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Nr. 570 Ministerrat, Wien, 9. Mai 1865 – Protokoll II - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Hueber, VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 9. 5.), Mensdorff 15. 5., Mecséry, Nádasdy 15. 5., Schmerling, Lasser, Plener, Lichtenfels, Esterházy 18. 5., Burger, Hein, Franck, Zichy, Privitzer, Kalchberg; BdR. Erzherzog Rainer 25. 5.

MRZ. 1374 – KZ. 1356 –

Protokoll II des zu Wien am 9. Mai 1865 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. kaiserlichen Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.

[I.] Aufhebung der Militärgerichte in Ungarn; Organisierung des Causarum-Regalium-Direktorates

Se. kaiserliche Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Rainer setzte den Ministerrat in Kenntnis, daß Se. Majestät geruht haben, in der im Ministerrat von 2. Mai l. J. aus Anlaß des Antrages auf Aufhebung der Wirksamkeit der Militärgerichte [in Ungarn] in Erörterung genommenen prinzipiellen Frage Ah. sich dahin zu entschließen, daß es bei den Anträgen des ungarischen Hofkanzlers zu verbleiben habe. Hienach hätten für die den Militärgerichten bisher zugewiesenen strafbaren Handlungen, insoferne sie außer der Presse begangen werden, die ungarischen Strafgesetze wieder zur Anwendung zu gelangen, und die zu erlassende Instruktion hätte sich nur auf die Strafbestimmungen zur Preßordnung vom Jahre 18521 zu beschränken.

Da nach Bemerkung des Staatsratspräsidenten der von der ungarischen Hofkanzlei vorgelegte Entwurf dieser Instruktion von dem Staatsrate in vielen Beziehungen beanstandet wurde2, und auch Baron Lichtenfels eine Umarbeitung desselben für notwendig bezeichnete, fanden Se. kaiserliche Hoheit der durchlauchtigste Erzherzog Rainer in Anbetracht, daß eine sofortige paragraphweise Prüfung im Ministerrate nicht wohl angehe, zu bestimmen, daß die Vorprüfung und neue Redaktion dieses Entwurfes in einem Komitee bestehend aus den beiden ungarischen Hofkanzlern, dem Minister Grafen Nádasdy und dem Staatsratspräsidenten mit Beiziehung der bezüglichen Referenten des Staatsrates und der ungarischen Hofkanzlei zu geschehen habe, und daß sohin diese Instruktion der Schlußberatung im Ministerrat unterzogen werde3.

Der Staatsratspräsident referierte sohin über die übrigen im au. Vortrage des ungarischen Hofkanzlers vom 6. März l. J., Z. 235 Präs., enthaltenen Anträge4, und zwar

I. Organisierung des Causarum-Regalium-Direktorates5.

In dem au. Vortrage des Hofkanzlers wurde dargestellt, daß das Causarum-Regalium-Direktorat, welchem die Verfolgung der politischen und sogenannten privilegierten || S. 335 PDF || Verbrechen obliege, welches die Untersuchungen einzuleiten und in wichtigen Fällen durch eigene Organe zu führen, den Prozeß zu instruieren und überhaupt die Grundlagen für die zu schöpfenden richterlichen Erkenntnisse beizuschaffen habe, sich derzeit in der mißlichen Lage befinde, indem sein ganzes Hilfspersonale nur aus zwei disponiblen Beamten niederer Kategorie bestehe. Es werde von den schon im Jahre 1863 gestellten au. Anträgen wegen Systemisierung des Causarum-Regalium-Direktorates und den diesfalls von Seite des Finanzministers erhobenen Einsprachen Erwähnung gemacht6, und unter Nachweisung der bedeutenden Zunahme der Agenden des Direktorates, namentlich bezüglich der Verfälschung öffentlicher Kreditpapiere und Verbreitung von Falsifikaten in Ungarn sowie im Vorbedachte auf die namhafte Erweiterung des Wirkungskreises des Causarum-Regalium-Direktorates durch die Überweisung der gegenwärtig von den Militärgerichten behandelten politischen Verbrechen an die königliche Kurie der Antrag gestellt, das Personal des Causarum-Regalium-Direktorates mit einem Direktor, einem Vizedirektor, vier Anwälten, einem Protokollisten, drei Offizialen, einem Amtsdiener und einem Hausdiener zu bestellen. Der Staatsrat habe mit Stimmenmehrheit sein Gutachten hierüber dahin abgegeben, daß die definitive Erledigung der Fragen über die Beibehaltung oder Organisierung des Causarum-Regalium-Direktorates der künftigen Organisierung der Gerichte vorzubehalten sei, daß demselben inzwischen für die ihm zukommenden Geschäfte – mit Ausschluß aller Kameral- und Zivilgeschäfte – das erforderliche Personale, insoferne nicht durch Zuweisung disponibler Beamten abgeholfen werden könne, im Einvernehmen mit dem Finanzministerium innerhalb der hier angegebenen Grenze beizugeben sei.

Der ungarischen Hofkanzler v. Privitzer bemerkte, daß Graf Zichy bei Stellung seiner Anträge wegen Reorganisierung des Causarum-Regalium-Direktorates von der Ansicht ausgegangen sei, daß der Causarum-Regalium-Direktor in Person und mit der Beihilfe von ein paar disponiblen Beamten unmöglich in der Lage sein könne, die ihm obliegenden Agenden in strafrichterlicher Beziehung gehörig zu besorgen, und daß ihm insbesondere im jetzigen Augenblicke, wo durch die Zuweisung der gegenwärtig von den Militärgerichten behandelten politischen Verbrechen an die königliche Kurie auch der dermalige Wirkungskreis des Causarum-Regalium-Direktorates jedenfalls eine namhafte Erweiterung erfahren werde, auch die Mittel an die Hand gegeben werden müßten, die Durchführung wichtiger Untersuchungen durch einige vollkommen verläßliche und befähigte Organe leiten und sich von der mitunter lauen Mitwirkung der auswärtigen Gerichte auf diese Weise unabhängig stellen zu können. Die Wirksamkeit des Direktorates beschränke sich auch keineswegs auf die privilegierten Verbrechen, dieselbe erstrecke sich abgesehen vom Kamerale auch auf alle Disziplinarangelegenheiten der Advokaten und Beamten, auf Mißbrauch der Amtsgewalt, auf Bestechungsfälle, auf die massenhaften Wucherprozesse, endlich auf alle Untersuchungen über Kreditpapierverfälschungen, || S. 336 PDF || rücksichtlich welcher letzteren von den im Jahre 1862 eingeleiteten 348 Untersuchungen gleicher Art 178 in das Jahr 1863 übertragen wurden, deren Zahl sich nachträglich auf 276 vermehrt habe. Daß bei dieser Masse von Geschäften die Tätigkeit des Direktorates sehr in Anspruch genommen sei und daß es bei seinem jetzigen Personalstande aufliegen müsse, daran lasse sich wohl nicht zweifeln. Nach ungarischer Rechtsauffassung lasse sich überhaupt ein Causarum-Regalium-Direktorat, welches nicht mit Fiskalen7 ausgestattet wäre, gar nicht denken, daß aber die von der Hofkanzlei gestellten Anträge im bescheidensten Maße gehalten seien, ergebe sich auch selbst mit Rücksicht auf die entfallenden zivilrechtlichen Agenden, aus dem Vergleiche mit dem vor dem Jahre 1848 mit einem Direktor, einem Vizedirektor, elf Direktionsfiskalen, vier Fiskaladjunkten systemisierten Personalstande. Ein finanzielles Bedenken gegen die Organisierung des Causarum-Regalium-Direktorates lasse sich übrigens auch nicht mit Grund geltend machen, weil, wenn in der Folge durch eine neue Gerichtsorganisation das Direktorat nicht mehr fortbestehen sollte, höchsten vier bis fünf Beamte disponibel werden würden, deren Unterbringung bei der Gerichtsorganisierung keinem Anstande unterliegen könne. Mit dem Beifügen, daß für den diesfälligen Aufwand von 14.000 fr. im Voranschlage bereits vorgedacht sei, somit ein neuer Anspruch nicht erhoben werde, verband Votant die Bitte, die Konferenz möge dem diesfälligen, wohlbegründeten Antrage des Grafen Zichy ihre Zustimmung nicht versagen.

Der Staatsratspräsident erklärte, nur dem Antrage des Staatsrates aus den in dessen Gutachten angeführten Gründen beistimmen zu können. Besonders wichtig erscheine es dem Votanten, daß in der Ah. Entschließung ausdrücklich ausgesprochen werde, daß von der Wiederherstellung eines Wirkungskreises des Causarum-Regalium-Direktorates bezüglich der Zivil- und Kameralgeschäfte keine Rede sein könne, weil dies zu Kollisionen mit den Finanzprokuraturen führen und in weiterer Konsequenz zum Anspruche auf Wiederherstellung der ungarischen Hofkammer, mit welcher das Direktorat im engsten Zusammenhange stand, verleiten könnte. Der von dem ungarischen Hofkanzler ins Auge gefaßte Zweck, daß dem Causarum-Regalium-Direktorate das erforderliche Personale zur Verfügung gestellt werde, werde auch nach dem staatsrätlichen Antrage erreicht, dem Staatsrate sowie dem Votanten sei es nur darum zu tun, daß die Frage der Organisierung des Direktorates dahingestellt bleibe, bis die damit in so innigem Zusammenhang stehende Gerichtsorganisierung erfolgt sein werde. Dadurch, daß für die bezüglichen Auslagen in den Staatsvoranschlag eine Bedeckung eingestellt wurde, sei in der Sache nichts zugestanden worden, diese Einstellung sei nur für einen eventuellen Fall erfolgt. Was das Maß des für das Direktorat ausgesprochenen Personales betrifft, vermöge Votant nicht einzusehen, daß ein so großes Personale erforderlich sein werde. Bei der Berechnung, daß im Jahre 1862 allein 348 Untersuchungen über Kreditpapierverfälschungen in Ungarn eingeleitet worden seien, scheine ein Irrtum zu unterlaufen, Votant wolle aber darüber nicht absprechen, und die Bestimmung des wirklich Personales der Ingerenz des Finanzministers überlassen. Der Finanzminister stimmte dem Antrag des Staatsratspräsidenten bei, daß jetzt noch nicht mit einer Organisierung des Causarum-Regalium-Direktorates vorzugehen, demselben || S. 337 PDF || vielmehr das erforderliche Personale auf dem vom Staatsrate angedeuteten Wege zur Verfügung zu stellen wäre. Ohnedem werde das Verhältnis des Aufwandes in den ungarischen Länder früher oder später geregelt werden müssen, und wenn einmal ein Quotalbesteuerungssystem bestehen werde, werde auch das Land nach Wunsch in solchen Sachen vorgehen können. Wenn es übrigens auch nicht in der Absicht des ungarischen Hofkanzlers gelegen zu sein scheine, den früheren Wirkungskreis des Causarum-Regalium-Direktorates in Bezug auf das Zivile und das Kamerale wiederherzustellen, halte Votant es doch für notwendig, daß in der Ah. Entschließung hierüber ein bestimmter Ausdruck erfolge, dessen vom Staatsrate vorgeschlagene Fassung „unter Ausschluß aller Zivil- und Kameralgeschäfte“ übrigens dem Votanten nicht genug prägnant vorkomme, da die Finanzprokuraturen auch bei den Militärprozessen und bei der Vertretung der Studien-, Religions- und anderer Fonds ämtlich beteiligt seien. Ein jeden Zweifel ausschließender Passus dürfte in den Worten gefunden werden: „mit Ausschluß aller gegenwärtig den Finanzprokuraturen zugewiesenen Geschäfte“. Der ungarische Hofkanzler Graf Zichy bemerkte, daß in seinem au. Vortrage von einer neuen Organisierung des Direktorates keine Rede sei. Er wolle auch keine, müsse aber bitten, der Ministerrat möge, da das Causarum-Regalium-Direktorat, welches, wie auch der königliche Personal sage, dermalen schon ganz aufliege, jetzt noch eine namhafte Erweiterung seiner Geschäfte durch die Überweisung der politischen Verbrechen von den Militärgerichten an die königliche Kurie erfahren werde, geeignete disponible Beamte, welche dem Direktorate zugewiesen werden könnten, nicht vorhanden sind, dem auf das bescheidenste Maß beschränkten Antrage beistimmen, und zwar umso mehr, als es ihm nie in den Sinn gekommen sei, die ungarische Hofkammer restaurieren zu wollen, und er daher gegen die beantragten Vorsichten, die mittels der Ah. Entschließung durch den Ausdruck „mit Auschluß der Zivil- und Kameralgeschäfte“, oder wie der Finanzminister vorgeschlagen habe, „unter Ausschluß aller gegenwärtig den Finanzprokuraturen zugewiesenen Geschäfte“, zu treffen wäre, durchaus keine Einsprache erheben wolle. Der Minister Graf Nádasdy glaubte, daß ein Direktor und drei Fiskale vorderhand genügen dürften und daß, wenn die Geschäftsausweise ergeben würden, daß diese Arbeitskräfte zur Bewältigung der Geschäfte des Direktorates nicht hinreichen, demselben in der Folge eine angemessene Personalvermehrung zugeführt werden könnte. Der Minister Ritter v. Lasser erachtete die gegen die Organisierung des Direktorates erhobenen Bedenken durch die Äußerung des Grafen Zichy, der diese Verfügung nur als eine provisorische Maßregel bezeichne, für behoben und stimmte dem Antrage des Hofkanzlers mit dem Vorbehalte rücksichtlich des ausdrücklichen Ausschlusses der Zivil- und Kameralgeschäfte von der Wirksamkeit des Direktorate bei.

Dem Antrage des ungarischen Hofkanzlers mit dem vom Minister Ritter v. Lasser erwähnten Vorbehalte traten auch alle übrigen Stimmführer – mithin die eminente Majorität bei8.

II. Wirkungskreis des ungarischen Statthaltereirates

Beseitigung der Schranken, welche mit dem Ah. Handschreiben vom 5. November 1861 dem königlich-ungarischen Statthaltereirate rücksichtlich der Ausübung eines Teiles seiner verfassungsmäßigen Befugnisse und Obliegenheiten gezogen worden sind9.

Wie der Staatsratspräsident in seinem Referate fortfuhr, habe der ungarische Hofkanzler bei dem Umstande, als die korporative Wirksamkeit der Statthalterei, insoferne nämlich dieselbe die ihr zugewiesenen wichtigsten Gegenstände auch dermal collegialiter behandle, ohnedies keine Unterbrechung erlitten habe, nachdem ferner dieselbe und namentlich der Statthalter von dem Rechte der Vorstellung gegen einzelne Verfügungen auch gegenwärtig Gebrauch mache und nachdem unter den dermaligen Verhältnissen nicht zu besorgen sei, daß der ungarische Statthaltereirat auf die Aktion der Regierung nachteilig und lähmend einwirken könnte, den au. Antrag ohne Bedenken stellen zu können geglaubt, Se. Majestät geruhe den ungarischen Statthaltereirat in seinen, durch die Ah. Entschließung vom 20. Oktober 1860 gewährleisteten gesetzlichen Wirkungskreis Ag. wieder einzusetzen. Zu diesem Antrage habe sich Graf Zichy noch durch den Umstand gedrängt gefühlt, daß vielseitige Maßregeln und Vorarbeiten, welche mit der Einberufung des Landtages im Zusammenhange stehen, durch den ungarischen Statthaltereirat zu treffen und zu besorgen sein werden, daher es schon aus dieser Rücksicht im Interesse der Regierung geboten erscheine, allfällige Anfechtungen gegen die gesetzmäßige Wirksamkeit und Einrichtung dieser obersten Landesbehörde vorzubeugen.

Der Staatsrat10 habe es in einer Übergangsperiode, wie es die gegenwärtige sei, welche außerordentliche Maßregeln notwendig machen könne, weiters bei der in Aussicht gestellten Organisierung der politischen Verwaltung, endlich bei den Erfahrungen, welche das Jahr 1861 über die Wirksamkeit des Statthaltereirates geliefert haben, der mittels zahlreicher Repräsentationen gegen die Ah. Verfügungen zu remonstrieren gesucht habe11, für bedenklich gehalten, den Statthaltereirat, der doch nur eine Behörde des Königs und von ihm abhängig sei, in die Ausübung der besonderen Rechte, welche eben in dieser Übergangsperiode nicht ohne moralische Schädigung der königlichen Autorität und der Interessen des Gesamtstaates bleiben könne, wieder einzusetzen. Sowie daher der ungarische Hofkanzler die Reaktivierung der munizipalen Tätigkeit unter den dermaligen Verhältnissen aus Opportunitätsrücksichten nicht unterstützen zu könne erklärt habe12, ebenso habe auch der Staatsrat auf die Wiedereinsetzung des Statthaltereirates in seinen vollen gesetzlichen Wirkungskreis aus Opportunitätsgründen nicht einraten zu können erachtet und die Ah. Entschließung diesfalls dahin beantragt, || S. 339 PDF || die Frage der Wiederherstellung des zeitweilig beschränkten Wirkungskreises des ungarischen Statthaltereirates sei seinerzeit im Zusammenhange mit dem künftigen Organismus der Komitate und städtischen Munizipien zu behandeln. Der Staatsratspräsident erklärte, diesem Antrag des Staatsrates unbedingt beizustimmen.

Der Minister Graf Nádasdy hielt den Antrag des Grafen Zichy insbesondere wegen der der Statthalterei gesetzlich obliegenden den Landtag vorbereitenden Maßregeln für gerechtfertigt und schloß sich demselben unter der Voraussetzung an, daß Se. Majestät dem Statthalter die bestimmte Weisung zu erteilen geruhen dürften, gleich bei dem ersten Falle einer Widersetzlichkeit des Statthaltereirates gegen die Anordnungen der Hofkanzlei die Sitzung aufzuheben und die Anzeige zu erstatten, wo dann ohneweiters die Statthalterei in den beschränkteren Wirkungskreis wieder einzusetzen wäre, den sie heute einnehme. Die Verhältnisse seit 1861 haben sich auch wesentlich geändert, heute habe man es ausschließend mit von Sr. Majestät ernannten Beamten, die man in der Hand habe, zu tun, und wenn der Statthalter seiner Schuldigkeit nachkomme, sei keine Gefahr zu besorgen, und zwar umso minder, als gegen eine adispositive, jussu regio erlassene Hofkanzlei­verordnung eine Repräsentation auch vor 1848 nicht stattfanda . Der Staatsratspräsident meinte, daß man einen solchen Gegenstand nur objektiv behandeln und nie Persönlichkeiten dabei im Auge haben sollte, auch bezeichnete er eine solche Verfügung für sehr bedenklich, bei welcher die Regierung von dem guten Willen des Statthalters abhängig gemacht würde. Der ungarische Hofkanzler erklärte, aus den in seinem au. Vortrage enthaltenen und vom Staatsratspräsidenten der Konferenz zur Kenntnis gebrachten Gründen hohen Wert darauf legen zu müssen, daß der ungarische Statthaltereirat wieder in seinen gesetzlichen Wirkungskreis eingesetzt werde. Die heutige Zusammensetzung der Statthalterei biete ihm die beruhigendste Gewähr gegen Erneuerung der Vorfälle im Jahre 1861. Aus dem Repräsentationsrechte besorge er keinen Mißbrauch, einem mandatum regium müsse doch immer gehorcht werden. In dem Vertrauen, welches man aber heute der Bevölkerung zeige, könne man aber nicht gegenüber der Behörde kargen, zumal von derselben ein Mißbrauch nicht zu besorgen stehe und dieselbe dadurch nur in dem für ihre gedeihliche Wirksamkeit notwendigen Nimbus beeinträchtiget würde. Der Minister Graf Esterházy schloß sich aus Opportunitätsrücksichten dem Antrage des ungarischen Hofkanzlers an, er erklärte jedoch, den Grundsatz gewahrt wissen zu wollen, daß aus der Aufhebung der Militärgerichte nicht die Beseitigung des dermaligen Provisoriums in seiner ganzen Ausdehnung notwendig gefolgert werden müsse. Dem Antrage des ungarischen Hofkanzlers traten auch die Minister Graf Mensdorff, Freiherr v. Burger und Freiherr v. Mecséry bei, wobei letzterer erklärte, diesbezüglich auf das Einraten der ungarischen Räte der Krone, die diese Art des Verwaltungsorganismus am besten kennen, kompromittieren zu müssen.

Der Staatsminister meinte, daß bei der gegenwärtigen Lage eine Maßregel, die mehr oder weniger einschneide, von keinem hohen Belange sei, insbesondere nicht gegenüber || S. 340 PDF || der 1848er Partei, welche die Statthalterei für ungesetzlich halte und ein Ministerium haben wolle, bei der regierungsfreundlichen Partei werde sie aber nicht schwer in die Waagschale fallen. Wenn es sich um Maßregeln von größerer Wichtigkeit handle, werde die Hofkanzlei gewiß das Gutachten der Statthalterei einholen, sei dies aber geschehen, dann sei es aber auch nicht möglich, von einer getroffenen Entscheidung über Vorstellung der Statthalterei zurückzugehen, wenn die Regierung nicht den Rest des Ansehens, das sie noch genieße, ganz verlieren wolle. Eine Sache, die nur dazu diene, alle Entschließungen der Regierung in Frage zu stellen, eine Maßregel, die, wie Baron Lichtenfels gezeigt habe, nicht aus einem Gebote dringender Notwendigkeit getroffen werden müsse, was selbst Graf Esterházy, der doch dem Antrage des Hofkanzlers beistimmte, zugab, könne Votant nicht befürworten. Der Staatsminister stimmte sonach für den Antrag des Staatsratspräsidenten. Der Minister Ritter v. Lasser stimmte im wesentlichen aus den Gründen der Vorstimme für den Antrag des Staatsratspräsidenten indem er noch beifügte, daß unbedingter Gehorsam bei Beamten die erste Pflicht sei und daß ein politischer Wert von dieser Maßregel nicht abzusehen wäre, die selbst nach dem Zusatzantrage des Grafen Nádasdy in 24 Stunden in der Luft hängen könnte. Dem Antrage des Staatsratspräsidenten stimmten ferner auch der Minister Ritter v. Hein, der Kriegsminister, der Leiter des Handelsministeriums, sowie der Finanzminister bei, welcher letztere erklärte, eine Maßregel, welche nur geeignet wäre, die Lage der Unbotmäßigkeit der ungarischen Organe noch mehr zu verbreiten, umso weniger gutheißen zu können, als dieselbe, wie gezeigt worden sei, auch durchaus nicht notwendig sei.

Se. kaiserliche Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Rainer konstatierten, daß sich für und wider den Antrag des ungarischen Hofkanzlers eine gleiche Stimmenanzahl – und zwar für den Antrag des Hofkanzlers sechs Stimmen, nämlich jene des Polizeiministers, des Ministers Graf Nádasdy, des Ministers des Äußern und der Minister Graf Esterházy und Freiherrn v. Burger, dann des Hofkanzlers Graf Zichy – gegen den Antrag des Hofkanzlers, beziehungsweise für den Gegenantrag des Staatsratspräsidenten gleichfalls sechs Stimmen, jene des Staatsratspräsidenten nicht gerechnet, nämlich jene des Staatsministers, des Ministers Ritter v. Lasser, des Finanzministers, des Ministers Ritter v. Hein, des Kriegsministers und des Leiters des Handelsministeriums – ergeben haben. Se. kaiserliche Hoheit fanden auch auszusprechen, bei dieser gleichen Stimmenanzahl sich dem Antrag des Staatsratspräsidenten anzuschließen13.

III. Behandlung der Tabularangelegenheiten vor der königlichen Tafel

Antrag, daß die Tabularangelegenheiten (Prozesse, in welchen die königliche Tafel in erster Instanz zu entscheiden hat)14 bei der letzteren künftig nicht in voller Ratsversammlung, sondern in einem wenigstens aus zehn Richtern und einem Vorsitzenden zusammengesetzten Senate verhandelt werden sollen.

|| S. 341 PDF || Der Ministerrat trat einhellig dem Antrage des Staatsrates bei, daß die Tabularangelegenheiten bei der königlichen Tafel im Sinne des Ah. Reskriptes vom 23. Juni 1864 15 in einem Senate von mindesten acht Richtern und einem Vorsitzenden zu verhandeln seien16.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokoll zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 24. Mai 1865. Empfangen 25. Mai 1865. Erzherzog Rainer.