich verlaufen, dagegen er¬
scheine es als fraglich, ob seitens der deutschen ein gleiches zu gewärtigen
sei?

   Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn: Der
Stand der Beratungen im ungarischen Delegationsausschusse stelle sich im
ganzen allerdings nicht ungünstig. Viel schlimmer gehe es im deutschen
Ausschüsse. Ungarischerseits habe man sich mit der Form des Budgets ein¬
verstanden erklärt, die Truppenzahl angenommen, damit sei das Budget ei¬
gentlich in seiner Totalität gegeben. Der ungarische Ausschuß habe die

1 Unter den Anwesenden befinden sich nicht die beiden Ungarn, Ministerpräsident Graf
       Andrässy und Finanzminister Lönyay, dagegen unterschreibt Früh, unüblicherweise,
        den Einsichtsbogen.
<pb/>Nr. 27 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 25. 11. 1868  143

Anträge, welche das vorige Mal seitens der Linken gestellt worden sind,2
mit den diesjährigen Regierungsanträgen verglichen und mit Befriedigung
gefunden, daß der Unterschied bei der Infanterie nur zehn Mann per
Kompagnie betrage, während bei der Kavallerie sich sogar ein noch günsti¬
geres Verhältnis herausstelle als das von der Linken verlangte. Was die
technischen Truppen anbelangt, so sei es Vortragendem gelungen, die unga¬
rische Delegation zu überzeugen, in diesem Punkte sei eine Änderung un¬
möglich. An dem angenommenen Stande müßte festgehalten werden, sonst
sei es ebenso gut, man habe gar keine Armee. Man habe Post für Post durch¬
genommen. Vortragender habe nach Möglichkeit herabgehandelt; folgende
Abstriche seien aber vorgenommen worden:

   a) bei der Zentralleitung 50 000 fl., b) Geldverpflegung der Truppen¬
körper 400 000 fl. Diese Post als Interkalar habe Vortragender gleich zuge¬
standen. c) Monturskommission 50 000 fl., d) Artillerie 100 000 fl., e) Bau¬
verwaltung 200 000 fl., verschiedene Auslagen 65 000 fl. Gesamtabstrich
sonach 865 000 fl.

   Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke: Die als
Durchschnittsziffer angenommenen Preise für Naturalien seien für dieses
Jahr höher als die wirklichen. Vielfach werde daher die Frage aufgeworfen,
ob nicht in dem eben erwähnten Punkte etwas nachgelassen werden könnte.
Ein Normalbudget in des Wortes ernster Bedeutung sei in diesem Jahr nicht

durchzubringen.
   Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn: In der

ungarischen Delegation sei das Zustandekommen eines solchen Normal¬
budgets allerdings möglich.

   Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke: Nichts

könne ihm ferner liegen, als dem Kriegsbudget Opposition machen zu wol¬
len. Verschweigen könne und wolle Vortragender jedoch nicht, daß auch
sehr gemäßigte Mitglieder der Delegationen sich dahin äußern, für dieses
Jahr sei nur der Anfang eines Normalbudgets zu erreichen, nicht letzteres in
seiner Totalität. Unbedenklich könne man daher diesmal die Preise der Na¬
turalien niedriger annehmen, für die Leistungen des Volkes sei es nicht
gleichgiltig, ob höhere Positionen angenommen werden. Auch in der unga¬
rischen Delegation würden diese Grundsätze ihre Vertretung finden.

   Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn: Die Prei¬
se der Naturalien seien nach einem zehnjährigen Durchschnitt angenommen
worden, und es werde auch über diesen Titel genaue Rechnung gelegt. Rei¬
che man nicht aus, so müßte hierin ein Nachtragskredit bewilligt werden.

2 Anläßlich der Frühlingssession 1868 der Delegation hat die linke Minderheit der Dele¬
       gation (Tisza, Ghyczy) einen Antrag über das Budget des Kriegsministeriums zusam¬
       mengestellt: Sondermeinung des Heeresausschusses betreffend des Ordinariums und
       Extraordinariums des Kriegsbudgets, Pesti Naplö v. 5. 3. 1868.
<pb/>144 Nr. 27 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 25. 11. 1868

   Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke: Die Be¬
schaffung der Naturalien sei im Herbste des vorigen Jahres erfolgt; jetzt
seien letztere bedeutend wohlfeiler. Sehr einfach sei daher die Argumentati¬
on: nehmen wir die augenblicklichen Marktpreise zur Grundlage und schie¬
ben wir die Annahme eines zehnjährigen Durchschnitts bei der Feststellung
des Budgets für später auf.

   Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn: Ein Normal¬
budget, welches diesen Namen verdiene, setze einen bestimmten Eigen¬
stand der Truppen voraus, und sei in anderer Weise die Schlagfertigkeit der
Armee nicht zu erhalten. Auf dieses Ziel müsse daher hingesteuert werden.
Eine kreuzerweise Berechnung sei absolut unmöglich.

   Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke: Die zu
beantwortende Frage sei eben folgende: Was für Abstriche können vorge¬
nommen werden, ohne den Armeestand zu alterieren? Generalkriegs¬
kommissär Früh möge zunächst detaillierte Nachweise darüber liefern, wie
sich die jetzigen Preise zu den Normalpreisen verhalten.

   Generalkriegskommissär Früh: Seine Exzellenz der
Herr Kriegsminister habe den Auftrag gegeben, die betreffenden Tabellen
zusammenzustellen, und Vortragender sei demnach sofort imstande, die ge¬
wünschten Behelfe zu liefern. Zwei Hauptgruppen seien zu unterscheiden:
1. reine Naturalien; 2. Menagekosten; ad 1. sei die Differenz im Vergleiche
zu den angenommenen Einheitspreisen im Momente des Augenblicks um
5 % günstiger; Hafer sei sich gleich geblieben, Heu stehe um 1 % schlech¬
ter. In Kasernenservier sei keine Schwankung. Die persönliche Ansicht des
Vortragenden sei demnach, daß mit Rücksicht auf die oben bezeichnete
Differenz eine um 5-700 000 fl. geringere Ziffer eingestellt werden könne.
Doch sei diese Anschauung einzig und allein durch die Preise bestimmt, die
im jetzigen Momente bestehen, was nicht übersehen werden dürfe; ad 2.
Menagekost seien die Preise des Rindfleisches eher als steigend anzuneh¬
men, doch könne auch hier durch geschickte Manipulation ein besseres Re¬
sultat erzielt werden, als die einfache Annahme der faktischen Preise her¬
aussteilen würde. Doch vermöge er den für zu erwartenden Gewinn auf
höchstens 1-2 % veranschlagen. Die Summe von 800 000 fl. in allem sei
daher das Höchste, was nach Ansicht des Vortragenden würde in Abzug
gebracht werden können, und dies nur vorbehaltlich eines Nachtragskredits.

    Seine Majestät der Kaiser geruhten hierauf zu bemer¬
ken, daß dieser Betrag vielleicht würde zum Opfer gebracht werden kön¬
nen, ohne das Militärbudget zu einem fiktiven zu gestalten. Dazu kämen
noch die ungarischerseits abgestrichenen 856 000 fl.

   Ungarischer Finanzminister v. Lönyay: Man sol¬
le sich die jetzigen Preise dadurch sichern, daß man für das ganze Jahr und
gegen Kautionen sofort abschließe. Auf diesem Wege allein decke man sich
gegen jeden Verlust, obwohl man dabei auch allerdings auf einen eventuel¬
len Gewinn verzichten müsse.
<pb/>Nr. 27 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 25. 11. 1868  145

   R e i c h s f i n a n z m i n i s t e r Freiherr v. Becke:
Man solle bei der Verpflegung der Truppen nicht die gesamten 800 000 fl.
in Abzug bringen, sondern etwas in Reserve behalten. Eine Steigerung der
Fleischpreise sei mit Zuversicht zu erwarten. Der Rat des Vortragenden
gehe somit dahin, über ein Minus von 1 500 000 fl. keinesfalls hinauszuge¬

hen.
   Generalkriegskommissär Früh: Die vom Finanzmi¬

nister v. Lönyay erwähnte Sicherstellung sei nicht leicht zu erlangen, da
sich auch bei eifrigster Bemühung fast keine Leute hiefür fänden. Größere

Termine seien allerdings anzustreben.
   Seine Majestät der Kaiser: Standesfluktuationen zu

dem Zwecke vorzunehmen, um momentan Löcher zuzustopfen, sei nicht
möglich. Alles handle sich darum, darüber klar zu werden, was für Mittel
man habe, auf die deutsche Delegation zu wirken, damit dieselbe über den
Abstrich von 1 500 000 fl., wenn man sich einmal zu demselben bequemen

müsse, nicht noch hinausgehe.
   Finanzminister v. Lonyay: Für ihn sei das wesentlich¬

ste die Deckung des Extraordinariums. Die Donaudampfschiffahrtsge¬

sellschaft habe für das vergangene Jahr einen Vorschuß von 1 700 000 fl.
und für heuer einen solchen von 5-600 000 fl. abzutragen. Das gebe ein

gemeinsames Aktivum von 2 200 000 fl. Ferner besitze der Reichs¬
finanzminister einen Fond an Prioritätsobligationen der Losonzer-Bahn,
welche Vortragender geneigt sei, um 92 % an sich zu bringen. Hiedurch
würden 1 800 000 fl. gedeckt, sonach im ganzen ungefähr 4 Millionen. Zum
Überreste könne man einen Teil jener Summe verwenden, der dem Reichs¬
finanzminister zur Einlösung der später zur Zahlung gelangenden Kupons
zur Verfügung stehe, da die Erfahrung nachweise, daß die Anmeldungen
diesfalls spärlicher fließen, als ursprünglich angenommen wurde.

    Reichskanzler Freiherr v. Beust: Es sei wohl nö¬

tig, die Erörterung auch auf die Frage auszudehnen, welche Stellung die
ungarische Delegation einnehmen werde, wenn die deutsche zu noch weite¬
ren Abstrichen schreite. Sei man in dieser Voraussetzung vergewissert, daß
die ungarische Delegation standhalten werde, oder sei das Gegenteil zu be¬
fürchten? Vortragender müsse sich hierüber nähere Auskunft erbitten.

    Ministerpräsident Graf Andrässy: Die ungarische

Delegation werde aller Wahrscheinlichkeit nach den Anträgen ihres Komi¬
tees beitreten und in keine weiteren Abstriche willigen als solche, deren
Motivierung einen klaren und bestimmten Nachweis des Bedürfnisses ent¬
 halte. Von dieser Annahme ausgehend sei aber nunmehr eine Entscheidung
 darüber zu fassen, welche Taktik sich einzuschlagen empfehle. Es sei näm¬
 lich fraglich, ob die ungarische Delegation zuerst vergehen und ihre Be¬
 schlüsse fassen, oder ob sie im Gegenteile zögern solle, bis man im Schoße
 der deutschen Delegation zu einem Resultate gelangt sei. Aus mannig¬
 fachen Gründen scheine Vortragendem die letztere Alternative zu empfeh-
<pb/>146 Nr. 27 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 25. 11. 1868

len, zugleich fühle er sich aber für verpflichtet, vor einem ganz entschieden
zu warnen, und dies sei vor einer gemeinsamen Abstimmung.3 Gegen eine
solche sei man hier und dort aus prinzipiellen Gründen, und in diesem
Punkte könne man auch seitens der ungarischen Delegation leicht im Stiche
gelassen werden, zumal da die Gefahr einer Prealable-Vereinigung der ver¬
schiedenartigsten Elemente vorliege. Man dürfe nicht übersehen, daß Neu¬
wahlen vor der Türe stünden und daß die Majorität des ungarischen Land¬
tags sich nicht dem Vorwurfe von seiten der Linken aussetzen könne, als
habe sie durch ihren Leichtsinn verschuldet, daß das Land durch den Druck
eines allzugroßen Militärbudgets leide.

   Seine Majestät der Kaiser: Die zu befolgende Taktik
sei klar, man müsse ungarischerseits fortarbeiten und ein Endresultat erzie¬
len. Die österreichische Delegation enthalte in pleno konservativere Ele¬
mente als im Ausschüsse und namentlich im Subkomitee, und man dürfte
daher die Hoffnung hegen, daß man österreichischerseits schließlich den
ungarischen Anträgen doch noch zustimmen werde. Alle Minister mögen
eifrigst dahin zu wirken bestrebt sein, daß ein akzeptables Budget zustande
komme.

   Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke: Auch
er halte eine gemeinsame Votation für gefährlich; besser sei ein weiteres
Verhandeln mit der deutschen Delegation. Minister Giskra habe auf letztere
den meisten Einfluß, und es würde sich empfehlen, denselben zur Unter¬
stützung hieher kommen zu lassen.

   Reichskanzler Freiherr v. Beust: Wenn man von
Taktik spreche, könne man doch den Modus einer gemeinsamen Abstim¬
mung nicht unbedingt von der Hand weisen. Die Sache möge mißlich sein,
aber vom Hause aus sagen, die gemeinsame Abstimmung dürfe gar nie ein-
treten, hieße die Regierung eines großen Vorteils, welchen ihr die Verfas¬
sung darbiete, wieder berauben. Man müsse im Gegenteil den Mut haben zu
sagen, es werde wenigstens im Notfälle zu einer gemeinsamen Abstimmung
kommen, womit ja noch nicht gesagt sei, daß eine solche wirklich vorge¬
nommen werden müsse. Handle man im gegenteiligen Sinne, so gebe man
ja dem Feinde geradezu Waffen in die Hand.

       Das Ausgleichsgesetz, und zwar RGBl. Nr. 145/1867 § 31 ebenso wie GA. XII/1867
        §35, kennt die Möglichkeit gemeinsamer Abstimmung. Nach dem österreichischen Ge¬
       setz: Jede Delegation ist berechtigt zu beantragen, daß die Frage durch gemeinschaftli¬
        che Abstimmung entschieden werde ...; und nach dem ungarischen: Wenn es durch die¬
        se schriftlichen Nuntien nicht gelingen sollte, die Meinungen der zwei Ausschüsse zu
        vereinigen, dann werden die zwei Ausschüsse eine Zusammen-Sitzung halten, aber le¬
        diglich nur behufs einfacher Abstimmung. Andrässy ßirchtete anläßlich der ersten
       Delegationssitzungen diese gemeinsame Abstimmung sehr, später akzeptierte er sie. Sie¬
        he Somogyi, A delegäciö 483.
<pb/>Nr. 27 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 25. 11. 1868  147

   Ministerpräsident Graf Andrässy: Man sei nun
einmal im Schoße des ungarischen Reichstags der Ansicht, daß das Prinzip

der gemeinsamen Abstimmung das dualistische System leicht gefährden
könne, und es sei demnach, Vortragender müsse es wiederholt bemerken,
ein sehr ungünstiges Resultat von einem solchen Vorgänge zu befürchten.
Es sei eine große Schwierigkeit, daß die parlamentarische Regierungsform
in den im Reichsrate vertretenen Königreichen und Ländern wohl von oben,
nicht so aber auch von unten gehörig begriffen worden sei, da dem soge¬
nannten parlamentarischen Ministerium eine entschiedene Unterstützung
seiner Partei nicht zur Seite stehe. Ebenso liege in dem Mangel an Zeit eine
große Gefahr. Soweit als irgend möglich solle man daher sich gegen Ab¬
striche nicht stemmen.

   [II.] Seine Majestät der Kaiser geruhten hierauf den
Stand der Verhandlungen in bezug auf das Marinebudget zur Sprache zu
bringen.

   Vizeadmiral v. Tegetthoff: Im Ordinarium hätte sich
die deutsche Delegation gut gezeigt, die ungarische sei noch nicht fertig.
Für Schiffbau und Maschinen seien 117 000 fl., Extraordinario für Werndl-
Gewehre und Bauten 882 000 fl. gestrichen worden. Was gewisse Beträge
anbelange, so hoffe Vortragender, selbst ein noch günstigeres Resultat als
das augenblicklich vorliegende zu erzielen.

   [III.] Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn
brachte den Ausbau der Kaschau-Galizischen Bahn zur Sprache und be¬
merkte, daß dieselbe in militärischer Beziehung höchst wichtig sei und
demnach der Aufschub, den die betreffenden Arbeiten dem Vernehmen
nach erleiden sollten und der mit sechs Monaten angegeben werde, von gro¬
ßem Nachteile sein würde. Es wäre daher höchst wünschenswert, wenn von
ungarischer Seite mit möglichster Beschleunigung vorgegangen würde.

   Ministerpräsident Graf Andrässy hob hervor, daß er sich
in bezug auf diesen Gegenstand insoferne in einer gewissen Verlegenheit
befinde, als die eine der projektierten Linien über seine eigenen Güter führe.
Augenblicklich fanden darüber Verhandlungen zwischen den beiden Han¬
delsministerien statt, und da die Beendigung derselben vor Ende des Reichs¬
tages nicht zu erwarten sei, so würde dem ungarischen Ministerium nichts
erübrigen, als faktisch vorzugehen und später die Indemnität anzusuchen.4

Über die militärische Bedeutung der ungarisch-galizischen Eisenbahnverbindung:
Kriegsminister an Reichskanzler v. 6. 1. 1869 KA., KM., Präs. 17-18/1/1868. Pro-
memoria betreffend Eisenbahnverbindung zwischen Galizien und Ungarn v. 6. 6. 1868;
Denkschrift über den militärischen Wert der projektierten ungarisch-galizischen Ost¬
bahn von Zombor, respektive Szerencs über Munkäcs-Stry nach Tamopol HHStA.,
PA. I, Karton 551, Nr. 791.
<pb/>148 Nr. 27 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 25. 11. 1868

   Seine Majestät der Kaiser geruhten zu bemerken, daß der
Ausbau dieser Bahn vom militärischen Standpunkte aus höchst wichtig sei
und daß demnach die Indemnität jedenfalls werde angesucht werden müssen.

   [IV.] Ministerpräsident Graf Andrässy: Es möge ihm
gestattet sein, noch einen sehr wichtigen Gegenstand zur Sprache zu brin¬
gen. Auf der unteren Donau sei Österreich die Möglichkeit geboten, Kano¬
nenboote zu halten;5 hätte man ein paar solche zur Verfügung, so wäre es
bei einem viel geringeren Aufwande möglich, eine wirksamere Pression
auszuüben als durch militärische Aufstellung. Ungarischerseits seien schon
vom FML. v. John, als er noch Kriegsminister war,6 Vorschläge in dieser Be¬
ziehung verlangt worden, aber nie eingelangt. Augenblicklich werde ein An¬
gebot von jemand gemacht, der mit der Kompagnie des Forges mediter-
ranees in Verbindung sei. Vortragender sei der Ansicht, Vizeadmiral v.
Tegetthoff möge für sein Budget einen entsprechenden Nachtragskredit
begehren.

   Vizeadmiral v. Tegetthoff glaubt, daß dieser Gegen¬
stand nicht direkt den Marineaufwand berühre. Er habe nichts gegen den
Vorschlag, glaube aber, daß derselbe am besten vom Reichskanzler gestellt
und begründet werden könne.

   Reichskanzler Freiherr v. Beust wünscht, vor al¬
lem eine Einzelspezifikation der bezüglichen Kosten dargelegt zu sehen.
Vizeadmiral v. Tegetthoff erklärte, daß ein Kanonenboot mit
einem 24 Pfänder auf 182 000 fl. Papier zu stehen komme.

    Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn: Die
Sache sei früher immer im Kriegsministerium behandelt worden, sie biete
in militärischer Beziehung unstreitig mancherlei Vorteile. Der Nutzen sei
jedoch insoweit nur ein prekärer, als man gegnerischerseits nicht unterlas¬
sen würde, die an der unteren Donau gelegenen Städte mit so starken Ge¬
schützen zu armieren, daß der dreizöllige Eisenpanzer, mit welchem ein
solches Boot umgeben sei, sich als nicht ausreichend erweisen würde.

    Seine Majestät der Kaiser geruht den Beschluß dahin
zu fassen, daß die betreffende Nachtragsforderung vom Kriegsministerium
eingebracht werde.

    [V.] Reichskanzler Freiherr v. Beust: Von seiten
des Ministerpräsidentenstellvertreters Grafen Taaffe sei ein Telegramm ein¬
gelangt, aus welchem hervorgehe, daß ein Speditionshaus einen Geleit¬
 schein bezüglich der ungehinderten Durchfuhr von Waffen aus Hamburg
nach der Moldau begehre. Bisher habe die k. k. Regierung das Prinzip beob¬
 achtet, derlei Sendungen keine Hindernisse in den Weg zu legen.7 Dieser ihr

 5 Dieses Recht garantiert Österreich der Pariser Friedensvertrag von 1856.
 6 Über Kriegsminister John siehe GMRProt. v. 11. 1. 1868, RMRZ. 3. Anm. 5.
 7 Über den Waffentransport in die Moldau: GMR. v. 21. 2. 1868, RMRZ. 14.
<pb/>Nr. 28 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 3. 1. 1869                     149

Edelmut sei aber sehr schlecht belohnt worden, denn man habe ihr in die
Schuhe schieben wollen, als übe sie selbst Konnivenz in der Sache und be¬
günstige also indirekt die fraglichen Sendungen. Die Sache müsse jedoch
ein Ende haben, und Vortragender könne sich demnach nur für Ablehnung
des Gesuches aussprechen.

   Ministerpräsident Graf Andrässy: Es scheine
zwar gegenwärtig in der Walachei schon ein wahrer Überfluß an Waffen zu
sein, da von dort aus gute Gewehre um sechs Gulden nach dem Banate und
nach Siebenbürgen verkauft würden, aber auch Vortragender sehe in einem
Verbote keine Gefahr. Unleugbar waffne die Regierung der Fürstentümer,
alle Mächte finden dieses Vorgehen unverantwortlich, es könne sonach ein
solches Verbot keine nachteiligen Folgen haben.

   Reichskanzler Freiherr v. Beust: Er werde sonach
die Anfrage des Grafen Taaffe in dem Sinne beantworten, daß er sich vom
Standpunkte des Ministeriums des Äußern gegen die Durchfuhr erkläre.

   Hiemit wurde die Sitzung geschlossen.

                                                                                         Beust

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Ofen, 5. Dezember 1868. Franz Joseph.

         Nr. 28 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 3. Jänner 1869

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke (5. 1.), der Reichskriegsminister
FML. Freiherr v. Kuhn (6. 1.), der k. k. Ministerpräsidentenstellvertreter Graf Taaffe, der k. k.
Justizminister Herbst, Oberstauditor v. Leutzendorf.
    Protokollführer: Hofsekretär Freiherr v. Konradsheim.
    Gegenstand: Beratung über den Vorgang bei Abänderung der gegenwärtig für das Straf¬
verfahren bei den Militärgerichten bestehenden Gesetze.

   KZ. 64 - RMRZ. 28
   Protokoll des zu Wien am 3. Jänner 1869 abgehaltenen Ministerrates für
gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des Reichskanzlers Gra¬
fen Beust.

   Reichskanzler Graf v. Beust leitete die Beratung mit
der Darlegung der Notwendigkeit ein, daß in weiterer Konsequenz der
neuesten strafrechtlichen Umgestaltungen1 auch an die Regelung der

1 Die neuesten strafrechtlichen Umgestaltungen: Gesetz v. 15. 11. 1867, RGBl. Nr. 131/
        1867. Aber die neue Strafprozeßordnung wird erst 1873 geschaffen: Gesetz v.
       23. 5. 1873, RGBl. Nr. 119/1873. Vgl. Ogris, Die Rechtsentwicklung in Cisleithanien
        1848-1918 559-566.
<pb/>