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Nr. 70 Ministerrat, Wien, 1. Mai 1866 – Protokoll II - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Meyer; VS. Kaiser; BdE. und anw. (Belcredi 1. 5.), Mensdorff 4. 5., Esterházy 4. 5., Franck, Mailáth 4. 5., Larisch 4. 5., Komers 4. 5., Wüllerstorf 4. 5.; außerdem anw. Becke.

MRZ. 70 – KZ. 1492 –

Protokoll des zu Wien am 1. Mai 1866 abgehaltenen Ministerrates unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

I. Beratung des Gesetzes wegen Umwandlung der Banknoten zu 1 und 5 fl. in Staatsnoten

Beratung über das nunmehrige Inslebentreten des Gesetzes wegen Übernahme der Banknoten zu 1 und 5 Gl.

Se. Majestät geruhten die Sitzung mit der Bemerkung zu eröffnen, daß, da die äußeren Verhältnisse eine Armeeausrüstung im größeren Maße notwendig gemacht haben, der Zeitpunkt gekommen sein dürfte, das Gesetz wegen Übernahme der Banknoten von 1 und 5 Gl., worüber schon in der Sitzung vom 8. April die Beratung gewaltet hatte1, ins Leben treten zu lassen.

Der Kriegsminister Ritter v. Franck gab über das Gelderfordernis des Kriegsministeriums nach dem gegenwärtigen Stande der Mobilisierung folgende Auskünfte: Truppenstandsvermehrung für einen Monat 4,400.000 [fl.], sohin für sechs Monate 26,400.000, Märsche, Verlagsquantum wegen der Truppenstandserhöhung ein für allemal 2,660.000, Pferdeankauf, soweit bis jetzt befohlen, 2,676.000, Pferdeankauf zur Vollendung der Rüstung der ganzen Armee 2,500.000; Monturswesen 6,943.000; Summa 41,179.000. Der Kriegsminister bemerkte hiezu, daß nach diesem Ausweise die erste Ausgabenrubrik von 26,400.000 den Bedarf für sechs Monate enthält, während 14,779.000 als ein für allemal verausgabt angesehen werden müssen. In diesen Summen sei aber der Bedarf für die Mobilisierung des 1. und 3. Armeekorps, welche bereits angeordnet worden, nicht inbegriffen, daher man auf ein neues bedeutendes Erfordernis sich gefaßt machen müsse. Überhaupt seien die vorgelegten Ziffern im Falle des Ausbruches eines Krieges nicht maßgebend. Gegenwärtig sei die Ordre für den Ankauf von 49.000 Pferden gegeben; bei einer vollen Mobilisierung wären aber 60.000 Pferde zu kaufen. Unter den Ausgaben für Montur erscheinen 2 Millionen für ein zweites Paar Schuhe, welches für den Fall eines Kriegsausbruches benötigt werde. Den Bedarf allein für den Monat Mai für die Armee gab der Kriegsminister auf 25 Millionen an.

Sektionschef v. Becke wurde hierauf aufgefordert, über die zur Verfügung stehenden Kassamittel Aufschluß zu geben, welcher mit folgendem erteilt wurde: Die gewöhnliche Ausgabe für den Monat Mai, darunter 12 Millionen Couponzahlungen, war mit 20 Millionen angenommen worden. Rechne man den neuen Bedarf für Kriegsrüstungen von 25 Millionen hinzu, so ergebe sich ein Gesamtbedarf || S. 77 PDF || für den Monat Mai von 45 Millionen. Die Mittel zur Bedeckung seien folgende: Durch die Zentralkassa à conto Maidotation angewiesen 8 Millionen, Kassastand am 1. Mai 10 Millionen, in Paris und Hamburg ausstehende Kassavorschüsse 9,500.000, Kassaeinfluß aus den Provinzen im Laufe des Monats Mai ca. 8 Millionen; Summa 35,500.000. Gegenüber dem Erfordernis von 45 Millionen ergebe sich somit ein Defizit von 9,500.000 Gl. Es sei unmöglich, bemerkte Sektionschef v. Becke, im Wege einer neuen Kreditoperation dieses Defizit zu decken, noch unmöglicher aber werde jede solche Operation bei einem wirklichen Kriegsausbruche. Es bleibe daher kein anderer Weg übrig, als zu der projektierten Umwandlung der 1 und 5 Gl.-Banknoten in Staatsnoten zu schreiten. Es sei auch wünschbar, daß diese Maßregel bald erfolge, weil es im höchsten Interesse des Ärars liege, vorderhand die im Auslande ausstehenden Wechsel nicht zu veräußern, um sie als Regulator bei der Börse zu benützen und dadurch der Notwendigkeit eines gezwungenen Verkaufes überhoben zu sein. Ohne diese Umwandlung der Banknoten wäre man nicht einmal mehr in der Lage, die Maicoupons auszuzahlen, eine Kalamität, die um jeden Preis vermieden werden müsse.

Der Finanzminister Graf Larisch erklärte, daß es ihn hart ankomme, diesen Antrag zu stellen, daß aber die Finanzlage eine solche sei, daß ihm keine Wahl übrigbleibe. Die Bank werde allerdings einen großen Lärmen [sic!] darüber anschlagen, sie habe sich auf die bloße Zeitungsnachricht hin von der Möglichkeit einer solchen Maßregel zu einer schriftlichen Protestation veranlaßt gesehen und dieselbe als einen Eingriff in die Bankakte erklärt2. Allein die Maßregel sei unvermeidlich, und wenn sie einmal ergriffen werden müsse, so sei es auch angezeigt, beförderlich sie zu erlassen, damit man der Notwendigkeit überhoben werde, das aus dem Pariser Anleihen einfließende Silber zu verschleudern. Der Justizminister Ritter v. Komers fand sich veranlaßt, ausführlich nochmals die bereits in den Sitzungen vom 8. und 25. Aprila gewürdigten Gründe über die Zulässigkeit dieser Maßregel zu wiederholen und namentlich unter Hinweisung auf Art. 12 der Bankstatuten den Umstand zu betonen, daß dadurch wohl das Recht zur Emission von Banknoten von 10 Gl. und über 10 Gl. zuerkannt worden sei, dadurch aber das Recht des Staates zur Emission von Banknoten unter 10 Gl. intakt geblieben sei. Der ungarische Hofkanzler v. Mailáth sah die Maßregel als eine Art von Nationalanlehen, allerdings verbunden mit einem Zwange gegen die Bank, an, welcher übrigens durch die Umstände gerechtfertigt werde. Es frage sich aber, ob nicht aus politischen Rücksichten Bedenken gegen die Maßregel erhoben werden können. Der Minister des Äußern Graf Mensdorff fand sich dadurch bewogen, auf die große politische Tragweite dieser Maßregel aufmerksam zu machen. Sie werde den übelsten Eindruck im Auslande hervorbringen und als eine wahre Kriegsdemonstration angesehen werden. Es werde dort heißen, man habe mit derselben die Schiffe hinter sich verbrannt, man wolle den Krieg à tout prix. Es wäre daher sehr || S. 78 PDF || wünschbar, wenn man dieselbe noch auf einige Zeit verschieben könnte. Er gebe nur zu bedenken, daß schon jetzt der Vorwurf der ersten Rüstung auf Österreich ruhe und daß von Preußen wenigstens es sicher sei, daß man dort erst dann zur Einberufung geschritten, als hier der Marschbefehl erteilt worden war. Graf Esterházy äußerte die gleichen Bedenken und führte namentlich den Umstand an, daß die Nachrichten aus der Hand unparteiischer bKabinetteb über die Rüstungen in Italien mit den Zeitungsnachrichten nicht übereinstimmen. Das Gewicht der Maßregel liege darin, daß wir, um den Banqueroute zu vermeiden, zum Kriege nun unsererseits drängen müssen. Die Tragweite dieses Krieges könne aber niemand absehen, es werde ein europäischer Krieg werden und Verhältnisse herbeiführen, welche den Bestand des alten Österreich nicht mehr möglich machen und die Gründung eines neuen zur Folge haben dürften. Der Staatsminister Graf Belcredi beschränkte sich auf seine früheren Bemerkungen, daß der gegenwärtige Zustand ganz unerträglich sei und nur die eine Chance für sich habe, daß er zum Ruine der Monarchie führe. Der Justizminister machte hiebei noch auf den Umstand aufmerksam, daß, wenn das Ausland einen Krieg gegen uns vorhabe, wir ihn nicht vermeiden können, trotz der friedlichsten Stellung, die wir einnehmen; habe man es aber bloß auf Demonstration, auf Einschüchterung abgesehen, so müsse man zeigen, daß dieses Mittel an uns nichts verfange.

Se. Majestät geruhten Ah. Sich dahin auszusprechen: Retrospektive Anschauungen seien gegenwärtig nicht mehr am Platze, sondern man müsse die Sachlage ins Auge fassen, gerade wie sie jetzt stehe. Er habe anfänglich nicht an einen Krieg glauben können; aber wenn andere ihn wollen, welche Mittel gebe es, ihn zu vermeiden? Schon vor den ersten hier ergriffenen kriegerischen Maßregeln, welche durchaus nicht auf die Absicht schließen ließen, als habe man es auf eine Aggression abgesehen, sei die Situation eine unheimliche gewesen und habe im Hintergrunde stehende verderbliche Pläne ahnen lassen. Gegen alle menschliche Berechnung entwickeln sich oft Zustände und Verhältnisse, und als eitel zeige sich alles Streben, sie zu vermeiden. Jetzt sei die Sachlage so, daß man den Krieg als unvermeidlich betrachten müsse und unsere Aufgabe nur darin bestehen könne, uns in jeder Beziehung gut für denselben vorzubereiten.

Es wurde hierauf zur Beratung des Gesetzentwurfes geschritten und derselbe mit folgenden zwei Redaktionsänderungen angenommen: Die in dem Entwurfe vorgeschriebene Abstempelung der einzuziehenden Banknoten wurde nicht als notwendig erkannt, weil das Gesetz, das sie als Staatsnoten erklärt, genügt und eine solche weitwendige Operation wie die Abstempelung als ganz unnütz erscheint. Ferner wurde beschlossen, daß nicht nur die bereits von der Bank emittierten, sondern auch die in Reserve behaltenen 1 und 5 Gl.-Banknoten als Staatsnoten erklärt werden, weil es im öffentlichen Interesse liege, daß alle existierenden 1 und 5 Gl.-Banknoten als Staatsnoten erklärt werden, daher jede Reserve von solchen als Noten der Bank unzulässig erscheine. Im Gesetze ist daher in dem betreffenden Artikel, welcher von der Einziehung spricht, der Beisatz einzuschalten „mit Einschluß der Reserve“.

II. Pariser Konsortium zur Placierung der Pfandbriefe in der Höhe von 60 Millionen fl

Pariser Konsortium über Placierung der 60 Millionen [fl.] Pfandbriefe.

Der Finanzminister Graf Larisch legte den Entwurf eines von ihm an Samuel Haber in Paris zu richtenden Schreibens vor wegen Bildung eines Konsortiums zur Placierung der 60 Millionen [fl.] Pfandbriefe, welche infolge des Gesetzes vom 24. April l. J. emittiert werden sollen3. Nach dieser Zuschrift, welche auf eine abgeschlossene Verabredung sich gründet, verpflichtet sich das Konsortium, bis 1. Oktober Pfandbriefe im Betrage von 30 Millionen zu übernehmen und bis 1. Dezember die Erklärung wegen Übernahme der anderen 30 Millionen abzugeben. Der Kaufpreis für die 60 Millionen nominal repräsentierenden Pfandbriefe werde auf 72%, abzüglich von 1% Provision und von einer viermonatlichen 5% cJouissancec, festgesetzt. Erfolge die Übernahme der zweiten Hälfte des Anleihens nach dem 1. Oktober, so betrage der Kaufpreis 73% mit den gleichen Abzügen. Nach dieser Stipulation werde somit nach Abrechnung der Abzüge die eine Hälfte zu 69 und die andere zu 70 abgesetzt, was unter den gegenwärtigen Verhältnissen noch als eine ziemlich günstige Kreditoperation angesehen werden müsse. Einiges Bedenken könnte nur das im § 4 dem Konsortium gemachte Zugeständnis sein, daß dieses das Recht besitzen solle, unter selbständiger freier Festsetzung des Emissionskurses im Wege der öffentlichen Subskription die Pfandanleihe zu placieren; allein es war dieses eine conditio sine qua non der Geschäftseingehung, und es müsse darum darüber hinausgegangen werden.

Da sich alle Mitglieder der Konferenz mit dieser Operation einverstanden erklärten, wurde nur noch von Sr. Majestät die Bemerkung beigefügt, daß eine Geheimhaltung dieser Kreditoperation sich nicht nur als wünschbar, sondern sogar als notwendig zeige.

In Verbindung stehend mit dieser Geldoperation legte sodann der Finanzminister den Entwurf eines Schreibens an Samuel Haber vor, womit einem von ihm zu bildenden Konsortium die Konzession zur Errichtung einer in Österreich zu gründenden Immobilienbank auf Aktien erteilt wird, sobald durch seine Vermittlung die Übernahme der ersten Hälfte des Pfandbriefanleihens gesichert ist4. Diese Aktiengesellschaft soll das ausschließliche Vorrecht haben, diejenigen Bestandteile des unbeweglichen Staatseigentums, deren Veräußerung dieser beschließt, kommissionsweise für den Staat zu verkaufen respektive selbst zu übernehmen, falls sie solche zu den von anderer Seite dem Staate gebotenen Kaufsbedingungen zu übernehmen sich bereit erklärt.

Von keiner Seite fiel eine Einwendung gegen eine solche Konzessionserteilung.

III. Venezianische Zwangsanleihe

Italienisches Zwangsanleihen.

Der Statthalter und der Finanzlandesdirektor haben sich übereinstimmend, bemerkte Sektionschef v. Becke , dafür ausgesprochen, daß geradeso wie im || S. 80 PDF || Jahre 1859 ein Zwangsanleihen mit gleichzeitiger Hinausgabe von Kassaanweisungen (Vagliend ) ausgeschrieben werden solle. Es frage sich aber, ob es nicht angezeigt sei, mit dieser Maßregel abzuwarten, bis man wisse, welche Finanzmaßregel die italienische Regierung zu ergreifen gedenke.

Der Staatsminister Graf Belcredi sprach sich gegen ein Zwangsanleihen in Form von Vaglien aus, da es nur zu bekannt sei, welche Übelstände für das Ärar diese Vaglienwirtschaft mit sich brachte, welches dadurch genötigt wurde, um seiner Verpflichtung nachzukommen, zu hohem Kurse Silber zu kaufen. Eine Kriegssteuer scheine ihm viel passender. Mit dieser Maßregel – ob nun Kriegssteuer oder Zwangsanleihen – dürfe aber nicht gezögert werden, weil man nur zu sehr fürchten müsse, daß auch von Florenz aus eine Kriegssteuer in dem lombardisch-venezianischen Königreiche eingehoben werde und daß man sich demnach beeilen müsse, dieser Einhebung durch die hierseitige zuvorzukommen. Da der Gegenstand beim Finanzministerium in Beratung liegt und dort eine Schlußfassung darüber noch nicht erfolgt ist, so wurde dieser Gegenstand noch verschoben5.

IV. Generalinspektion für die österreichischen Eisenbahnen

Aufstellung einer Generalinspektion für die Eisenbahnen.

Die Aufstellung einer Generalinspektion für die Eisenbahnen statt der bisherigen drei Inspektoren wurde von dem Handelsminister Baron Wüllerstorf damit begründet, daß es durchaus notwendig sei, bei den bekannten Verhältnissen der Eisenbahnverwaltungen Männer an die Spitze der Eisenbahninspektion zu stellen, welche in der Beamtenhierarchie einen höheren Rang einnehmen. Er beabsichtigte daher, einen Generalinspektor mit zwei Oberinspektoren aufzustellen. Die Kostenvermehrung sei eine unwesentliche und werde sich auf 3000 bis 4000 Gl. belaufend6.

Von keiner Seite wurde eine Einwendung gegen diese Maßregel erhoben.

Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.