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Nr. 581 Ministerrat, Wien, 12. Juni 1865 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Hueber; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 12. 6.), Mecséry, Nádasdy, Schmerling, Lasser, Plener, Lichtenfels; BdR. fehlt.

MRZ. 1385 – KZ. 1703 –

Protokoll der zu Wien am 12. Juni 1865 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze Sr. kaiserlichen Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.

I. Zulassung einer Deputation der ungarischen Studenten in Wien zur Audienz bei Sr. Majestät

Se. kaiserliche Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Rainer setzte die Konferenz von der Anfrage des ungarischen Hofkanzlers in Kenntnis, ob es zulässig und angezeigt erscheine, daß Se. Majestät eine Deputation der ungarischen Studenten in Wien empfangen, die aus Anlaß der Ah. Reise nach Pest Sr. Majestät ihre au. Glückwünsche zu Füßen legen wolle. Im vorliegenden Falle handle es sich um die Frage, ob Se. Majestät solche Studentendeputationen oder richtiger bezeichnet solche Studenten-Nationalitätsdeputationen empfangen sollen. Die Ansprache, die die Deputation halten wolle, sei übrigens ganz korrekt und lasse den Ausfluß loyaler Gefühle erkennen1.

Der Staatsminister glaubte, daß eine Studentendeputation an und für sich nur in Studentenangelegenheiten von Sr. Majestät empfangen werden könnte, zur Ah. Entgegennahme einer politischen Adresse erscheine deren Vorlassen nicht geraten. Es wäre gar nicht abzusehen, welchen Belästigungen Se. Majestät ausgesetzt wären, wenn auf diesem Gebiete durch die Zulassung der fraglichen Deputation ein Präzedens geschaffen würde. Votant habe übrigens bereits den Grafen Zichy ersucht, diese Anschauung Sr. Majestät zur Ah. Kenntnis zu bringen.

Auf die Anfrage, wie es denn komme, daß der betreffende Anschlag am schwarzen Brette der Universität von dem Rektor Dr. Hyrtl habe vidiert werden können, klärte der Staatsminister auf, daß zu jedem Anschlage am schwarzen Brette der Universität die Vidierung eines Dekans oder des Rektors erforderlich sei, welche Vidierung jedoch bloß den Charakter einer legalen Affichierung gewähre, keineswegs aber eine Approbation des Inhaltes.

Die Konferenz stimmte der Ansicht des Staatsministers bei2.

II. Antrag des Finanzministers betreffend das Kreditgesetz

Der Finanzminister gab in einer längeren Darstellung ein Bild der gegenwärtigen Finanzlage des Staates3, und erinnerte, daß schon seit Jahren, wiewohl bisher vergebens, dahin zu wirken getrachtet worden sei, das Gleichgewicht in den Einnahmen und Ausgaben des Staates herzustellen4. Es seien hiezu zwei Mittel ins Auge gefaßt worden, die Erhöhung der Einnahmen und die Herabsetzung der Ausgaben.

Wenn einmal die Steuerreformvorlage5 im Reichsrate durchgegangen sein werde, wozu die Hoffnung durch die Beistellung eines permanenten Ausschusses im Abgeordnetenhause bestärkt worden sei6, werde wohl ein namhafter Vorteil erreicht werden. Derselbe werde übrigens, da die dermaligen Steuervorschreibungen schon sehr hoch seien, nicht so sehr in einer beträchtlichen Erhöhung des Steuererträgnisses, als vielmehr in der Richtung sich fühlbar machen, daß durch eine zweckmäßige Umlage die Steuerrückstände sich vermindern werden. Von anderen ins Auge gefaßten kleinen Mitteln, als durch eine direkte Abgabe vom Leuchtgas, von den Fotografien, ließe sich aber, abgesehen daß von letzterem noch eine mehrere Vervollkommnung abgewartet werden müßte, ein großer Effekt nicht absehen. Daß durch den Domänenverkauf beziehungsweise durch eine rationellere Bewirtschaftung derselben eine größere Rentabilität und somit auch eine ansehnliche Erhöhung des Steuererträgnisses werde hervorgerufen werden, sei jedoch, wie die Erfahrung bei Oravicza und anderen veräußerten Bankgütern gelehrt habe, eine Illusion7. Was nun das zweite Mittel, die Herabsetzung der Ausgaben anbelange, glauben einige Künstler im Finanzausschusse des Abgeordnetenhauses, daß eine beträchtliche Erleichterung bei der Staatsschuldentilgung durch die Aufhebung der Amortisation, die im Budget mit einem großen Posten figuriere, eintreten könne, wobei dieselben dadurch geblendet werden, daß andere Staaten, wie Frankreich, systemmäßig die Staatsschuld nicht amortisieren. Wenn man die Staatsschuldentilgung genauer durchgehe, sehe man, daß die sechs Millionen Lottogewinnste und die Quote des Steueranlehens von sechs Millionen die Hauptrolle spielen. Solle man nun sagen, die Lottogewinnste werden nicht mehr ausbezahlt, und für dieselben [werde] allenfalls nur eine 6%ige Rente bezahlt? Oder soll man das Steueranlehen nicht zurückzahlen? Beides ginge ebensowenig an, wie die Unterlassung der Tilgung der Grundentlastungsschuld, was in allen Landtagen einen Sturm hervorrufen würde. Durch eine bSistierung der Amortisation bei anderen Anlehensgattungena könnte aber nur eine Erleichterung in dem nicht namhaften Betrage von kaumb vier Millionen || S. 413 PDF || herbeigeführt werden8. Von einer dKonvertierung der Staatsschuld auf einen geringeren Zinsfußc könnte aber nur bei ganz gesicherten Verhältnissen und wenn die Kurse gut stehen ein Gebrauch gemacht werden, eindem die Maßregel nicht als Zwangsmaßregel, sondern nur als freiwillige ins Auge gefaßt werden kann.d

Es sei davon gesprochen worden, daß, wenn nach dem Bankstatute die Einser- und Fünfer-Banknoten zu Ende 1866 eingeflossen sein werden, der Staat auf eigene Rechnung solche Noten qua Wechselbriefe au porteur ausgeben sollte. Diese Frage sei schon bei der Verhandlung über die Bankakte sowohl im Schoße des Finanzministeriums als in der Ministerkonferenz besprochen worden9. Das Staatspapiergeld sei aber der größte Feind fder Herstellung der Valutae, das Publikum werde mit Schluß des Jahres 1866 das Recht haben, für die Banknoten Silber zu erhalten, ges können somit Staatseinser und Fünfer, denen die Konvertibilität mangelt, nicht substituiert werden. Würde im gegenwärtigen Momente, wo die Bankschuld noch nicht getilgt ist, Staatspapiergeld emittiert, so würde ein doppeltes Disagio für dieses und [für die] Banknoten bedeutende Folgen haben.f Übrigens werde die Hinausgabe von Staatspapiergeld in einer anderen Form seinerzeit allerdings ihre Berechtigung haben. Wenn die Bank mit der Reduktion ihrer Noten so vorgehen würde, daß im Kleinverkehr an einem Medium Not entstehen würde, wie vor vier Jahren, wo statt der verschwundenen Sechser Münzscheine ausgegeben werden mußten10, wäre die Hinausgabe eines Papiergeldes vom Staate, um einem laut gewordenen Bedürfnisse der Zirkulation abzuhelfen, allerdings begründet, dieses Papiergeld dürfte jedoch nur in einer dem Bedürfnisse der Zirkulation angemessenen Summe, ohne Zwangskurs, ohne Verpflichtung der Bank zur Verwechslung gegen Banknoteng hinausgegeben iwerden müssenh, es müßte jedoch bei allen lf. Kassen angenommen werden. Wenn dieser Zeitpunkt einmal eingetreten sein werde, dann werden Einser- und Fünferstaatspapiergeld Jahre lang laufen, bis das Silber wieder hervorgekommen sein und die Goldwährung eingeführt worden sein wird. Der Abgeordnete Skene habe gemeint, daß jetzt schon dazu geschritten werden sollte, es sei jedoch im Finanzausschusse entschieden dieser Antrag zurückgewiesen worden.

Es erübrige sonach nichts anderes, als die Ausgaben in den anderen Verwaltungszweigen herabzusetzen, dabei den Grundsatz festzuhalten, daß von den Staatseinnahmen zuerst das Erfordernis für die Zinsen der Staatsschuld und für die Staatsschuldentilgung in || S. 414 PDF || Abzug gebracht und sohin der Rest der Staatseinnahmen in angemessener Weise unter die einzelnen Verwaltungszweige aufgeteilt werde. Referent habe schon den Brouillon einer solchen Zusammenstellung verfaßt11, in welchem die Staatseinnahmen auf einen Fuß, der stationär bleiben wird, gebracht und die in dem letzten Budget enthaltenen Posten für Staatsgüterveräußerungen natürlich nicht eingestellt wurden, welche Darstellung eine bleibende Rente an direkten und indirekten Steuern und sonstigen Erträgnissen im Betrage von 473 Millionen ausweise. Dieser Summe mußten die Staatsbedürfnisse angepaßt werden, wobei z. B. für die Militärverwaltung 90 Millionen, in deren eigenen Einnahmen neun Millionen, tatsächlich daher ein Erfordernis von 81 Millionen angenommen, und ebenso bei den anderen Verwaltungszweigen eine angemessene Aufteilung in der Art vorgenommen worden sei, daß das Bedürfnis im Ganzen der Summe der Staatseinnahmen im obigen Betrage von 473 Millionen gleichgestellt wurde. Übrigens sei diese Darstellung vorläufig nur eine im Detail noch zu beratende Idee, welche den Zweck verfolge, als Grundlage für die Verfassung der künftigen Budgets mit ausschließender Rücksicht auf die Staatseinnahmen zu dienen. Dies sei umso mehr notwendig, als der bisherige Vorgang, nach welchem umgekehrt jede Zentralstelle ihr Erfordernis präliminierte und sodann das, was durch die Staatseinnahmen nicht gedeckt werden konnte, als ein im Kredit- oder in anderen Wegen zu deckendes Defizit hingestellt wurde, zu allen den bedauerlichen Kalamitäten, wie die heimliche Vermehrung des Nationalanlehens um 111 Millionen12 zur fingierten Anbringung von Anlehen wie bei den 1860er Losen13 usw. geführt habe. Solche krasse Fiktionen seien aber bei der gegenwärtigen Kontrolle nicht mehr möglich. Dies sei im großen Ganzen die Anschauung der Finanzlage.

Um den gegenwärtigen Bedürfnissen abzuhelfen sei das Kreditgesetz im Reichsrate eingebracht worden14, welches den Zweck verfolge, nicht nur die Staatsbedürfnisse pro 1865 und 1866 zu decken, sondern auch die gänzliche Abstattung der Bankschuld zu ermöglichen, endlich auch um durch die schwebende Schuld einen Vorrat zu beschaffen, der bei Kassaebben verwendet werden könnte und Depotgeschäfte entbehrlich machen würde. Daß dieses Kreditgesetz so bald, als dies bei den erschöpften Finanzmitteln notwendig wäre, nicht Zustandekommen werde, sei nach dem bekannten Beschlusse des Subkomitees des Finanzausschusses nicht zu bezweifeln. In diesem Komitee sei gesagt worden, sie wären geneigt, auf das Kreditgesetz einzugehen, wenn die Regierung den Ernst der Lage erkennen würde, hiefür hätten sie aber bei dem Umstande, als sie sehen, daß die Regierung ihren vollen Einfluß auf das Herrenhaus geltend mache, um beim Budget pro 1865 ihre Positionen durchzubringen, nicht früher eine Gewähr, bevor nicht das Finanzgesetz pro 1865 nach den Beschlüssen des Abgeordnetenhauses zustandegekommen sein werde. Im Komitee habe der Staatsminister sich nicht beteiligt, was umso bedauerlicher i vermerkt wordeni sei, als || S. 415 PDF || die dermalige Finanzlage kund allgemeine Situationj doch nicht vom Finanzminister alleine herbeigeführt worden sei, sondern hierauf das Gebaren des Gesamtministeriums, die äußere Politik, der Stillstand der Verfassungsfrage, die Anwendung des § 13 des Grundgesetzes und so fort wesentlichen Einfluß ausgeübt habe. Das Subkomitee werde nach dem gefaßten Beschlusse zwar das Kreditgesetz bearbeiten, Auskünfte einholen etc., jedoch die Berichterstattung bis zum Zustandekommen des Finanzgesetzes pro 1865 sistieren.

Angesichts dessen, und da wider Vermuten die Behandlung des Budgets pro 1865 im Herrenhause eine so bedeutende Verzögerung erlitten habe, müsse ein Auskunftsmittel gefunden werden, die immer gewaltiger drängenden Staatsbedürfnisse bedecken zu können. Ein halbes Jahr sei schon verstrichen, ohne daß vom Kredite hätte Gebrauch gemacht werden können. Aus den laufenden Einnahmen seien im Jänner der Kupon von zehn Millionen, im Februar elf Millionen an die Bank, der Kupon im Mai mit 14 Millionen bestritten worden, jetzt gelange der Julikupon zur Zahlung, und mit allen nur denkbaren Mitteln sei die Finanzverwaltung nicht mehr in der Lage, die kommenden Zahlungen zu bestreiten, da auch kein Materiale mehr vorhanden sei, auf welches Vorschüsse genommen werden könnten. Wenn die Kreditbewilligung erfolgt sein werde, werde man aus der Verlegenheit sogleich gebracht sein, denn wenn auch das Anlehen noch nicht aufgelegt sein werde, werde doch ein Substrat vorhanden sein, auf welches man Vorschüsse gegen gewisse Prozente oder Abschlagszahlungen für einen gewissen Betrag des Anlehens leicht erhalten werde. Bei der gegenwärtigen Sachlage glaube nun der Finanzminister, daß man von dem großen Kreditgesetze abgesehen und unter Zurückziehung desselben ein kleineres einbringen sollte, welches sich darauf zu beschränken hätte, daß aus dem großen Gesetze nur zwei Posten, nämlich jener von 11,146.671 fr., der im Februar l. J. an die Bank gezahlt wurde und der Widmung zur Befriedigung der Staatsbedürfnisse verwendet zu werden entging, dann auf Abschlag des zu bedeckenden Abganges an den Staatseinnahmen in der Finanzperiode 1865 gegenüber dem verfassungsmäßig festzustellenden Erfordernisse ein Betrag von 7,000.000 fr., zusammen also 18,146.671 fr. in Anspruch genommen werden würde. Bei der Einbringung dieses Gesetzes könnte auch die Dringlichkeit motiviert und gemäß § 1 der Geschäftsordnung das Haus dazu gebracht werden, dem Finanzausschusse einen kurzen Termin zur Berichterstattung zu bestimmen. In pleno des Hauses wäre dann das Durchbringen dieses Gesetzes leichter möglich, weil auch die Dringlichkeit dieser Abhilfe mit der Notwendigkeit der Zahlung des Julikupons leichter motiviert werden könnte. Ohne ein solches Gesetz werde es sehr schwer gehen, jetzt das erforderliche Geld zu erhalten, das große Kreditgesetz werde aber nicht zur Berichterstattung gebracht, bevor das Finanzgesetz pro 1865 zustandegekommen sein wird, das große Kreditgesetz werde aber ad calendas graecas geschrieben werden müssen, wenn, was leicht möglich ist, ein Finanzgesetz pro 1865 gar nicht zustandekomme. Vorsichtshalber habe übrigens der Finanzminister mit Geldgebern bereits Rücksprache gepflogen, um im äußersten Falle mit den Zahlungen im Juli nicht ins Stocken zu geraten.

|| S. 416 PDF || Der Finanzminister machte schließlich noch darauf aufmerksam, daß die Dauer des Gesetzes wegen Erhöhung der Steuer- und Stempelgebühren mit letztem d. M. ablaufe und daß es notwendig sein werde, ein neues Gesetz hierüber für weitere drei Monate einzubringen15.

Der Polizeiminister erklärte, über die Darstellungen des Finanzministers umso mehr betroffen zu sein, als derselbe erst im Momente der größten Not mit der nackten Sachlage herausrücke. Er müsse die Konferenz daran erinnern, was auch die Ministerratsprotokolle erweisen würden, daß der Finanzminister bei den Verhandlungen über den Domänenverkauf ziemlich rosige Anschauungen gegeben und davon die Erwähnung gemacht habe, daß er aus diesem Geschäfte ein Angeld oder einen Vorschuß von 55 Millionen Gulden erhalten werde, wodurch eine Sicherheit für die Einhaltung und Realisierbarkeit der Bankraten als vorhanden anzunehmen war. Das Schicksal, welches das Kreditgesetz bereits erfahren, habe den Votanten nicht überrascht, weil er nicht im geringsten in Zweifel gewesen, daß es beiläufig so kommen werde, wie es wirklich gekommen ist. Jetzt aber, wo die Stimmung hiedurch so allgemein beunruhigt werde, wolle der Finanzminister das Kreditgesetz zurückziehen. Ein Grund hiezu wäre aber wahrlich nicht anzugeben, die Verhältnisse können sich doch unmöglich in fünf bis sechs Tagen geändert haben. Ein deutliches Zeichen der Überstürzung, ja nicht zu rechtfertigen wäre es für die Regierung, dergestalt vorzugehen. Das Abgeordnetenhaus soll das Gesetz ablehnen, es soll, wenn es der Vorstellung Gehör gibt, daß 18 Millionen Kredit zur Bedeckung der Auslagen im Juli notwendig seien, die betreffende Position selbst aus dem großen Gesetze herausnehmen, solche Anträge müsse man jedoch vom Hause kommen lassen. Bei einem Vorgange nach Antrag des Finanzministers bleibe der Nachteil, den das große Gesetz gemacht habe, fortbestehend, und es würde nur der Vorteil erreicht, daß man für ein paar Millionen gedeckt wäre, das restliche bedeutende Erfordernis bleibe jedoch doppelt in Schwebe. Das Gesetz sei einmal eingebracht, jetzt müsse man schon dabei beharren. Mit dem Zurückziehen und Einbringen eines Stückes desselben wäre die Lage nicht wesentlich geändert, denn das Abgeordnetenhaus werde mit dem kleinen Gesetze gewiß ebenso vorgehen, wie mit dem großen. Der Finanzminister erwiderte, daß das große Kreditgesetz eingebracht worden sei, um mit einem Schlage der Not abzuhelfen und unter Anwendung von Sparsamkeit über zwei Jahre hinüberzukommen. Daß die Staatsbedürfnisse bestritten werden müssen, sei klar und unzweifelhaft, die Bankschuld und die Raten der Abstattung derselben habe das Abgeordnetenhaus doch auch gekannt. Riesige Verkäufe der Domänen gehen auch nicht so rasch, und das einzige Mittel, dieselben zu realisieren, seien hierauf bezügliche Kreditoperationen. Daß die ganze Bankschuld mit dem Erlöse aus den Domänen werde bezahlt werden können, davon habe der Finanzminister nie gesprochen, wie er auch nicht von 55 Millionen, auf die man gleich aus diesem Geschäfte rechnen könne, Erwähnung gemacht habe, indem seinerseits bloß gesagt worden sei, daß die Domänen, lBank- und freie Staats[güter]k, einen Schätzwert von || S. 417 PDF || 55 Millionen repräsentieren. mDie Ministerratsprotokolle beweisen vielmehr, daß die Anbote für das Domänengeschäft sich auf Anzahlungen und Übernahmspreise von 20 bis 30 Millionen beschränkten, was doch zu tief unter dem Schätzwert gestanden und daher unannehmbar blieb. Das Domänengeschäft wurde wiederholt in der Konferenz besprochen und die vorgelegenen Anbote auch wegen ihrer ungünstigen Preise verworfen; die Situation wurde demnach keineswegs rosig gemalt.l Der Staatsminister stimmte der Ansicht des Polizeiministers mit dem Beifügen bei, daß die Einbringung eines neuen Gesetzes nach Antrag des Finanzministers nur ein Streich ins Wasser wäre, da nicht eine Stimme im Finanzausschusse des Abgeordnetenhauses, die sich für die Vertagung des großen Gesetzes ausgesprochen habe, für die sofortige Verhandlung des neuen Gesetzes stimmen würde. Sie gehen vielmehr von der Voraussetzung aus, daß sie den Moment benützen müssen, um der Regierung recht an den Leib zu gehen und dieselbe zur Nachgiebigkeit in anderen politischen Angelegenheiten zu zwingen. Das sei auch gar nicht zu wundern, wenn man klar sage, man könne am 1. Juli nicht mehr zahlen. Votant würde es jedoch noch als ein geringeres Unglück ansehen, wenn die Beamten am 1. Juli keine Gage erhielten, als wenn man Mittel für Juli um den Preis schaffen müßte, daß die Absichten einer Clique auf politischem Felde allenfalls durch Modifikationen des § 13 oder etwa durch Reduktion der Armee und Einführung der Landwehrverfassung zur Durchführung gelangen würden. Eine Regierung, die es so weit kommen lasse, daß sie in 14 Tagen nicht mehr die Mittel besitze, die Geschäfte fortzuführen, befinde sich in einer äußerst gefahrvollen Lage. Votant könne sich mit Ruhe darauf berufen, dem Finanzminister gegenüber schon im Februar davon gesprochen zu haben, daß es notwendig sei, Ordnung zu machen, weil vielleicht kein Finanzgesetz Zustandekommen werde. Für den Votanten sei es nun ganz neu zu erfahren, daß im Jahre 1864 ein Steuerausfall von 19 Millionen sich ergeben habe, wie er auch erst vor wenig Tagen zur Kenntnis gelangt sei, daß eine Schuld von 7 Millionen an die Kreditanstalt bestehe. Votant habe annehmen müssen, daß das Finanzgesetz vor Mitte Juli nicht Zustandekommen werde, aber auch das, daß bis dahin die Einbringung des Kreditgesetzes werde aufgeschoben werden können, weil für die Bedürfnisse der nächsten Zeit gesorgt sein werde Zweimal habe er den Finanzminister gefragt, wie es mit der Deckung stehe und die Antwort erhalten, daß, wenn auch kein Kreditgesetz Zustandekommen sollte, die Staatsbedürfnisse, wenn auch schwer, aber doch für die nächste Zeit werden gedeckt werden könne. Auf das hin sei der Vorgang basiert worden, bei der Verhandlung des Budgets pro 1865 im Herrenhause fest an den Regierungsziffern zu halten, selbst auf die Gefahr, daß ein Bruch erfolgen müßte. Mitten in diesen Vorgang hinein erfolge nun die Mitteilung, daß schon am 1. Juli keine Mittel mehr vorhanden sein werden. Daß das Kreditsgesetz nicht werde angenommen werden, daran sei nicht zu zweifeln, nichtsdestoweniger könne man jedoch dasselbe zurückziehen, weil der Regierung sonst mit Recht vorgeworfen werden könnte, daß sie ohne Überlegung in die Sache hineingegangen sei. Das Günstigste wäre noch, wenn das Subkomitee, dem man die dringende Not auseinandersetzen müßte, vielleicht aus dem eingebrachten Gesetze dasjenige herausklauben würde, was für das nächste Bedürfnis ohne Anstand || S. 418 PDF || genehmigt werden könnte. Aber auch daran müsse gezweifelt werden, weil vorauszusehen sei, daß sich die Majorität darauf freuen werde, gegen Zugestehung eines kleinen Kredites Konzessionen auf einem anderen Gebiete, vielleicht sogar ein anderes Ministerium zu fordern. Auf diese Art wäre es aber um jede Autorität in Österreich geschehen. Auf welche Art für Juli Geld zu beschaffen sei, müsse dem Finanzminister überlassen werden, Votant könne nur entschieden dagegen stimmen, daß das Kreditgesetz zurückgezogen werde. Der Finanzminister erwiderte auf die Äußerungen des Staatsministers, daß er schon oft im Ministerrate darauf aufmerksam gemacht habe, daß das fortwährende von Monat zu Monat fretten nicht mehr möglich sei und daß er in dem au. Vortrage über das Kreditgesetz bemerkt habe, daß es nweder ihm, nochm seinem Nachfolger im Amten gelingen werde, gewaltigeren Ereignissen vorzubeugen, und daß er hiebeio ziemlich unverhüllt seine Demission gegeben habe. Er halte sich jedoch in seinem Gewissen für verpflichtet, nicht in einem Zeitpunkte dringender Verlegenheit von seinem Posten abzutreten. Wenn die Konferenz sich die Mühe nehmen wollte zu erforschen, welche Mittel er bereits herbeigeschafft habe, würde sie wohl zu anderen Ansichten gelangen. Einmal müsse alles ein Ende nehmen. Er habe nicht erst 14 Tage vor Erschöpfung der Mittel die Konferenz daran erinnert, daß es so kommen werde, da er nicht erst am 12. Juni, sondern schon längst früher und wiederholt aufmerksam gemacht habe, daß in nächster Zeit keine Mittel für die Staatsbedürfnisse vorhanden sein werden. Das Möglichste sei geschehen, um die großen Zahlungen im Jänner, Februar und Mai leisten zu können, und man habe doch voraussetzen können, daß das Finanzgesetz in acht Monaten werde zustandegekommen sein. Wenn Se. Majestät heute den Reichsrat vertagen würde, werde, wenn auch das Ah. Handschreiben vom 17. Juli 1860, RGBL. Nr. 181, worin Se. Majestät zu erklären geruhten, auch die Aufnahme neuer Anlehen nur mit Zustimmung des verstärkten Reichsrates anordnen und Allerhöchstsich eine Ausnahme hievon bloß im Falle einer Kriegsgefahr vorbehalten zu wollen16, die Sache erschwere, im äußersten Falle doch unter Anwendung des § 13 des Grundgesetzes ein Abhilfsmittel getroffen werden könne. qAllein während der Reichsrat versammelt ist, kann ein solcher Vorgang nicht stattfinden. Übrigens war der Vortrag des Finanzministers über die Kreditvorlage den sämtlichen Konferenzmitglieder schon seit mehreren Wochen mitgeteilt worden, ebenso wußte jedermann, daß die für das Jahr 1864 bewilligten Gelder nicht zu den bestimmten Zwecken verwendet werden konnten. Der Ausfall von 19 Millionen Einnahmen bildete durchaus kein Objekt eines Kreditanspruches, am allerwenigsten in der Vorlage, dieser Ausfall dient nur als Rechtfertigung der Verwendung der im Jahre 1864 bewilligten Gelder zu anderen als den bestimmten Zwecken.p Der Minister Graf Nádasdy glaubte, daß, wie nun einmal die Sache stehe, zunächst auf das Mittel gegriffen werden sollte, auf das Subkomitee des Finanzausschusses zu wirken, damit || S. 419 PDF || dasselbe wenn auch nicht das ganze Kreditgesetz, so doch einen Teil desselben in Verhandlung nehme. Sonst müßte im Hause selbst die Motion gestellt werden, daß es notwendig sei, dem Finanzausschusse einen Termin zur Berichterstattung vorzuschreiben. Ließe sich auch hievon ein Resultat nicht absehen, dann würde, wenn auch das bezogene Ah. Handschreiben die Geldbeschaffung erschweren werde, nichts anderes erübrigen, als das Haus aufzulösen und nach § 13 des Grundgesetzes vorzugehen. Der Kupon am 1. Juli müsse unter allen Umständen gezahlt werden, Österreich befände sich sonst dem Auslande gegenüber im Stadium des Vergleichsverfahrens. Der Minister Ritter v. Lasser war gleichfalls der Ansicht, daß mit dem Einbringen des kleineren Gesetzes nichts gewonnen wäre, weil dieses im Finanzausschusse, welcher zu dreiviertel Teilen oppositionell und der Regierung auf jede Art Verlegenheiten zu bereiten bestrebt sei, denselben Weg wie das große Gesetz gehen würde. Wollte man aber das letztere jetzt wieder zurückziehen, würde jede Respektabilität für die Regierung verloren gehen. Daß es unbedingt notwendig sei, den Kupon am 1. Juli zu zahlen, darüber war Votant mit der Vorstimme einverstanden. Um jeden Preis sollte nach Mitteln geforscht werden, die Julibedürfnisse rauch ohne Kreditbewilligungen des Reichsratesq zu bedecken, um aus der gegenwärtigen unangenehmen Situation herauszukommen. Bezüglich der Verhandlung des Kreditgesetzes im Abgeordnetenhause sollte beiläufig in einer Woche eine Zuschrift an das Haus gerichtet, demselben die Dringlichkeit der Sache ernstlich zu Gemüte geführt und jede Verantwortlichkeit für die weiteren Folgen von der Regierung abgewälzt werden, um auf diese Art einen Schritt des Hauses selbst hervorzurufen. Bei der Verhandlung im Detail sollten jene Posten, an welchen zunächst weniger gelegen, fallen gelassen werden, wie der Posten von vier Millionen für die Einziehung der Münzscheine, die ohnedies nicht mehr im Verkehre zu sehen seien und von denen ein großer Teil, vielleicht eine Million, zugrunde gegangen sein dürfte. Ebenso könnte, wenn man auf Anstände stoßen würde, die Abschlagszahlung für das Defizit der beiden Jahre 1865 und 1866 per zehn Millionen einstweilen weggelassen und die Abstattung der Bankschuld für die künftige Behandlung vorbehalten werden. Wenn in diesem Punkten eine Anregung vorkomme, werde das Haus vielleicht darauf eingehen. Der Finanzminister klärte auf, daß die Finanzverwaltung auf das Einziehen der Münzscheine keinen Wert lege, daß die Münzscheine übrigens von selbst einströmen und meist nur mehr in den Ländern jenseits der Leitha im Verkehr stehen sund daß die zur Auswechslung einfließenden Münzscheine in Banknoten umgewandelt werden müssenr . Der Staatsratspräsident bemerkte, es lasse sich nicht verhehlen, daß die Regierung am Bruche mit dem Abgeordnetenhaus stehe, und es wäre nur zu erwägen, ob es noch möglich sei, diesen Bruch hinauszuschieben, bis man mit dem Finanzgesetze im klaren sein werde. So weit, als dies Graf Nádasdy auffasse, wolle Votant übrigens den § 13 nicht ausgelegt wissen, denn es ginge doch wohl nicht an, das Haus, weil es einer Regierungsvorlage seine Zustimmung verweigert habe aufzulösen, um sodann eben diese Maßregel unter Anwendung des § 13 einzuführen. Wenn der Finanzminister in der Lage wäre, in anderer Weise den || S. 420 PDF || Juli-Kupon zu bezahlen, würde Votant dies vorziehen, weil man auf diese Art über das Finanzgesetz hinüberkäme. Die Einbringung eines neuen Gesetzes würde, wie schon die Vorstimmen begründet haben, nichts nützen. Der Finanzminister äußerte, daß die Einbringung des Kreditgesetzes der erste Schritt gewesen sei, um Geld zu erhalten. So kurzsichtig sei er aber nicht gewesen, daß er nicht andere Vorbereitungen getroffen habe für den Fall, als das Kreditgesetz nicht Zustandekommen sollte. Für die nächste Zukunft werde gesorgt werden. In der Konferenz herrsche die Ansicht, der Finanzminister müsse immer Geld haben. Die Konferenz möge sich übrigens der Anschauung hingeben, daß ein Zeitpunkt kommen werde, wo kein Geld mehr vorhanden sein werde, wenn er auch seiner Pflicht, nicht bloß darzustellen, sondern zu handeln auch noch so getreu nachkommen werde. Übrigens glaubte der Finanzminister, sich die Ermächtigung erbitten zu sollen, in gewissen Perioden regelmäßig in der Konferenz eine Darstellung der jeweiligen Finanzlage machen zu dürfen. Auf die Entgegnung von Seite des Polizeiministers , daß das Besprechen solcher Angelegenheiten für jemand, der nur eben das hört, was im Momente darüber gesagt werde, wenig Wert haben würde, da er doch nicht wissen werde, wie er die Mitteilung zurechtlegen und was er daraus machen solle, erwiderte der Finanzminister , daß er an diese Darstellungen immer bestimmte Anträge knüpfen werde.

Der Antrag des Finanzminister auf Einbringung eines kleineren Gesetzes blieb somit mit allen gegen eine Stimme in der Minorität, und die Konferenz einigte sich darauf dahin, daß nach acht Tagen eine stringierende Note bezüglich der Behandlung des eingebrachten Kreditgesetzes an das Abgeordnetenhaus beziehungsweise an das Präsidium desselben erlassen und daß ein Gesetz wegen dreimonatlicher Verlängerung der Steuererhöhung eingebracht werde17.

III. Haltung der Regierung bei der Verhandlung über den § 13 des Grundgesetzes im Abgeordnetenhaus

Die Konferenz einigte sich ohne Debatte darüber, daß bei der auf die Tagesordnung im Abgeordnetenhause gestellten Verhandlung über den § 13 des Grundgesetzes sich von Seite der Ministerbank in eine Debatte nicht einzulassen, sondern nur vom Staatsminister das Schlußwort in der Weise zu halten sein, wie der Polizeiminister bereits vor einiger Zeit den bezüglichen Aufsatz vorbereitet habe18.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokoll zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 24. Juni 1865.