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Nr. 113 Ministerrat, Wien, 28. November 1866 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Meyer; VS. Kaiser; BdE. und anw. (Belcredi 28. 11.), Beust, Mailáth, Larisch 2. 12., Wüllerstorf 2. 12., John 3. 12.; abw. Komers.

MRZ. 113 – KZ. 3908 –

Protokoll des zu Wien am 28. November 1866 abgehaltenen Ministerrates unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

I. Anleihen auf Pfandbriefe der Boden-Credit-Anstalt in Wien

Anleihen auf Pfandbriefe der Boden-Credit-Anstalt.

Es werde, geruhte Se. Majestät zu bemerken, von verschiedenen Seiten auf den Abschluß dieses Anleihens gedrungen; die Sache sei so wichtig, daß es angezeigt erscheine, den Gegenstand in einer Ministerkonferenz nochmals zur Sprache zu bringen.

Der Minister des kaiserlichen Hauses und des Äußern Freiherr v. Beust ergriff hierauf das Wort und sprach sich im wesentlichen dahin aus: Die Lage von Europa sei gegenwärtig derart, daß, wenn auch in nächster Zukunft kriegerische Eventualitäten nicht in Aussicht stehen, für Österreich die Pflicht der Selbsterhaltung fordere, solchen für den Fall ihres Eintretens nicht wehrlos gegenüberzustehen. Auch das redlichste Bestreben der Regierung, jedem Konflikte, solange dieses mit der Ehre und Machtstellung vereinbarlich sei, aus dem Wege zu gehen, biete keine Garantie gegen den möglichen Eintritt einer solchen Eventualität. In dieser Rücksicht sei es wichtig, daß man mit der neuen Heeresorganisation rasch vorwärtsgehe; dieses genüge jedoch nicht, indem zur Zeit darauf Bedacht genommen werden müsse, im Falle des Eintreffens außerordentlicher Ereignisse über die erforderlichen Geldmittel verfügen zu können. Treten solche Ereignisse ein, so sei der Geldmarkt geschlossen, und da frage es sich, ob man es nicht vorziehen soll, solche Geldmittel, welche wenigstens für die ersten notwendigen Ausgaben ausreichen, jetzt, wenn auch mit großen Opfern, sich zu verschaffen. Endlich sei auch noch zu bedenken, ob es ratsam sei, dem Geldmarkt in Paris, der sich jetzt, wenn auch zu sehr onerosen Bedingungen, willfährig zeige, durch einen kategorischen Refus seiner gestellten Bedingungen entgegenzutreten. Jedenfalls könne er nur dankend sich aussprechen, daß Se. Majestät geruhten, diesen Gegenstand wegen seiner unleugbaren Wichtigkeit in der Ministerkonferenz zur Sprache zu bringen. Der Finanzminister Graf Larisch sprach sich ausführlich über die Sache folgendermaßen aus: Infolge der durch das Gesetz vom 24. April l. J. erhaltenen Ermächtigung1, die im Betrage von 60 Millionen [fl.] zu emittierenden Pfandbriefe bestmöglich zu verwerten, habe er vorgestern den von einem Konsortium wegen Übernahme dieser Pfandbriefe gemachten Antrag abgelehnt, weil er die Verantwortlichkeit nicht übernehmen könnte, auf einen solchen Antrag einzugehen oder ihn auch || S. 328 PDF || nur zu befürworten2. Man habe sich mit der Boden-Credit-Anstalt in dieses Pfandleihgeschäft eingelassen wie mit einem anderen Privaten. Diese habe nämlich bei einem gewöhnlichen Privatgeschäfte das Recht, die betreffenden Pfandbriefe zu dem beliebigen Kurse zu verwerten; eine solche onerose, den Staatskredit möglicherweise gefährdende Bedingung habe das Finanzministerium nicht eingehen können, weswegen für die Finanzverwaltung das Recht der Verwertung dieser Pfandbriefe vorbehalten wurde. Unterm 2. Mai 1866 sei nun mit Samuel Haber als Vertreter eines Konsortiums ein Vertrag abgeschlossen worden, welcher die Verwertung der Pfandbriefe zum Ziele hat3. In diesem wurde der Verkaufspreis auf 72%, abzüglich eine Provision von 1% und eine vier-monatige Jouissance von 5%, festgesetzt und das Konsortium zur festen Übernahme von 30 Millionen bis spätestens 1. Oktober l. J. verpflichtet. Im Falle der Übernahme dieser 30 Millionen räumte man dem Konsortium das Recht ein, wegen der Übernahme der anderen 30 Millionen zum Preise von 73% mit 1% Provision und viermonatiger 5%iger Zinsen-Jouissance bis 1. Dezember 1866 sich zu erklären. Infolge der eingetretenen kriegerischen Ereignisse wurde über Ansuchen des Konsortiums der Vertrag bis letzten Dezember prolongiert. Während seines Urlaubes habe der ihn vertretende Sektionschef Baron v. Becke mit den Vertretern des Konsortiums, den Grafen Salm und Chotek, unterhandelt, Altgraf Salm sich hierauf nach Paris begeben, nach dessen Rückkunft von dem Konsortium der Antrag an das Finanzministerium gelangte, die Pfandbriefe zu 70%, nach Abzug der ausbedungenen Jouissance aber eigentlich nur zum Kurse von 66⅔% zu übernehmen4. Hiebei habe aber ein engeres Konsortium in der Person Samuel Habers noch des ferneren für sich die Zusicherung des Finanzministeriums zu einer Extraprovision von 1⅓% ausbedungen, so daß der Verkaufspreis netto auf 65%a zu stehen kommen würde. Auch sei noch die weitere Bedingung gestellt worden, daß die Regierung die Auslagen für die Presse, welche mit 350.000–500.000 Francs veranschlagt wurden, übernehme. 65% in Silber im Vergleich zum Kurse von 127 gebe einen Verkaufspreis von 82,55 Bankvaluta. Wenn man bedenke, daß die Pfandbriefe der Nationalbank in österreichischer Währung ausgestellt und in Bankvaluta verzinslich auf 89 bis 90 stehen, daß die österreichische Boden-Credit-Anstalt ihre Privatpfandbriefe, die um kein Haar besser als die in Frage liegenden seien, zu 101,50–102,50 verwerte, so müßte eine Veräußerung der Pfandbriefe des Staates mit 82,55 als eine Operation bezeichnet werden, die einer banqueroutemäßigen Verschleuderung nahekomme, deren Verantwortlichkeit auch schwerlich jemand übernehmen werde. Dabei gebe er noch zu bedenken, daß das zum Verkaufe in Kommission befindliche steuerfreie, nicht fundierte Staatsanleihen zu einem Kurse von 56,50 angeboten werde und eine Veräußerung der Pfandbriefe zum benannten Kurse diese || S. 329 PDF || Operation gänzlich verunmöglichen würde. Niemand sei mehr als er von der Notwendigkeit durchdrungen, für gewisse Eventualitäten Geldmittel zur Verfügung zu haben. Für die nächste Zukunft sei die Finanzverwaltung in der Lage, über eine nicht unbeträchtliche Summe diesfalls zu verfügen, für längere Zeit liege aber keine Gewähr vor. Mit einer Summe von 30 Millionen werde man übrigens solchen Eventualitäten gegenüber nicht Front machen können, und es sei daher besser, man behalte für einstweilen diese Pfandbriefe, die wie Silber anzusehen seien, in Kassa. Er bemerke diesfalls nur, daß ihm von der Credit-Anstalt wegen deren Übernahme bereits Anerbieten gemacht und ein Vorschuß von 10 Millionen zugesichert worden seien. Von einer Ablehnung fürchte er keinen so nachteiligen Einfluß auf die Geldwelt, wie ihn sicher eine Dahingabe der Pfandbriefe zu so niedrigem Kurse haben würde.

Die Versammlung ließ dieser klaren Darstellung ihre volle Würdigung angedeihen, und es wurde somit jede weitere Beratung darüber fallengelassen.

Auf eine Anfrage Sr. Majestät , welche Aussichten das Budget pro 1867 darbiete, erwiderte Graf Larisch , daß er zwar noch nicht eine vollständige Übersicht gewonnen habe, da man gerade in der Zusammenstellung begriffen sei, daß aber nach einer vorläufigen Übersicht die vorhandenen Mittel ausreichen werden, das Defizit bis zu dem geringen Betrage von 7 Millionen zu decken.

II. Neues Pensionsnormale

Änderung des Pensionsnormales.

In der Ministerkonferenz vom 13. d. M., geruhte Se. Majestät Allerhöchst sich zu äußern, sei die Frage unentschieden geblieben, ob die vorgeschlagenen Änderungen im Pensionsnormale nur auf die in der nächsten Zukunft bevorstehenden Personalreduzierungen zu beschränken oder überhaupt allgemein für Pensionierungen von Beamten festzustellen seien5. Für und gegen habe sich Gleichheit der Stimmen ergeben. Se. Majestät gab den Wunsch zu erkennen, daß man sich über diesen Punkt nochmals aussprechen möchte, und ließ hiebei die Bemerkung fallen, daß denn doch etwas Sonderbares darin liege, wenn man die Maßregel bloß auf die Gegenwart beschränke, während es doch Tatsache sei, daß man sich sozusagen jeden Augenblick veranlaßt sehe, im Gnadenwege den anerkannten Mängeln des gegenwärtigen Pensionsnormales abzuhelfen.

Es wurden hierauf in Kürze diejenigen Gründe von den einzelnen Mitgliedern der Ministerkonferenz wiederholt, welche in der Beratung vom 13. d. M. bereits vorgebracht worden waren. Von der einen Seite wurde namentlich darauf Gewicht gelegt, daß die Beschränkung auf Beamte, welche aus Anlaß der neuen Organisierung außer Verwendung kommen, eine Art Ungerechtigkeit gegenüber denjenigen Beamten in sich schließe, die später in Pensionsstand zu treten haben. Jetzt werde man offenbar die tüchtigeren Beamten beibehalten und die minder brauchbaren entfernen. Wie lasse es sich nun rechtfertigen, daß gerade diese nach dem günstigeren, andere tüchtige Beamte, die später aus Gesundheitsrücksichten oder anderen Gründen in Pensionsstand treten, nach dem ungünstigeren Normale behandelt werden? Auch wurde darauf aufmerksam gemacht, daß die Reformen der Organisation nicht auf eine abgeschlossene Periode beschränkt || S. 330 PDF || werden können, daß sie in die Jahre fortdauern werden und daß man daher die Aussicht habe, auf längere Zeit zwei Pensionsnormale zu besitzen und anzuwenden. Das Unbillige bei einer Beschränkung auf die Gegenwart wurde von der anderen Seite, namentlich von dem Staatsminister Grafen Belcredi , zugegeben. Der wesentliche Grund der Beschränkung auf die Gegenwart liege in unseren Finanzverhältnissen, die jede Ersparnis gebieten und eine Vermehrung von Auslagen, die vermieden werden können, in noch höherem Grade als unzulässig erscheinen lassen. Wenn man übrigens über diese Bedenken sich wegsetzen wolle, so unterliege es keinem Anstande, das vorliegende Normale als ein Provisorium allgemein einzuführen. Im § 2, welcher in seinem zweiten Absatze von der Behandlung derjenigen Beamten spricht, die eine anrechenbare Dienstzeit von 10 Jahren noch nicht vollstreckt haben, müßte aber sodann bei einer allgemeinen Ausdehnung eine Änderung eintreten, weil es nicht angezeigt sei, die dort gewährte günstigere Abfertigung ebenfalls allgemein zu machen.

Nachdem noch die Bemerkung gefallen war, daß es sehr in Frage liege, ob bei den jetzt stattfindenden zahlreichen gnadenweisen Pensionsbehandlungen der Pensionsetat nach dem neuen Normale mehr beschwert werden dürfte, geruhten Se. Majestät den Verordnungsentwurf dem Staatsminister mit dem Auftrage zu übergeben, denselben im Sinne einer allgemeinen Ausdehnung abzuändern6.

Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.