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Nr. 35 Ministerrat, Wien, 11. Dezember 1865 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Hueber; VS. Belcredi; BdE. und anw. (Belcredi 11. 12.), Mensdorff 14. 12., Larisch 15. 12., Komers 15. 12., Wüllerstorf 16. 12., Schiller 15. 12.; abw. Esterházy, Franck, Mailáth.

MRZ. 34 – KZ. 4043 –

Protokoll des zu Wien am 11. Dezember 1865 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Staatsministers Grafen Belcredi.

I. Notstandsdarlehen für Galizien

Der Staatsminister setzte die Konferenz in Kenntnis, daß der Statthalter in Galizien die Hoffnung nicht vollends aufgegeben habe, den zur Unterstützung der Notleidenden in Galizien erforderlichen Darlehensbetrag von 3 Millionen [fl.] aus Staatsmitteln zu erlangen, und daß er zu diesem Behufe zur Einholung des endlichen Beschlusses der Regierung den Hofrat Possinger nach Wien entsendet habe. Der Statthalter gehe von der Ansicht aus, daß das angesprochene Darlehen dem Lande gegen dessen Garantie gewährt werden und demzufolge auch die Verteilung an die Notleidenden dem Landesausschusse unter gemeinschaftlicher Mitwirkung mit den lf. Behörden überlassen werden soll. Sollte es nicht möglich sein, das ganze Darlehen aus Staatsmitteln zu gewähren, so könnte auch für den mit der Ah. Entschließung vom 5. l. M. bereits bewilligten Betrag von 500.000 fr.1 nach der Ansicht des Statthalters keine andere Verteilungsmodalität als die eben angedeutete bestimmt werden. Insbesondere erscheine die Durchführung der Verteilung nach dem Inhalte der Ah. Entschließung vom 5. l. M. nicht angedeutet, weil, während das Darlehen aus Staatsmitteln bloß den Betrag von 500.000 fr. erreicht, der Landesausschuß in die Lage komme, die bei weitem höhere Summe von 2½ Millionen nach den maßgebenden Beschlüssen des Landtages der Verteilung zuzuführen, und es daher einerseits nur als ein Ausdruck des Mißtrauens aufgefaßt werden würde, wenn die Regierung auf einer vom Landesausschusse unabhängigen Verteilung jener 500.000 fr. bestehen würde, andererseits aber eine solche Doppelverteilung von Seite der Regierung und des Landesausschusses in der Ausführung zu Mißverständnissen und Schwierigkeiten führen würde, die sehr leicht zum Nachteile der Regierung ausgebeutet werden könnten. Der Statthalter habe daher die Verwendung des Staatsministers in der Richtung in Anspruch nehmen zu sollen geglaubt, daß, wenn die Erfolgung des Darlehens im vollen angesprochenen Betrage aus Staatsmitteln nicht zulässig wäre, doch der bereits Ag. gewährte Betrag von 500.000 fr. nicht unmittelbar von den Behörden zur Verteilung gelange, sondern daß derselbe als ein fünfprozentiges, in drei Jahresraten rückzahlbares Darlehen dem Landtage bzw. dem Landesausschusse gegen Garantie des Landes aus Staatsmitteln zur Verfügung gestellt werde, damit, bevor derselbe in die Lage komme, die weiteren Mittel zu beschaffen, doch für den ersten dringendsten Bedarf des Notstandes gesorgt werden könne.

|| S. 229 PDF || Der referierende Staatsminister bemerkte, daß, nachdem der Ministerrat bereits bei der früheren Beratung dieses Gegenstandes sich in der Ansicht geeinigt habe, daß der Betrag von 500.000 fl. das Äußerste sei, wozu sich die Finanzverwaltung ohne wesentliche Beirrung ihrer Gebarung mit den Staatsfinanzen herbeilassen könnte2, nur die weitere Bitte des Statthalters wegen einer Modifikation der Ah. Entschließung vom 5. l. M. in Erörterung genommen werden könne. In dieser Beziehung erachtete Graf Belcredi die von dem Statthalter gegenwärtig vorgebrachten Bedenken gegen die mit obiger Ah. Entschließung vorgezeichneten — übrigens vom Statthalter ursprünglich selbst beantragten — Modalitäten bezüglich der Verteilung der 500.000 fr. unter den gegenwärtigen Verhältnissen um so mehr als zutreffend erkennen zu sollen, als dem Landtage bereits durch den Crédit Mobilier in Paris die Gewährung eines Kredites von 2½ Millionen in Aussicht gestellt worden sei3, und es somit unvermeidlich wäre, daß gleichzeitig der Landesausschuß mit der Verteilung von 2½ Millionen und die Regierungskommission mit der Verteilung von 500.000 fr. nebeneinander vorgehen, was augenscheinlich die mißliebigsten Verwirrungen hervorrufen und wegen des geringeren Betrages den Eindruck der vom Staate gewährten Hilfe namhaft abschwächen würde. Aus diesen Rücksichten hielt es der vorsitzende Staatsminister für angezeigt, die Ag. Modifizierung der Ah. Entschließung vom 5. l. M. im Sinne des neuerlichen Antrages des Statthalters sich von Sr. Majestät au. zu erbitten4. Die Konferenz stimmte dem Vorhaben des Staatsministers einhellig bei.

Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, den 29. Dezember 1865. Franz Joseph.