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Nr. 124 Ministerrat, Wien, 24. Jänner 1867 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS. in HHSTA., PA. XL 283 ; P. Hueber; VS. Belcredi; BdE. und anw. (Belcredi 24. 1.), Beust, Mailáth, Komers, Wüllerstorf, John 2. 2., Geringer für II und VI, Haller für II 2. 2., Becke; außerdem anw. Nándori bei V, Pilhal bei I, Scharschmid bei VI.

MRZ. 124 – KZ. 319 –

Protokoll des zu Wien am 24. Jänner 1867 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Staatsministers Grafen Belcredi.

I. Konzession einer unterseeischen Telegrafenlinie von Ragusa nach Malta oder Korfu

Der Handelsminister eröffnete der Konferenz sein Vorhaben, Sr. Majestät die au. Bitte vortragen zu wollen: Se. Majestät wollen den Konzessionswerbern Sir Charles Bright und Acton Smee Ayrton die angesuchte Bewilligung zur Herstellung und zum Betriebe einer unterseeischen Telegrafenlinie von Ragusa nach Malta oder von Ragusa nach Korfu auf Grund der vereinbarten Konzessionsurkunde Ag. zu erteilen geruhen1.

Nachdem der Oberpostrat Pilhal die hohe Bedeutung einer direkten Telegrafenverbindung zwischen Österreich und Ägypten für den Handel und Schifffahrtsverkehr Österreichs mit dem Beifügen dargestellt hatte, daß von Malta aus eine unterseeische Telegrafenverbindung mit Alexandrien bereits besteht, nachdem derselbe weiters die einzelnen Bestimmungen der Konzessionsurkunde näher auseinandergesetzt und der Leiter des Finanzministeriums erklärt hatte, vom Standpunkte der Finanzverwaltung um so weniger einen Anstand gegen die Konzessionierung dieses so wichtigen Unternehmens erheben zu können, als es sich im keineswegs voraussichtlichen schlimmsten Falle doch nur um die nicht beträchtliche vorschußweise Leistung einer jährlichen Staatsgarantie von ca. 50.000 fr. während der vertragsmäßigen 25jährigen Konzessionsdauer handelt und weil überdies der österreichischen Telegrafenkasse durch die Korrespondenz zwischen Ägypten und Europa eine nicht unbeträchtliche Mehreinnahme an Transitgebühren zufließen wird, stimmte der Ministerrat dem Vorhaben des Handelsministers einhellig bei2.

II. Enthebung des siebenbürgischen Grundentlastungsfonds von der Beitragsleistung zum Aufwand der Justizverwaltung

Der Leiter der siebenbürgischen Hofkanzlei referierte über den Inhalt seines au. Vortrages vom 20. November 1866, Z. 3524, womit die au. Bitte gestellt war, Se. Majestät wolle die Enthebung des siebenbürgischen Grundentlastungsfonds von jeder Beitragsleistung zu dem Aufwande der Justizverwaltung Ag. zu genehmigen und zu gestatten geruhen, daß die bisher unter diesem Titel in das Einnahmebudget der Staatsfinanzen eingestellten Beträge wieder abgeschrieben || S. 390 PDF || werden3. Graf Haller erwähnte insbesondere, daß es sich um eine Summe von 69.047 fr. handelt, die jährlich dem Grundentlastungsfonds in Siebenbürgen zur Bestreitung der Justizverwaltungsauslagen vom Ärar vorschußweise geleistet wird. Im Jahre 1857, wo die Grundentlastungsfondsdirektion in Siebenbürgen errichtet wurde4, seien die Kosten für die Urbarialgerichte bis zum Jahre 1861 ganz vom Ärar bestritten worden. Als im Jahre 1861 die Urbarialgerichte aufgehoben und deren Agenden an die Gerichte übertragen wurden, sei zwischen der Hofkanzlei und dem Finanzministerium eine Vereinbarung dahin getroffen worden, daß diese 69.047 fr. auf den Grundentlastungsfonds zu übernehmen seien, daß sie jedoch, da der siebenbürgische Grundentlastungsfonds passiv ist, demselben vom Ärar als Vorschuß gegen seinerzeitige Ausgleichung geleistet werden5. In dieser Art sei seit dem Jahre 1863a bis dato vorgegangen worden. Da jedoch das siebenbürgische Gubernium von der Finanzlandesdirektion in Siebenbürgen fortwährend um die Leistung dieser Ersätze urgiert wird, der Grundentlastungsfonds, wie erwähnt, stark passiv ist und die bereits in 72½% bestehenden Steuerzuschläge nicht weiter erhöht werden können, habe sich die Hofkanzlei, um diesen fortgesetzten Plackereien ein Ende zu machen, an das Finanzministerium mit dem Ersuchen gewendet, zur Enthebung des siebenbürgischen Grundentlastungsfonds von dieser Beitragsleistung zum Regieaufwande der Justizverwaltung beistimmen zu wollen. Das Finanzministerium habe jedoch erachtet, auf seinem „in den bezüglichen Gesetzen und in besonderen Ah. Entschließungen gegründeten“ Ansinnen um so mehr beharren zu sollen, als die dermalige Finanzlage ein Aufgeben der gesetzlich begründeten Staatseinnahmen durchaus nicht gestatte. Der von Sr. Majestät hierüber vernommene Staatsrat habe sich einhellig auf den Standpunkt des Finanzministeriums gestellt und darauf eingeraten, Se. Majestät möge dem Antrage der Hofkanzlei keine Folge zu geben geruhen6. Dem Prinzipe nach sei es allerdings richtig, daß der Grundentlastungsfonds, wenn er die Mittel hätte, diese Auslagen zu decken, zu dieser Leistung auch berufen wäre; da dies jedoch, wie erwähnt, nicht möglich ist, dürfte eine Ausnahme im vorliegenden Falle wohl zugelassen werden können, und aus dieser Rücksicht glaube Graf Haller, den au. Antrag der Hofkanzlei aufrechterhalten zu sollen.

Der Leiter des Staatsrates reassumierte die Gründe, aus welchen der Staatsrat sich der Ansicht des Finanzministeriums anzuschließen und somit gegen den Hofkanzleiantrag sich aussprechen zu sollen erachtet habe. Der Staatsrat habe nicht verkannt, daß in der Sache kein Unterschied obwaltet, ob diese Beiträge fortan in Evidenz gehalten werden oder nicht, da es in letzter Auflösung doch || S. 391 PDF || immer die Staatsfinanzen sind, aus welchen dieselben bestritten werden. Der Staatsrat habe aber um so weniger abzusehen vermocht, warum deshalb von einem in Ah. Entschließungen ausgesprochenen Prinzipe einseitig für Siebenbürgen abgegangen werden soll, weil dies zu – dem Staatsschatze höchst nachteiligen – Konsequenzen führen würde, indem, wenn das Defizit des Grundentlastungsfonds der rechtfertigende Grund für die Abschreibung wäre, folgen würde, daß auch die den galizischen Grundentlastungsfonds vom Ärar geleisteten sehr beträchtlichen Vorschüsse abzuschreiben wären. Nach dem Dafürhalten des Barons Geringer wäre daher dem Antrage der Hofkanzlei keine Folge zu geben, es sollte jedoch der siebenbürgischen Finanzlandesdirektion gegenwärtig gehalten werden, auf den Ersatz dieser Vorschüsse jetzt nicht zu drängen. Der vorsitzende Staatsminister erklärte, daß er auf Grund der bestehenden Ah. Entschließungen gegen den Antrag der Hofkanzlei stimmen müsse, weil es sehr bedenklich wäre, ein Prinzip aufzugeben, welches nicht nur in Galizien, sondern auch in Istrien und in anderen Ländern, wo die Grundentlastungsfonds ärarische Vorschüsse erhalten haben, zu den fatalsten Beispielsfolgerungen führen müßte. Es werde sich daher nur darum handeln, einen Modus zu finden, der die Sache in der Durchführung nicht zu sehr erschwert. Der Leiter des Finanzministeriums bemerkte, daß er nur für den Antrag des Staatsrates stimmen könne. Der in Rede stehende Betrag von 69.047 fr. erscheine im Staatsvoranschlage als eine Staatseinnahme, die Finanzlandesdirektion in Siebenbürgen erfülle daher nur ihre Schuldigkeit, wenn sie dessen Einbringung urgiere. Wenn das Prinzip gewahrt und die Evidenzerhaltung dieser Vorschüsse fortgepflogen wird, werde übrigens bei einem geeigneten Einvernehmen eine Verständigung mit der siebenbürgischen Hofkanzlei leicht erfolgen können. Es wird sich nämlich, um die erwähnten Behelligungen zu vermeiden, für die Zukunft nur darum handeln, den Staatszuschuß zu dem siebenbürgischen Grundentlastungsfonds um die gleiche Summe von 69.047 fr. zu erhöhen, und das Auskunftsmittel wird daher einfach in einer rechnungsmäßigen Durchführung gelegen sein. Die Ah. Entschließung auf den au. Vortrag der Hofkanzlei dürfte daher zu lauten haben: „Ich finde diesem Antrage keine Folge zu geben, jedoch Meine siebenbürgische Hofkanzlei anzuweisen, sich wegen künftiger Verrechnung dieser Auslagen mit Meinem Finanzministerium in das Einvernehmen zu setzen.“

Mit diesem Antrage erklärten sich alle Stimmführer des Ministerrates einverstanden7.

III. Geschäftssprache bei den Gerichten in Triest, Istrien und Görz

Der Justizminister referierte, es habe der Statthalter von Triest in einem ausführlichen Berichte die Notwendigkeit dargestellt, in Triest, Istrien und Görz dem gegenwärtig im Gerichtsverfahren herrschenden Übergewichte der || S. 392 PDF || italienischen Sprache Einhalt zu tun8. Die Einbringung deutscher und slawischer Eingaben allgemein in allen Zweigen des Gerichtsverfahrens zu gestatten, namentlich der deutschen als der Regierungssprache die entsprechende Rücksicht zu tragen und selbe für den inneren Dienst der Gerichte als Geschäftssprache einzuführen, endlich auf das Bedürfnis von in sprachlicher Hinsicht vollkommen qualifizierten Richtern Rücksicht zu nehmen. Der Justizminister erwähnte, das Justizministerium habe nach Erhebung der Sprachverhältnisse in den besagten Kronländern, in denen früher bei den Gerichten ausschließlich die italienische Sprache im Gebrauche war, bereits mit den Verordnungen vom 5. Februar 1852, Z. 952, 13. November 1852, Z. 16882, und 10. Dezember 1856, Z. 7861, bei jenen Gerichten, bei denen es nach den erhobenen Verhältnissen tunlich war, namentlich bei den Bezirksgerichten in Sesana, Duino, Tolmein, Flitsch, Haidenschaft und Castelnuovo, die deutsche Sprache als Amtssprache eingeführt oder doch den Gebrauch derselben gestattet. Ebenso sei mit den Verordnungen vom 15. März 1862, Z. 865, 27. Jänner 1866, Z. 137, und 20. Oktober 1866, Z. 1861, dem Gebrauche der slawischen Sprache bei den Gerichten dieser Kronländer nach Tunlichkeit Rechnung getragen worden9, und der von dem Triester Oberlandesgerichtspräsidium unterm 7. Dezember 1866, Z. 1130, erstattete Bericht10 tue insbesondere dar, daß bei den Gerichten in Triest nebst der italienischen auch die deutsche und die slawische Sprache in Anwendung gebracht werden und daß die Behauptung, als wenn deutsche Eingaben bei den Triestiner Gerichten nicht angenommen würden, vollkommen unbegründet sei. Auch bei der Besetzung von Richterstellen in den besagten Kronländern sei auf die nötige Qualifikation in sprachlicher Beziehung bisher stets die erforderliche Rücksicht so weit genommen worden, als dies bezüglich der slawischen Sprache bei der geringen Zahl der Kompetenten, welche dieses Idioms in Wort und Schrift kundig sind, nur möglich war. Die Norm, daß die Erledigung in derselben Sprache erfolge, in welcher die Eingabe verfaßt ist, werde in den erwähnten Kronländern allgemein beobachtet. Was dagegen das Verlangen betrifft, in ganz Istrien, wo die italienische Sprache sich zur Geschäftssprache herausgebildet hat, nunmehr mit einem Male die deutsche Sprache als Geschäftssprache einzuführen, wäre, abgesehen von dienstlichen Schwierigkeiten, doch in genaue Erwägung zu ziehen, ob es im gegenwärtigen Augenblicke politisch zulässig wäre, mit einer solchen Maßregel hervorzutreten, die als ein Griff in den dermaligen Bestand gewiß große Aufregung hervorrufen würde.

Der Staatsminister äußerte, es nur bedauern zu können, daß man es aufgegeben habe, in allen Ländern die deutsche Sprache als Geschäftssprache beizubehalten. Solange man die deutsche Sprache nicht als die Geschäftssprache einführe, werde man keine ordentlichen und verläßlichen Beamten haben, insbesondere nicht in Istrien, wo nur die deutschen und die slawischen Beamten gut || S. 393 PDF || österreichisch gesinnt sind und die Italiener das Agitieren gegen die österreichische Regierung niemals lassen werden. In Istrien müsse germanisiert werden, und hiezu erscheine nach seinem Dafürhalten der gegenwärtige Moment geeigneter als ein späterer. Er finde es daher für notwendig und durchaus keinem Bedenken unterliegend, sofort bei den Gerichten in den in Rede stehenden Ländern mit der Einführung der deutschen Sprache als Geschäftssprache allgemein vorzugehen.

Der Ansicht des Grafen Belcredi schlossen sich alle Stimmführer des Ministerrates an11.

IV. Strafnachsicht für Dr. Favetti in Görz

Der Justizminister brachte die Frage der Entlassung des wegen Hochverrates abgeurteilten ehemaligen Sekretärs des Görzer Gemeinderates Dr. Favetti aus der Strafhaft mit dem Beifügen zur Sprache, daß dieser gefährliche Wühler als Südtiroler nicht in die Kategorie der gemäß Art. XXIII des Friedensvertrages mit Italien Amnestierten gehöre12 und daß der Statthalter in Triest sich entschieden gegen die Amnestierung dieses höchst gefährlichen Agitatoren ausgesprochen habe13. Das Ministerium des Äußern verwende sich dagegen für die Erwirkung der Strafnachsicht für Dr. Favetti und begründe sie damit14: 1. daß die längere Haft des Dr. Favetti, der für die Losreißung Südtirols von Österreich gewirkt hat, seitens der italienischen Regierung als ein Racheakt der österreichischen Regierung aufgefaßt werden könnte; ein derartiger Vorwurf hätte aber, wie der Justizminister meinte, keine Berechtigung und wäre deshalb nicht zu scheuen, weil es notorisch sei, daß in Österreich in einem halben Jahrhunderte nicht so viele Begnadigungen vorgekommen sind wie im Verlaufe der letzten 14 Monate; 2. daß die Entlassung Dr. Favettis um so unbedenklicher sei, als die Umtriebe eines einzelnen Menschen doch nicht eine ganze Provinz in Gefahr bringen können; dieser Ausführung hielt der Justizminister entgegen, daß Dr. Favetti so ausgebreitete Verbindungen mit Parteigenossen habe, daß der Staatsminister sich sogar, um dessen durch seine frühere Stellung als Gemeindesekretär erleichtertem schädlichem Wirken Einhalt zu tun, veranlaßt fand, im Monate Mai 1866 mit der Auflösung des Görzer Gemeinderates vorzugehen; 3. daß noch so viele Anhänger der depossedierten früheren Fürsten in Italien in Haft sind und die längere Verhaftung des Dr. Favetti auf das Schicksal und die Behandlung der ersteren seitens der italienischen Regierung Einfluß üben könnte. Demgegenüber meinte der Justizminister, daß diese Besorgnis gerade geringer wäre, wenn die Verhaftung des Dr. Favetti fortdauere. Der vorsitzende || S. 394 PDF || Staatsminister hielt es für notwendig, diesen gefährlichen Menschen noch einige Zeit in der wohlverdienten Strafhaft wenigstens insolange zu behalten, bis die Wahlen vorüber sind. Unter diesen Umständen erklärte der Minister des Äußern , sich dem Wunsche des Staatsministers fügen zu müssen und auf seinem Begehren nicht weiter zu insistieren15.

V. Gesuch der Witwe des Eugen v. Beöthy um Entschädigung für die durch Konfiskation entstandenen Verluste

Der Sektionsrat des Finanzministeriums v. Nándory referierte über das der Ah. Bezeichnung gewürdigte Gesuch der Witwe des Eugen v. Beöthy, geborene Louise v. Csanády, um beschleunigte Erledigung ihrer Bitte um Entschädigung für die aus Anlaß der Konfiskation des Vermögens ihres Gatten erlittenen Verluste. Nach Darstellung des Inhaltes der Bitten der Witwe Beöthy und des zugrundeliegenden Sachverhaltes bemerkte Referent, daß die ungarische Hofkanzlei als nachgewiesen annehme, daß während der bestandenen Sequestration der Güter des Eugen v. Beöthy infolge der ungenügenden Überwachung und nachlässigen Verwaltung des konfiszierten Vermögens der Verfallsmasse ein nicht unbedeutender Schaden zugefügt worden sei, daß sich daher genügende Anhaltspunkte zu einer teilweisen, wenn auch beschränkten Berücksichtigung der vorliegenden Bitten der Witwe Beöthy darbieten, welche Bitten a) die Nachsicht rückständiger Stempelgebühren von 10.000 fr., b) den Erlaß des Rückersatzes eines auf Tabak erhaltenen Ärarialvorschusses von 5000 fr., endlich c) den Ersatz des durch die mangelhafte Bewirtschaftung der konfiszierten Güter hervorgerufenen, von der Bittstellerin mit 175.788 fr. berechneten Schadens betreffen. Die Hofkanzlei habe daher mit Rücksicht auf den Umstand, daß die vor der Konfiskation blühend gewesenen Güter in einem sehr verwahrlosten Zustande zurückgestellt wurden, ferners mit Rücksicht auf die geschilderte Notlage der Bittstellerin und mit Hinblick auf den mit 303.648 fr. bezifferten gegenwärtigen Schuldenstand und um der Bittstellerin zur Instandsetzung und Weiterführung ihrer Wirtschaft die Mittel an die Hand zu geben, darauf angetragen, daß der Witwe Beöthy die Ersätze ad a) und b) von 10.000 und beziehungsweise 5000 fr. nachgesehen und daß ihr ein angemessener Barbetrag ausgefolgt werde, zu dessen Bestimmung der bei Aufhebung der Sequestration vorhanden gewesene Interessenrückstand als Anhaltspunkt dienen dürfte. Referent bemerkte, daß die Sachlage seit dem Erfließen der Ah. Entschließung vom 2. Mai 1858, wornach Se. Majestät sich nicht bestimmt fanden, den Ersatz des Entganges an Einkünften des in Rede stehenden Vermögens zu bewilligen16, unverändert gleichgeblieben sei und daß die zur Unterstützung der obigen Anträge von der Hofkanzlei geltend gemachten Gründe ohne Ausnahme als solche sich darstellen, welche von dem Finanzministerium bei den diesfälligen vielfältigen Verhandlungen bereits bekannt und wiederholt ihrem vollen Inhalte nach gewürdigt worden waren. Da der Bittstellerin das gesamte konfiszierte Vermögen ihres Gatten, nämlich nicht nur die Güter Uj-Mária und Besenyö selbst, sondern auch die daraus während der Konfiskationsdauer in den Staatsschatz || S. 395 PDF || geflossenen Erträgnisse, ausgefolgt wurde und für das Ärar von diesem Vermögen auch nicht der kleinste Bestandteil zurückbehalten wurde, da ferner die Aufhebung der Konfiskation nicht aus Anerkennung irgendeines wie immer gearteten rechtlichen Anspruches, sondern lediglich aus Ah. Gnade Sr. Majestät erfolgte und die Ausfolgung der betreffenden Güter in dem Stande, in welchem sie sich zur Zeit der Übergabe befanden, mit ausdrücklicher Ausschließung jeglicher Rechnungslegung zu geschehen hatte, so würden die Bitten der Witwe Beöthy vom Standpunkte der Finanzverwaltung selbst in dem Falle zur Berücksichtigung nicht geeignet erscheinen, wenn sogar die behaupteten Tatsachen der Pretiosenentwendung und der mangelhaften Verwaltung der betreffenden Güter gehörig nachgewiesen worden wären. Bei dieser Sachlage glaube daher das Finanzministerium, sich den Anträgen der Hofkanzlei um so weniger anschließen zu können, als dieselbe politischer Motive, welche etwa zugunsten der Bittstellerin sprechen könnten, gar nicht gedenkt, sonst aber das Eingehen auf die Ansichten der ungarischen Hofkanzlei nur eine unliebsame Exemplifikation wäre, welche nicht wenige Anforderungen ähnlicher Art von Seite anderer Parteien hervorrufen könnte. Das Finanzministerium beabsichtige daher, die vorliegenden Gesuche der Witwe Beöthy nach eingeholter Ah. Ermächtigung abweislich zu erledigen.

Der Leiter des Finanzministeriums bemerkte, daß vom fiskalischen Standpunkte nichts anderes erübrige, als auf die Abweisung der Bitten der Witwe Beöthy anzutragen, daß höchstens mit Rücksicht auf die Ausschließung der Bittstellerin von der Pachtung des Gutes Uj-Mária und den dadurch den Gutsrenten wirklich zugegangenen Nachteil auf die Ag. Nachsicht der Ausstände von 10.000 und 5000 fr., nicht aber auch auf eine Barzahlung eingeraten werden könnte, für welche erst eine Bedeckung in den Reichsfinanzen gesucht werden müßte, die aus anderen Konfiskationsmassen nicht genommen werden könnte, indem nur noch das Ernst v. Kiss’sche Kaduzitätsvermögen im Besitze des Staates sich befindet, wovon die Reinerträgnisse zur Tilgung einer mehr als 600.000 fr. betragenden Ärarialforderung verwendet werden müssen. Der ungarische Hofkanzler bezeichnete vor allem die Konfiskation dieser Güter als einen abnormen Akt; das ungarische Recht kenne keine andere Konfiskation als die: actore fisco regio coram tabula regia; zur Zeit der Konfiskation habe aber die königliche Tafel gar nicht bestanden, auch sei der Akt der Exekution nicht von dem königlichen Fiskus, sondern von Militärauditoren vorgenommen worden. Er berief sich ferner auf die in der Note der Hofkanzlei an das Finanzministerium vom 22. August 1866, Z. 83417, hervorgehobenen, für eine wenigstens beschränkte Entschädigung angeführten Billigkeitsgründe und den darin dargestellten Sachverhalt, welcher ein trauriges Bild liefere, wie mit diesen Gütern während der Konfiskationsdauer gewirtschaftet worden sei. Er bemerkte ferners, daß auch politische Rücksichten für die wenigstens teilweise Beachtung der Ansprüche der Witwe Beöthy sprechen, weil, abgesehen davon, daß durch einen solchen Akt der Billigkeit die Stimmung im Lande im allgemeinen || S. 396 PDF || nur gebessert wird, der Sohn der Witwe Beöthy einer Partei angehört, welche den Bestrebungen des Tisza im Biharer Komitate und dessen Partei entschiedenen Widerpart bietet. v. Mailáth glaubte sonach beantragen zu sollen, daß der Witwe nicht nur der Ersatz der Rückstände für Stempelgebühren per 10.000 fr. und der Tabakbauvorschuß von 5000 fr., zusammen per 15.000 fr., nachgesehen, sondern daß bei dem Umstande, daß die Interessen der zur Zeit der Sequestration auf den fraglichen Gütern haftenden Schulden während der Konfiskationsdauer im vollen Betrage von 27.000 fr. unberichtigt blieben, nach Abschlag obiger 15.000 fr. von diesen 27.000 fr. der Restbetrag von 12.000 fr. oder in runder Summe der Betrag von 10.000 fr. bar zur Ermöglichung der Weiterführung ihrer Wirtschaft aus den Finanzen zu erfolgen wäre.

Mit diesem Antrage erklärten sich schließlich alle Mitglieder des Ministerrates aus Billigkeits- und Opportunitätsrücksichten einverstanden18.

VI. Neue Statuten der galizischständischen Credit-Anstalt

Ah. Entschließung vom 29. August 1866 über den au. Vortrag des Staatsministers vom 3. August 1866, Z. 4051/StM., betreffend die neuen Statuten der galizisch-ständischen Credit-Anstalt19.

Der Ministerialsekretär Ritter v. Scharschmid referierte, es seien mit der erwähnten Ah. Entschließung die bezüglichen Anträge des Staatsministeriums genehmigt worden, zugleich aber auch Bemerkungen in einer Beilage zur Berücksichtigung herabgelangt. Nach der Fassung dieser Bemerkungen habe der Staatsminister einverständlich mit dem Justizminister geglaubt, die darin entwickelten Ansichten nicht als unabänderlichen Ausdruck der Ah. Willensmeinung betrachten, sondern im Falle von Bedenken die Erstattung eines neuerlichen au. Vortrages für zulässig halten zu dürfen. Die beiden Minister hegen solche Bedenken gegen die zwei Hauptpunkte der Bemerkungen, wornach a) die Haftung der landtäflichen Güter Galiziens für die Verbindlichkeiten der Credit-Anstalt künftig nicht wie bisher aus einem Titel des öffentlichen Rechtes (nämlich der einstigen Steuerpflicht zum Domestikalfonds), sondern aus einem neuen privatrechtlichen Titel abgeleitet und hiefür ein stillschweigendes Pfandrecht mittelst eines Spezialgesetzes auf Grund des Ah. Patentes vom 20. September 1865 20 konstituiert werden soll, b) wornach ferner die Übernahme der analogen Haftung auf die neu aufzunehmenden Güter in Krakau nicht in der vorgeschlagenen privatrechtlichen Form, sondern ebenfalls mittelst eines Spezialgesetzes bewirkt werden soll.

Zu a) teilen die beiden Minister im höchsten Grade die Bedenken, welche gegen ein solches Spezialgesetz in den Bemerkungen selbst erhoben sind. Sie halten aber ein solches Spezialgesetz weder für notwendig noch für zulässig, hauptsächlich aus dem Grunde, weil es sich nicht um die Konstituierung einer neuen, sondern nur um die Aufrechterhaltung einer Haftung handelt, welche laut des Ah. Patentes vom Jahre 1841 über die Errichtung der Anstalt21 gesetzlich besteht, || S. 397 PDF || welche durch die Veränderung der Landesverfassung nicht aufgehört habe und welche mit Rücksicht auf die Rechte dritter Personen nicht nur aufrechterhalten werden könne, sondern aufrechterhalten werden müsse. Die beiden Minister erachten daher, neuerlich um die Ah. Genehmigung der ministeriellen Anträge zu den §§ 1, 69 und 75 der Statuten au. bitten zu sollen. Zu b) sind die beiden Minister der Ansicht, daß die statutenmäßige Haftung für die Credit-Anstalt auf die Güter in Krakau, wo der Domestikalfonds nie bestanden hat, nur in privatrechtlicher Form von Fall zu Fall ausgedehnt werden könne, und stimmen der Ansicht in den Bemerkungen vollkommen bei, daß hiebei die Rechte älterer Hypothekargläubiger vollständig gewahrt werden müssen. Sie glauben aber, daß diese Haftungsübernahme im Sinne der Statuten sich durch privatrechtliche Akte in den bei weitem meisten Fällen durchführen lasse und daß daher auch für Krakau ein Spezialgesetz weder notwendig noch statthaft sei. Zur Behebung von möglichen Mißverständnissen wäre daher der ministerielle Antrag zum Schlußsatze des § 1 der Statuten nur dahin zu ergänzen, daß diese Haftung „mittelst einer rechtskräftigen, in erster Priorität unter Zustimmung der etwaigen älteren Tabulargläubiger intabulierten Urkunde“ zu bestellen sei. Mit dieser Modifikation glauben die beiden Minister auch in diesem Punkte die Genehmigung der ursprünglichen ministeriellen Anträge befürworten zu sollen.

Über die Bemerkung endlich bezüglich der Währung der Pfandbriefe haben sich die beiden Minister in dem Antrage geeinigt, daß hiebei auf den Inhalt des Ministerialerlasses vom Jahre 1859, Z. 1828222, zurückzugehen und insbesondere das Wort „Silbermünze“ aus dem Statutenentwurfe zu beseitigen wäre, welches dahin mißverstanden werden könnte, als ob bei den Geschäften der Credit-Anstalt die Verwendung von Bank- und Staatsnoten ausgeschlossen werde.

Diesen Anträgen stimmte die Konferenz einhellig bei, und es erklärte insbesondere der Leiter des Staatsrates die staatsrätlichen Bedenken durch die gegebenen Aufklärungen für behoben23.

Ich habe den Inhalt des Protokolls zur Kenntnis genommen.