MRP-1-6-01-0-18651016-P-0016.xml

|

Nr. 16 Ministerrat, Wien, 16. Oktober 1865 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Hueber; VS. Belcredi; BdE. und anw. (Belcredi 16. 10.), Mensdorff 23. 10., Esterházy, Franck, Mailáth 24. 10., Larisch 24. 10., Komers 25. 10., Wüllerstorf 25. 10., Geringer 26. 10.; außerdem anw. Blaschier.

MRZ. 15 – KZ. 4024 –

Protokoll des zu Wien am 16. Oktober 1865 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Staatsministers Grafen Belcredi.

I. Einführung von Schwurgerichten

Der Justizminister referierte, die offiziösen Blätter haben seinerzeit mitgeteilt, das frühere Ministerium habe beschlossen, die Landtage wegen Einführung der Geschworenengerichte und ihrer Kompetenz um ihre Wahlmeinung zu befragen1. Eine solche Regierungsvorlage liege nicht vor, es haben aber die Landtage von Böhmen, Mähren, Schlesien, Ober- und Niederösterreich, Steiermark, Kärnten, Krain, Istrien, Dalmatien, Vorarlberg und Bukowina die Initiative ergriffen und die Einführung der Geschworenengerichte als ein dringendes Bedürfnis bezeichnet. Gleichzeitig haben die Landtage von Ober- und Niederösterreich, Steiermark, Krain und Vorarlberg es als Notwendigkeit betont, die Kompetenz der Geschworenengerichte auf alle Verbrechen politischer Natur und alle durch die Presse begangenen Delikte auszudehnen. Endlich haben die Landtage von Mähren, Vorarlberg und Dalmatien den Wunsch ausgesprochen, daß die Bestimmung der Erfordernisse eines Geschworenen den einzelnen Landtagen überlassen werde.

Es entstehe nun, wo die Landtage auf den Monat November l. J. einberufen sind, die Frage: 1. ob die Aufforderung wegen der Einführung der Geschworenengerichte sich auszusprechen, von der Regierung an die Landtage ergehen solle, 2. ob man die Landtage wegen der Kompetenz der Geschworenengerichte und 3. wegen der zum Amte eines Geschworenen erforderlichen Eigenschaften befragen solle.

Ad. 1.: Eine solche Aufforderung erscheine gegenwärtig nicht mehr notwendig, denn elf Landtage haben die Einführung der Geschworenengerichte bereits als notwendig bezeichnet und die noch fehlenden würden sich zuversichtlich in demselben Sinne aussprechen; übrigens seien die Geschworenengerichte bereits in jenem Entwurf der Strafprozeßordnung aufgenommen, welcher vom Justizministerium vorgelegt, im Staatsrate beraten und zu dessen Einbringung an den Reichsrat die Ah. Ermächtigung erfolgt ist2.

|| S. 107 PDF || Ad. 2.: Es könne nicht dem geringsten Zweifel unterliegen, daß sich im Falle einer Befragung sämtliche Landtage bezüglich der Kompetenz der Geschworenengerichte in demselben Sinne aussprechen würden, wie es Ober- und Niederösterreich, Steiermark, Krain und Vorarlberg getan, daß nämlich alle die Kompetenz der Geschworenengerichte für alle Verbrechen politischer Natur und alle Preßdelikte in Anspruch nehmen werden. Damit stehe aber der obige Entwurf der Strafprozeßordnung nicht im Einklange, in welchem den Geschworenengerichten nur Verbrechen ohne Unterschied ihrer Natur zugewiesen sind, welche mit der Todes- oder einer mehr als fünfjährigen Kerkerstrafe bedroht sind. Dieser Strafprozeßordnungsentwurf müsse jedenfalls umgeändert werden, weil er sich auf das alte Strafgesetzbuch3 stützt und daher mit dem gegenwärtig in der Beratung stehenden neuen in Einklang gebracht werden muß und weil in demselben auch das Berufungsrecht in einigen Punkten beschränkt werden muß. Es entstehe nun die Frage: ob bei dieser Umänderung auch auf eine Erweiterung der Kompetenz der Geschworenengerichte angetragen werden soll. Der Justizminister hält dies für notwendig. Mit einem Gesetze, in welchem die Kompetenz der Geschworenengerichte in so enge Grenzen beschränkt wird, wie es der Staatsrat antragt, würde die Regierung weder bei den Landtagen noch bei einer Gesamtvertretung der deutsch-slawischen Provinzen durchdringen; sie wäre daher genötigt, entweder der Pression nachzugeben oder die ganze Gesetzvorlage zurückzuziehen. Das erste wäre gefährlich. Es scheine viel zweckmäßiger, daß die Regierung selbst bis auf die Grenze gehe, welche sie jedenfalls festhalten will, als daß sie sich durch eine Pression etwas abringen lasse. Das zweite würde die ganze neue Strafprozeßordnung, deren Bedürfnis anerkannt ist, in Frage stellen.

Der Antrag des Staatsrates sei übrigens nicht frei von dem Vorwurfe der Inkonsequenz. Hätte derselbe ausgesprochen, daß von der Kompetenz der Geschworenengerichte alle Verbrechen politischer Natur ausgeschlossen sind, so hätte dieser Antrag ein Prinzip und die folgerichtige Durchführung für sich. Der Staatsrat habe eingesehen, daß mit diesem Prinzipe nicht aufzukommen wäre. Aber indem er die Kompetenz auf die mit der Todes- oder mehr als fünfjährigen Kerkerstrafe bedrohten Verbrechen aussprach, habe er den Geschworenengerichten den Hochverrat, eventuell die Störung der öffentlichen Ruhe und den Aufruhr, daher gerade die gefährlichsten politischen Verbrechen zugewiesen, und es sei kein Grund abzusehen, warum gerade die minder gefährlichen Verbrechen den Geschworenengerichten entzogen werden sollen, da auch bei den ersteren, weit gefährlicheren, die Regierung weder sogleich zum Standrechte noch zum Belagerungszustande greifen kann. Wohl müsse mit aller Entschiedenheit darauf festgehalten werden, daß das Verbrechen der Majestätsbeleidigung und Beleidigung || S. 108 PDF || der Mitglieder des Allerdurchlauchtigsten Kaiserhauses den Geschworenengerichten nicht zugewiesen werde. Die Verteidiger der Schwurgerichte legen ihr Hauptgewicht auf den Umstand, daß die Frage, ob eine Handlung wirklich gegen das öffentliche Wohl oder nur gegen das eben im Amte stehende Ministerium gerichtet ist, der bei dem Gemeinwohle am meisten beteiligte Staatsbürger am besten und unabhängigsten beurteilen könne, und daß manches, was in einem Augenblicke vom Richter als Verbrechen erklärt wurde, bei geänderten Verhältnissen und unter anderen Machtinhabern als Verdienst angesehen werde. Dieses möge sein. Aber eines gebe es in einem monarchischen Staate, was der politischen Strömung und deren Einflusse für immer entrückt werden müsse, eines, was zu erhaben sei, als daß es nicht unter allen politischen Strömungen unter eine sichere Garantie gestellt werden müßte, und das sei die Ehrfurcht gegen den Monarchen und die Glieder seines erlauchten Hauses. Die Beurteilung eines gegen diese Ehrfurcht gerichteten Verbrechens müsse jedenfalls ständigen Richterkollegien vorbehalten bleiben, welche keine andere Politik kennen dürfen als die: Treue gegen den Monarchen und das Gesetz. Ebenso ließe es sich prinzipiell nicht rechtfertigen, alle durch die Presse begangenen strafbaren Handlungen auch dann den Geschworenengerichten zuzuweisen, wenn sie bloße Vergehen bilden, da kein Grund vorhanden sei, warum man eine und dieselbe strafbare Handlung bald einem Schwurgerichte, bald einem Richterkollegium zuweisen soll, je nachdem dieselbe durch eine Tat oder durch die Schrift begangen wird.

Ad. 3.: Je mehr man die Kompetenz der Schwurgerichte erweitert, desto notwendiger werde es, die Berufung zu dem Amte eines Geschworenen in engere Grenzen einzuschränken, damit die Sicherheit gewonnen werde, daß als Geschworene nur die Besitzenden, daher diejenigen berufen werden können, welche mit größerer Bildung auch das Streben vereinen, das öffentliche Wohl vor Störungen zu wahren. Auch in dieser Beziehung scheine der Antrag des Staatsrates nicht gerechtfertigt. Denn während er die schwersten politischen Verbrechen den Schwurgerichten zuwies, berief er zu dem Geschworenenamte jeden, der aktiv wahlberechtigt und passiv wählbar ist. Das sind Menschen, welche jährlich 10 fr. direkte Steuern zahlen — Menschen ohne Bildung und allen Einflüssen zugänglich. Der Justizminister glaubte, daß die Berufung zu dem Amte eines Geschworenen in viel engere Grenzen eingeschränkt werden müßte, und zwar in der Art, daß dazu in der Landeshauptstadt bloß die Mitglieder des 1., in anderen Städten und Industrialorten bloß die Mitglieder des 1. und 2. Wahlkörpers und in den Landgemeinden bloß das 1. Dritteil der Besteuerten berufen werden sollten.

Bei der Abstimmung erklärten sich in Beziehung auf die Punkte 1 und 2 alle Mitglieder der Konferenz mit den Ansichten des Justizministers einverstanden. Der vorsitzende Staatsminister bemerkte insbesondere, daß er eine diesfällige Vorlage an die nächsten Landtage nicht für zeitgemäß, aber auch nicht für opportun ansehen könnte, weil hiedurch nur Anlaß zu Verfassungsstreitigkeiten gegeben werden würde. Zum Punkte 3 stellte Graf Belcredi den Antrag, daß die Bestimmung, wer in einem Kronlande zum Amte eines Geschworenen berufen || S. 109 PDF || werden könne, wegen der großen Verschiedenheit der Verhältnisse in den einzelnen Ländern den Landtagen überlassen werden solle4.

Auch damit erklärten sich alle Mitglieder einverstanden.

II. Aufhebung des Verbots, daß niemand zwei oder mehrere gestiftete Bauerngüter besitzen dürfe

Der Staatsminister brachte über Ah. Auftrag Sr. Majestät den von dem früheren Ministerratspräsidium mit dem au. Vortrage vom 27. April 1864, Z. 505 M. P., gestellten Antrag auf Ah. Genehmigung des wegen Aufhebung des Verbotes, daß niemand zugleich zwei oder mehrere bestiftete Bauerngüter besitzen dürfe5, von dem niederösterreichischen Landtage beschlossenen Landesgesetzes6 neuerlich mit dem Beifügen zur Beratung in der Konferenz, daß das fragliche Verbot unter den gegenwärtigen Zeitverhältnissen seinen Wert geradezu verloren habe, daß es bei der Leichtigkeit, dasselbe durch Gewähranschreibung der Gattin oder der Kinder zu umgehen, dann bei den vielen Ausnahmen, welche von den Behörden zugelassen werden, faktisch als gar nicht mehr bestehend angesehen werden könne, so daß es sich eigentlich nur darum handle, den jetzigen Zustand in eine legale Form zu bringen. Daß vom volkswirtschaftlichen Standpunkte durch die Vereinigung von zwei oder mehreren Bauerngütern in einer Hand nichts zu besorgen sei, werde in den Vorlagen wohlbegründet nachgewiesen, und in der Tat sei auch nicht einzusehen, wie eine Gefahr für die Subsistenz der Landbevölkerung darin liegen könne, wenn der Besitzer eines halben Bauerngutes zur Arrondierung desselben das benachbarte halbe Bauerngut, welches vielleicht vordem schon dazugehörte, erwirbt. Hierauf werden sich aber wohl zumeist die Kumulierungen beschränken. Die Majorität des Staatsrates habe sich gleichfalls für die Ah. Genehmigung dieses Landesgesetzes ausgesprochen7. Die Einwendungen aber, welche der vormalige Staatsratspräsident Baron Lichtenfels wegen Inkompetenz des Landtages zur Beschließung eines solchen Gesetzes erhoben habe, seien von dem früheren Staatsminister gründlich widerlegt worden8. Der referierende Staatsminister erklärte demnach keinen Anstand zu finden, auf die Ah. Sanktion dieses Landesgesetzes anzutragen, wenn er gleich mit der Stilisierung desselben nicht einverstanden sei. Dasselbe laute nämlich einfach dahin: „Das Verbot, daß niemand zugleich zwei oder mehrere gestiftete Bauerngüter besitzen dürfe, ist außer Kraft gesetzt und aufgehoben.“ Korrekter hätte das Gesetz, durch welches das fragliche Verbot ausgesprochen wurde, als aufgehoben bezeichnet und daher gesagt werden sollen: „Die Bestimmung des Patentes vom 29. Oktober 17909 hinsichtlich des Verbotes, daß niemand usw., ist außer Kraft gesetzt und aufgehoben.“ Da dies übrigens nicht von solcher Wichtigkeit sei, um die ganze Angelegenheit nochmals an den Landtag zurückzuleiten, wollte Graf Belcredi hierüber keinen Antrag stellen.

|| S. 110 PDF || Der Staatsrat Freiherr v. Geringer war gleichfalls der Ansicht, daß es sich hier zunächst um eine eigentliche Landessache handle, und trat daher dem Antrage des Staatsministers bei, welchem sich auch alle übrigen Stimmführer des Ministerrates anschlossen10.

III. Bauordnung der Stadt Graz

Der vorsitzende Staatsminister unterzog den au. Vortrag seines Amtsvorgängers vom 18. Jänner l. J., Z. 4650 II, womit der Entwurf der in der nächsten Session des steiermärkischen Landtages einzubringenden Bauordnung für die Stadt Graz vorgelegt wurde, der Beratung in der Konferenz11. Er bemerkte, daß das Staatsministerium die Verwerfung der vom steiermärkischen Landtage beschlossenen Bauordnung für Graz deshalb beantragt habe, a) weil die Wirksamkeit des Stadtmagistrates auf alle Baulichkeiten, somit auch auf jene des Ärars und der öffentlichen Fonde, ausgedehnt und b) weil die Berufung bei nicht gleichlautenden Erkenntnissen der beiden ersten Instanzen ausgeschlossen wurde, und daß der Staatsrat gleichfalls auf die Verwerfung aus den obigen, dann aber auch aus den weiteren Gründen eingeraten habe: 1. weil dem Gemeinderate eine Kompetenz in Bausachen zugewiesen und 2. weil der Baurat (Baukommission) um ein Mitglied des Landesausschusses und einen Gemeinderat vermehrt worden sei.

Die Bauordnung von Graz werde nun schon zum zweiten Male zurückgewiesen. Um dieselbe diesem Schicksale nicht neuerdings auszusetzen, sollten die Beanständigungen nicht weiter ausgedehnt werden, als das öffentliche Interesse es unumgänglich erfordert.

Der von Seite des Staatsministeriums erhobene Anstand ad a) müsse als ein solcher erkannt werden, von welchem durchaus nicht abgegangen werden könne. Der Landtag habe den Magistrat für kompetent erklärt, für alle Bauten ohne Ausnahme adie Bewilligung zu erteilena, das Niveau und die Baulinie zu bestimmen, trotzdem daß er schon im Jahre 1863 auf die Unzulässigkeit dieser Bestimmung aufmerksam gemacht worden ist12. Diese Ausdehnung der Wirksamkeit des Magistrates auf alle Bauten ohne Unterschied müsse aber beanständet werden, da sich nach den übrigen Ah. sanktionierten Bauordnungen für Böhmen und für die Städte Linz und Innsbruck13 diese Wirksamkeit nur auf Privatbauten zu beschränken hat und kein Grund vorliegt, eine Abweichung hievon für die Stadt Graz zuzugestehen.

|| S. 111 PDF || Von allen übrigen erhobenen Anständen dürfte dagegen abgesehen werden können. Denn ad b) sei Referent der Ansicht, daß bei politischen Angelegenheiten zu viele Instanzen nur hemmend und dienstabträglich seien, daß weiters eine Berufung gegen eine Entscheidung in zweiter Instanz von Seite des aus verschiedenen Elementen zusammengesetzten Baurates an das Staatsministerium als ein reines Dikasterium nicht logisch wäre. Ad 1. glaube Referent die in §§ 61, 71 und 73 enthaltene Kompetenz des Gemeinderates in Bausachen um so weniger beanständen zu sollen, als auch in der Bauordnung für Innsbruck, § 5, dem Bürgerausschusse eine wenngleich beschränktere Kompetenz eingeräumt wurde, und die in obigen §§ bezeichneten Angelegenheiten wirklich von großem Interesse für die Stadt seien. Ad 2.: Die Vermehrung des Baurates endlich sei von keiner besonderen Importanz.

Der Staatsrat Freiherr v. Geringer erklärte sohin, von den ad b), 1. und 2. erhobenen Anständen abzusehen, da der Regierungsvertreter im Landtage noch immer versuchen könne, diese Punkte zur Sprache zu bringen. Graf Belcredi erwiderte, daß diese Aufgabe dem Regierungsvertreter im Landtage nicht mehr zufallen könne, wenn in der neu einzubringenden Regierungsvorlage hierüber nichts enthalten wäre.

Sämtliche Mitglieder des Ministerrates stimmten sohin dem Vorhaben des Staatsministers, im obigen Sinne den au. Vortrag erstatten zu wollen, bei14.

Der Handelsminister nahm Anlaß zu bemerken, daß man es in England, Frankreich und Preußen schon lange dahin gebracht habe, daß die Bauten für industrielle Zwecke nicht so massiv ausgeführt werden, wie es die Bauordnungen der Städte für Wohnhäuser vorschreiben. In Österreich bestehe diesfalls kein Unterschied, bei Errichtung industrieller Etablissements müsse der größte Teil des Kapitals in toten Stein gesteckt werden, wodurch zum evidenten Nachteile des Unternehmens das Betriebskapital verringert wird. Zur Förderung der Industrie müsse er es als ein dringendes Bedürfnis bezeichnen, daß diesfalls auch bei uns durch die Legislative eine Abhilfe geschaffen werde. Er glaube deshalb, in Antrag bringen zu sollen, daß ein Komitee zusammenzusetzen sei, welchem die Aufgabe zu stellen wäre, unter Beiziehung von Sachverständigen einen Gesetzentwurf in der angedeuteten Richtung auszuarbeiten, welcher sohin nach Beratung im Ministerrate Sr. Majestät mit der au. Bitte zu unterbreiten wäre, Ag. gestatten zu wollen, daß dieser Entwurf den Landtagen als Regierungsvorlage mitgeteilt werden dürfe.

Die Konferenz erkannte die Zweckmäßigkeit dieses Vorschlages an und stimmte dem Antrage des Handelsministers einhellig bei15.

IV. Konzessionierung einer Entrepot- und Lagerhausgesellschaft

Den letzten Gegenstand der Beratung bildete der au. Vortrag des Staatsministers, Z. 12908, wegen Genehmigung einer Entrepot- und Lagerhausgesellschaft in Wien16. Der Sektionsrat Blaschier referierte über den Inhalt dieses au. Vortrages, den er dahin reassumierte, daß mit dem Erlasse des Handelsministeriums vom 18. Oktober 1864, Z. 1195, die Grundsätze hinausgegeben worden seien, innerhalb welcher Entrepots und Lagerhausunternehmungen auf die staatliche Genehmigung Aussicht hätten17, daß nach jenen Grundsätzen das Projekt der Donauhandels­gesellschaft mit Ah. Entschließung vom 20. November 1864 und das Entrepotunternehmen des Máygráber in Pest Ah. genehmigt worden seien18, daß Franz Klein, der Börsenrat Moriz Pollak und der Frankfurter Bankier H. B. Rosenthal am 27. Jänner l. J. um die Bewilligung zur Gründung einer Entrepot- und Lagerhausgesellschaft auf Aktien in Wien eingeschritten seien19; daß von denselben als Garanten für das Unternehmen die Frankfurter Firmen H. B. Rosenthal, Baron Conrad Christof von Thienen-Adlerflycht und Johann Goll und Söhne bezeichnet worden seien; daß die vorgelegten Statuten von der Vereinskommission am 30. August l. J. geprüft und von derselben einstimmig für die Genehmigung des vorliegenden Projektes mit einigen statutarischen Änderungen sich ausgesprochen worden sei20; daß endlich der Staatsminister den au. Antrag gestellt habe, Se. Majestät wolle den Bittstellern die Gründung einer Aktiengesellschaft in Wien mit der Firma „k. k. privilegierte österreichische Entrepot- und Lagerhausgesellschaft“ auf Grund der nach der Beilage zu modifizierenden Statuten Ag. zu genehmigen geruhen21.

Referent bemerkte sohin, daß die Nützlichkeit des Unternehmens allgemein anerkannt und von dem Staatsrate in dessen Gutachten, Z. 605, noch näher begründet worden sei22. Dessenungeachtet habe der Staatsrat den Antrag gestellt, daß vor Erwirkung der Ah. Genehmigung noch einige legislative Verfügungen über Lagerscheine und Entrepots hinauszugeben wären. Der Staatsrat habe dies für notwendig erkannt:

A) weil über den Warenverkehr mittelst Warrants bei uns gesetzliche Bestimmungen über die Form derselben, über die Bürgschaften, welche die Verwaltung || S. 113 PDF || der öffentlichen Niederlage hinsichtlich der Warrants zu geben habe, dann über die Rechtswirksamkeit derselben endlich alle jene weiteren Anordnungen fehlen, für welche diesfalls in Frankreich in dem Gesetze vom 28. Mai 1858 und in dem Reglement vom 12. März 1859 vorgesehen sei23;

B) weil es bei uns an Bestimmungen über die öffentliche Versteigerung in den Warenhäusern fehle, die allgemeinen Lizitationsnormen aber — jedesmalige Bewilligung, Abgabe eines Armenperzentes usw. — für ein solches Institut nicht anwendbar seien, und weil weiters auch andere Anordnungen zur Wahrung der Integrität und Unparteilichkeit der Auktion und des Verkehres nur im großen fehlen;

C) weil insbesondere für die Einlagerung unverzollter und unversteuerter Gegenstände eine allgemeine Norm für die Entrepothäuser nach Muster der französischen Gesetze notwendig sei, indem § 253 der Zoll- und Staatsmonopolsordnung nur die allgemeine Ermächtigung enthalte, solche Einlagerungen in Privatmagazinen zu gestatten24;

D) weil es nicht zweckmäßig scheine, diese Normen in den Statuten als Vorbehalte aufzunehmen, indem es dann schwer wäre, gegen eine bereits konzessionierte Gesellschaft mit Reglements aufzutreten, wie das Beispiel bei der Kaiser-Ferdinand-Nordbahn gezeigt habe, an deren vor Erlaß der Eisenbahnordnung gegebenen Privilegium so manche gemeinnützige Anordnung gescheitert sei25;

E) weil das Entstehen einer Konkurrenz solcher Niederlagen wünschenswert, dieselbe aber nur dann zu erwarten sei, wenn bestimmte Gesetze in den angedeuteten Richtungen die Unternehmungslust anregen, was sich in Frankreich nach dem Gesetze vom 28. Mai 1858 erwiesen habe.

Referent hielt den Anführungen des Staatsrates, die in der französischen Gesetzgebung fußen, entgegen, daß den Ansichten der Vereinskommission die Autorität der Nürnberger Kommission, welche das Handelsgesetzbuch entwarf und aus außergewöhnlichen Juristen und Notabilitäten aus dem Handelsstande bestand26, weiters die allgemeinen Erfahrungen in Deutschland, endlich die vor unseren Augen liegende Erfahrung bei der Credit-Anstalt, die seit mehr als einem halben Jahre ein solches Lagerhaus hier unterhalte, zur Seite stehen. Dieser allgemeinen Bemerkung fügte Referent im besonderen bei:

Ad A) daß in der Nürnberger Kommission sowohl bei der ersten als zweiten Lesung des Handelsgesetzbuches die Bestimmungen über die Ausgabe von Warrants genau erwogen worden seien, und zwar insbesondere in der Richtung der || S. 114 PDF || materiellen Rechtswirksamkeit derselben und der hiebei nötigen Bürgschaften. Es müsse also im allgemeinen wohl angenommen werden, daß die in den §§ 302 bis 305 enthaltenen Bestimmungen diesfalls genügen. Was die Form der Warrants und die Frage ihrer Teilung in Pfandscheine und Eigentumsübertragungsscheine betrifft, so entscheide hiebei die Usance, auf welche in der Nürnberger Kommission von den Kaufleuten stets hingewiesen worden sei. Diese Usance sei in den verschiedenen Ländern eine verschiedene, sie habe sich aber überall eingelebt, so daß es eines Gesetzes in dieser Beziehung nicht bedürfe. Es unterliege übrigens keinem Anstande, nach Vorschlag des Staatsrates im § 5, lit. c, die Ausgabe der Warrants an jene Bestimmungen zu binden, welche die Staatsverwaltung nach Einvernehmen des Verwaltungsrates zu erlassen finden wird. Alles übrige sei in dem Handelsgesetzbuche und in dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuche bereits normiert. Nicht Frankreich, sondern dasjenige Gebiet müsse man hiebei vor Augen haben, für welches das deutsche Handelsgesetzbuch Gültigkeit habe, und in allen diesen Ländern bestehe hiefür kein besonderes Gesetz als das Handelsgesetzbuch. Referent sei daher der Meinung, daß das Detail über die näheren Verpflichtungen im Reglement aufgenommen werden könnte und daß, insofern es sich um die Frage handeln sollte, ob nicht den Warrants über das Handelsgesetz hinausgehende Rechtswirkungen erteilt werden sollen, man nicht einseitig durch ein österreichisches Gesetz eine Änderung oder einen Zusatz zu dem deutschen Handelsgesetzbuch bewirken könnte, sondern daß dies auf dem nämlichen Wege bewerkstelligt werden müßte, auf welchem das deutsche Handelsgesetzbuch zustande gekommen sei. Für die Behauptung, daß es gesetzlicher Bestimmungen in dieser Beziehung nicht bedürfe, spreche übrigens auch die Erfahrung bei der hiesigen Credit-Anstalt, die nach § 6 ihrer Ah. genehmigten Statuten27 auch zur Ausgabe von Warrants befugt ist und bereits seit mehr als einem halben Jahr diese Berechtigung auf Grundlage eines Reglements ausübt, welches Referent der Konferenz sowie ein Formular ihrer Warrants vorwies.

Ad B) Die Einwendungen des Staatsrates wegen der Versteigerungen anbelangend, erachtete Referent bemerken zu sollen, daß von den Konzessionären Begünstigungen hinsichtlich der bestehenden allgemeinen Lizitationsnormen gar nicht begehrt worden seien, daß sich übrigens diese allgemeinen Normen in der Praxis bei solchen Anstalten ohne Belästigung durchführen lassen, indem z. B. die Bewilligung ein für allemal eingeholt und später dem zur Intervention bestimmten Kommissär nur in jedem Falle die Anzeige erstattet wird, wie dies bei dem Hollschen Auktionsinstitute geschehe, dem auch keine Ausnahmen von den allgemeinen Lizitationsnormen bewilligt worden seien. Auch sehen die Konzessionäre bezüglich der Last des 4% Armenprozentes dem Ausgange des mit der Stadtgemeinde zu treffenden Übereinkommens ruhig entgegen. Wollten aber nähere Detailmodalitäten über die Lizitationen vorgeschrieben werden, so könnten diese ebenfalls im Reglement Platz finden, wie es eventuell vom Staatsrate zu § 5, lit. e, vorgeschlagen worden sei.

|| S. 115 PDF || Ad C) Der § 253 der Zoll- und Staatsmonopolordnung sage, daß die Hofstelle ermächtigt ist, die Bewilligung der Einlagerung unverzollter und unversteuerter Waren in Privatmagazine unter den nötigen Vorschriften zu erteilen, wobei bezüglich der Haftung für Zollgebühren etc. die Bestimmung des § 200 — als wenn die Waren in amtlicher Niederlage sich befinden würden — zu gelten hat. Das Gesetz überlasse daher die Bestimmung dieser Vorsichten [sic!] dem Verordnungswege, und da diese nach Ortsverhältnissen und Erfahrungen der Zeit verschieden sind, erscheine es zulässig und zweckmäßig, diese Bestimmung den besonderen Reglements vorzubehalten, welche sich die Staatsverwaltung vorbehält, für die einzelnen Entrepots zu geben. Referent erklärte sich diesfalls mit dem eventuellen Vorschlage des Staatsrates einverstanden, wonach es im § 5, lit. b, heißen sollte, daß Entrepots nach jenen näheren Bedingungen errichtet werden können, welche die Staatsverwaltung nach Einvernehmen des Verwaltungsrates durch besondere Reglements festzusetzen finden wird. Die Gesellschaften seien beruhigt, wenn es sichergestellt ist, daß die Staatsverwaltung in dieser Beziehung nichts unternimmt, ohne sie früher zu vernehmen.

Ad D) Der Vorbehalt in den Statuten wegen des Reglements geniere die Gesellschaft nicht, da die Statuten quasi ein stabiles Spezialgesetz seien, zu dessen Änderung das Einverständnis sowohl der Gesellschaft als der Staatsverwaltung und der weite Weg der Generalversammlung notwendig ist, während jene Vorschriften, von denen der Staatsrat spreche, nach Maßgabe der gewonnenen Erfahrung und veränderten Verhältnisse sehr wandelbar sind und daher in die von dem Belieben der Staatsverwaltung abhängigen wandelbaren Reglements am besten Platz finden. Das Beispiel von der Kaiser-Ferdinand-Nordbahn passe nicht hieher, denn dort handle es sich um nachteilige Folgen eines Monopols, hier aber um Modalitäten des Geschäftsbetriebes, deren Anordnung von dem Ermessen der Staatsverwaltung abhängt.

Ad E) Eine Konkurrenz solcher Entrepots sei allerdings wünschenswert, Referent müsse jedoch glauben, daß, nachdem das Grundgesetz über Entrepots schon mit der Zoll- und Staatsmonopolordnung vom Jahre 1835 gegeben worden sei, ganz andere Gründe obwalten müssen, warum bei uns bisher keine Entrepots errichtet wurden, und zwar Gründe, welche sich durch Hinausgabe von allgemeinen Reglementierungen nicht beseitigen lassen werden.

An diese Widerlegung reihte Referent die Folgerungen, daß, nachdem das Handelsministerium mit Erlaß vom 18. Oktober 1864 erklärt habe28, daß es unter jenen bestimmten Grundsätzen geneigt sei, eine solche Konzession für Entrepots Sr. Majestät in Vorschlag bringen zu wollen — nachdem Se. Majestät, ohne daß man diesfalls schon Gesetze hatte, bereits die Donauhandelsgesellschaft mit der Berechtigung, solche Entrepots zu errichten, Ag. versehen und das gleichartige Unternehmen des Máygráber in Pest in neuester Zeit Ag. zu konzessionieren geruht haben —, es wohl geraten sein dürfte, das vorliegende Projekt nicht schlechter zu behandeln und es von jenen Gesetzen abhängig zu machen. Bei uns bestehen übrigens in der Legislative des volkswirtschaftlichen Lebens noch || S. 116 PDF || viele Lücken, wir besitzen noch kein Konzessionsgesetz für Mobilien- und Immobilienkreditinstitute, für Immobilienanstalten, Dampfschiffahrtsunternehmungen, Pfandleihanstalten usw. Aber trotzdem habe die Regierung nicht Anstand genommen, die vorkommenden Projekte solcher Institute zu genehmigen, sich jedoch, wo es notwendig schien, die Normierung des Detailbetriebes durch Reglements vorbehalten, ja wir haben schon Eisenbahnen gehabt, bevor noch ein Eisenbahn­konzessionsgesetz bestanden habe.

So wie der Staat also bis jetzt berechtigt gewesen sei, Bedingungen den Konzessionären vorzuschreiben, und durch Ausübung dieses Rechtes in jedem einzelnen Falle die Lücke der allgemeinen Gesetzgebung mit Erfolg ausgefüllt hat, so dürfte auch in dem vorliegenden Falle die Konzession zu erteilen und weiters notwendige Normen durch Reglements festzusetzen sein, wie dies auch überall in Deutschland geschehen sei. Die Sache sei auch vom volkswirtschaftlichen Standpunkte dringend, und so wünschenswert auch Konzessionsgesetze für alle Gattungen dieser Institute wären, würde zu deren Ausarbeitung doch eine lange Zeit erforderlich sein, bis zu welcher die Konzessionäre ihre Kapitalien nicht bereithalten könnten. Was die sonstigen Wünsche des Staatsrates über den Geschäftsbetrieb anbelange, würden dieselben im Reglement ihre Berücksichtigung finden. Es wäre demnach an Se. Majestät die au. Bitte zu stellen, den Bittstellern die nachgesuchte Konzession zu erteilen, und das Detail der Statuten nach dem Antrage des Staatsministers Ag. genehmigen zu wollen.

Der Staatsrat Freiherr v. Geringer bemerkte, daß er es wohl für wünschenswert halten müsse, wenn früher allgemeine Gesetze oder Verordnungen erlassen würden, bevor zur Konzessionierung solcher Unternehmungen geschritten wird, zumal auch im Handelsgesetzbuche in diesen Beziehungen noch manches nicht festgesetzt sei, was durch gesetzliche Bestimmungen geregelt sein sollte. Infolge der vom Referenten gegebenen Aufklärungen jedoch, die dem Staatsrate früher nicht bekannt waren, schließe er sich der Ansicht des Referenten insofern an, daß es zulässig sei, zur Konzessionierung der Gesellschaft zu schreiten und das Detail bezüglich der Ausgabe von Warrants, der Lizitationen und Entrepots, durch ein Reglement zu ordnen. Er glaube übrigens, daß gleichzeitig jene Vorbereitungen getroffen werden sollten, um über Lager- und Entrepotgesellschaften allgemeine Gesetze oder Verordnungen zu erlassen, nach welchen sich auch der nähere Betrieb der gegenwärtig konzessionierten Gesellschaft regeln werde. Der Handelsminister neigte sich zuerst bei der Debatte dem Antrage des Staatsrates zu. Nachdem aber die Staatsverwaltung bei Erlassung des Reglements nicht an das Einverständnis der Gesellschaft gebunden, sondern nur zu einem Einvernehmen [mit] derselben verpflichtet sein soll, nachdem weiters die durch Erfahrung allenfalls nötigen Abänderungen dem Ermessen der Staatsverwaltung anheimgegeben sind und die jetzt zu konzessionierende Gesellschaft auch einem künftigen allgemeinen Gesetze unterworfen sein wird, schloß er sich gleichfalls dem Referenten mit dem Bemerken an, daß er sofort die Vorbereitungen treffen werde, um unter beratender Mitwirkung von Fachmännern den Entwurf eines solchen allgemeinen Gesetzes zustande zu bringen.

|| S. 117 PDF || Auch alle übrigen Stimmführer traten dem vom Sektionsrate Blaschier vorgetragenen Antrage des Staatsministers in der Hauptsache und im Detail bei.

Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, den 28. Oktober 1865. Franz Joseph.