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Nr. 79 Ministerrat, Wien, 5. Juni 1866 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Hueber; VS. Belcredi; BdE. und anw: (Belcredi 5. 6.), Mensdorff, Esierházy, Franck, Mailáth 10. 6., Larisch 10. 6., Komers 11. 6., Wüllerstorf 12. 6., Haller 12. 6., Kussevich 16. 6.

MRZ. 79 – KZ. 1501 –

Protokoll des zu Wien am 5. Juni 1866 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Staatsministers Grafen Belcredi.

I. Protest der Nationalbank gegen Umwandlung der Banknoten zu 1 und 5 fl. in Staatsnoten

Der vorsitzende Staatsminister teilte der Konferenz den Inhalt eines Schreibens des Finanzministers vom 2. 1. M., Z. 2293, mit, laut welchem die Direktion der Nationalbank gemäß Sitzungsbeschluß vom 5. Mai l. J. aus Anlaß des Gesetzes vom 5. Mai l. J. wegen Umwandlung der Banknoten zu 1 und 5 fr. in Staatsnoten die vertragsmäßig und entgeltlich erworbenen und gesetzlich gewährleisteten Rechte und Ansprüche der Bankgesellschaft wahrt und die Bitte stellt, diese Rechtsverwahrung zur Kenntnis des Gesamtministeriums zu bringen1.

Nach Ansicht des Finanzministers wäre der Bankdirektion einfach zu eröffnen, daß ihre Rechtsverwahrung zur Kenntnis des Ministerrates gebracht und von der Ministerkonferenz zu Protokoll genommen worden sei, und dürfte diese formelle Erledigung um so mehr genügen, als die Bankverwaltung die Umwandlung der Banknoten zu 1 und 5 fr. in Staatsnoten als eine vollendete Tatsache hinnimmt und dem Finanzministerium in der Durchführung der Maßregel in anerkennenswerter Weise bereitwillig entgegenkommt.

Der Ministerrat nahm diese Mitteilung zur Kenntnis und erklärte sich mit dem Antrage des Finanzministers einhellig einverstanden.

II. Erhebung aus Anlaß der Vernichtung der Saaten durch Elementarereignisse

Der ungarische Hofkanzler eröffnete, es für seine Pflicht gehalten zu haben, Sr. Majestät einen au. Bericht über die Notlage zu erstatten, in welche Ungarn durch Elementarereignisse neuerdings geraten sei2. Die frühere Dürre und die Fröste zwischen dem 22. und 24. Mai haben in Ungarn strichweise eine solche Verwüstung der Saaten zur Folge gehabt, wie sie selbst im Jahre 1863 nicht ärger gewesen sei. Indessen sei hinsichtlich des ganzen Landes Ungarn eine Not nicht zu fürchten, indem das Banat, das Békéser und das Csongráder Komitat verschont geblieben seien; dagegen aber sei die Gegend von Pest, Cegléd, || S. 128 PDF || Kecskemét bis Szegedin, diese reiche Kornkammer, beinahe gänzlich um die heurige Ernte gebracht worden, was um so bedauerlicher sei, als die Ernteaussichten gut waren und die Bevölkerung der dortigen Gegend noch unter den Folgen der früheren Mißernten leidet. Der ungarische Landtag habe die Bedeutung dieser Kalamität bereits aufgefaßt und Kommissionen zur Erhebung ausgesendet. Es liege im Interesse und in der Pflicht der Regierung, dafür zu sorgen, daß die Kalamität nicht Dimensionen annehme, durch welche das Staatsärar zu größerer Anspannung genötigt wird. Es dürfte daher rätlich sein, schleunigst unter dem Vorsitze des Tavernikus eine Kommission aus Fachleuten, Produzenten und Statthaltereiräten zusammen­zusetzen, welcher die Aufgabe zu stellen wäre, die notwendigen Erhebungen über den Umfang des Schadens zu pflegen und die zur Abhilfe geeigneten Anträge zu stellen. Bis dahin sei es aber notwendig, den Landesfonds in den Stand zu setzen, dem dringendsten Erfordernisse zu genügen, demselben hiezu aus den Staatsfinanzen einen Kredit von 200.000 bis 500.000 fr., der schon in acht Tagen bereitgestellt sein müßte, zu eröffnen, um der Bevölkerung beim Ankauf des Samens behilflich sein und Vorsichtsmaßregeln gegen eine partielle Hungersnot ergreifen zu können.

Graf Belcredi glaubte es auch in politischer Hinsicht als bedeutungsvoll erkennen zu sollen, daß von der Krone die Initiative ergriffen werde und dieselbe den Maßnahmen vorangehe, welche allenfalls der Landtag hierin zu ergreifen beschließen wird. Deshalb sei es wünschenswert, daß das bezügliche Ah. Handschreiben an den Tavernikus unverweilt veröffentlicht werde3. Der ungarische Hofkanzler fügte bei, daß auch Baron Sennyey dieser Ansicht sei. Für das Ah. Handschreiben beabsichtigte v. Mailáth beiläufig folgende Fassung au. in Vorschlag zu bringen: Se. Majestät haben mit Bedauern von dem Schaden Kenntnis erhalten, den die Dürre und Fröste in einzelnen Teilen Ungarns verursacht haben. Se. Majestät wären hierüber in [um]so größerer Bekümmernis, als ein Teil des Landes noch an den Folgen früherer Mißernten leide. Um einem Notstande abzuwehren, fänden Se. Majestät den Tavernikus zu beauftragen, unter seinem Vorsitze eine Kommission zusammenzusetzen, welche die erforderlichen Erhebungen schleunigst zu pflegen und Sr. Majestät die geeigneten Anträge zur Abhilfe zu stellen hätte. Se. Majestät rechnen hiebei auf die Unterstützung des Landes, insbesondere auf jene der versammelten Vertreter desselben im Landtage. Der Handelsminister glaubte, daß die Erwähnung des Wortes „Notstand“ unterlassen werden sollte, weil ein solcher, da der Schaden nur strichweise erfolgt ist, wenigstens allgemein nicht eintreten wird, und daß dafür der Ausdruck „lokaler Notstand“ oder besser noch „bedrängte Lage“ gebraucht werden sollte.

Die Konferenz stimmte dem Vorhaben des ungarischen Hofkanzlers bei und erklärte sich auch mit der angedeuteten Fassung des Entwurfes des Ah. Handschreibens || S. 129 PDF || unter Annahme des vom Handelsminister gestellten Amendements einverstanden.

Graf Belcredi erachtete es für rätlich, wenn Se. Majestät eine gleiche Ag. Kundgebung auch für die nichtungarischen Länder erlassen und den Staatsminister zur Einleitung der nötigen Erhebungen beauftragen würden, um zur Milderung der nachteiligen Folgen der abnormen Witterungs­verhältnisse in einigen Teilen des Reiches die Anwendung geeigneter Maßregeln rechtzeitig in Erwägung ziehen zu können. Die bisher aus den einzelnen Ländern eingelaufenen Berichte, wenn sie auch mitunter übertrieben sein mögen, konstatieren auch in den anderen Ländern große Schäden, insbesondere erleiden die Weingartenbesitzer in Niederösterreich, Steiermark und Kroatien große Verluste, da nicht nur heuer auf keine Fechsung zu rechnen, sondern durch die Fröste teilweise sogar die Weinstöcke gelitten haben, so daß sich die Kalamität auf mehrere Jahre erstrecken wird. Eine solche aus der Allerhöchsteigenen Initiative des Monarchen hervorgegangene Fürsorge werde jedenfalls in der Bevölkerung eine gute Wirkung hervorbringen, dieselbe werde aber auch geeignet sein, Vorwürfen wegen Bevorzugung des Königreiches Ungarn vorzubeugen. Graf Belcredi erklärte hierauf sein Vorhaben, Sr. Majestät den beiliegenden Entwurf (Beilage) eines Ah. Handschreibensa an den Staatsminister unterbreiten zu wollen.

Die Konferenz war mit dem Antrage und mit der Fassung des Ah. Handschreibens einhellig einverstanden. Graf Haller bemerkte, daß das Großfürstentum Siebenbürgen von diesen Elementarschäden verschont geblieben sei, und Freiherr v. Kussevich eröffnete, daß die Schäden in Kroatien und Slawonien nicht von großer Bedeutung sind, daß er über den Umfang derselben Bericht abverlangen und sonach die etwa erforderlichen Anträge stellen werde.

III. Definitive Erledigung des Berichtes der Staatsschuldenkontrollskommission für 1865

Der Finanzminister teilte der Konferenz den Inhalt seines au. Vortrages vom 30. Mai 1. J., Z. 2482, mit, womit er Sr. Majestät die Ergebnisse der Prüfung der Staatsschuldenkontrollskommission bezüglich des Jahres 1865 in allgemeinen Umrissen dargestellt hatte, und verband hiemit die Mitteilung, daß Se. Majestät ihn mit der Ah. Entschließung vom 2. Juni zur Veröffentlichung dieses au. Vortrages Ag. zu ermächtigen geruht haben, zugleich aber auch den Vorsitzenden des Ministerrates beauftragt haben, den Entwurf eines Ah. Handschreibens an den Fürsten Colloredo zur definitiven Erledigung des Berichtes der Staatsschuldenkontrollskommission zu unterbreiten4.

Nachdem Graf Belcredi betont hatte, daß die Veröffentlichung des au. Vortrages des Finanzministers einen guten Effekt hervorbringen werde, weil die || S. 130 PDF || Prüfungsergebnisse der Kommission für die Finanzverwaltung in jeder Beziehung günstig sind und der gute Eindruck, den sie hätten im Publikum hervorrufen müssen, nur durch den Effekt, den sich die Kommission mit der Berührung der staatsrechtlichen Frage für den Schluß aufgespart hatte, ganz abgeschwächt worden ist, las er den beiliegenden Entwurf (Beilage) des Ah. Handschreibens an den Fürsten Colloredob, den er Sr. Majestät zu unterbreiten beabsichtige, ab, welcher Entwurf von der Konferenz stimmeneinhellig gutgeheißen wurde.

IV. Anfrage wegen des Ausfuhrverbotes für Schlachtvieh nach Preußen

Der Staatsminister eröffnete, daß in letzterer Zeit die Frage wegen Erlassung eines Ausfuhrverbotes für Schlachtvieh über die preußische Grenze bei jedem speziellen Anlasse sowohl von den betreffenden Länderchefs als auch von den Armeekommandanten angeregt wird.

Der Umstand allein, daß in der neuesten Zeit die Viehausfuhr über die preußische und sächsische Grenze zugenommen hat, könne die Erlassung eines Viehausfuhrverbotes noch immer nicht rechtfertigen. Es ist aber auch nicht einmal konstatiert, daß eine wirklich namhafte Steigerung der Anzahl ausgeführter Viehstücke eintrat, sondern es wird gegenwärtig begreiflich jeder Ausfuhr über die bezeichneten Grenzen eine größere Aufmerksamkeit zugewendet und aus vorgekommenen einzelnen Fällen gleich der Schluß auf die Notwendigkeit eines Ausfuhrverbotes gezogen. Es ist hiebei vor allem zu beachten, daß eine Beschränkung des Verkehrs nach außen immer mit einer Schädigung der heimischen Interessen verbunden ist, welche unter den gegenwärtigen ungünstigen Produktions- und Handelsverhältnissen im Innern um so schwerer wiegt. Dem preußischen Staate wird durch eine gestattete Viehausfuhr kein besonderer Nutzen zugewendet und durch ein Ausfuhrverbot kein wesentlicher Schaden zugefügt. So wie die Verkehrsverhältnisse in der Gegenwart beschaffen sind, fällt es nicht schwer, sich das Benötigte von anderwärts zu verschaffen. Sachsen gegenüber ließe sich aber ein Ausfuhrverbot nur schwer rechtfertigen. Die entscheidende Frage bleibe hiebei immer nur die, ob durch eine sehr gesteigerte Ausfuhr der einheimische Bedarf an Vieh, und zwar mit besonderer Rücksicht auf die Bedürfnisse der Armee, Gefahr laufe, gar nicht oder doch nur mit einem sehr erhöhten Kostenaufwande gedeckt werden zu können. Von diesen Erwägungen ausgehend, habe er die Länderchefs in Böhmen, Mähren und Schlesien angegangen, ihre Aufmerksamkeit der Konstatierung folgender Fragepunkte zuzuwenden und sonach hierüber zu berichten. Hat gegenüber normalen Beziehungen und Verhältnissen zum Auslande wirklich eine namhafte Steigerung der Viehausfuhr und in welcher Richtung stattgefunden? War dies im bejahenden Falle ein heimisches, das ist aus dem betreffenden Verwaltungsgebiete stammendes Vieh oder nicht? Machen sich in dem Verwaltungsgebiete bereits eine Abnahme des zur Fleischnutzung bestimmten Viehes und eine namhafte Preissteigerung des Fleisches bemerkbar? Wie verhält es sich mit dem Transporte an || S. 131 PDF || Vieh aus den östlichen Ländern, aus welchen der Fleischbedarf ja hauptsächlich gedeckt wird? Finden diese Transporte mit der gewohnten Regelmäßigkeit, in gleicher, zu- oder abnehmender Stärke statt?

Der Kriegsminister erklärte, daß er die ihm zukommenden Anzeigen über Ausfuhr von Schlachtvieh nur deshalb regelmäßig zur Kenntnis des Vorsitzenden des Ministerrates bringe, um sich vor jedem späteren Vorwurfe freizumachen, wenn ein Mangel an Schlachtvieh bei der Armee eintreten würde. Wenn der Krieg ausbricht, brauche die Armee allein monatlich 20.000 Ochsen, bei einer nur dreimonatigen Dauer daher 60.000 Stücke.

Die Konferenz erkannte sohin die eingeleiteten Erhebungen als vollkommen geeignet an, um nach Maßgabe derselben über die Frage des Ausfuhrverbotes für Schlachtvieh gegen Preußen einen definitiven Beschluß zu fassen5.

V. Verbot der Mitteilung militärischer Angelegenheiten durch die Presse

Der vorsitzende Staatsminister teilte mit, daß das „Neue Fremdenblatt“ in einer seiner letzten Nummern eine detaillierte Schilderung der Fronleichnamsprozession in Olmütz gebracht und dabei alle Regimenter genannt habe, von denen Abteilungen dabei ausgerückt sind6. Da diese Mitteilung in verkappter Weise Nachricht über die Dislokation der Truppen gibt, sei sie offenbar gegen das Gesetz erfolgt. Der Staatsanwalt, der wegen allfälliger Stellung einer Anklage gegen dieses Journal zur Äußerung im kurzen Wege aufgefordert worden sei, habe mit Rücksicht auf Art. IX des Gesetzes vom 17. Dezember 1862, RGBl. Nr. 8 vom Jahre 1863, Bedenken getragen, eine solche Anklage zu stellen. Der genannte Artikel lautet:

„Jede durch Druckschriften veröffentlichte Mitteilung über den Plan und die Richtung militärischer Operationen des kaiserlichen Heeres oder der kaiserlichen Flotte, über die Bewegung, Stärke und den Aufstellungsort von Truppen und Schiffen, über den Zustand von Befestigungswerken, endlich über die Aufbewahrung oder den Transport von Kriegserfordernissen begründet, wenn aus deren Beschaffenheit oder aus den obwaltenden Umständen erkennbar war, daß dadurch die Interessen des Staates gefährdet werden könnten, oder wenn ein besonderes Verbot solcher Mitteilungen erlassen wurde, sofern nicht eine schwerer verpönte Handlung darin erkannt wird, ein Vergehen, welches an dem Schuldigen mit einer Geldstrafe von 50 bis 500 fr., zur Zeit eines bereits ausgebrochenen oder unmittelbar drohenden Krieges aber mit Arrest von 14 Tagen bis zu drei Monaten zu bestrafen ist.“

Dem Justizminister schien es gleichfalls zweifelhaft, ob die Gerichte den ersten im Art. IX des zitierten Gesetzes vorgesehenen Fall hier als konstatiert annehmen werden. Um daher solche unter den dermaligen Verhältnissen sehr gefährliche Mitteilungen der Journale hintanzuhalten, wäre es angezeigt, das im obigen Gesetze angedeutete besondere Verbot solcher Mitteilungen durch eine mit Reichsgesetzblatt zu publizierende Verordnung der Ministerien des Krieges, der Justiz und der Polizei ausdrücklich zu erlassen.

|| S. 132 PDF || Die Konferenz erkannte die Notwendigkeit dieses Verbotes an, und der Justizminister übernahm es, sofort die bezügliche Verordnung zu verfassen7.

Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.