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Gemeinsamer Ministerrat, 14. 1. 1868

30 Nr. 6 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. 1. 1868

        Nr. 6 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. Jänner 1868 -
                                        Protokoll II

    RS.
    Gegenwärtige: der Reichskanzler Freiherr v. Beust, der Reichsfinanzminister Freiherr v.
Becke, Generalkriegskommissär Früh, der. k. k. Ministerpräsident Fürst Auersperg, der k. k.
Ministerpräsidentenstellvertreter und Landesverteidigungsminister Graf Taaffe, der k. k. Fi¬
nanzminister Brestei, der k. k. Minister des Inneren Giskra, der kgl. ung. Ministerpräsident
und Landesverteidigungsminister Graf Andrässy, der kgl. ung. Finanzminister v. Lönyay, der
kgl. ung. Minister am Ah. Hoflager Graf Festetics.
    Protokollführer: Sektionschef v. Hofmann.
    Gegenstand: Militärbudget.

   KZ. 61 - RMRZ. 6
   6. Sitzung des gemeinsamen Ministeriums vom 14. Jänner 1868 unter
dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät.

   Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke: Im
Juli v. J. sei beschlossen worden, als Erfordernis für das Kriegsbudget im
Jahre 1868 die Summe von 80 Millionen einzustellen.1 Hieran sei vom
früheren Ministerium festgehalten worden und dasselbe habe auch bei den
Deputationsberatungen darauf hingewiesen, daß diese Summe für den be¬
sagten Zweck in Anspruch genommen werden würde. Als Ergänzung für
die im Kriege erlittenen Verluste und für neue Anschaffungen habe man ein
Extraordinarium von 30 Millionen angekündigt. Mittlerweile sei das cislei-
thanische Ministerium in Wirksamkeit getreten, und das Reichsministerium
müsse Bedenken tragen, ohne Mitwirkung des ersteren und ohne der Unter¬
stützung desselben versichert zu sein, die Angelegenheit vor die Delegatio¬
nen zu bringen. Da die Zeit für eine eingehende Beratung leider zu kurz sei,
so wäre man darauf beschränkt gewesen, in der diesfalls stattgefundenen
gemeinschaftlichen Konferenz nur die Position selbst bekanntzugeben.
Hiebei habe sich nun eine Divergenz der Ansichten ergeben, indem von
seiten der Mitglieder des cisleithanischen Ministeriums erklärt worden sei,
daß die diesseitige Delegation die Ziffer von 80 Millionen nicht annehmen
werde. Ungarischerseits habe man sich dahin ausgesprochen, daß man an
dem gedachten Betrage zwar festhalten wolle, aber, falls von der anderen
Delegation Abstriche beliebt würden, sich dem nicht widersetzen könne.
Unter solchen Verhältnissen sei eine weitere Ermäßigung der Summe nötig,
und es frage sich nur, ob es richtiger sei, die Reduktion sofort vorzunehmen
oder dieselbe den Delegationen zu überlassen. Die Notwendigkeit eines
Abstrichs habe insbesondere Minister Giskra betont, während Reichs-

1 Vgl MR. V. 31. 7. 1867, MRZ. 168. Nr. II.
<pb/>Nr. 6 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. 1. 1868           31

kriegsminister Freiherr von John dagegen gewesen sei. Es bleibe nun der
Entscheidung Seiner Majestät des Kaisers anheimgestellt, in welcher Ziffer
das Kriegsbudget durch das Reichsministerium den Delegationen vorgelegt
werden solle.

   Seine Majestät der Kaiser: Es erscheine dringendst
notwendig, darüber im klaren zu sein, daß das Militärbudget beim jetzigen
Zusammentritte der Delegationen in der definitiv festzusetzenden Ziffer
durchgebracht werden muß. Es sprächen dafür verschiedene Gründe, einer
davon - wenn auch mehr zufälliger Natur - sei die Demission des Kriegs¬
ministers.2 Sein Nachfolger werde nicht sogleich imstande sein, die Vorlage
im Detail zu rechtfertigen. Dann sei die exzeptionelle Lage dieses Jahrs in
Erwägung zu ziehen, da &quot;das&quot; neue bWehrgesetzb habe noch nicht durchge¬
setzt werden können. Sehr bedenklich würde es sein, sich die Delegationen
in Einzelheiten vertiefen zu lassen. Voraussichtlich würde dann auch die
Wehrfrage im allgemeinen zur Sprache kommen und dadurch das Terrain
für die spätere Beratung in den kompetenten Vertretungskörpem verdorben
werden. Ganz besonders gelte dies von der ungarischen Delegation, wo sehr
leicht Ansichten und Wünsche zur Sprache kommen könnten, die große
Aufregung im Lande erzeugen würden. Es sei daher ganz unerläßlich, daß
das Reichsministerium und die beiden Landesministerien einmütig und ge¬
meinsam ihren Einfluß dahin ausüben, daß das Kriegsbudget per Bausch
und Bogen angenommen werde. Nichts stehe entgegen, daß man hiemit zu¬
gleich die Erklärung verbinde, daß sobald das Wehrgesetz durchgesetzt sei,
den Delegationen das Kriegsbudget bis in das kleinste Detail zur Prüfung
überantwortet werden würde. Notwendig sei es, ein Normalkriegsbudget
ins Leben zu rufen, denn nur in dieser Weise sei es denkbar, eine dauernde
Armeeorganisation zu schaffen. Die Armee stünde in engem Kontakt mit
den bürgerlichen und politischen Verhältnissen. Die Organisation müsse
eine feste, genau gegliederte sein. Also dieses Jahr, wie gesagt, Annahme
per Bausch und Bogen mit der von der Regierung festgesetzten Ziffer. Letz¬
tere könne später präzisiert werden.

   Ministerpräsident Fürst Karl Auersperg:
Das diesseitige Ministerium war bei den Beratungen des Reichsministe¬
riums nicht zugegen und trage für deren Ergebnisse demnach auch keine
Verantwortung. Das Reichsministerium habe die Zustimmung des cisleitha-
nischen gewünscht, und es sei daher notwendig geworden, sämtliche Mit¬
glieder dieses letzteren hievon zu verständigen. Nachdem der bezügliche
Wunsch erst vorgestern kundgegeben worden sei,3 habe die Beratung erst

       Korrektur Sr Majestät aus die.
b_b Korrektur Sr. Majestät aus militärische Organisation.

       Vgl. GMRProt. v. 11. 1. 1868, RMRZ. 3. Anm. 5.
3 Vgl. GMRProt. v. 14. 1. 1868, RMRZ. 5. Anm. 2.
<pb/>32 Nr. 6 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. 1. 1868

gestern stattfinden können. Der Kürze der Zeit halber sei von jeder De¬
taillierung Umgang genommen worden, und man habe nur folgende allge¬
meine Gesichtspunkte in Betracht gezogen: I. Das Kriegsbudget sei als ein
Friedensbudget anzusehen. II. Das jetzige Budget sei der Ziffer nach höher
als jenes der Jahre 1865 und 1866, die ebenfalls auf den Frieden berechnet
gewesen seien. III. Man finde sich sehr beengt durch den mißlichen Zustand
der Finanzen, die Steuerkraft könne ohne Gefahr der Erschöpfung nicht
höher gespannt werden, und ebenso vermöge man auch den Kredit nicht in
Anspruch zu nehmen. Diese Erwägungen stellten sich als Spiegelbilder dar,
welche voraussichtlich in den Delegationen markieren würden [sic!]. Woll¬
te man auf der Ziffer von 80 Millionen stehenbleiben, so sei kein günstiger
Erfolg zu verbürgen. Weitere Auseinandersetzungen müsse er dem Minister
des Innern Giskra Vorbehalten.

   Seine Majestät der Kaiser: Es stehe die Frage zur Be¬
antwortung, solle man sich von den Delegationen etwas abhandeln lassen,
oder müsse eine im voraus fixierte Ziffer jedenfalls durchgebracht werden.
Eine Summe, für welche alle drei Ministerien einstünden, sei durch¬
zubringen, wenn man bestimmt wüßte, daß sie mit derselben stehen und
fallen. Die Zifferfrage komme erst in zweiter Linie in Betracht.

   Fürst Karl Auersperg: Bei der gestrigen Verhandlung im
cisleithanischen Ministerium sei man allseitig von der Voraussetzung aus¬
gegangen, daß es sich um eine Annahme en bloc handle. Dieses sei wohl
nicht möglich, wenn man bei der Ziffer von 80 Millionen stehenbleibe.

   Ministerpräsident Graf Andrässy: Ein parla¬
mentarisches Ministerium könne sich nichts abhandeln lassen, sonst ginge
sein Nimbus verloren. Nötig sei es aber, Zahl und Ziffer dessen fest¬
zusetzen, was als Pauschalsumme zu gelten hätte, und unter die in keinem
Fall herabgegangen werden könne. Als Form empfehle sich, Ausschüsse
der Landesministerien bei der Abfassung beizuziehen, worauf dann die
letzteren das Reichsministerium zu soutenieren hätten.

   In bezug auf das Kriegsbudget für das Jahr 1868 müsse er bemerken, daß
dasselbe zuerst mit 80 Millionen, das Extraordinarium mit 30 Millionen
festgesetzt worden sei. Das ungarische Ministerium hätte aber die Sache so
verstanden, daß der Betrag für die supemumerären Offiziere in erst¬
erwähnter Summe mit inbegriffen sei. Die ungarische Regierung hätte die
Verpflichtung, bei dem ursprünglich eingestellten Betrage von 80 Millionen
zu bleiben, und würde denselben unterstützen, hätte aber keine Aussicht,
damit durchzudringen, wenn in der diesseitigen Delegation Abstriche vor¬
genommen werden. Es handle sich nunmehr darum, eine neue Summe aus¬
findig zu machen, für welche man einstehen könne, um diese dann durchzu¬
bringen.

    Minister des Innern Giskra: Pauschalerledigungen
seien schon bisher gebräuchlich gewesen. Es wurde immer in toto votiert
und der Unterschied zwischen Ordinarium und Extraordinarium als ein rein
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theoretischer betrachtet. Daher sei auch jetzt eine solche Erledigung mög¬
lich. Zu eingehender Diskussion sei die Zeit gar nicht vorhanden, unmög¬
lich sei es aber, den Gegenstand ohne alle Erörterung, ohne Sang und Klang
zu erledigen. Schon die wichtige finanzielle Seite erwecke das Bedürfnis,
sich über eins oder das andere auszusprechen. Auch die Wehrfrage würde,
wenn auch nur par ambages, berührt werden. Nach Möglichkeit sei dahin zu
wirken, daß man sich nicht mit Ziffern befasse, aber eine augenblickliche
Beschlußfassung darüber sei nicht tunlich. Eine Einflußnahme auf die Dele¬
gation sei hier schwieriger als in Ungarn, weil dort ein Einvernehmen in
bezug auf das Kriegsbudget verfassungsmäßig stattfinden müsse, was in der
anderen Hälfte des Reiches nicht der Fall sei.4

   Finanzminister Brestei: Der letzte Unterschied liege
darin, daß das ungarische Gesetz ein derlei Einvernehmen vorschreibt,
während hier keine solche Bestimmung getroffen wurde. Die erwähnte
Modalität sei bezüglich des cisleithanischen Ministeriums zwar nicht gera¬
dezu ausgeschlossen, aber doch keine gesetzliche Bedingung. In gewisser
Beziehung übernehme daher das ungarische Ministerium mit einer morali¬
schen Verantwortlichkeit, was hier nicht der Fall sei. Dem Wesen der Sache
nach werde eine Beratung per Bausch und Bogen erfolgen. In Detail¬
verhandlung könne wegen Kürze der Zeit nicht eingegangen werden. Doch
habe die Annahme per Bausch und Bogen das Bedenken gegen sich, daß
man dabei auf eine mindere Ziffer herabgehen muß, weil dieselbe schwieri¬
ger zu rechtfertigen und der Nachweis strikter Notwendigkeit nicht so leicht
zu führen sei. Der Einfluß der diesseitigen Minister wird nur privatim und
persönlich ausgeübt werden können. Es werde stattfinden, doch müsse Vor¬
tragender offen sagen, daß die Einwirkung hier nicht so weit gehe als jene
des ungarischen Ministeriums. Die Differenz liege im Gesetze und in der
Art und Weise, wie die Delegationen gebildet werden. Dort entsprängen sie
einem Majoritätsvotum, hier wähle nicht die Mehrheit, sondern die Land¬
tagsabgeordneten der einzelnen Länder.5 Die Delegation sei daher nicht der
Ausdruck der Mehrheit des Reichsrates, ja die Majorität der Delegation
könne selbst eine andere sein als jene des Abgeordnetenhauses. Voraus¬
sichtlich trete dieser Fall diesmal zwar nicht ein, doch sei die Lage jeden¬
falls nicht so beschaffen, um eine förmliche Garantie übernehmen zu kön¬

nen.
    Reichskanzler Freiherr v. Beust: Theoretisch sei

die Auffassung des Ministers Brestei vollkommen begründet, aber die Sa¬
che habe in dem vorliegenden Falle nicht die befürchtete Wirkung. Aller¬
 dings repräsentiere die Majorität der Delegation nicht unbedingt die
Majorität der Reichsvertretung. Allein diese Betrachtung, solle darin eine

       Vgl. GMRProt. v. 13. 1. 1868, RMRZ. 4. Anm. 6.
5 Über die Art der Delegationswahl siehe Somogyi, A delegäciö 475-480.
<pb/>34 Nr. 6 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. 1. 1868

Abschwächung im Gegensatz zu Ungarn gefunden werden, verliere alle
Bedeutung durch den Umstand, daß die Mitglieder der Delegation, welche
der Majorität nicht angehören, a priori in der Frage des Militärbudgets -
namentlich was die Galizier und Tiroler betrifft - nicht zur Opposition ge¬
rechnet werden können. Diese Nuance könne man getrost dem Reichs¬
ministerium überlassen. Man müsse nun daran gehen, eine mäßige Ziffer zu
finden, wonach mit gutem Gewissen die Durchbringung vertreten werden
könne. An der moralischen Wirkung des Einflusses der cisleithanischen
Minister sei nicht zu zweifeln. Einen geeigneten Anhaltspunkt scheine Vor¬
tragendem die im Jahre 1865 vom Reichsrat bewilligte Ziffer darzubieten.6
Seitdem sei zwar eine Provinz verloren worden, dagegen aber sei damals
der Friedenszustand besser gesichert gewesen. Man befinde sich im gegen¬
wärtigen Jahre eben in exzeptionellen Verhältnissen und müsse denselben
Rechnung tragen.

   Seine Majestät der Kaiser: Man dürfe den militä¬
rischen Standpunkt nicht außer acht lassen. Wolle man bauen, so müsse
man sich hüten, das vorhandene Brauchbare noch zu zerstören.

   Minister v. Lonyay: Die Reorganisierung der Armee stün¬
de vor der Tür. Noch im Laufe dieses Jahres, Ende des Sommers oder im
Flerbste müsse das Armeebudget für das nächste Jahr vorgelegt werden. Es
scheine ihm dies ein sehr wichtiges Argument für die Annahme in Bausch
und Bogen.

   Seine Majestät der Kaiser: Das nächste Budget müsse
ein Musterbudget werden und bestimmte Ziffern für gewisse Gegenstände
ein für allemal festsetzen. Minister Giskra habe sehr richtig bemerkt, daß es
schwer halten werde, die Delegationen zu verhindern, ihre Ansichten in
bezug auf das Wehrgesetz zu äußern. Man müsse aber trachten, die Diskus¬
sion womöglich auf die Ausschüsse zu beschränken, sonst würde die Basis
gänzlich verdorben.

   Landesfinanzminister Brestei: Eine eingehende
Diskussion über das Wehrsystem gehöre gar nicht zur Kompetenz der De¬
legation. Dieses Motiv scheine ihm durchschlagend.

   Seine Majestät der Kaisers: Man müsse sich nun¬
mehr für eine bestimmte Ziffer entscheiden.

   Minister des Innern Giskra: Eine dauernde Befür¬
wortung des Ordinariums, wie es jetzt vorliege, könne von gar niemand
übernommen werden. Ob so eine Ersparung möglich, könne allerdings als
zweifelhaft gelten. Die jetzige Vorlage enthalte einen Fortschritt in der Zif¬
fer, welcher sehr bedeutend sei. Einzelne Positionen hätten in Vergleich mit
1865 eingreifende Veränderungen erlitten, wie z.B. Armeebehörden, An-

6 Vgl GMRProt. V. 13. 1. 1868, RMRZ. 4. Anm. 4.
<pb/>Nr. 6 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. 1. 1868  35

staken, Armeeauslagen, der Stand der Truppen usw. Damals sei der Be¬
schluß erfolgt, das Ordinarium mit 77 14 Millionen festzusetzen, und seine
Exzellenz der Herr Reichskanzler meine, daß man hieran anknüpfen könne.
Er müsse dagegen bemerken, daß sich seither die Umstände viel nachteili¬
ger gestaltet hätten. Nicht nur habe man eine Provinz verloren, sondern es
sei durch das Unglück des letzten Krieges auch die Zinsenlast eine viel grö¬
ßere geworden. Das Jahr 1865 könne daher nicht als maßgebend betrachtet
werden.

    Unglückseligerweise - so sei er zu sagen versucht - sei durch einen Vor¬
gang der abgetretenen Regierung das Kriegsbudget für 1867 nur mit
73 1/2 Millionen Ordinarium und Extraordinarium beziffert worden, freilich
mit Hinweisung auf vorhandene Vorräte im Werte von 10 bis 11 Millionen.
Diese Aufstellung sei allerdings eine fiktive, durch die Tatsachen nicht ge¬
rechtfertigt gewesen. Dagegen könne aber nicht außer acht gelassen wer¬
den, daß im Jahr 1865 eine Reihe von Andeutungen wegen weiterer Ver¬
minderungen gegeben worden sei. Rückhaltslose Offenheit scheine ihm
notwendig. Er müsse daher gewisse Einzelheiten berühren, wobei er zuge¬
be, daß ein Übergangszustand durch die Umstände geboten sei. Im Ver¬
gleich mit 1865 sei die Zahl der Stabsoffiziere um 165 erhöht. Alle höheren
Chargen seien in Zunahme, nur die minderen in Abnahme begriffen. Schon
früher habe er Zweifel geäußert, ob überall so hoch dotierte Persönlichkei¬
ten notwendig seien. Im Jahr 1864 sei für die Gestüte eine Million begehrt
und die Zusage erteilt worden, daß sich dieselben später selbst erhalten
würden. Dieses Versprechen sei aber nicht gehalten worden, und für 1868
werde abermals dieselbe Summe, ja mehr gefordert. Für Gnadengaben fan¬
den sich 1 200 000 fl. ausgeworfen. Niemand denke daran, Seiner Majestät
dieses erhabenste aller Rechte zu verkümmern, aber widerhaarige Naturen
könnten doch aus der Höhe dieser Ziffer leicht folgern, daß nicht mit der
gehörigen Sparsamkeit vorgegangen werde.

   Vortragender müsse daher zu dem Schluß gelangen, daß unter die Ziffer
gegangen werden müsse, welche im Jahre 1865 beschlossen worden sei.
Solle er seinerseits eine Ziffer nennen, so müsse er sagen, daß 75 Millionen
und einige Hunderttausend Gulden als die Summe erscheine, wofür er per¬
sönlich einzustehen bereit sei. Sei das Extraordinarium nicht zu exorbitant,
so würde das cisleithanische Ministerium einen solchen Betrag auch per
Majora vertreten. Leicht sei die Durchführung allerdings nicht, zu drasti¬
schen Maßregeln müsse geschritten werden. Aber der politische Moment,
daß das Militärbudget von der ersten Delegation anstandslos votiert worden
sei, müsse auch dem Auslande imponieren. In richtiger Interkalarbe-
handlung liege eine große Ersparung. Die supemumerären Offiziere mü߬
ten durch Avancements oder durch Pensionierungen rasch eingebracht wer¬
den. Größere Beurlaubungen wären zu empfehlen, dieselben seien um so
wirksamer, als die Urlauber nicht mehr das Recht hätten, beliebig wieder
einrücken zu dürfen. Bei den Militärmusikem ließe sich der Kostenbetrag
<pb/>36 Nr. 6 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. 1. 1868

um nahezu eine Million vermindern. Durch Abschaffung der 14 000
Offiziersdiener, also nahezu eines Kontingentes wie die Gesamtwehrkraft
des Großherzogtums Baden, würde Wirksames erreicht. Den Offizieren
könnte durch Aufzahlung die Möglichkeit geboten werden, sich kleine
Dienste leisten zu lassen. Werde der Stand der Jägerkompagnie, wie früher
auf 70 Mann, und jener der Schwadronen auf 100 berittene Gemeine, wie
beim 8. Dragonerregiment, festgesetzt, so ergebe sich eine Ersparnis von 5
bis 6 Millionen. Auf eine Anfrage Seiner Majestät des Kaisers bemerkte
Minister Giskra, daß er den Aufwand für die supemumerären Offiziere dem
Extraordinarium zurechne.

   Generalkriegskommissär Früh: Abstriche seien nicht

in so großer Ausdehnung möglich, wenn man nicht an jene Linie gehe, die
der Herr Minister des Innern bezeichnet habe. Die Preissteigerung sei im
Oktober und November eingetreten. Die Differenz betrage 4 827 000 fl.,
habe sich durch Zufall ergeben und müßte durch Verminderungen ausgegli¬
chen werden. Diese Verminderung, plus der vom Minister Giskra beantrag¬
ten Differenz, belaufe sich daher in allem auf 9 Millionen. Allerdings sei
versprochen worden, die Gestütsdotation eingehen zu lassen, augenblick¬
lich erheische sie aber noch 5 bis 600 000 fl. abzüglich der Einnahmen. Bei
der Berechnung habe man nur 365 Tage berücksichtigt und daher vergessen,
daß das Jahr ein Schaltjahr sei. Höchst ungünstig sei der Preis der Naturali¬
en. Einige Millionen zu ersparen, sei vielleicht möglich, einen Gesamtaus¬
fall von 9 Millionen auf sich zu nehmen - kaum.

    Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke: Die
Ernte vom Jahre 1868 müsse doch ebenfalls berücksichtigt werden.

    Generalkriegskommissär Früh: Die Verträge in be¬

zug auf die Verpflegung erstrecken sich bis August 1. J.
    Seine Majestät der Kaiser: Man dürfe doch nicht aus

 dem Auge verlieren, wie schwierig es sei, eine Ziffer festzusetzen, ohne zu
 wissen, wie selbe hereingebracht werden könne.

    Landesfinanzminister Brestei: Die Preissteigerung
 sei nur für ein halbes Jahr anzunehmen, da die Preise bei einer besseren
 Ernte im Ausland fallen werden. Es genüge daher, vorläufig 2 Millionen
 in Rechnung zu bringen. Er müsse übrigens auf den von ihm bereits er¬
 wähnten Übelstand der Pauschalierungen zurückkommen. Bei spezieller
 Bewilligung würde es dem Kriegsminister viel leichter fallen, allfällige
 Überschreitungen nachzuweisen, als bei dem jetzt im Auge behaltenen Sy¬

 stem.
     Seine Majestät der Kaiser: Die Berechtigung einer

 eventuellen Nachtragsforderung ließe sich nicht in Abrede stellen. Es sei
 für den neu eintretenden Kriegsminister eine sehr schwierige Aufgabe, eine
 Pauschalsumme auf Risiko und also in einer Weise zu übernehmen, wovon
 sich die Konsequenzen nicht übersehen lassen.
<pb/>Nr. 6 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. 1. 1868  37

   Minister des Innern Giskra: Jetzt habe man 231 000
Kombattanten, gelänge es, das neue Wehrgesetz auf die Basis von nur
200 000 Mann zu stellen, so ergebe sich eine Ersparnis von 3 Millionen.

   Minister Graf Taaffe: Die Frage sei, was bringe man bei
den Delegationen durch? Finge man einmal zu handeln an, so gebe es dann
keine Grenze mehr. Bei dem jetzigen Übergangsbudget möge man, um ein¬
zelnen Bekrittelungen auszuweichen, eine Pauschalsumme abstreichen,
wobei es sein Bewenden haben müsse. Auf die Ziffer lege auch er mindern
Wert.

   Ministerpräsident Graf Andrässy machte darauf
aufmerksam, daß es notwendig sei, nunmehr das Extraordinarium zu be¬
sprechen. Minister des Innern Giskra, diesem beipflich¬
tend, beantragte, dasselbe zugleich mit dem Ordinarium zu verhandeln und
vorzulegen. Er betonte, daß auch seine Kollegen im cisleithanischen Mini¬
sterium dergleichen Auffassung gehuldigt hätten, welche auch die richtige
sei, weil es zuletzt doch nur auf Zahlung einer Gesamtsumme ankomme.

   R e i c h s f i n a n z m i n i s t e r Freiherr v. Becke:
Bisher war ein Auseinanderhalten nötig, auch würde die Ökonomie ein Ein¬
gehen auf den Wunsch der Minister Giskra nicht wohl erlauben. Endlich
scheine ihm auch ein logischer Zusammenhang nicht vorhanden. Bei den
Ausgleichsverhandlungen habe man schon aus dem Grunde ein anderes
Verfahren beobachtet, damit das Kriegsministerium nicht auf einmal mit
der enormen Anforderung von 110 Millionen hervortrete. Die Vorfrage,
welche bezüglich des Extraordinariums beantwortet werden müsse, sei im¬
mer die, sei der Betrag für die Hinterlader - wenn sie nicht alle in diesem
Jahre beschafft werden könnten - zu teilen oder nicht?

   Ministerpräsident Graf Andrässy: So viele Hin¬
terlader als Schultern sie zu tragen vorhanden seien, erschien ihm als das
beste Mittel zur Erhaltung des Friedens. Finanzminister v.
L 6 n y a y : Er pflichte dieser Anschauungsweise vollkommen bei. Jetzt
sei die Möglichkeit vorhanden, Nachschaffungen durch die Verluste im
Kriege zu rechtfertigen. Jede Zögerung sei demnach vom Übel.

   Finanzminister Brestei: Können 500 000 Gewehre so
geliefert werden, daß die Zahlung noch im Jahre 1868 zu erfolgen habe,
dann müsse man die volle Summe begehren. Im gegenteiligen Falle aber
nicht. Wie er vernehme, seien erst 150 000 Stück bestellt. Es liege daher die
Möglichkeit vor, das Bedürfnis auf zwei Jahre zu verteilen. Das Gesamt¬
erfordernis für 1868 würde dann 100 Millionen kaum erreichen, was nicht
verfehlen könne, auf unsere Geldverhältnisse und das Publikum einen sehr

guten Eindruck auszuüben.
   Minister des Innern Giskra: Er müsse sich selbst be¬

richtigen. Wenn der Truppenstand auf die von ihm früher besprochene Wei¬
se vermindert werden würde, so müßte sich ein Ersparnis nicht wie er ge¬
glaubt habe von 3, sondern von 5 bis 6 Millionen ergeben.
<pb/>38 Nr. 6 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. 1. 1868

   Ministerpräsident Fürst Karl Auersperg: Ein
Nachtragskredit scheine ihm jedenfalls schon wegen der Verpflegspreise

notwendig.
   Bei Erörterung der Frage, wie das veränderte Budget vorgelegt werden

solle, sprach sich Reichsfinanzminister Freiherr v.
Becke dahin aus, man müsse das Kriegsbudget zwar zuerst in der ur¬
sprünglichen Ziffer einbringen, zugleich aber auch den Delegationen eröff¬
nen, daß infolge neuerlicher Beratung mit den beiderseitigen Ministerien
ein Pauschalbetrag festgesetzt worden sei, dessen Abstrich man sich even¬
tuell gefallen lassen werde, wenn man ihn auch nicht empfehlen könne.

   Reichskanzler Freiherr v. Beust: Man müsse prä¬
zisieren. Die Fixierung des Ausfalls müsse dem neuen Kriegsminister
Vorbehalten bleiben. Zweckmäßig scheine ihm eine Eröffnung an die De¬
legation, daß man zur Erleichterung der Geschäfte bereit sei, einen ge¬
wissen Pauschalabstrich anzunehmen, aber unter der Konsequenz, daß dann
die Annahme per Bausch und Bogen erfolge. Selbstverständlich könnten
einzelne Positionen dann nicht durchgegangen werden.

    Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke vin-
dizierte dem Reichsministerium die Entscheidung darüber, welche Moda¬
lität dasselbe bei Vorlage des Budgets beobachten wollte.

    Seine Majestät der Kaiser geruhten hierauf die Mit¬
glieder des Ministeriums für die im Reichsrate vertretenen Königreiche und
Länder aufzufordem, sich darüber auszusprechen, ob die von ihnen er¬
wähnten 75 Millionen auch wirklich ihr letzter Ausspruch seien. Man möge
nicht vergessen, daß man zu einem Kriege gezwungen werden könne.

    Minister des Innern Giskra sprach sich, seine Gründe
rekapitulierend, dahin aus, daß er bei 75 Millionen stehenbleiben müsse.

    Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke: Man

solle die im Jahre 1865 bewilligte Summe mit einem kleinen Abzug for¬

dern.
    Landesfinanzminister Brestei: Uber eine Million

mehr oder weniger könne er sich nicht aussprechen, bevor das Extra-
 ordinarium nicht erörtert sei. Beide Summen wären der Bevölkerung ge¬

 genüber identisch.
    Generalkriegskommissär Früh verlas sodann die Li¬

 ste der in das Extraordinarium aufgenommenen Posten: Bei Partie I wurde
 beschlossen, die Auslagen für das Offizierskasino zu streichen, jene für die
 Monturskommissionen ins Ordinarium zu versetzen. Als Auslage für die
 supemumerären Offiziere wurden 3 600 000 fl. für genügend erachtet. Par¬
 tie II Kriegsvorräte: Armeetrain: Dieser Punkt wird als zweifelhaft angese¬
 hen, und kann eventuell auf denselben verzichtet werden. Vorderhand bleibt
 er jedoch ins Extraordinarium aufgenommen.

    Außerordentliche Remonten: Punkt 2 wird als nicht ins Extraordinarium
 gehörig erkannt und gestrichen. Bewaffnung: Generalkriegskommissär
<pb/>Nr. 6 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. 1. 1868                                     39

Früh erörtert das Verhältnis der neuen Anschaffungen zu der Umgestaltung
der vorhandenen Gewehre.

    Ministerpräsident Graf Andrässy: Er sei unbe¬
dingt für neue Anschaffung. Man solle sich die Vollmacht geben lassen,
den zu bewilligenden Kredit in dem Maße in Anspruch zu nehmen, als die
Gewehre fertig werden können. Fürst Karl Auersperg
sprach sich in gleicher Weise aus. Finanzminister B-restel

ist des Dafürhaltens, daß man durch die Umgestaltung am billigsten und
schnellsten brauchbare Gewehre erlange, und spricht sich daher für diese
Methode aus. Fürst Karl Auersperg hält die politischen
Gründe für entscheidend und erklärt sich demnach gegen jede Halbierung.

Finanzminister Brestei macht dagegen den Umstand gel¬
tend, daß bei einer solchen Halbierung die Notwendigkeit eines Anlehens
für den erwähnten Zweck vielleicht entfallen könne. Reichs-
finanzminister Freiherr v. Becke: Man dürfe nicht
übersehen, daß Bewilligung und Inanspruchnahme des Kredits zwei ganz
verschiedene Sachen seien.

   Reichskanzler Freiherr v. Beust wäre aus poli¬
tischen Motiven für die Gesamtbewilligung. Der Gedanke, Österreich in
jeder Beziehung wieder vollkommen wehrfähig zu sehen, müßte auf unsere
Freunde im Auslande einen sehr günstigen Eindruck hervorbringen.

   Es wurde beschlossen, die Ziffer von 21 Millionen für die Bewaffnung
beizubehalten, vorbehaltlich einer Spezialberatung der Finanzminister. Ar¬
tillerie, Material, Montur und Rüstung: cVon der Anschaffung der Vorräte
für die Kavalleriereserve wird für dieses Jahr0 abgegangen. Ausrüstung der
Feldsanitätsanstalten: Die bezügliche Ziffer wird beibehalten. Neue Bau¬
ten: Die Arbeiten in Krakau werden fortgesetzt, im übrigen soll tunlichst
Einschränkung eintreten. Im allgemeinen wird dafür 1 800 000 fl. angespro¬
chen.

   Nach dieser Verhandlung über das Extraordinarium geruhten Seine
Majestät der Kaiser daran zu erinnern, daß nunmehr mit
Rücksicht auf die eben ausgetauschten Ansichten die Ziffer für das
Ordinarium mit voller Bestimmtheit festgestellt werden müsse.

   Finanzminister Brest el glaubt, daß bei einer Teilung der
Anforderung für das Extraordinarium 76 000 000 fl. Ordinarium würde
durchgebracht werden können. Die zweite Hälfte der Summe wäre bei einer
eventuellen Sommersitzung von den Delegationen in Anspruch zu nehmen.

   Bei der nunmehr vorgenommenen Abstimmung sprach sich die Ver¬
sammlung für die Aufnahme einer Ziffer von 76 Millionen als Erfordernis

c-c Korrektur Sr. Majestät aus Von der beabsichtigten Erhöhung der Kavallerie wird.
<pb/>40 Nr. 7 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 24. 1. 1868

des Ordinariums für das Kriegsbudget pro 1868 aus, worauf Seine Majestät
der Kaiser die Sitzung mit dem Bemerken zu schließen geruhten, daß es bei
diesem Betrage unter allen Umständen zu bleiben haben werde.

                                                                                Beust, Becke

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Wien, 30. Januar 1868. Franz Joseph.

          Nr. 7 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 24. Jänner 1868

    RS.
    Gegenwärtige: der Reichsfmanzminister Freiherr v. Beust, der Reichskriegsminister
[FML.] Freiherr v. Kuhn.
    Protokollführer: Sektionschef v. Hofmann.
    Gegenstand: [fehlt]

    KZ. [fehlt] - RMRZ. 7
    7. Sitzung des gemeinsamen Ministeriums vom 24. Jänner 1868 unter
dem Vorsitze des Reichskanzlers Freiherrn v. Beust.

    Reichsfinanzminister v. Becke teilte die Modalitä¬
ten mit, unter denen er die Vorlage des Budgets an die ungarische Delegati¬
on zu bewirken gedenkt. Es wird hiernach eine in ungarischer Sprache ver¬
faßte kurze Darstellung vom Freiherrn v. Becke dem Präsidenten der Delega¬
tion übergeben und vom letzteren verlesen werden. Freiherr v. Becke behält
sich vor, die Vorlage mit einigen ungarischen Worten einzubegleiten.1

    Was das Extraordinarium in bezug auf das Militärbudget betrifft, so wur¬
de beschlossen, dasselbe in der nächsten Sitzung der deutschen Delegation
noch nicht vorzulegen, was um so notwendiger erschiene, da die ungarische
Delegation nicht einmal vom Ordinarium noch Kenntnis habe.

    Reichsfmanzminister Freiherr v. Becke erörterte hierauf die Aner- «

bietungen des Hauses Brandeis in London, ein auf die cisleithanischen l]

 Montanwerke aufzunehmendes Anlehen betreffend.2 Es würdiTbescHIossen, *~i

        In der Sitzung der ungarischen Delegation am 25. Januar 1868 sagt der gemeinsame
         Finanzminister Friedrich Beckefolgendes auf Ungarisch: Igen tisztelt elnök ür! Kerem
         ezt fölolvastatni! (Hochverehrter Herr Präsident! Ich bitte, dieses verlesen zu lassen!) In
         der Delegation erschallen Hochrufe, der Präsident übernimmt die Note des gemeinsa¬
         men Finanzministers, übergibt sie dem Schriftführer, damit&#39; er sie verlese. A közös
         Ogyek tärgyaläsära a magyar orszäggyül6s ältal kiküldött s Öfelsege ältal 1868 Januar
         19-dikere összehIvott bizottsAg naplöja 12.
         Siehe Beilage Nr. 7a.
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