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Nr. 42 Ministerrat, Wien, 5. Jänner 1866 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Hueber; VS. Belcredi; BdE. und anw. (Belcredi 5. 1.), Mensdorff 12. 1., Esterházy 13. 1., Franck. Mailáth 14. 1., Larisch 14. 1., Komers 15. 1., Wüllerstorf 16. 1., Geringer für II 18. 1., Kussevich für I 19. 1.

MRZ. 42 – KZ. 1466 –

Protokoll des zu Wien am 5. Jänner 1866 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Staatsministers Grafen Belcredi.

I. Geschäfts- und Wahlordnung für den serbischen Nationalkongreß

Der ungarische Hofkanzler setzte die Konferenz in Kenntnis, daß er mit Ah. Handschreiben vom 10. August v. J. beauftragt worden sei, den über Ah. Auftrag vom GM. Freiherrn v. Philippovic verfaßten Entwurf einer Geschäfts- und Wahlordnung des serbischen Nationalkongresses im Einvernehmen mit dem Kriegsminister und dem kroatisch-slawonischen Hofkanzler einer Prüfung zu unterziehen und Sr. Majestät hierüber nach vollzogener Beratung in der Ministerkonferenz einen gutächtlichen Antrag zu erstatten1. Die Ah. angeordnete Vorberatung habe bereits am 20. November v. J. stattgefunden2, man habe sich dabei aus mehrfachen Gründen, insbesondere deshalb, weil derzeit der serbische Nationalkongreß nicht zusammentreten könnte, weil viele der zu demselben zu Berufenden dermalen im ungarischen und im kroatischen Landtage sitzen, dann mit Rücksicht auf den Umstand, daß die Regierung in den Ländern der ungarischen Krone eben jetzt hochwichtige Zwecke verfolge und jede Beirrung derselben durch die im Gefolge der Kundmachung des Statutes zu gewärtigende Aufregung vermieden werden müsse, für die Vertagung der Kundmachung des Statutes geeinigt und sich daher in eine Detailberatung derselben nicht eingelassen. Bezüglich der Frage, ob das Statut seinerzeit im Verordnungswege erlassen oder ob dasselbe noch vorher dem Kongresse zur Begutachtung mitgeteilt werden soll, habe er sich zuerst für die erste Alternative aus dem Grunde ausgesprochen, weil erfahrungsgemäß die Debatten über Geschäfts- und Wahlordnungen zu jenen zu gehören pflegen, welche am langwierigsten und erbittertsten geführt werden, er habe sich jedoch der gegenteiligen Ansicht des Kriegsministers und des Leiters der kroatisch-slawonischen Hofkanzlei, daß bei der seinerzeitigen Wiederaufnahme dieses Gegenstandes auch dem serbischen Nationalkongresse in dieser Angelegenheit eine Stimme, jedoch selbstverständlich nur ein Votum Informativum gewährt werde, in der Erwägung angeschlossen, weil der Entwurf in seiner gegenwärtigen Fassung nicht befriedigen würde und manche Punkte des Statutes eine rein innere Angelegenheit des serbischen Volksstammes betreffen, || S. 253 PDF || sonach in erster Linie diesen selbst und nur in entfernterer das Interesse der Regierung berühren. Referent erklärte sohin sein Vorhaben, in einem au. Vortrage Sr. Majestät den ehrerbietigsten Antrag stellen zu wollen, daß die Kundmachung des in Rede stehenden Statutes vertagt und daß bei der Wiederaufnahme dieser Angelegenheit dem serbischen Nationalkongresse in der vorliegenden Frage ein Votum Informativum gewährt werde3. Die Konferenz erklärte sich hiemit einhellig einverstanden.

II. Gleichberechtigung der beiden Landessprachen in den böhmischen Volks- und Mittelschulen

Der vorsitzende Staatsminister referierte über den von dem böhmischen Landtage in der Session von 1864 angenommenen Gesetzentwurf, betreffend die Durchführung der Gleichberechtigung der beiden Landessprachen in Volks- und Mittelschulen, und über die von dem Landtage nach Maßgabe des § 19, I a, der Landesordnung hiemit verbundenen Beschlüsse rücksichtlich Anträge über die Art und Weise der Durchführung dieses Gesetzes4. Der frühere Staatsminister Ritter v. Schmerling habe diesen von der böhmischen Statthalterei mit Bericht vom 25. Juli 1864, Z. 2080, zur Erwirkung der Ah. Sanktion empfohlenen Gesetzentwurf von dem Unterrichtsrate vom rein didaktischen Standpunkte begutachten lassen5, habe sohin in dem au. Vortrage vom 27. Februar 1865, Z. 8523 StM. I6, den Gegenstand vom didaktischen, fachlichen und formellen Gesichtspunkte beleuchtet und seine Überzeugung ausgesprochen, daß bei der ganzen Frage das didaktische Moment von dem politischen in den Hintergrund gedrängt wird und daß die Regierung sich nicht in eine Bahn lenken lassen soll, deren Endpunkt nicht zu berechnen ist. Ritter v. Schmerling habe aber auch dem Landtage die Kompetenz zur Votierung dieses Gesetzes abgesprochen, weil die Bestimmungen desselben lediglich dahin abzielen, die Art und Weise der Durchführung jener allgemeinen Reichsgesetze in sprachlicher Beziehung zu regeln, welche über den Organismus der Volks- und Mittelschulen sowie über den in demselben einzuhaltenden Lehrplane und die Lehrmethode bestehen, diese Durchführung aber als rein administrativer und didaktischer Natur ausschließend im Bereiche der Exekutive gelegen und ihr vorbehalten sei. Endlich habe Ritter v. Schmerling darauf angetragen, diesen letzteren Standpunkt, ohne die materielle Frage zu berühren, dem Landtage gegenüber zunächst festzuhalten, weil er der am wenigsten verletzende sei. Der hierüber vernommene Staatsrat habe sich den Anträgen des Ritters v. Schmerling angeschlossen7, und es habe || S. 254 PDF || auch der vormalige Ministerrat, welchem die Verhandlung im Zirkulationswege mitgeteilt worden war, sich mit diesen Anträgen laut des vorliegenden Zirkulationsbogens einverstanden erklärt und sohin das frühere Ministerratspräsidium mit au. Vortrage vom 15. April 1865, Z. 275 MP., den vom früheren Staatsminister vorgelegten Resolutionsentwurf zur Ah. Genehmigung empfohlen. Se. Majestät haben jedoch diesen au. Vortrag nicht resolviert, sondern denselben dem Referenten (Grafen Belcredi) zur neuerlichen Vortragserstattung im Gegenstande nach Beratung desselben in der Ministerkonferenz Ag. zu übergeben geruht8.

Der Staatsminister las hierauf den fraglichen Gesetzentwurf und den zweiten Teil, welcher die Wünsche des Landtages bezüglich der der Exekutive obliegenden Durchführung enthält, ab und gab eine historische Darstellung des Herganges bezüglich des Zustandekommens dieses Gesetzentwurfes9 mit dem Beifügen, daß die beiden Hauptgrundsätze desselben, Gleichberechtigung beider Landessprachen als Unterrichtssprache in der Schule und Scheidung der Schulen nach Unterrichtssprachen sowohl vom Landesausschusse als auch von der Kommission des Landtages und von diesem selbst in übereinstimmender Weise festgehalten worden seien. Im Landtage selbst sei über die §§ 1 und 2 schnell eine Einigung erfolgt, ebenso habe sich bei § 3 von keiner Seite ein Widerspruch erhoben. Erst bei § 4, in welchem bestimmt wird: „daß in den Mittelschulen mit böhmischer Unterrichtssprache die deutsche Sprache und in derlei deutschen Schulen die böhmische Sprache ein obligater Lehrgegenstand sein soll“, sei im Landtage ein hitziger Kampf entbrannt. Von deutscher Seite sei nicht für diesen Antrag, sondern dafür gestimmt worden: „daß in den Mittelschulen Gelegenheit zu bieten sei, die andere Landessprache gründlich und in einer Weise zu lernen, daß die Schüler derselben in Wort und Schrift mächtig werden.“ Die erstere Textierung habe jedoch mit einem Zusatze bezüglich der Dispensen nach lebhaften Debatten die Majorität im Landtage erhalten und sei sonach zum Landtagsbeschlusse erwachsen.

Der referierende Staatsminister erachtete es sohin auch für notwendig, das Gutachten des Unterrichtsrates mit dem Beifügen zur Kenntnis des Ministerrates zu bringen, daß der Unterrichtsrat sich mit den §§ 1, 2 und 3 des Gesetzentwurfes einverstanden erklärt und daß in dessen Gutachten vor allem im Prinzipe die zwei Sätze behandelt werden: 1. ob nur eine Unterrichtssprache bestehen und 2. ob die zweite Landessprache als obligates Studium für die Mittelschulen bestimmt werden soll. Mit der Bestimmung, daß die Unterrichtssprache an den öffentlichen Schulen in Böhmen in der Regel nur eine der beiden Landessprachen sein soll, sei der Unterrichtsrat einverstanden gewesen, Ritter v. Schmerling habe sich jedoch hiemit nicht vereinigt und sich vielmehr dem Gutachten des || S. 255 PDF || Ministerialrates Dr. Kleemann10 angeschlossen, daß das Mischungssystem noch beizubehalten sei und Dispensen wohl für die böhmische, nicht aber auch für die deutsche Sprache erteilt werden sollen. Graf Belcredi glaubte, daß der Grundsatz der Scheidung der Unterrichtsanstalten nach der Unterrichtssprache unbedingt angenommen werden könne, weil auf diese Art jede der beiden Nationalitäten in den Besitz speziell für selbe gewidmeter Lehranstalten gelangt und die Klagen, als ob nur einer Nationalität durch Benützung ihrer Sprache als Unterrichtssprache fortan Vorschub geleistet werden wollte, dadurch zum Schweigen gebracht werden und weil durch die Zweisprachigkeit im Unterrichte einerseits der Hauptzweck des Unterrichtes gefährdet, andererseits aber in politischer Beziehung durch diese halbe Maßregel keine Partei befriedigt wird.

Mit der Forderung des § 4, daß die zweite Landessprache obligater Lehrgegenstand an Mittelschulen sein müsse, haben sich weder der Unterrichtsrat noch Ritter v. Schmerling vereinigen zu können erachtet. Der diesfälligen sachrichtigen Bemerkung der böhmischen Statthalterei, daß durch den § 4 des Gesetzentwurfes ja keine Neuerung herbeigeführt werde, da derselbe keine anderen Bestimmungen enthalte, als welche bereits im ursprünglichen Organisationsplane der Gymnasien und Realschulen11 enthalten sind und bei den böhmischen Mittelschulen, an denen die böhmische Sprache überall als obligater Gegenstand gelehrt werde, Geltung gefunden haben, hält der Unterrichtsrat entgegen, daß eine solche Bestimmung im Organisationsentwurfe der Gymnasien gar nicht vorliegt, daß derselbe vielmehr gerade das Gegenteil als Norm festsetzt. Denn nach § 19 des Organisationsentwurfes bilde wohl die Muttersprache einen obligaten Lehrgegenstand; die übrigen Landessprachen müssen zwar nach § 20 dieses Entwurfes an jedem Gymnasium gelehrt werden; die Benützung der gebotenen Gelegenheit, dieselben zu erlernen, werde jedoch völlig freigestellt. In dieser Beziehung sei daher die Bestimmung des § 4 des Gesetzentwurfes jedenfalls eine Neuerung. Graf Belcredi wies hierauf nach, daß in dieser Beziehung sowohl das Gutachten des Unterrichtsrates als auch der au. Vortrag des früheren Staatsministers mank seien. Das Studium der Landessprachen sei nach dem Organisationsplane der Gymnasien und Realschulen ein relativ obligates, und die Landessprachen seien niemals ein freier Lehrgegenstand in dem Sinne gewesen, wie dies der Unterrichtsrat wolle.

Es müsse aber auch auf die seither erflossenen gesetzlichen Bestimmungen von den Jahren 1851, 185412, auf den Unterrichtsministerialerlaß vom 9. März 1855 bezüglich der Gymnasien in Böhmen13 und den Ministerialerlaß vom 19. Februar 1861 bezüglich der Oberrealschulen in Böhmen14 Rücksicht genommen werden, wodurch die böhmische Sprache als ein unbedingt obligater Lehrgegenstand || S. 256 PDF || ausdrücklich bestimmt worden ist. Gesetzlich und tatsächlich sei bis jetzt der Unterricht in der zweiten Landessprache in Böhmen als obligat behandelt worden, ohne daß von nationaler Seite dagegen eine Einwendung erhoben worden sei. Wenn der Unterrichtsrat die Ergebnisse des bisherigen obligaten Unterrichtes in der böhmischen Sprache für deutsche Schüler im allgemeinen als wahrhaft klägliche bezeichnet, so könne mit demselben Rechte dies leider auch von den Erfolgen des obligaten Unterrichtes in der deutschen Sprache für böhmische Schüler behauptet werden, und es liege dies nicht allein in der Methode des Unterrichtes, sondern vorzugsweise in den nationalen Zerwürfnissen, wodurch das, was die Schule leistet, in der Familie wieder verdorben wird. Wenn aber der Unterrichtsrat meint, daß ein Teil des Mißerfolges gerade in dem Zwange begründet sei, eine Sprache erlernen zu müssen, die einzelnen Schülern keinen Nutzen gewährt, während jene, welche diese Sprache brauchen, sie auch als freien Gegenstand lernen werden, so komme er mit sich selbst in Widerspruch, wenn er gleichzeitig fordert, daß die deutsche Sprache als zweite Landessprache obligat sein soll, weil sie jedermann braucht. Dann könnte ja nach der eigenen Ansicht des Unterrichtsrates die deutsche Sprache um so mehr ein freier Gegenstand sein. Das Prinzip der Lern- und Lehrfreiheit habe in den Mittelschulen überhaupt keine Geltung. Der Zwang sei dort der einzig berechtigte, wo es sich nur immer um einen Gegenstand handelt, welcher einem Bedürfnisse des Lebens genügt. Solange die nationale Hetzerei bestehe, werden in der Durchführung allerdings Schwierigkeiten obwalten, dieselben werden jedoch durch Opposition von Seite der Regierung gegen das Streben nach sprachlicher Gleichberechtigung nur vermehrt, und von Seite der Regierung erscheine es nur klug, das Mittel zur Verständigung dadurch zu bieten, daß beide Sprachen als obligat erklärt werden. National extreme Richtungen können nur durch praktische Erfahrungen geheilt werden, durch dieselben trete eine Mäßigung ein, während durch schroffes Entgegentreten denselben nur neue Nahrung gegeben werde. Daß aber böhmische Gymnasien mit den Deutschen in den Erfolgen nicht konkurrieren können, werde wohl bald an den Tag treten und eben diese Erfahrung politisch heilsam wirken.

Die diesfälligen Argumente des Ritters v. Schmerling könne Referent nicht adoptieren. v. Schmerling stellte das Ah. Handschreiben vom 9. Dezember 1854 15, dann die Verordnungen vom Jahre 1855, Z. 7 RGBl., und 8. August 1859, Z. 150 RGBl., für die Gymnasien als die legislative Grundlage hin. Das Ah. Handschreiben spreche aber nur allgemeine Grundsätze aus und überlasse es dem Ministerium, die den Verhältnissen entsprechenden Normen zu erlassen. Die Verordnung vom Jahre 1855 sei ja ausdrücklich nur für Ungarn erlassen, könne daher hier keine Anwendung finden, und die von Ritter v. Schmerling bezogene, für alle Gymnasien mit Ausnahme jener im lombardisch-venezianischen Königreiche erlassenen Ministerialverordnung vom 8. August 1859 spreche geradezu gegen die Deduktionen des Ritters v. Schmerling in dessen au. Vortrage16, indem dieselbe gestattet, selbst in den oberen Gymnasialklassen eine andere als || S. 257 PDF || die deutsche Sprache zur Unterrichtssprache zu wählen. v. Schmerling habe endlich auch vom formellen Standpunkte die Kompetenz des Landtages zur Votierung eines solchen Gesetzes in Abrede stellen wollen. Wenn derselbe seine Ansicht hierüber damit begründen wolle, daß dem Landtage nach § 18, II, 2, der Landesordnung nur das Recht zustehe, Gesetzesvorschläge bezüglich der Volks-, nicht aber bezüglich der höheren Schulen zu beraten17, so könne dagegen bemerkt werden, daß die strenge Scheidung der Begriffe Schul- und Studiensachen seit 1850 nur mehr im Staatsvoranschlage ersichtlich gemacht wurde, während sonst der Begriff der Schulen in Ministerialverordnungen und gesetzlichen Normen nur zu häufig in seiner allgemeinen Bedeutung in Anwendung gebracht und keineswegs auf die Volksschule allein beschränkt wurde. Dadurch sei aber das formelle Hindernis beseitigt, um jene Momente zu berücksichtigen, welche in dem Statthaltereiberichte nach allen Richtungen beleuchtet sind und dem Umstande das Wort führen, daß es ebenso zweckmäßig als unbedenklich sei, in dieser für das Land so wichtigen Angelegenheit die legislative Wirksamkeit des Landtages nicht auszuschließen. Wenn endlich Ritter v. Schmerling es für unzulässig halte, die durch die Reichsgesetze gezogenen Grenzen durch ein Landesgesetz überschreiten zu lassen, so habe er dabei übersehen, daß eine solche allgemein geltende Grenze in sprachlicher Beziehung gesetzlich nie existierte, sondern je nach den Verhältnissen der einzelnen Länder spezielle Normen von den Ministern erlassen wurden. Der § 6 des Gesetzentwurfes gebe endlich zu keinem wesentlichen Bedenken Anlaß, indem hier nur für den Fall des unabweislichen Bedarfes eine Abhilfe getroffen wird und dies als Ausnahme, nicht als Regel zu gelten hat. Die Kreierung eines Untergymnasiums — vorausgesetzt, daß die materiellen Mittel hiezu vorhanden sind — wäre übrigens weit vorteilhafter als die schon jetzt an vielen Gymnasien bestehenden sogenannten Parallelkurse und Parallelklassen.

Bezüglich der weiteren Behandlung der nach Maßgabe des § 19, I a, der Landesordnung gestellten Anträge fand Graf Belcredi zu bemerken, daß der Landtag diesfalls zwischen den eigentlichen Staatsgymnasien und jenen, welche Korporationen anvertraut sind oder von solchen erhalten werden, unterschieden habe. Bezüglich der ersteren werde im Art. I das Ersuchen gestellt, mehrere bestimmt bezeichnete Gymnasien für böhmische und andere für deutsche zu erklären. Dieser Antrag unterliege mit Rücksicht auf den erfahrungsmäßigen bisherigen Zuzug der Schüler deutscher und böhmischer Nationalität zu den Gymnasien dieser Orte keinem Anstande. Im Art. II werde die Regierung gebeten, dahin zu wirken, daß an bestimmt bezeichneten Gymnasien die böhmische, an anderen die deutsche Sprache Unterrichtssprache sei. Auch dieser Bitte könne aus obigem Grunde entsprochen werden. Bezüglich des Antrages ad [Art.] III werde es der Regierung zukommen, nach Erfordernis und Zulässigkeit der Mittel die gewählten Abhilfen anzubahnen.

Der Leiter des Staatsrates führte hierauf die Gründe an, aus welchen der Staatsrat mit Stimmenmehrheit den Anträgen des Ritters v. Schmerling beistimmen || S. 258 PDF || zu sollen glaubte18, wobei er jedoch zugab, daß viele von den Bemerkungen, welche jetzt im Ministerrate zur Sprache kamen, insbesondere die Aufklärungen, welche Graf Belcredi im Verlaufe seiner Darstellungen über den Ursprung der Proteste aus den deutsch-böhmischen Gemeinden, über deren Grundlosigkeit sowie darüber, daß Proteste von Seite einiger Gemeinden vorliegen, die von der Sache gar nicht betroffen sind, gegeben habe, dem Staatsrate nicht bekannt waren und auf sein Gutachten möglicherweise von Einfluß hätten sein können. Schließlich erwähnte der referierende Staatsminister noch, daß die Anträge des Ritters v. Schmerling großenteils aus dessen damaliger fataler Lage entsprungen sein dürften, in der er sich den Deutschen aus Böhmen gegenüber, die damals die Herren des Parlamentes waren, befunden habe. Bei der hierauf vorgenommenen Abstimmung wurden die Anträge des Grafen Belcredi auf Ah. Sanktion des vorliegenden Gesetzentwurfes und wegen Behandlung der damit in Verbindung stehenden Wünsche des böhmischen Landtages stimmeinhellig als zur Ah. Genehmigung geeignet erkannt19. Graf Mensdorff fand nur zu bemerken, daß hienach im östlichen Teile von Böhmen, wo doch ziemlich viele Deutsche sind, kein deutsches Gymnasium bestehen werde. Graf Belcredi klärte auf, daß der jetzige Zustand dieser Gymnasien noch eine geraume Zeit wegen Mangel an Lehr- und Geldkräften unverändert fortbestehen werde, bis mit der Zeit namentlich nach Beschaffung der Geldmittel die Abhilfe sich in Gemäßheit der Bestimmung des § 6 von selbst Bahn brechen wird.

Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, den 23. Jänner 1866. Franz Joseph.