MRP-2-0-01-1-18680113-P-0004.xml

|
[Tagesordnungspunkte]

Gemeinsamer Ministerrat, 13. 1. 1868

Nr. 4 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 13. 1. 1868                     15

Seine Majestät der Kaiser: Der Wirkungskreis der

Landesverteidigungsministerien zum Reichskriegsministerium würde

ebenfalls zu besprechen sein. Nie habe in der Armee - wie man vielfach in

Ungarn annehme - ein System übertriebener Zentralisation bestanden. Die¬

ses Vorurteil, diese vorgefaßte Meinung sei energisch zu bekämpfen.

Ministerpräsident Graf Andrässy glaubt dem

Wunsche Ausdruck leihen zu sollen, daß im Reichskriegsministerium ein

der ungarischen Sprache mächtiger Staatssekretär angestellt werden möge.

Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke er¬

klärte, daß auch in den anderen Reichsministerien das gleiche System ein¬

gehalten werden solle.

Seine Majestät der Kaiser geruhten sich dahin zu äu¬

ßern, daß sich die Armee jedenfalls nicht nach Nationalitäten organisieren

lasse, auch bezüglich tauglicher Persönlichkeiten keine große Auswahl sei.

Das Ergebnis der Beratung geruhten Seine Majestät dahin zusammenzufas¬

sen: Zuforderst sei eine militärische Kommission, bestehend aus militäri¬

schen Autoritäten, unter Zuziehung der Landesverteidigungsminister

zusammenzuberufen, um über die allgemeinen militärischen Fragen zu be¬

raten, sich über vorzulegende Fragepunkte zu einigen und die betreffenden

Grundsätze frei zu besprechen.9 Sodann habe Graf Andrässy in Pest das

Terrain zu sondieren. Sei dies geschehen, so sei die Verhandlung hier fort¬

zuführen und zum Abschlüsse zu bringen.

                                                  Beust, Becke

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Wien, 1. Februar 1868. Franz Joseph.

         Nr. 4 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 13. Jänner 1868

  Rs.

    Gegenwärtige: der Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke, für das Reichskriegs¬
ministerium Generalkriegskommissär Früh, der k. k. Ministerpräsident Fürst Auersperg, der
k. k. Ministerpräsidentenstellvertreter und Landesverteidigungsminister Graf Taaffe, der k. k.
Minister des Innern Giskra, der k. k. Finanzminister Brestei1, der kgl. ung. Ministerpräsident

       Über die Expertenkonferenz Wagner, Geschichte des Kriegsministeriums, Bd. 2 41-43.
       Am 29. 1. 1868 trat die Generalskommission zusammen. Am 2. 2. 1868 erhielten die bei¬
       den Ministerpräsidenten die Beratungsgrundlagen zur persönlichen Information.

        Vielfach wird der Name des Finanzministers Brestei geschrieben, doch plädierte seine
       Biographin aufgrund seiner eigenen Schreibung für Brestl. Siehe Gold, Dr. Rudolf
       Brestl als Finanzminister.
<pb/>16 Nr. 4 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 13. 1. 1868

Graf Andrässy, der kgl. ung. Finanzminister v. Lönyay, der kgl. ung. Minister am Ah. Hoflager
Graf Festetics.

    Protokollführer: Sektionschef v. Hofmann.
    Gegenstand: Militärbudget.

   KZ. 59 - RMRZ. 4
   4. Sitzung des gemeinsamen Ministeriums vom 13. Jänner 1868 unter
dem Vorsitze des Reichskanzlers Freiherm v. Beust.

   Reichskanzler Freiherr v. Beust eröffnete die Be¬
ratung, indem er darauf hinwies, wie die gegenwärtige Verfassung eine
Fühlung zwischen den Reichs- und Landesministem in allen wichtigen Ge¬
genständen sehr wünschenswert mache. Ganz besonders sei dies in bezug
auf das Budget der Fall, damit dessen Vertretung durch verschiedene Stand¬
punkte der Minister nicht erschwert werde. Für die Zukunft sei es richtig,
eine solche Fühlung rechtzeitig vorausgehen zu lassen. Für jetzt aber, wo in
der einen Hälfte des Reiches das verantwortliche Ministerium aber erst in
dem Augenblicke gebildet werden konnte,2 in welchem sich die Reichs¬
minister verpflichtet sehen, mit dem bereits fertigen Budget vor die Delega¬
tionen zu treten, sei leider eine vorgängige Beratung unmöglich gewesen.
Zwischen dem Reichs- und ungarischen Ministerium habe hinsichtlich des
Militärbudgets eine vorläufige Besprechung stattgefunden, und nach Ma߬
gabe derselben sei die Feststellung erfolgt. Das Budget liege nun fertig vor
und könne nicht anders an die Delegationen gebracht werden. Ersparnisse
seien notwendig, könnten aber nicht dadurch erzielt werden, daß man Teile
des Budgets beliebig streiche, sondern nur durch eine zweckmäßige
Heeresorganisation. Diese sei wieder durch das Wehrgesetz bedingt, und
vor dem Zustandekommen des letzteren seien demnach keine Änderungen
anzustreben.3 Im Interesse der Delegationen selbst und als bester Beweis
für deren Lebensfähigkeit müsse getrachtet werden, daß sie sich nach ihrem
Zusammentritte die Erledigung ihrer Aufgabe möglichst rasch angelegen
sein lassen. Von seiten der beiderseitigen Ministerien möge daher das
Durchbringen des Militärbudgets nicht erschwert, sondern tunlichst er¬
leichtert werden.

       Am 30. Dezember 1867 entstand die cisleithanische Regierung unter Karl (Carlos)
        Fürst Auersperg (1814-1890). ,, Carlos - diese Umwandlung seines Vornamens war weit
        verbreitet. In den zeitgenössischen Memoirenwerken wird der Fürst durchwegs Carlos
        genannt. Auch wenn diese Form seines Vornamens treffend ist, da sie gewisse Züge sei¬
        nes Wesens - Stolz und Liberalität - anklingen läßt, scheint es nicht ganz korrekt, ihn in
        der historischen Literatur einfach Carlos zu nennen.&quot; - so Rudolf, Karl Fürst Auer¬
        sperg als Ministerpräsident (1868) 110.
        Über die Angelegenheit des Wehrgesetzes siehe auch GMR. v. 11. 1. 1868, RMRZ. 3. Das
        neue Wehrgesetz v. 5. 12. 1868, RGBl. Nr. 151/1868, bzw. GA. XL/1868.
<pb/>Nr 4 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 13. 1. 1868  17

   Fürst Auersperg: Wenn er die Ansprache richtig verstanden

habe, so werde gewünscht, daß im Militärbudget kein Abstrich stattfinde.
Es werde vielleicht am besten sein, diejenigen Posten durchzugehen, wel¬
che wesentlichere Bedenken hervorzurufen geeignet sind.

   Minister des Inneren Giskra: Er müsse zunächst mit
einer doppelten Reserve beginnen. I. bezüglich der Preisgestaltung lägen
keine Ausweise bei und II. seien die eigenen Einkünfte des Kriegs¬
ministeriums um 2 Millionen geringer angesetzt als im Jahre 1865, welches
die letzte verfassungsmäßige Grundlage darbietet.4 Dieses vorausgeschickt,
sei er gerne anzuerkennen bereit, daß sich in dem gegenwärtig vorliegenden
Budget in vielen und wichtigen Posten erhebliche Reduktionen angebracht
fänden. Dennoch sei aber das Budget wieder nach den alten Prinzipien ab¬
gefaßt und das Grundübel, wonach eine Reihe von Ämtern nur wegen Per¬
sonen existierten, nicht behoben. Ohne die mindeste Schmälerung der
Wehrfähigkeit könne die Militäradministration auf einfachere Grundlagen
zurückgeführt werden. Die Budgetkommission habe 72 Millionen Ordi-
narium festgestellt, im Jahre 1865 seien 77 Millionen Ordinarium beantragt
worden, gegenwärtig werden 80 Millionen begehrt. Es sei nicht möglich,
einen Stand aufrechtzuerhalten, der sich nicht vollständig rechtfertigen
läßt. Durch Verminderung der Kompagniestärke bei den Jägerbataillonen
ließen sich 700 000 fl., bei den Schwadronen in gleicher Weise VA Millio¬
nen, bei der Militärmusik, wenn die Kopfzahl auf die Hälfte herabgesetzt
werde, eine halbe Million, durch Aufhebung der Institution der Offiziers¬
diener, welche die Zahl von 14 000 betrügen, 7 bis 800 000 fl. ersparen.
Dabei komme das Interkalar noch gar nicht in Betracht. Er müsse sich daher
in Erwägung aller Umstände dahin aussprechen, daß das Ordinarium für das
Kriegsbudget nicht höher als mit 75 Millionen beziffert werde. Diesen Be¬
trag sei er mit aller Energie zu vertreten bereit und hoffe ihn auch in hiesi¬

ger Delegation zur Annahme zu bringen.
    Reichsfinanzminister Baron Becke macht auf die

Vorlage im Betrage von 30 bis 34 Millionen aufmerksam, welche als Extra-

ordinarium werde eingebracht werden müssen.
    Minister Giskra: In Frankreich und früher auch hier sei unter

ähnlichen Verhältnissen das Avancement gänzlich gesperrt worden, ein
gleicher Vorgang müsse auch jetzt Platz greifen. Bei den Armeebehörden
 seien jetzt 25 Feldmarschalleutnants angestellt, früher wären es neun oder
 gar sieben gewesen. Alle höheren Chargen seien vermehrt, nur vom Haupt¬

manne abwärts finde sich eine Reduktion.
    Ministerpräsident Graf Andrässy: An dem Prin¬

 zip der Solidarität sei festzuhalten. Alle jene Punkte, welche nicht zu ver-

Oie Ministerratsdebatte über das Budget von 1865: MR. v. 22. 9. 1864, ÖMR. V/8,
Nr. 492; 494.
<pb/>18 Nr. 4 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 13. 1. 1868

teidigen seien, wären zuvor ins reine zu bringen, die notwendigen Abstriche
vorzunehmen; dann aber sei ein weiteres Zurückweichen nicht möglich. Ein
gegenteiliges Verhalten sei mit der parlamentarischen Stellung der beider¬
seitigen Ministerien nicht vereinbar und müßte zu unberechenbaren Konse¬
quenzen führen. Die ungarischen Minister hätten an den Juliberatungen
teilgenommen und seien daher an die Ziffer von 80 Millionen gebunden.5
Auch jetzt noch seien sie bereit, für letztere einzustehen, und könnten auf
Erfolg in ihrer Delegation hoffen, unter der selbstverständlichen Vorausset¬
zung jedoch, daß es gelinge, auch in hiesiger Delegation den gleichen Be¬
trag durchzubringen. Wäre dies jedoch nicht der Fall, würden daher in
letzterwähnter Körperschaft Abstriche vorgenommen, so sei es den ungari¬
schen Ministem allerdings gänzlich unmöglich, ein gleiches Verhalten auch
von der anderen Delegation zu verhindern. Um unfruchtbare Detailkritik zu
vermeiden, sei ein Pauschalabstrich das beste.

   Finanzminister Freiherr v. Becke hob hervor, daß
die Preise in bezug auf die Verpflegung der Tmppen jetzt um 100 Perzent
höher ständen als früher.

   Landesfinanzminister Brestei: In Erwägung der
schweren Pflichten, welchen er nachzukommen bemfen sei, müsse er dar¬
auf dringen, daß das Armeebudget möglichst herabgesetzt werde. Wenn die
ungarischen Minister der Ziffer von 80 Millionen zugestimmt hätten, so
wäre ihnen dabei ein Anstand nicht bekannt gewesen, nämlich, die For-
derung von 4 Millionen für die supemumerären Offiziere. Allerdings seien
die Preise höher als im Jahre 1865, aber in der damaligen Berechnung sei
das Venezianische inbegriffen gewesen, und es müßten daher die Ausgaben
für die militärische Besetzung der dortigen Festungen entfallen. Bei solcher
Sachlage sei es nicht nur eine reine Unmöglichkeit, über die Summe von
1865 hinauszugehen, sondern würde durch alle unsere ökonomischen Ver¬
hältnisse noch eine weitere Reduktion erheischt. Auch ihm scheine der
Präsenzstand der Kavallerie zu hoch gegriffen. Mindestens der ganze Be¬
trag, welcher für die supernumerären Offiziere begehrt werde, sei noch in
das Ordinarium einzubeziehen. Eine Besserung unserer finanziellen und
politischen Verhältnisse würde auch nach außen eine weit günstigere Wir¬
kung ausüben als die Aufrechthaltung einer größeren Streitmacht.

   Man müsse sich übrigens seine und seiner Kollegen Beziehungen zu der
hiesigen Delegation klarmachen. Man könne nur als Individuum auf Indivi¬
duum wirken, nur persönliche Bemühungen eintreten lassen. Das un¬
garische Ministerium sei früher gehört worden, das hiesige nicht. Würden
aber die von ihm vorgetragenen Grundsätze adoptiert, so hoffe er auf gün¬
stigen Erfolg in der hiesigen Delegation. Auf das Extraordinarium wolle er
vor der Hand nicht eingehen. Das Erfordernis für Feuerwaffen würde jeden-

5 Vgl. MR. v. 31. 7. 1867, MRZ. 168. Nr. II.
<pb/>Nr. 4 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 13. 1. 1868  19

falls bewilligt werden, doch scheine ihm die Höhe der Summe zu hoch für
den Zweck, der erzielt werden soll.

    R e i c h s f i n a n z m i n i s t e r Freiherr v. Becke:
Auch das ungarische Ministerium in seiner Totalität sei bezüglich der Ziffer
von 80 Millionen nicht in die Verhandlung gezogen worden, nur mit den
Ministem Graf Andrässy und v. Lönyay habe eine vorausgehende Beratung
stattgefunden. Der gleiche Modus werde jetzt eingehalten, nur wegen Kür¬
ze der Zeit notgedrungenerweise ohne Detail. Von seiten der ungarischen
Minister könne übrigens nicht von einer nur individuellen Einflußnahme
die Rede sein, da Art. XII des Gesetzes über die gemeinschaftlichen Ange¬
legenheiten dem ungarischen Ministerium zur Richtschnur vorzeichne, daß

das gemeinsame Budget im Einvernehmen mit dem Reichsministerium zu¬
stande kommen soll. In der andern Hälfte des Reiches sei eine solche Be¬
stimmung allerdings nicht vorhanden.6 Was Venezien anbetreffe, so sei
nicht außer acht zu lassen, daß eine bezügliche Ersparung durch ander¬
weitige Verhältnisse sehr geschmälert worden sei. Statt der Regimenter,
welche durch den Verlust Veneziens in Wegfall gekommen wären, sei näm¬
lich eine gleiche Anzahl neuer in den übrigen Ländern ins Leben gemfen
worden. Man müsse sich die Fragen zur Beantwortung vorlegen, was solle
mit den zu entlassenden Leuten geschehen, können die Ersparungen auch
wirksam werden und zu welcher Zeit?

   Die Interkalarien würden durch die hohen Preise für die Verpflegung
kompensiert. Unsere gegenwärtigen verfassungsmäßigen Zustände böten
nicht mehr wie die früheren die Möglichkeit dar, durch Nachtragskredite
nachzuhelfen, und es sei demnach nicht außer acht zu lassen, was dann der
Reichskriegsminister beginnen solle, wenn er mit der ihm bewilligten Sum¬
me absolut kein Auskommen fände.

   Minister Giskra: Um der Sache gehörig auf den Grund zu
sehen, müsse man wissen, wie weit die in bezug auf die Militärverpflegung
abgeschlossenen Verträge reichen. Das Interkalare rechne er auf zwei Per¬
zent, wenn man die Besetzungen nicht vomimmt und - wie dies in der preu¬
ßischen Armee der Fall - Brigaden durch Oberste, Bataillone durch Haupt¬
leute kommandieren läßt. Das Ersparnis könne gesteigert werden, durch
reichliche Beurlaubungen. Nicht alle Leute brauchen zu ihrer Ausbildung
drei Jahre. Die Stärke der Schwadronen betrage selbst in Rußland nur Hun¬
dert und einige Mann. Die Möglichkeit eines Nachtragskredits sei nicht
ausgeschlossen. Das absolut Notwendige müsse der Reichskriegsminister

Nach dem ungarischen Gesetz (GA. XII/1867, § 40): Den Kostenvorschlag, der sich le¬
diglich aufjene Kosten erstrecke, welche in dem gegenwärtigen Beschlüsse als gemein¬
same bezeichnet sind, wird das gemeinsame Ministerium mit Einflußnahme der beiden
besonderen verantwortlichen Ministerien anfertigen. Für dieses Gesetz gibt es keine
österreichische Entsprechung. Vgl. Zolger, Der staatsrechtliche Ausgleich zwischen
Österreich und Ungarn 332.
<pb/>20 Nr. 4 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 13. 1. 1868

unter seiner Verantwortlichkeit verkehren. Wie wäre es sonst vor einem
ausbrechenden Kriege? Die Ehre des Ministers liege eben in seiner Verant¬
wortlichkeit. Massenhafte Pensionierungen mögen eben als inhuman er¬
scheinen, man bedenke aber dagegen auch die drängende Lage unserer Fi¬
nanzen.

   R e i c h s f i n a n z m i n i s t e r Freiherr v. Becke:
Wenn es ihm gestattet sein solle, gewissermaßen für den abwesenden
Kriegsminister das Wort zu fuhren, so müsse er bemerken, daß nach der
Ansicht militärischer Autoritäten in den Abstrichen des Jahres 1865 ein
Hauptgrund unseres letzten militärischen Mißerfolges gewesen sei.

   Minister Giskra: Nach der Äußerung des Generalkriegs¬
kommissärs Damaschka7 habe der damalige effektive Verpflegsstand
700 000 Köpfe betragen. In der unglücklichen militärischen Führung und
nicht in dem Mangel an Leuten liege der Grund der Katastrophe.

   Reichskanzler Freiherr v. Beust: Damals habe
man mit einem Federstriche reduziert, und die Folge davon sei gewesen,
daß man dort habe sparen wollen, wo es untunlich gewesen sei, und es un¬
terlassen habe, wo es zweckmäßig gewesen wäre. Immerhin sei es eine
schwere Sache für den Kriegsminister, sich die doppelte Verantwortlichkeit
gehörig vor Augen zu halten, welche ihm einmal den Delegationen gegen¬
über und dann im Hinblick auf die Möglichkeit eines Krieges erwachse.
Man müsse ihm daher in den Virements eine gewisse Latitude belassen, und
in dieser Beziehung eher etwas zu viel als zu wenig tun. Das Kriegsbudget
solle möglichst reduziert werden, aber dabei sei eine genaue Erörterung der
Möglichkeit bei jedem einzelnen Punkte notwendig. Wie Freiherr v. Becke
bereits hervorgehoben habe, bestünde formell allerdings ein gewisser Un¬
terschied zwischen den hiesigen und den ungarischen Gesetzen hinsichtlich
der Notwendigkeit eines vorgängigen Einvernehmens über das Militär¬
budget. In der Natur der Dinge liege es aber, daß ein solches Einvernehmen
nach beiden Seiten hin stattfinden müsse. Die Notwendigkeit bedinge eine
Verständigung zwischen den Reichs- und Landesministem; diese könne
aber nicht über Nacht geschehen. Die Vertreter des gemeinsamen Ministeri¬
ums seien den Delegationen allein verantwortlich, ein Eintreten der Lan¬
 desminister als solche komme verfassungsmäßig nicht in Betracht.8
 Unstreitig übten sie aber auf die Delegationen einen entschiedenen Einfluß,
 und in dieser Richtung sei eine Unterstützung nach vorausgegangener Bera¬
 tung nicht zu entbehren.

         Wilhelm Ritter von Damaschka, Oberkriegskommissär.
         Über die Verantwortlichkeit der gemeinsamen Minister: Gesetz v. 21. 12. 1867,
         RGBl. Nr. 146, § 16, bzw. GA. XII/1867, § 50. Aber schon im GMR. v. 10. 1. 1868,
         RMRZ. 2 kam zur Sprache, gewissen Landesministem geschäftsordnungsmäßig die
         Möglichkeit zu gewähren, bei den Delegationsberatungen gegenwärtig zu sein und In¬
         formationen zu erteilen. Siehe GMRProt. v. 10. 1. 1868, RMRZ. 2. Anm. 2.
<pb/>Nr. 4 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 13. 1. 1868  21

   Fürst Karl Auersperg: Er betrachte die hier anwesenden
Landesminister wie Mitglieder einer Budgetkommission, sie hätten ihre
Ansichten hier nur provisorisch vorbehaltlich weiteren Benehmens mit ih¬
ren Kollegen auszusprechen.

   Finanzminister v. Lonyay: Zweck gegenwärtiger Zu-
sammentretung sei, die Delegationsberatung möglichst zu beschleunigen.
Über was sich die zwei Landesministerien mit dem Reichsministerium hier
einigen, dies werde, wie er glaube, auch die ungarische Delegation akzep¬
tieren. Allerdings gehe er aber von der Voraussetzung aus, daß die bezügli¬
che Vorlage auch von dem hiesigen Landesministerium in seiner Delegation
durchgebracht werde. Trete der gegenteilige Fall ein, so würden die ungari¬
schen Minister in eine schiefe, ja unhaltbare Lage geraten.

   Reichskanzler Freiherr v. Beust: Ohne die Rich¬
tigkeit dieser Bemerkung in Abrede zu stellen, müsse er bemerken, daß die
Einwirkung der ungarischen Minister auf ihre Delegation nicht sogleich
würden eingestellt werden müssen, wenn sich in der anderen Körperschaft
Schwierigkeiten ergeben sollten.

   Minister Brestei: Er wolle noch einmal den Versuch ma¬
chen, genau zu präzisieren, wie die Einwirkung von seiten der Landesmi¬
nister auf die Delegationen möglich sei. Die Landesminister könnten nicht
in dieser ihrer Eigenschaft wirken, sondern nur als Einzelne. Auch das Ein¬
vernehmen, welches in den ungarischen Gesetzen vorgezeichnet sei, könne
nicht als Einverständnis bezeichnet werden. Das Reichsministerium müsse
das Recht haben, auch dann eine Vorlage zu bringen, wenn die Landes¬
ministerien mit selber nicht einverstanden seien.

   So die formelle Sachlage. Auch folge aus dem Umstande, daß das Lan¬
desministerium die Majorität im Reichsrate habe, noch nicht, daß es auch
auf die Unterstützung der Delegation unbedingt rechnen könne. Die Wahl in
die Delegation sei diesseitig so komplizierter Natur, daß sie nicht als wahrer
Ausdruck der Mehrheit der Reichsvertretung gelten könne. Daraus folge,
daß das cisleithanische Ministerium in dieser seiner Eigenschaft eine Haf¬
tung für den Erfolg in der Delegation nicht wohl übernehmen könne.

   Wenn auf die verteuerte Naturalverpflegung so großes Gewicht gelegt
worden sei, so müsse er dagegen bemerken, daß diese Verpflegung nicht nur
Brot, sondern auch Fleisch in sich begreife. Letzteres sei keineswegs in
gleichem Verhältnisse teuerer geworden, und habe auch überhaupt die
Preissteigerung nicht an allen Orten in gleicher Weise stattgefunden. Auch
er sei für Abzug einer Pauschalsumme, obwohl auch dieser Modus die
Schwierigkeiten darböte, welche bereits von seiner Exzellenz dem Herrn
Reichskanzler hervorgehoben worden seien. Von seinem Standpunkte müs¬
se er wiederholt darauf dringen, daß auf das Äußerste des Zulässigen herab¬
gegangen werde.

   Ministerpräsident Graf Andrässy: Habe man sich

über das Ordinarium einmal geeinigt, so werde das Extraordinarium in der
<pb/>22 Nr. 4 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 13. 1. 1868

ungarischen Delegation voraussichtlich keine allzu großen Schwierigkeiten
machen.

   Minister Giskra: Bei der herabgesetzten Ziffer sei er von der
Voraussetzung ausgegangen, daß der Betrag für die supemumerären Offi¬
ziere im Extraordinarium beibehalten werde.

   Finanzminister Brestei betonte die Notwendigkeit, sich
auch über das Extraordinarium baldigst zu einigen und dasselbe gleichzei¬
tig mit dem Ordinarium den Delegationen vorzulegen. Ein gegenteiliges
Verfahren würde nicht nur keine Erleichterung, sondern vielmehr eine be¬
deutende Erschwerung für die Stellung des Ministeriums im Gefolge haben.

   Reichsfinanzminister Baron Becke sprach dage¬
gen die Meinung aus, daß die beiden Vorlagen doch würden distinkt aus¬
einandergehalten werden müssen. Im übrigen sei seitens des Reichsmi¬
nisteriums eine doppelte Verfahrungsweise möglich. Man könne sich näm¬
lich entweder I. von der anfänglich festzuhaltenden Summe einen gewissen
Betrag abstreichen lassen, oder II. es wäre den Delegationen bekannt¬
zugeben, daß man nach vorgängiger Beratung mit den Landesministerien
noch einen gewissen Abstrich für zulässig erachte, bei dieser verminderten
Summe aber unerschütterlich stehenbleiben werde.

   Finanzminister Brestei sprach sich für den ersterwähn¬
ten Modus aus, da der Wirksamkeit der Delegation hiedurch ein größerer
Spielraum gelassen werde. Ministerpräsident Fürst Karl
Auersperg und Ministerpräsident Graf Andrässy
dagegen erklärten sich mit voller Entschiedenheit für die zweiterwähnte
Modalität, welche allein den Prinzipien des Konstitutionalismus und der
Stellung eines parlamentarischen Ministeriums entspreche. Jedes diesen
Grundsätzen zuwiderlaufende Präzedenz sei sorgfältig zu vermeiden.

    Reichskanzler Baron Beust: Die Sache sei der reif¬
lichsten Erwägung wert, und die Wahl des Modus sehr wichtig. Es liege
eine gewisse Satisfaktion für die Delegationen in dem Umstande, wenn es
ihnen möglich wird, etwas herabzuhandeln. Eine gewisse Verminderung
werden sie immer erreichen wollen. Er würde es daher des Versuches wert
halten, das Budget so, wie es gegenwärtig beschaffen sei, vorzulegen und
mit kluger Benützung der Umstände zu versuchen, dasselbe in Wesenheit
durchzubringen. In zweiter Linie würde man dann die noch als möglich er¬
kannten Herabminderungen dem bezüglichen Budgetausschusse be¬
kanntgeben können, der sich aus den erzielten Ersparungen mit ein Ver¬

dienst bemessen werde.
    Minister des Innern Giskra sprach sich entschieden

für die Auffassung des Fürsten Auersperg und Grafen Andrässy aus. Parla¬
mentarische Minister müßten mit ihrer Vorlage stehen und fallen. Es würde
 ihnen eine Gaunerei zumuten heißen, mit nicht völlig gerechtfertigten An¬
 sprüchen vor die Delegationen zu treten. Übrigens müsse man vor allem
bezüglich der Ziffer das cisleithanische Ministerium hören.
<pb/>Nr. 4 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 13. 1. 1868                     23

   Finanzminister Brestei: Jedes Landesministerium solle
sich über die Summe einigen, welche es vertreten könne, und dann daran
festgehalten werden.

   Generalkriegskommissär Früh: Mehrere hier er¬
hobene Vorwürfe seien im Vergleiche mit den statistischen Daten vom Jah¬
re 1865 allerdings gerechtfertigt. Als das Budget im Juli mit 80 Millionen
festgestellt worden sei, habe man bedeutend geringere Fruchtpreise im
Auge gehabt. Gegenwärtig bereits ergebe sich in dieser Beziehung ein
Mehrerfordemis von 4 Millionen, welches man berücksichtigen und zu dem
gesamten Erfordernisse hinzuschlagen müsse. Wenn von durchgreifenden
Reduktionen gesprochen werde, so müsse er dagegen einhalten, daß diesel¬
ben noch nicht dekretiert seien, auch werde dadurch der Pensionsetat sehr
vergrößert und sonach der Gewinn beträchtlich geschmälert, das Interkalare
sei ohnedem bereits berücksichtigt worden. Aus Versehen habe man das
laufende Jahr, welches ein Schaltjahr sei, nur mit 365 Tagen in Anschlag
gebracht, was gleichfalls ein sehr übler Umstand für die Armeeverwaltung
sei. Die Naturalvorräte wären so zugeschnitten worden, daß insbesonders
bei den gegenwärtigen Preisen für die Administration leicht eine große
Bedrängnis erwachsen könne. Die Aufstellung eines Normalbudgets und
Fixierung eines Friedensstandes seien unerläßlich. Mit 80 Millionen sei da¬
her nicht auszukommen, zumal wenn man nicht zu außerordentlichen Ma߬
regeln greife. Werde hierüber nicht baldigst ein Beschluß gefaßt, so müßten
sich die Verlegenheiten immer steigern.

   Minister des Innern Giskra erklärte sich sodann noch
einmal bereit, die Ziffer von 75 Millionen im Kreise seiner Kollegen zu
vertreten. Reichsfinanzminister Freiherr v.

Becke bezeichnete es als wünschenswert, daß in den Reduktionen nicht
über das Maß des Durchführbaren hinausgegangen werden möge, worauf
Landesfinanzminister Brestei entgegnete, wie ja even¬
tuell immer noch eine höhere Ziffer festgestellt werden könne als jene, wel¬
che sich infolge der Beratung des diesseitigen Ministeriums ergebe.

   Reichskanzler Freiherr v. Beust faßte den Be¬
schluß dahin: Das Ministerium für die im Reichsrate vertretenen König¬
reiche und Länder möge sofort über diesen Gegenstand beraten und das
Resultat den nächsten Tag mitteilen, worauf dasselbe in einer unter dem
Vorsitze Seiner Majestät abzuhaltenden Ministerratssitzung zur Ah. Kennt¬
nis zu bringen sei.9

                                                                               Beust, Becke

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Wien, 1. Februar 1868. Franz Joseph.

9 Vgl GMR. V. 14. 1. 1868, RMRZ. 5.
<pb/>