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Gemeinsamer Ministerrat, 10. 1. 1868

II. Bezüglich des Zeremoniells bei Eröffnung der Beratungen der Delegation

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I1/pdf/oe_hu_mrp_I1_z2.pdf#page=6.

Nr. 2 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 10. 1. 1868                                         1

    Reich s k anzier Freiherr v. Beust: Aus der Diskus¬
sion ergebe sich das Resultat, daß ein Versuch zu machen sei, an den Patrio¬

tismus der Delegationen zu appellieren, um für jetzt die 80 Millionen bewil¬
ligt zu erhalten. Zugleich könnten Studien zum Zweck künftiger Ersparung
angestellt werden.

    Seine Majestät der Kaiser heben hervor, daß das un¬
garische Ministerium gewonnen werden müsse. Sei dieses gut, sei es auch
die Delegation. Minister Graf Festetics sei so oft als tunlich den Beratungen
des Reichsministeriums beizuziehen.5

   Finanzminister Baron Becke: Das Militärbudget sei
dem hiesigen wie dem ungarischen Ministerium mitzuteilen, damit eine
vollständige Einigung stattfmde. Sonst möchten lieber einige Millionen ge¬
opfert werden. Es sei über diesen Gegenstand eine Gesamtkonferenz zu hal¬
ten. Nachtragskredite seien bei jetziger verfassungsmäßiger Organisation
nicht mehr möglich. Nur mit dem Interkalare könne man sich hie und da
helfen.

   Nachdem noch die Zweckmäßigkeit, pensionierte Offiziere ausgiebiger
als bisher in passenden Zivilanstellungen zu verwenden, und die Wich¬
tigkeit einer entsprechenden Zustimmung der Tagespresse in der Frage des
Militärbudget eingehend erörtert worden waren, geruhten Seine Ma¬
jestät der Kaiser den Beschluß dahin zu fassen, mit allen zu
Gebote stehenden Mitteln dahin zu wirken, daß die 80 Millionen für das
Militärbudget dieses Jahr von den Delegationen votiert werden.

                                                                       Beust, Becke, John

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Wien, 8. Januar 1868. Franz Joseph.

         Nr. 2 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 10. Jänner 1868

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der Reichskriegsminister Freiherr v. John, der Reichsfinanzminister Frei¬
herr v. Becke, der kgl. ung. Ministerpräsident Graf Andrässy, der kgl. ung. Minister am Ah.
Hoflager Graf Festetics.
    Protokollführer: Sektionschef v. Hofmann.
    Gegenstand: [I.] Militärbudget. [II.] Bezüglich des Zeremoniells bei Eröffnung der Bera¬
tungen der Delegation.

s GrafGyörgy Festetics (1815-1883), 20. 2. 1867 - 19. 5. 1871 kgl. ung. Minister am Ah.
       Hoflager.
<pb/>8 Nr. 2 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 10. 1. 1868

   KZ. 49 - RMRZ. 2
   2. Sitzung des Reichsministeriums vom 10. Jänner 1868 unter dem Vor¬
sitze des Reichskanzlers Baron Beust.

   [II.] Reichskanzler Freiherr v. Beust brachte die
bevorstehende Zusammenberufung der Delegationen und das bei der Eröff¬
nung der bezüglichen Beratungen zu beobachtende Zeremoniell zur Spra¬
che. Seine Exzellenz Baron Beust sprach sich dahin aus, daß eine Einfüh¬
rung der Mitglieder bei Seiner Majestät doch jedenfalls durch die Vermitt¬
lung des Reichsministerpräsidiums unter Zuziehung der Ministerprä¬
sidenten der beiderseitigen Landesteile werde stattfinden müssen.1 Dieser
Auffassung wurde allseitig beigetreten, worauf zur Erörterung kam, wie
wünschenswert es sei, gewissen Landesministem geschäftsordnungsmäßig
die Möglichkeit zu gewähren, bei den Delegationsberatungen gegenwärtig
zu sein und Informationen zu erteilen.2

   Reichsfinanzminister Baron Becke betonte es
insbesonders als ein Erfordernis, daß ein Ungar als Sektionschef im Reichs¬
finanzministerium fungieren solle. Ministerpräsident Graf
Andrässy gab der Erwartung Ausdruck, daß überhaupt bei Besetzung
der höheren Posten in den Reichsministerien eine gewisse Parität mit Rück¬
sicht auf Ungarn beobachtet werden möge.

   [L] Nun wurde die Vorlage des Militärbudgets an die Delegationen be¬
sprochen. Reichskriegsminister Baron John hob die
Unmöglichkeit hervor, in der gegenwärtigen Lage, wo er über die zukünfti¬
ge Bewilligung gänzlich im Unklaren sei, Reformen vorzunehmen. Fest¬
stellung eines Normalbudgets sei vor allem erforderlich. Unmöglich sei,
durch Streichung einen neuen Sprung zu machen. Zuerst müsse eine gesetz¬
liche Grundlage gefunden sein.

   Reichsfinanzminister Baron Becke sprach sich
unter Hinweisung auf die Autorität Giskras für Beibehaltung der Ziffer von

        Der Beachtung wert ist der Ausdruck Vermittlung des Reichsministerpräsidiums, weil
        die 1867er Gesetze ein solches Organ nicht kennen.
        Nach § 3 der Geschäftsordnung der Reichsratsdelegation vom 21. 1. 1868: Die Mitglie¬
        der der Regierung der im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder können an al¬
        len Beratungen der Delegation teilnehmen und um Auskünfte ersucht werden. Nach § 26
        der Geschäftsordnung der Reichstagsdelegation vom 27. 1. 1868: Die Mitglieder des
        kgl. ung. Ministeriums als gesetzliche Repräsentanten der Exekutive in allen Interessen
        der Länder der ungarischen Krone, die diesen Interessen auch bei der Vorbereitung der
        Vorlagen betreffend die gemeinsamen Angelegenheiten zu repräsentieren berechtigt
        sind, können in den Sitzungen der Delegation und der Ausschüsse gleichfalls erschei¬
        nen. HHStA., VI/6, Karton 85, Geschäftsordnung der Delegationen.
<pb/>Nr. 2 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 10. 1. 1868                     9

80 Millionen aus.3 Hiemit habe sich auch Finanzminister Lönyay bereits
einverstanden erklärt.

   Ministerpräsident Graf Andrässy: Die Über¬
gangsperiode müsse den Delegationen klar gemacht, zugleich aber sicher¬
gestellt werden, daß man einen normalen, auf Ersparungen berechneten
Zustand der Dinge eifrigst anstrebe.

   Graf Festetics bespricht die Militärgestüte und spricht sich im
Prinzip für Aufrechthaltung derselben aus, doch sei diese Institution nicht
so sehr Sache des Kriegsbudgets als vielmehr der Landwirtschaft.

   Reichskriegsminister Baron John hob beispiels¬
weise hervor, daß eine Verlegung der Regimenter in ihre Werbbezirke, was
so vielfach gewünscht werde, nur eine Ersparung von 225 000 fl. ausma¬
chen würde, und so gebe es noch ähnliche Schlagwörter.

   Reichsfinanzminister Baron Becke erklärt, daß
die supernumerären Offiziere nach bisheriger Verabredung in das Extraor-
dinarium von 34 Millionen werden aufgenommen werden müssen.4

   Ministerpräsident Graf Andrässy [ist] entschie¬
den für Einbeziehung dieser Post ins Ordinarium, doch könne man immer¬
hin den Versuch bei den Delegationen machen.

   Reichskanzler Baron Beust glaubt, daß der Landes-
finanzminister, wenn er bei den Verhandlungen über das Reichsbudget
beigezogen werden sollte, nach seiner ganzen Lage sich dahin gedrängt
fühlen werde, auf Abstriche zu dringen. Es wurde beschlossen, den Ge¬
genstand zunächst in einer Gesamtberatung der resp. Ministerien, dann in
einer Konferenz unter dem Vorsitze Seiner Majestät zu behandeln.5 Die Zif¬
fer von 80 Millionen wird jedenfalls festgehalten.

                                                                       Beust, John, Becke

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Wien, 15. Januar 1868. Franz Joseph.

Zu Giskras Person siehe GMRProt. v. 31. 12. 1867, RMRZ. 1. Anm. 4.
Ordinarium: die laufenden Ausgaben für das Heer; Extraordinarium: vor allem Neube¬
waffnungen und Schiffsbauten. Über beide Begriffe: Wagner, Die k. (u.) k. Armee -
Gliederung und Aufgabenstellung 589-591. Die supernumerären Offiziere: Es handelt
sich um den infolge des Krieges gewachsenen Offiziersbestand, vgl. ebd. 592.
Schon am darauffolgenden Tag kam es zu einem Ministerrat unter Vorsitz des Kaisers:
GMR. v. 11. 1. 1868, RMRZ. 3.
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