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Nr. 54 Ministerrat, Wien, 10. März 1866 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Hueber; VS. Belcredi; BdE. und anw. (Belcredi 10. 3.), Mensdorff, Franck, Mailáth, Larisch 13. 3., Komers 14. 3., Wüllerstorf; außerdem anw. Savenau, Becke, Schmid, Distler, De Pretis; abw. Esterházy.

MRZ. 54 – KZ. 1478 –

Protokoll des zu Wien am 10. März 1866 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Staatsministers Grafen Belcredi.

I. Übereinkommen mit Privatkreditinstituten wegen Erleichterung in der Zinsenbesteuerung der in laufende Rechnung genommenen Gelder

Den ersten Gegenstand der Beratung bildete der au. Vortrag des Finanzministers vom 23. Februar l. J., Z. 5873, um Ag. Ermächtigung zum Abschlusse von Übereinkommen mit Privatkreditinstituten wegen Erleichterung in der Besteuerung der Zinsen von den in laufende Rechnung genommenen Geldern gegen eine entsprechende Gegenleistung1.

Ministerialrat Distler stellte den Sachverhalt mit dem Beifügen dar, daß sich die gedachten Institute vertragsmäßig zu verpflichten hätten, einen aliquoten Teil, beispielsweise den zehnten oder einen größeren Teil, der bei ihnen in laufende Rechnung gegebenen Gelder der Finanzverwaltung zur freien Disposition zu überlassen. Die Finanzverwaltung würde dann einerseits den betroffenen Instituten für die ihr überlassenen Gelder eine um ein mäßiges Perzent höhere Verzinsung leisten, als jene ist, welche das Institut den Besitzern der Kassascheine gewährt, und andererseits gestatten, daß bei der Bemessung der Einkommensteuer von den Zinsen der Kontokorrentgelder ein Betrag als steuerfrei ausgeschieden werde, welcher genau der Zinsensumme entspricht, die die Finanzverwaltung dem bezüglichen Institute für die ihr überlassenen Kontokorrentgelder im Laufe des der Steuerbemessung unmittelbar vorausgegangenen Jahres auszuzahlen in dem Falle war. Auf diese Weise könnte sich die Finanzverwaltung teilweise die Geldmittel sichern, um den bezüglich der schwebenden Schuld möglichen Eventualitäten zu begegnen und momentanen Geldbedürfnissen zur Rückzahlung der schwebenden Schuld mit tunlichst geringen Opfern abzuhelfen. Der Finanzminister bemerkte, daß die fragliche Maßregel für den dermaligen Augenblick bedeutungslos sei, weil von den Partialhypothekaranweisungen infolge Erhöhung der Verzinsung 99 Millionen [fl.] genommen wurden und mehr als 100 Millionen nicht ausgegeben werden dürfen. Für spätere Eventualitäten habe diese Maßregel allerdings eine große Bedeutung, die sich schon daraus ergebe, daß durch ein fest gesichertes Placement eines bedeutenden Teiles der Salinenscheine bei den Kreditinstituten die Finanzverwaltung durch massenhaftes Zurückströmen der Salinenscheine nicht mehr in so arge momentane Verlegenheit || S. 309 PDF || geraten kann, wie dies z. B. vor mehreren Monaten der Fall war, wo gegen 40 Millionen der Nationalbank zurückgezahlt werden mußten. Sektionschef Ritter v. Becke bemerkte, daß die jetzige große Nachfrage nach Salinenscheinen teilweise auch in der großen momentanen Geldabondance ihren Grund habe. Wenn aber die Bank ihre Barzahlungen aufnimmt, werde das größere Zurückströmen der Salinenscheine nur schwer zu verhindern sein, wenn nicht ein bedeutender Teil bei Kreditinstituten fest placiert ist. Auch könne es bei unserer mangelhaften Kassamanipulation nur als zweckmäßig erkannt werden, wenn die Finanzverwaltung mit diesen Instituten einen Kontokorrent eröffnet. Der Justizminister erwähnte, daß die Finanzverwaltung nicht mehr als 100 Millionen in Salinenscheinen auszugeben berechtigt sei und daß auch im au. Vortrage des Finanzministers diese Grenze fix durch die gesetzlich bestimmten 100 Millionen hingestellt wurde. Wenn nun die Regierung mit den Kreditinstituten Kontokorrentgeschäfte eröffnen würde, ohne eine Deckung mit Hypothekarscheinen dabei eintreten zu lassen, würde ihr die Möglichkeit eröffnet, mehr als 100 Millionen in schwebender Schuld zu haben. Der Finanzminister erwiderte, die Unterbringung der Salinenscheine sei im au. Vortrage nur beispielsweise angeführt, die Regierung habe bisher auch zeitweise solche Kontokorrentgeschäfte eröffnen müssen, der Unterschied werde nur darin bestehen, daß man im Bedarfsfalle mit Sicherheit auf das Geld rechnen und dasselbe um billigeren Zins haben werde.

Der vorsitzende Staatsminister , dem auch der ungarische Hofkanzler und der Handelsminister hierin beistimmten, hielt es für das entscheidende Moment, daß das Einkommensteuergesetz auf alle diese Kreditinstitute bei der dermaligen Entwicklung derselben nicht mehr strikte anwendbar sei, und fand nur formell den Anstand zu erheben, daß die Maßregel nicht als ein Gesetz ins Leben gerufen werden könnte. Sektionschef Freiherr v. Savenau klärte auf, daß dies nicht in der Absicht des Finanzministers gelegen, aber auch durchaus nicht notwendig sei. Es werde nämlich ein Modus gewählt werden, wodurch die Anstalten in die Lage gesetzt werden, die Steuerbasis in einer Weise hinzustellen, daß gewisse Posten als Abzugspost behandelt werden, was nach dem Einkommensteuergesetze zulässig ist. Gehe nun die Anstalt den Vertrag ein, so werden die Zinsen, die ihr von ihren Kontokorrentgeldern entgehen, welche sie der Finanzverwaltung übergeben hat, bei der Steuerleistung qua Betriebsauslagen in Abschreibung gebracht, und je mehr die Finanzverwaltung von diesem Kontokorrent Gebrauch mache, desto höher werde auch der Posten des Abzuges sein. Nach diesen Aufklärungen stimmte der Ministerrat einhellig dem au. Antrage des Finanzministers bei.

II. Personal- und Besoldungsstatus der Zentralseebehörde in Triest

Der Handelsminister setzte die Konferenz von seinem Vorhaben in Kenntnis, Se. Majestät au. bitten zu wollen, einen neuen Personal- und Besoldungsstatus für die Zentralseebehörde in Triest Ag. zu genehmigen2.

|| S. 310 PDF || Das Hauptprinzip des Antrages beruhe darin, daß der Leiter dieser Behörde, welcher dermal nur ein Vizepräsident sei, in einen Präsidenten umgewandelt werde. Als Leiter der Zentralseebehörde in Triest sei ursprünglich nur ein Vizepräsident bestellt worden, weil als Präsident dieser Reichsbehörde anfänglich der Militär- und Zivilgouverneur zu fungieren hatte. Als aber in der Folge in Triest ein Statthalter als politischer Landeschef bestellt worden ist, habe das Verhältnis der Unterordnung des gedachten Vizepräsidenten aufgehört. Der nunmehrigen Unterstellung desselben unter den Chef der Triester Statthalterei könnte aber nimmermehr das Wort geredet werden, weil die Zentralseebehörde für alle Küstenländer unabhängig gestellt werden muß und diese Unterstellung heute, wo die autonomen Bestrebungen der einzelnen Länder sich immer mehr in allen Verwaltungszweigen geltend machen, keine Berechtigung mehr habe, und ernste Gefahren für die volle und ersprießliche Wirksamkeit dieser Behörde mit sich bringen würde. Dem Präsidenten der Zentralseebehörde wäre die IV. Diätenklasse einzuräumen, und es hätte derselbe ein Gehalt von 6000 fr. öW. und ein Quartiergeld von 1000 fr. öW. zu beziehen.

Der Ministerrat erklärte sich mit diesem Antrage des Handelsministers einhellig einverstanden und stimmte bezüglich der Deckung der Mehrauslage von 8618 fr., welche sich nach den übrigen, nicht weiter in Diskussion gezogenen Anträgen hinsichtlich der Feststellung des übrigen Personal- und Besoldungsstatus der Zentralseebehörde ergeben wird, dem Amendement des Sektionschefs Ritter v. Becke bei, daß dieser Mehraufwand in der Gesamtausgabe des Titels 5 des Finanzgesetzes pro 1866 „Hafen- und Seesanitätsdienst“, ordentliches Erfordernis 939.760 fr., einzubringen sein wird.

III. Staatsgarantie für das Konsortium der Prag—Rakonitz—Egerer Bahn für die Teilstrecke Rakonitz—Prag

Ministerialrat Ritter v. Schwind a referierte, es sei dem Konsortium des Grafen Eugen Czernin und Genossen mit Ah. Entschließung vom 26. August v. J. die Konzession für eine Bahn von Prag über Rakonitz nach Eger verliehen und vom Staate jedoch nur für die Teilstrecke Rakonitz—Eger ein Reinerträgnis von 597.956 fr. garantiert worden3, weil die Buschtehrader Gesellschaft sich erboten habe, ihre Bahn bis Rakonitz zu verlängern und mit dem Smichow in Prag durch eine Seitenbahn zu verbinden, ohne eine Garantie zu begehren. Die Konzessionäre bitten nun um nachträgliche Ausdehnung der Garantie auch auf die Teilstrecke Rakonitz—Prag, indem es bei der dermaligen Unterteilung des Unternehmens in eine garantierte und nicht garantierte Strecke nicht möglich sei, die erforderlichen Geldmittel aufzubringen. Nach monatelangen resultatlosen Unterhandlungen seien sie zur Überzeugung gelangt, daß ihr Projekt mit nur teilweiser Garantie weder auf dem englischen noch auf irgendeinem anderen Geldmarkte der Welt finanziell zu realisieren sei. Das Komitee für Eisenbahnangelegenheiten4 und namentlich auch der Vertreter des Finanzministeriums, letzterer unter der Voraussetzung der volkswirtschaftlichen Wichtigkeit der Bahn, || S. 311 PDF || haben das vorliegende Gesuch einer Unterstützung für geeignet erachtet. Indem der Handelsminister die volkswirtschaftliche Wichtigkeit und Nützlichkeit, wie dies auch in dem au. Vortrage vom 25. Mai v. J. bereits dargestellt wurde5, anerkennt, die Ausführung der in Rede stehenden Bahn auch vom strategischen und politischen Standpunkte höchst wünschenswert erscheint und die Ausdehnung der Garantie für den Staatsschatz keine Gefahr, sondern aus dem Grunde einen Vorteil zur Folge haben dürfte, weil die Teilstrecke Prag—Rakonitz voraussichtlich die einträglichere sein und die Staatsgarantie kaum beanspruchen werde, mithin durch Zusammenlegung des Betriebswesens für beide Strecken die Summe des aus dem Titel der Garantie zu deckenden eventuellen Abganges sicher ein geringerer sein werde, stehe der Handelsminister im Begriffe, bei Sr. Majestät den Antrag auf Ausdehnung der Garantie auch auf die Teilstrecke Prag—Rakonitz unter der Voraussetzung zu stellen, daß die Konzessionäre binnen längstens drei Monaten die Nachweisung liefern, daß sie mit dieser Begünstigung die erforderlichen Geldmittel aufzubringen in der Lage sein werden6.

Der Ministerrat stimmte diesem Vorhaben einhellig bei, und Graf Belcredi erklärte, sich um so entschiedener für die gedachte Zusicherung aussprechen zu sollen, weil sonst die Buschtehrader Bahn auch nicht den Ausbau ihrer Bahn bis Rakonitz und deren Verbindung mit dem Smichow in Prag vornehmen würde, auf diese Art aber wahrscheinlich eine Fusion beider Gesellschaften diesfalls eintreten wird.

IV. Besetzung des Postens eines Oberlandesgerichtspräsidenten in Triest

Der Justizminister äußerte sein Vorhaben, Sr. Majestät einen au. Antrag wegen Besetzung des durch die Pensionierung des Freiherrn v. Bakesch erledigten Postens eines Oberlandesgerichtspräsidenten in Triest erstatten zu wollen. In dem diesfalls erstatteten Vorschlage des Obersten Gerichtshofes seien 1. der Landesgerichtspräsident in Verona, Venturi, 2. der Landesgerichtspräsident in Padua, Freiherr v. Heufler, 3. der Landesgerichtspräsident in Udine, Scherauz, 4. der Hofrat beim Obersten Gerichtshofe, Schwab, 5. der Hofrat beim Obersten Gerichtshofe, Kemperle, 6. der Landesgerichtspräsident in Triest, Zima, und 7. der Hofrat beim Obersten Gerichtshofe, Rack, erwähnt. Die Meinungen beim Obersten Gerichtshofe haben sich jedoch sosehr zersplittert, daß sich für keinen der Genannten eine Majorität ergab.

Dem Erstgenannten, Venturi, gehe in Hinsicht auf Rechtlichkeit und Kapazität ein guter Ruf voraus, da sich jedoch vor mehreren Jahren, als es sich um die Erwirkung einer Ah. Auszeichnung für diesen Präsidenten handelte, Anstände in politischer Beziehung ergeben haben, habe er es für notwendig erachtet, den Statthalter Ritter v. Toggenburg über die Eignung Venturis für den fraglichen Posten zu vernehmen. Der Statthalter erteile demselben das Zeugnis eines sehr || S. 312 PDF || befähigten und rechtlichen Mannes, füge jedoch bei, daß er nicht österreichisch gesinnt sei. Bei diesem Umstande vermöge er nicht, diese Persönlichkeit Sr. Majestät in Vorschlag zu bringen, weil dabei der Dienst leiden könnte. Baron Heufler, seit 1855 Landesgerichtspräsident in Padua, stehe allgemein im besten Rufe und diene im ganzen 36 Jahre. Ritter v. Toggenburg, der gegen jeden der Vorgeschlagenen etwas einwende, habe gegen Baron Heufler nichts anderes vorbringen können, als daß er bereits 39 Jahre diene, was jedoch unrichtig sei. Der Justizminister glaubte sonach, den Baron Heufler als den zunächst Berufenen Sr. Majestät in Vorschlag bringen zu sollen7. Die Konferenz fand hierüber nichts zu entgegnen.

Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 26. März 1866. Franz Joseph.